Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.03.2007

OLG Düsseldorf: herausgabe, widerklage, aufsichtsrat, geschäftsordnung, besitz, hauptsache, satzung, vergütung, manager, einsichtnahme

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 119/06
Datum:
22.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 119/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im
Übrigen das am 8. Mai 2006 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichter – teilweise dahin abgeändert,
dass die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt
wird, an den Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus dem Betrag von 44.878,08 € für die Zeit vom 18. bis
zum 20. Juli 2006 zu zahlen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
1
I.
2
Der Kläger, der bis zum 31. Dezember 2004 als Arbeitnehmervertreter dem Aufsichtsrat
der Beklagten angehörte, hat von der Beklagten die Auszahlung der variablen
Vergütung (Tantieme) für das Geschäftsjahr 2004 in Höhe von brutto 44.878,08 € nebst
Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Die Beklagte hat diesen Vergütungsanspruch zwar in
der Klageerwiderung anerkannt, sich aber gleichzeitig auf ein Zurückbehaltungsrecht
berufen, weil der Kläger die Herausgabe der in Anlage B 1 aufgeführten Unterlagen
einschließlich Duplikaten und Ablichtungen verweigert hatte, die ihm im Rahmen seiner
Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten übermittelt worden waren. Mit der
Widerklage hat sie die Herausgabe der genannten Unterlagen geltend gemacht. Im
Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug
3
genommen.
Das Landgericht hat der Klage unter gleichzeitiger Abweisung des Zinsanspruchs Zug
um Zug gegen Herausgabe der streitgegenständlichen Unterlagen sowie der
Widerklage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe
des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und fristgerecht begründete
Berufung des Klägers.
5
In der Berufungsinstanz hält der Kläger seine bisher vertretene Rechtsauffassung
aufrecht. Da die Haftung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gemäß §§ 116 Satz 1, 93
Abs. 6 AktG erst in fünf Jahren, also zum 31. Dezember 2009, ende und ihn nach §§ 116
Satz 1, 93 Abs. 2 AktG die Beweislast für fehlende Pflichtwidrigkeit treffe, habe er ein
vitales und vorrangiges Interesse daran, zumindest für diesen Zeitraum
eigenverantwortlich und uneingeschränkt auf die Unterlagen zugreifen zu können,
welche die relevanten Informationen und Entscheidungen während der Dauer seiner
Tätigkeit im Aufsichtsrat enthielten.
6
Die in § 10 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats der Beklagten (nachfolgend
...) geregelte Rückgabepflicht verschärfe die Verschwiegenheitspflicht in unzulässiger
Weise, weil ihm mit den Aufsichtsratsunterlagen jede Möglichkeit genommen werde,
über Reden oder Schweigen zu entscheiden.
7
Ein ehemaliger Top-Manager der Beklagten, Herr Dr. G., der sowohl straf- als auch
zivilrechtlich gegen die Beklagte vorgehe, halte im Zusammenhang mit den von ihm
behaupteten Praktiken um das Unternehmern "XY" auch dem Aufsichtsrat vor, dass er
das "Treiben des Vorstandes der Beklagten", seit Ende 1998 Anlagevermögen in
Milliardenhöhe weggegeben und verlorene Zahlungen in Millionenhöhe geleistet zu
haben, nicht ordnungsgemäß überwacht habe. Dieser Vorhalt - gleich ob berechtigt oder
unberechtigt - treffe auch ihn, den Kläger.
8
Der Kläger hat in der Berufungsinstanz ursprünglich beantragt, das am 8. Mai 2006
verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf teilweise abzuändern und die Beklagte -
entgegen der Verurteilung in der angefochtenen Entscheidung - unbedingt zu
verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 44.878,08 € zuzüglich Zinsen in Höhe von
5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie die Widerklage
abzuweisen. Nachdem der Kläger am 12. Juli 2006 vorbehaltlos die im erstinstanzlichen
Urteilstenor aufgeführten Unterlagen an die Beklagte nahezu vollständig
herausgegeben und im Schreiben vom 14. Juli 2006 (B 9) versichert hat, keine weiteren
Unterlagen aus der Zeit seiner Aufsichtsratstätigkeit im Besitz zu haben, erklärten die
Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Widerklage am 28. November 2006
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Nachdem die Beklagte ausweislich des
Schreibens vom 19. Juli 2006 (B 10) und des Buchungsbelegs (B 11) die
Klagehauptforderung am 20. Juli 2006 in Höhe von 44.878,08 € überwiesen hat,
erklären die Parteien den Rechtsstreit auch hinsichtlich der Klagehauptforderung
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.
9
Der Kläger beantragt nunmehr,
10
1. das am 8. Mai 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf teilweise
abändernd aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 44.878,08 € seit
dem 30. September 2005 bis zum 20. Juli 2006 zu zahlen;
11
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2. die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der erledigten Klagehauptforderung und
der erledigten Widerklage der Beklagten aufzuerlegen.
13
14
Die Beklagte beantragt,
15
1. die Berufung zurückzuweisen;
16
17
2. die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der Widerklage dem Kläger
aufzuerlegen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Ein Anspruch auf Prozesszinsen stehe
dem Kläger in Ermangelung eines fälligen und einredefreien Anspruchs nicht zu. Der
Zahlungsanspruch des Klägers sei von ihr nur Zug um Zug gegen Herausgabe der im
Urteil des Landgerichts genannten Unterlagen zu erfüllen gewesen. Dieser Anspruch
habe sich aus § 10 Abs. 3 der ... in der geänderten Fassung vom 30. Juli 2002 ergeben,
die unstreitig in Anwesenheit des Klägers bei einer Stimmenthaltung beschlossen
worden sei (B 7).
20
Die Rückgabeverpflichtung verschärfe nicht das Schweigegebot gemäß §§ 116, 93 Abs.
1 Satz 3 AktG und stehe auch nicht im Widerspruch zu § 107 Abs. 2 Satz 4 AktG.
21
Die rechtliche Auseinandersetzung zwischen ihr und einem ehemaligen Manager in
Sachen "XY" sei für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang. Weder aktuelle noch
ehemalige Mitglieder ihres Aufsichtsrats seien straf- oder zivilrechtlich unmittelbar
betroffen. Wenn sich dies ändern sollte, würde sie bei berechtigtem Interesse des
Klägers ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Zugang und Einsichtnahme in relevante
Unterlagen entsprechen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug
genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die
nachstehend getroffenen tatsächlichen Feststellungen.
23
II.
24
Die Berufung des Klägers hat nur in Höhe weniger Zinstage Erfolg.
25
Der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 44.878,08 € seit Zustellung der Klage am 30.
September 2005 bis zum 20. Juli 2006 ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB nur für den
Zeitraum vom 18. bis zum 20. Juli 2006 gerechtfertigt.
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1. § 291 BGB setzt eine fällige und durchsetzbare Geldschuld voraus. Ein
Zurückbehaltungsrecht begründet eine Einrede mit der Wirkung, dass die Forderung
noch nicht im Sinne des § 291 Satz Halbsatz 2 BGB fällig ist (BGHZ 55, 198, 200;
Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 291 Rdnr. 5). Bis zum 16. Juli 2006 stand dem
Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Auszahlung seiner variablen
Aufsichtsratsvergütung in Höhe von 44.878,08 € das von der Beklagten wegen ihres
Anspruchs gemäß § 10 Abs. 3 ... gegen den Kläger auf Herausgabe der in Anlage B 1
aufgeführten Aufsichtsratsunterlagen einschließlich Duplikaten und Ablichtungen
geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB entgegen, so dass
eine Verzinsung bis zu diesem Zeitpunkt entfiel.
27
Erst mit dem Eingang des Schreibens des Klägers vom 14. Juli 2006 bei der Beklagten
am 17. Juli 2006 (B 9), in welchem er, nachdem er am 12. Juli 2006 vorbehaltlos die
Unterlagen nahezu vollständig an die Beklagte herausgegeben hatte, versichert hat,
keine weiteren Unterlagen aus der Zeit seiner Aufsichtsratstätigkeit im Besitz zu haben,
ist der Herausgabeanspruch der Beklagten vollständig erfüllt gewesen und das
Zurückbehaltungsrecht weggefallen. Da die Beklagte unstreitig erst am 20. Juli 2006 die
Aufsichtsratsvergütung an den Kläger gezahlt hat, schuldet sie vom 18. (entsprechend §
187 Abs. 1 BGB; vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, § 187 BGB Rdnr. 1 a. E., § 286 BGB Rdnr.
32) bis zum 20. Juli 2006 (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, § 286 BGB Rdnr. 33) Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 44.878,08
€.
28
2. Die Beklagte war bis zum 17. Juli 2006 berechtigt, die Zahlung der von ihr
geschuldeten Vergütung gemäß § 273 Abs. 1 BGB bis zur Herausgabe der aus der
Anlage B 1 ersichtlichen Unterlagen zu verweigern, weil ihr nach § 10 Abs. 3 ... in der
Fassung vom 30. Juli 2002 ein entsprechender Anspruch zustand.
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Nach § 10 Abs. 3 GO-AR in der Fassung vom 30. Juli 2002 (B 6) sind die Mitglieder des
Aufsichtsrats bei einem Ausscheiden aus dem Amt verpflichtet, "sämtliche Unterlagen
wie Schriftstücke, Korrespondenzen, Aufzeichnungen und dergleichen, die sich auf
Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen und die sich in ihrem Besitz befinden,
unverzüglich an die Gesellschaft zu übergeben. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch
auf Duplikate und Ablichtungen. Den Mitgliedern des Aufsichtsrats steht kein
Zurückbehaltungsrecht an derartigen Unterlagen zu".
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Diese Regelung ist wirksam.
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a) Im Zusammenhang mit § 170 Abs. 3 AktG ist anerkannt, dass in der
Geschäftsordnung oder Satzung eines Aufsichtsrats derartige Rückgabepflichten
geregelt werden dürfen (Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 170 Rdnr. 14; MünchKomm/Kopff, AktG,
2. Aufl., § 170 Rdnr. 80, 81). Nach § 170 Abs. 3 Satz 1 AktG hat jedes
Aufsichtsratsmitglied das Recht, von den Vorlagen und Prüfungsberichten Kenntnis zu
nehmen. § 170 Abs. 3 Satz 2 AktG bestimmt, dass die Vorlagen und Prüfungsberichte
auch jedem Aufsichtsratsmitglied zu übermitteln sind. Laut Begründung der
Bundesregierung zu § 170 Abs. 3 Satz 2 AktG (Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle
und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BT-Drucks. 13/9712, S. 22) sind
diese "Unterlagen" "auszuhändigen" und nicht nur zur kurzfristigen Einsicht auszulegen.
Gleichzeitig wird jedoch darauf hingewiesen, dass Aushändigen nicht Übereignung zum
endgültigen Verbleib bedeute. "Dies mag im einzelnen der Aufsichtsrat intern regeln".
Damit hat der Gesetzgeber die Frage der Rückgabepflicht der internen Regelung mittels
Satzung oder Geschäftsordnung durch den Aufsichtsrat überlassen. Dass sich diese
Kompetenz nicht nur auf vertrauliche Unterlagen bezieht, folgt schon daraus, dass zu
den Vorlagen gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 AktG auch der Jahresabschluss gehört, der
spätestens mit der Beschlussfassung in der Hauptversammlung nicht mehr vertraulich
ist.
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b) Die Regelung in § 10 Abs. 3 ... enthält keine unzulässige Verschärfung des in §§ 116,
93 Abs. 1 Satz 3 AktG geregelten gesetzlichen Verschwiegenheitsgebots für
Aufsichtsratsmitglieder, das in § 10 Abs. 1 ... einschließlich einer Präzisierung
vollständigen Eingang gefunden hat.
33
Der Gesetzgeber hat in §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 3 AktG nur den Inhalt und den Umfang
der Schweigepflicht als Ausfluss der jedem Organmitglied obliegenden Treue- und
Sorgfaltspflicht allgemeinverbindlich und abschließend geregelt (BGHZ 64, 325, 327),
aber keine Entscheidung darüber getroffen, wer die überlassenen vertraulichen
Unterlagen aufzubewahren hat. Dem Aufsichtsrat ist es daher nicht verwehrt, nach
Beendigung der Amtszeit eine Rückgabeverpflichtung hinsichtlich während der
Aufsichtsratsmitgliedschaft überlassener Unterlagen vorzusehen. Diese
Rückgabeverpflichtung nach dem Ausscheiden aus dem Amt beschränkt nicht die
Freiheit der Aufsichtsratsmitglieder, die Reichweite ihres auch dann noch andauernden
Schweigegebots selber zu prüfen.
34
c) Die Regelung in § 10 Abs. 3 ... verstößt auch nicht gegen § 107 Abs. 2 S. 4 AktG.
Danach ist jedem Mitglied des Aufsichtsrats auf Verlangen eine Abschrift der
Niederschrift der Aufsichtsratssitzung auszuhändigen. Diese Vorschrift soll den
Aufsichtsratsmitgliedern eine umfassende Information über den Inhalt der Sitzungen und
der gefassten Beschlüsse ermöglichen. Abgesehen davon, dass § 107 Abs. 2 S. 4 AktG
keine Aussage über die Dauer der Überlassungspflicht trifft, fällt der vorgenannte Grund
für die Überlassung mit der Beendigung des Amtes als Aufsichtsratsmitglied fort.
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d) Die Regelung des § 10 Abs. 3 ... stellt auch das Ergebnis einer sachgerechten
Abwägung der gegenseitigen Interessen dar. Dem Interesse der Beklagten an einer
sicheren und an einem Ort konzentrierten Verwahrung der den ausgeschiedenen
Aufsichtsratsmitgliedern überlassenen Unterlagen, die ihr eine Dokumentation
ermöglicht, welche Unterlagen welchem Aufsichtsratsmitglied zu welchem Zeitpunkt zur
Verfügung gestanden haben, steht das Interesse des ausgeschiedenen Klägers
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gegenüber, bis zum Ablauf der fünfjährigen Haftungsdauer gemäß §§ 116 Satz 1, 93
Abs. 6 AktG jederzeit unmittelbar auf die ihm überlassenen Unterlagen zugreifen zu
können. Da jedes Aufsichtsratsmitglied im Fall der Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Überwachungspflicht eines
Aufsichtsrates gegen die Beklagte einen Anspruch auf Einsichtnahme in die relevanten
Unterlagen hat und der Verbleib der Unterlagen bei jedem einzelnen
Aufsichtsratsmitglied die Gefahr des Untergangs und/oder der absichtlichen oder
unabsichtlichen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in sich birgt, ist die in § 10
Abs. 3 ... zum Ausdruck kommende höherwertige Einstufung des Interesses der
Beklagten an einer möglichst umfassenden Geheimhaltung nicht zu beanstanden.
e) Für die Wirksamkeit des § 10 Abs. 3 ... im Verhältnis zum Kläger spricht aber vor
allem, dass diese Regelung ausweislich des Protokollauszugs (B 7) in Anwesenheit
des Klägers mit nur einer Stimmenthaltung am 31. Juli 2002 beschlossen worden ist.
Wenn der Kläger nicht gegen diese Geschäftsordnung stimmt, muss er den Inhalt gegen
sich gelten lassen.
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f) Der Kläger war also zur Herausgabe der ihm als Aufsichtsratsmitglied überlassenen
Unterlagen verpflichtet. Eine Inanspruchnahme des Klägers gemäß §§ 116 Satz 1, 93
Abs. 6 AktG hat zu keinem Zeitpunkt gedroht. Der Kläger ist dem Vortrag der Beklagten,
dass die rechtliche Auseinandersetzung zwischen ihr und einem ehemaligen Manager
in Sachen "XY" weder aktuelle noch ehemalige Aufsichtsratsmitglieder betreffe, nicht
mehr entgegengetreten.
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3. Der Herausgabeanspruch der Beklagten gegen den Kläger ist fällig gewesen, weil
der Kläger bereits zum 31. Dezember 2004 aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden war.
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4. Zwischen dem Zahlungsanspruch des Klägers und dem Herausgabeanspruch des
Beklagten hat auch die für § 273 BGB erforderliche Konnexität bestanden.
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Nach § 273 Abs. 1 BGB müssen der Anspruch des Gläubigers und der Gegenanspruch
des Schuldners auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt es, wenn ein natürlicher und wirtschaftlicher
Zusammenhang zwischen den Ansprüchen, also ein einheitliches Lebensverhältnis,
besteht (Palandt/Heinrichs, aaO, § 273 Rdnr. 9 m. w. N.). Mit der Bestellung zum
Mitglied des Aufsichtsrats entsteht ein korporationsrechtliches Verhältnis zwischen dem
Aufsichtsratsmitglied und der Gesellschaft, aus dem organschaftliche Rechte und
Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes hervorgehen (Hüffer, aaO, § 101 Rdnr. 2). Sowohl
der Anspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Herausgabe der ihm überlassenen
Aufsichtsratsunterlagen als auch der Vergütungsanspruch des Klägers für seine
Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied folgen aus diesem bis zum 31. Dezember 2004
bestehenden einheitlichen Lebensverhältnis.
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III.
42
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der mit der Klage geltend
gemachten Hauptforderung und in Bezug auf die Widerklage übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, sind nach § 91a Abs. 1 ZPO sowie entsprechend
§§ 93, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.
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Das entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
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Streitstandes.
1. Hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Hauptforderung fallen die Kosten
des Rechtsstreits dem Kläger entsprechend § 93 ZPO zur Last, weil die Beklagte seinen
Vergütungsanspruch sofort anerkannt und ihm keinen Anlass zur Klageerhebung
gegeben hat.
45
a) Ihr Anerkenntnis in der Klageerwiderung, allerdings nur Zug um Zug gegen
Herausgabe der Aufsichtsratsunterlagen, ist als sofortiges Anerkenntnis im Sinne des
§ 93 ZPO anzusehen. Denn wer zu einer Leistung nur Zug um Zug gegen Erbringung
einer Gegenleistung verpflichtet ist, erkennt "sofort" an, wenn er die Leistung von eben
dieser Gegenleistung abhängig macht, wie es die Beklagte getan hat (OLG Köln,
FamRZ 1989, 877, 878; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 65. Aufl., § 93 Rdnr. 106;
Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 93 Rdnr. 6 "Einwendungen").
46
b) Die Beklagte hatte ihr Zurückbehaltungsrecht bereits außergerichtlich mit Schreiben
vom 7. Juni 2005 (B 5) gegenüber dem Kläger geltend gemacht, in welchem sie ihm die
Höhe der ihm zustehenden Vergütung mitgeteilt und deren Zahlung für den Fall der
Rückgabe der Aufsichtsratsunterlagen zugesagt hatte. An einer Veranlassung zur
Klageerhebung fehlt es daher.
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2. Da die Zinsnebenforderung bis auf wenige Zinstage unbegründet ist, trifft den Kläger
entsprechend § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. Zöller/Herget, aaO, § 92 Rdnr. 11) auch
insoweit die volle Kostentragungspflicht.
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3. Mit ihrer Widerklage hätte die Beklagte ohne die Erledigungserklärung Erfolg gehabt,
weil ihr der geltend gemachte Herausgabeanspruch, wie bereits dargelegt, zugestanden
hat, so dass auch insoweit die Kosten vom Kläger zu tragen sind.
49
IV.
50
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709
Satz 2 ZPO.
51
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
zugelassen, weil der Bundesgerichtshof noch nicht über die hier
entscheidungserhebliche Grundsatzfrage entschieden hat, ob der Aufsichtsrat einer
Aktiengesellschaft in seiner Geschäftsordnung oder Satzung wirksam bestimmen kann,
dass jedes Aufsichtsratsmitglied nach seinem Ausscheiden alle Unterlagen, die ihm im
Rahmen seiner Tätigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats übermittelt wurden,
einschließlich Duplikaten und Ablichtungen herausgeben muss.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird wie folgt festgesetzt:
53
bis zum 27. November 2006: 47.878.08 €
54
(Klage: 44.878,08 €; Widerklage: 3.000,-- €)
55
vom 28. November bis zum 13. Dezember 2006: 44.878,08 €
56
ab dem 14. Dezember 2006: bis 2.500,00 €
57
(§§ 47, 48 Abs. 1 GKG, 3, 4 Abs. 1 ZPO).
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