Urteil des OLG Düsseldorf vom 06.06.2007

OLG Düsseldorf: beherrschende stellung, markt, stadt, verfügung, gas, handelsunternehmen, wirtschaftliche einheit, abhängigkeit, amt, gesellschafterversammlung

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-2 Kart 7/04 (V)
Datum:
06.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-2 Kart 7/04 (V)
Tenor:
Die Beschwerden der Beteiligten gegen die Verfügung des
Bundeskartellamts
vom 12. September 2003 (B 8 - Fa - 21/03) werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zugelassen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die in diesem Ver-
fahren zur zweckentsprechenden Erledigung notwendigen Kosten des
Bundeskartellamts und der Beigeladenen werden den Beteiligten zu je
einem Viertel auferlegt.
Gründe:
1
I.
2
Aufgrund notariellen Kauf- und Abtretungsvertrags vom 28.3.2003 beabsichtigt die
Beteiligte zu 2 (X.) zum Nennbetrag von 975.000 EUR den Erwerb eines Drittels der
Geschäftsanteile an der Beteiligten zu 4 (Stadtwerke E. GmbH). Auf den
Gesellschaftsvertrag und den Konsortialvertrag wird verwiesen (Anlagen BF 45 und 46).
3
Die Beteiligte zu 2 (X.) betätigt sich in Teilen von H., N. und O. als regionaler
Stromversorger und nach Verschmelzung der M. GmbH mit Wirkung vom 1.1.2003 auch
bei der Gasversorgung. Über Mehrheitsbeteiligungen an der X. W... GmbH und der X.
P... GmbH nimmt X. zudem an der Wasser- und Wärmeversorgung teil. Strom bezieht X.
von Y.-Konzernunternehmen. Der Gasbedarf wird durch Lieferungen der G. GmbH, F.,
gedeckt. X. versorgt damit Stadtwerke und Endverbraucher (Großkunden sowie
Haushalts- und Kleingewerbekunden). 2002 erzielte X. einen Umsatzerlös von rund 880
Mio EUR. Die Beteiligte zu 1 (Y. E... AG), ein 100 %iges Tochterunternehmen der Y. AG
in D., hält 73 % des Aktienbestandes an X..
4
Die Beteiligte zu 4 (Stadtwerke E. GmbH) ist von der Beteiligten zu 3 (Kreisstadt E.)
gegründet worden und steht in deren alleinigem Anteilsbesitz. Die Stadtwerke E.
5
beliefern die Kreisstadt E., umliegende Gemeinden und zwei private Energieversorger
mit Strom (Elektrizitätswerk WS. KG, W., sowie Elektrizitätswerk R. GmbH, E.). Sie sind
Mitglied der Gesellschaft für kommunale Kooperation (GKK), die für regionale
Elektrizitätsversorger Stromeinkäufe vermittelt. Bislang bezogen die Stadtwerke E.
Strom nahezu ausnahmslos von X.. Daneben versorgen sie die Stadt E. (nebst
Ortsteilen) und einen Teil der Stadt W. mit Gas. Gaslieferant ist die G. GmbH, F. Im
Bereich von E. verlaufen ausschließlich Gasleitungen der G.. Im Jahr 2001 setzten die
Stadtwerke E. (unter Einbeziehung der Geschäftsfelder Wasser- und Wärmelieferungen)
knapp 27 Mio EUR um.
Im Januar 2003 meldete die Beteiligte zu 1 (Y. E... AG) die Beteiligung der X. an den
Stadtwerken E. beim Bundeskartellamt an. Durch Verfügung vom 12.9.2003 (B 8 – Fa –
21/03) untersagte das Amt den Zusammenschluss und begründete dies damit, die
Beteiligung verstärke marktbeherrschende Stellungen beim Absatz von Elektrizität, und
zwar auf den Märkten für die Belieferung von Weiterverteilern und von
industriellen/gewerblichen Großkunden mit Strom. Auf den genannten Märkten bildeten
die Konzerne Y. und Z. ein marktbeherrschendes Duopol.
6
Auf dem Weiterverteilungsmarkt werde auch durch eine Minderheitsbeteiligung des
Konzernunternehmens X. die Marktstellung von Y. verstärkt, da – so das Ergebnis einer
Auswertung des Konsortialvertrages durch das Bundeskartellamt – aufgrund der
Beteiligung zu erwarten sei, dass die Stadtwerke E. beim Einkaufsverhalten auf die
Absatzbelange der X. Rücksicht nähmen und dadurch deren bisherige
Lieferantenposition festigten. Dies übe auf potentielle Wettbewerber eine entmutigende
Signalwirkung aus. Außerdem setzten die Konzerne Y. und Z. im Sinn einer
Absatzsicherungsstrategie zunehmend vertikale Beteiligungen an
Regionalversorgungsunternehmen und Stadtwerken zur weiteren Festigung ihrer
Marktstellungen ein.
7
Auch auf dem Großkundenmarkt trete eine Verstärkungswirkung ein, denn bei einem
Zusammenschluss gerieten die darauf entfallenden Marktanteile der Stadtwerke E.
ebenfalls unter die Kontrolle des Duopols.
8
Darüber hinaus werde durch den Zusammenschluss auf dem in Betracht zu ziehenden
Gasmarkt eine marktbeherrschende Stellung der G. GmbH verstärkt. Die G. beherrsche
aufgrund ihres Leitungsnetzes im Bereich von E. schon jetzt den regionalen Markt für
die Belieferung von Weiterverteilern mit Gas. Nach einem Zusammenschluss werde
sich X. im Sinne einer Konsolidierung der Marktbeherrschung erwartungsgemäß dafür
einsetzen, dass die Stadtwerke E. Gas weiterhin von der G. bezögen. Dass dadurch die
marktbeherrschende Stellung eines am Zusammenschluss unbeteiligten Dritten gestärkt
werde, sei einer Untersagung nicht abträglich. Denn an der G. (wie an X.) sei der Y.-
Konzern beteiligt (über eine Beteiligung von Y. am Gesellschafter R2. E... -AG der G.
sowie dadurch, dass an der Gesellschafterin M2. AG das Y.-Konzernunternehmen T.
AG, ..., beteiligt ist). Davon abgesehen beziehe die G. etwa drei Viertel ihres Gasbedarfs
von der Y./R2. AG.
9
Zugesagte Kompensationen bewertete das Bundeskartellamt als ungenügend.
10
Die Städtischen Werke AG K. wurden vom Bundeskartellamt beigeladen, da sie sich
ebenfalls um einen Anteilserwerb an den Stadtwerken E. beworben hatten.
11
Die Beteiligten haben gegen die Verfügung des Bundeskartellamts Beschwerde
erhoben. Auf dem Elektrizitätssektor stellen sie eine Beherrschung des Weiterverteiler-
und des Großkundenmarktes durch ein aus den Konzernen Y./Z. bestehendes Duopol
sowie eine Verstärkung durch das Zusammenschlussvorhaben in Abrede. Die
Beteiligten beanstanden, das Bundeskartellamt habe seiner Entscheidung fehlerhaft
inaktuelle Marktdaten aus dem Jahr 2001 und früher (namentlich die bei seinen
Entscheidungen in Sachen Y./B.... und Y./ G..... herangezogenen Marktverhältnisse)
zugrunde gelegt. Die – so machen die Beteiligten geltend – jedenfalls seither
maßgeblich, und zwar hin zu einem effektiven Wettbewerb, veränderten
Marktverhältnisse seien nicht ermittelt worden. Demnach habe das Bundeskartellamt die
aktuellen Marktanteile von Y. und Z. unzutreffend beziffert. Auch bestehe unter den
Konzernen Y. und Z. in Wahrheit wesentlicher Wettbewerb. Dasselbe habe im
Außenverhältnis zu gelten. Namentlich auf dem Markt für die Belieferung von
Weiterverteilern wirke sich der Zusammenschluss im Übrigen nur marginal aus.
Keinesfalls würden dadurch die Marktverhältnisse strukturell nachteilig verändert.
12
Auf dem Gasmarkt für die Belieferung von Weiterverteilern verneinen die Beteiligten
eine beherrschende Stellung der G.. Sie meinen zudem, mit der marktbeherrschenden
Stellung eines Drittunternehmens und deren Verstärkung dürfe die Untersagung eines
Zusammenschlusses nicht begründet werden.
13
Wettbewerbliche Restbedenken seien durch die angebotenen Kompensationen als
ausgeräumt anzusehen.
14
Während des Beschwerdeverfahrens führte das Bundeskartellamt, bezogen auf die
Jahre 2002 und 2003/2004, weitere Marktdatenerhebungen auf dem Elektrizitätssektor
durch (letztgenannte auf den Beschluss des Senats vom 6.10.2005, GA 762 f.; vgl. den
Auskunftsbeschluss nach § 59 GWB als Anlage 32 a zum Schriftsatz des
Bundeskartellamts vom 15.3.2003).
15
Beruhte die angefochtene Verfügung bei den in Betracht gezogenen Strommärkten
bislang auf der herkömmlichen räumlichen und sachlichen Marktabgrenzung (Ebenen
der Verbundunternehmen/Stromerzeuger und -importeure, der regionalen und lokalen
Weiterverteiler sowie der Endkunden – industrielle/gewerbliche Großkunden sowie
Kleinkunden), so hat das Bundeskartellamt diese aufgrund der Auswertung der auf die
Jahre 2003 und 2004 bezogenen Marktuntersuchung nunmehr modifiziert. Das Amt geht
wegen zwischenzeitlicher Veränderungen auf dem Stromhandelssektor nunmehr von
sachlich abzugrenzenden Märkten auf einer Erzeugungsstufe, einer Distributionsstufe
und einer Endkundenstufe aus (vgl. insbesondere Anlage 32 zum Schriftsatz des
Bundeskartellamts vom 15.3.2006 und Anlage A zum Schriftsatz vom 30.11.2006). Auf
der Distributionsstufe grenzt das Amt einen sachlichen Markt für den erstmaligen Absatz
von Elektrizität ab. Nach seiner Auffassung sind die Konzerne Y. und Z. beim Erstabsatz
von Strom sowie auf dem Markt für den Elektrizitätsabsatz an industrielle und
gewerbliche Großkunden als Duopol marktbeherrschend. Den Erstabsatzmarkt und den
Großkundenmarkt betrachtet das Bundeskartellamt als durch die Stromerzeugung
determiniert, da der Elektrizitätshandel von einer entsprechenden Stromerzeugung
abhängig sei. Die Stromerzeugung werde von den Konzernen Y. und Z. duopolistisch
beherrscht. Den Ansatz der angefochtenen Verfügung, dass die betreffenden Märkte in
geographischer Hinsicht bundesweit abzugrenzen seien, behält das Bundeskartellamt
hingegen bei.
16
Die Beteiligten bekämpfen die räumliche und die sachliche Marktabgrenzung des
Amtes. Sie streben in räumlicher Hinsicht eine europaweite Marktabgrenzung an und
verneinen eine Marktbeherrschung durch ein Duopol sowie deren Verstärkung durch die
Freigabe des Zusammenschlussvorhabens. Sie bemängeln das Fehlen einer
umfassenden Klärung der Marktverhältnisse auf dem Stromhandelsmarkt
(Distributionsstufe) und bestreiten die vom Bundeskartellamt zugrunde gelegten
Stromerzeugungskapazitäten sowie die Erzeugungsanteile einschließlich der für einen
Erstabsatz zur Verfügung stehenden Elektrizitätsmengen, ferner die Richtigkeit der auf
die Jahre 2003 und 2004 abstellenden Marktdatenerhebung und der Datenauswertung
(GA 983, 995). Nach Meinung der Beteiligten ist bei funktionierenden
Preisbildungsmechanismen auf den in Betracht zu ziehenden Elektrizitätsmärkten eine
allenfalls mäßiggradige Konzentration festzustellen.
17
Die Beteiligten beantragen,
18
die angefochtene Verfügung aufzuheben.
19
Das Bundeskartellamt beantragt,
20
die Beschwerden zurückzuweisen.
21
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
22
Das Bundeskartellamt und die Beigeladene verteidigen die angefochtene Verfügung
und die Begründung.
23
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
24
II.
25
Die Beschwerden sind unbegründet.
26
Das Bundeskartellamt hat die Beteiligung der X. an der Stadtwerke E. GmbH nach § 36
Abs. 1 GWB mit Recht untersagt. Die Beteiligung führte zu einer Verstärkung
marktbeherrschender Stellungen auf den Absatzmärkten für Elektrizität und Gas. Die
vom Bundeskartellamt vorgetragenen Ergebnisse der in der Zeit vom 29. bis 31.5.2006
bei Y.-Konzernunternehmen durchgeführten Durchsuchungen sind der
Beschwerdeentscheidung nicht zugrundegelegt worden.
27
1. Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf Strommärkten:
28
a) Aufgrund des Vorhabens der X., Geschäftsanteile an der Stadtwerke E. GmbH zu
erwerben, ist der Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 3 b GWB gegeben.
Es sollen von X. 33 % der Geschäftsanteile an den Stadtwerken E. erworben werden.
29
b) Der Zusammenschluss lässt erwarten, dass sich die marktbeherrschende Stellung,
welche die Y. AG, ..., gemeinsam mit der Z. AG, ..., im Sinn eines Duopols auf Märkten
für den Absatz von Strom innehat (§ 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S 2 GWB), verstärken wird.
Das Konzern-Mutterunternehmen Y. AG und X. sind nach § 36 Abs. 2 GWB als
einheitliches Unternehmen anzusehen. Denn X. wird nach § 17 Abs. 1 AktG von der Y.
30
E... AG (der Beteiligten zu 1) beherrscht, die 73 % des Aktienbestandes der X. auf sich
vereinigt und infolgedessen einen beherrschenden Einfluss auf diese ausüben kann.
Die Y. E... AG wird ihrerseits von der Muttergesellschaft Y. AG, der sie vollständig
gehört, beherrscht.
aa) Sachlich betroffen sind die Märkte für den Erstabsatz von Elektrizität und für den
Absatz von Strom an industrielle und gewerbliche Großkunden. Der räumlich relevante
Markt ist in beiden Fällen bundesweit abzugrenzen. Die Marktabgrenzung beruht auf der
das Jahr 2003 betreffenden Marktdatenerhebung des Bundeskartellamts auf den
Elektrizitätsmärkten. Im Ergebnis ist der Beurteilung des Bundeskartellamts danach
zuzustimmen. Die Erkenntnisse der Marktdatenerhebung für das Jahr 2004 sind dabei
lediglich unterstützend herangezogen worden. Die Erhebung ist nur deswegen
veranlasst gewesen, weil sich aus ihr jene von den Beteiligten behaupteten und für eine
wettbewerbliche Unbedenklichkeit des Zusammenschlusses sprechenden aktuellen
Marktverhältnisse ergeben konnten, die sich eigneten, die angefochtene Verfügung
unbegründet erscheinen zu lassen. Jedoch ist das Gegenteil der Fall. Das Ergebnis der
Marktdatenerhebung für 2004 widerspricht nicht den in den Vorjahren gewonnenen
Erkenntnissen, sondern bestätigt sie.
31
Die jüngsten Datenerhebungen des Bundeskartellamts lassen deutlich werden, dass
die hergebrachte Marktabgrenzung auf dem Elektrizitätssektor schon 2003 teilweise
nicht mehr zutreffend war. Herkömmlicherweise bildeten im Sinn einer vertikalen
Gliederung eine erste, bundesweit abzugrenzende Marktstufe die stromerzeugenden
und -importierenden Unternehmen (namentlich die heutigen Verbundunternehmen Y.
AG, Z. AG, V. AG, W2 AG und deren Vorgänger sowie andere inländische
Stromerzeuger und -importeure), denen auf einer zweiten Stufe, einem bundesweiten
Weiterverteilermarkt, regionale Stromversorgungsunternehmen und lokale
Weiterverteiler (insbesondere Stadtwerke) als Nachfrager gegenüberstanden. Auf einer
dritten Marktstufe fragten Endkunden einen Strombezug von weiterverteilenden
Unternehmen nach. Als – wegen unterschiedlichen Abnahmeverhaltens – jeweils
gesonderte Endkundenmärkte wurden die Belieferung von Kleinkunden (nicht
leistungsgemessene Haushalts-, Kleingewerbe- sowie landwirtschaftliche Kunden -
Kleinkundenmarkt, räumlich begrenzt auf das Netzgebiet des jeweiligen
Weiterverteilers) und die Belieferung von (leistungsgemessenen)
gewerblichen/industriellen Großkunden (bundesweiter Großkundenmarkt) betrachtet.
32
aaa) Nach Maßgabe der insoweit außer Streit stehenden Ermittlungen des
Bundeskartellamts sind auf den erstgenannten Marktstufen seit dem Jahr 2000
erhebliche Veränderungen eingetreten. So entwickelte sich auf der Erzeugungs- und
Importebene die Zahl der damals acht Verbundunternehmen durch Zusammenschlüsse
bereits 2003 auf vier verbleibende Unternehmen zurück (Y. AG, Z. AG, V. AG, W2 AG).
Zeitgleich erwarben die Verbundunternehmen zunehmend Minderheitsbeteiligungen
(zwischen 10 und 49,9 %) an regionalen und lokalen Stromversorgungsunternehmen
(insbesondere Stadtwerken). Im Jahr 2000 hielten Y. 90 und Z. 35
Minderheitsbeteiligungen (insgesamt 125) an knapp 900 regionalen und lokalen
Stromversorgern in Deutschland. Ende 2002 waren es 134 bei Y. und 59 bei Z.
(insgesamt 194). Im Jahr 2004 nahmen solche Beteiligungen auf mehr als 200 weiter zu
(Y. 134, Z. 70). Mehrheitsbeteiligungen in geringerer Zahl sind hinzuzurechnen.
Unterdessen nehmen Y. und Z. bei annähernd 70 % der
Stromversorgungsunternehmen, an denen sie Minderheitsbeteiligungen halten,
gleichzeitig die Position des Stromlieferanten ein. Auf einer in sachlicher Hinsicht nach
33
wie vor im hergebrachten Sinn zu definierenden und vom Bundeskartellamt
zugrundegelegten ersten Marktstufe hat – bei sich verstärkender vertikaler Integration –
der früher schon vorhandene Konzentrationsgrad daher nicht ab-, sondern deutlich
zugenommen.
bbb) Zugleich hat auf der Verteilungsstufe (zweite Marktstufe) der Stromhandel an
Bedeutung gewonnen. So gründeten die Verbundkonzerne eigene
Handelsunternehmen, die neben konzerneigenen Regionalversorgern auf der
Großhandelsstufe Strom an Weiterverteiler sowie unabhängige Händler vertreiben.
Außerdem bündelten regionale und lokale Stromversorger ihren Bedarf und schlossen
sich zu Einkaufsgemeinschaften zusammen, wobei auch dadurch weitere
Konzentrationswirkungen hervorgerufen wurden. Derartige Einkaufsgemeinschaften
sowie größere Stadtwerke handeln über eine bloße Eigenbedarfsdeckung hinaus
neben unabhängigen und Konzernhandelsunternehmen ihrerseits mit Elektrizität.
Weiterverteiler und Stromhändler treten demnach nicht nur als Nachfrager gegenüber
Erzeugern, sondern zugleich als Anbieter gegenüber anderen Handelsunternehmen
und Weiterverteilern auf. Parallel dazu veränderte sich nach 2002 auch die
Angebotsstruktur. Vermehrt wurden differenzierte Bezugsverträge über verschiedene
Lastbereiche (Grund-, Mittel-, Spitzenlast) mit unterschiedlichen Laufzeiten angeboten,
ersichtlich nachgefragt und abgeschlossen. Gleiches gilt mit Rücksicht auf integrative
Versorgungs- und Systemlösungen (z.B. Contracting-Leistungen). Handelsplätze und -
formen sind die Leipziger Strombörse EEX, Internet und Telefon, Spot- und
Termingeschäfte, aber auch sog. OTC- (Over-The-Counter) Geschäfte.
34
Bei der Weiterverteilung von Strom haben sich mithin die Absatzformen und -kanäle, die
Bezugsmöglichkeiten und die Zahl der Akteure erweitert. Vor diesem Hintergrund hat
das Bundeskartellamt mit Recht davon abgesehen, die zweite Marktstufe weiterhin als
solche für einen Absatz von Elektrizität an nachfragende regionale
Stromversorgungsunternehmen und lokale Weiterverteiler (insbesondere Stadtwerke)
zu definieren. Die klassische Marktabgrenzung reicht nicht mehr aus, die veränderten
Marktverhältnisse vollständig zu erfassen. Die zweite Marktstufe ist – mit gewissen
Unschärfen, aber hinreichend differenziert – aufgrund dessen richtigerweise als eine in
räumlicher Hinsicht bundesweit abzugrenzende mehrschichtige Verteilungs- oder
Distributionsstufe zu bezeichnen, auf der Weiterverteiler im herkömmlichen Sinn
(Regionalversorger und Stadtwerke), Stromhandelsunternehmen und die
Verbundunternehmen selbst (diese durch von ihnen beherrschte Stadtwerke,
Regionalversorger und eigene Handelsunternehmen) unabhängig davon, ob sie über
eine eigene Verteilnetzstruktur verfügen, als Anbieter beim Verkauf von Elektrizität
(genauer gesagt: von Strombezugsrechten) an andere, der Distributionsstufe
angehörige Unternehmen und Endkunden tätig sind.
35
Aus den dargestellten Veränderungen ist freilich auf keinen Wettbewerbszuwachs bei
der Stromverteilung zu schließen. Zwar sind bei der vom Bundeskartellamt
unternommenen Bestimmung die Marktanteile der Verbundunternehmen zu Gunsten
derjenigen von Händlern seit dem Jahr 2000 kontinuierlich rückläufig (s. Anlage 32 zum
Schriftsatz des Bundeskartellamts vom 15.3.2006, S. 26). Doch werden die Marktanteile
der Verbundunternehmen dadurch nicht zutreffend abgebildet. Strommengen lassen
sich auf der Distributionsstufe mit zumutbarem Aufwand nicht verlässlich bestimmten
Lieferanten und Abnehmern zuordnen, da Weiterverkaufsgeschäfte vorkommen und
ohne eine Überprüfung jedes einzelnen auf dieser Stufe getätigten Geschäfts nicht
festgestellt werden kann, ob eine Liefermenge unmittelbar zur Bedarfsdeckung des
36
Abnehmers eingesetzt oder von diesem weiterverkauft worden ist. Ohne eine solche
Überprüfung kommt es unabwendbar zu verfälschenden Mehrfachzählungen derselben
Mengen mit der Folge einer überzeichneten Darstellung des tatsächlich gehandelten
und an Endkunden gelangten Stromvolumens – und infolgedessen auch zu einer
Unterzeichnung der von den Verbundunternehmen gehaltenen Marktanteile. Um dies zu
vermeiden, müsste auch bei den Geschäften derjenigen nicht näher bestimmten
Marktteilnehmer (u.a. Einkaufskooperationen und regionaler sowie lokaler Versorger),
die mit eingekauften Strommengen sowohl Endkunden versorgen als auch Handel
treiben, in eine solche Einzelfallüberprüfung eingetreten werden. Dagegen steht fest,
dass sich der Stromhandel immer nur auf die tatsächlich erzeugten und letztlich
verbrauchten Strommengen erstrecken, physikalisch aber zu keiner Zunahme des
Stromverbrauchs und des auf dem Handel beruhenden Absatzes führen kann. Ist nach
den Ermittlungen des Bundeskartellamts der Nettostromverbrauch durch Endkunden im
Inland, und folglich auch der Absatz, in den Jahren 2002 und 2003 im Wesentlichen
unverändert gewesen und auch nach den zur Kontrolle herangezogenen
Vergleichszahlen des VDEW lediglich maßvoll angewachsen (vgl. Anlage 32, S. 24 f),
muss sich, ausgenommen solche Strommengen, die von Erzeugern unmittelbar an
Endkunden geliefert werden, der Handel in die tatsächlichen Stromverbrauchsmengen
geteilt haben. Anderenfalls würde durch Mehrfachzählungen auf der Verteilungsstufe
ein künstlicher Handel vorgespiegelt, der aus Rechtsgründen aus der Betrachtung
auszuscheiden hat (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 5.10.2004 – KVR 14/03, WuW/E DE-R
1355, 1356 f – Staubsaugerbeutelmarkt). Dass die stromerzeugenden
Verbundunternehmen beim Absatz auf der Verteilungsstufe Marktanteile an
Handelsunternehmen verloren haben, ist danach nicht anzunehmen.
Wegen der damit verbundenen Ungewissheiten und Fehlerquellen hat das
Bundeskartellamt das Zweitgeschäft mit Elektrizität allerdings völlig außer Ansatz
gelassen und hat auf der Distributionsstufe als den sachlich relevanten und näher zu
untersuchenden Markt nur den Markt für den erstmaligen Absatz von Strom angesehen.
Dem ist beizupflichten, da die Verteilungsstufe von der Stufe der Elektrizitätserzeugung,
namentlich davon abhängig ist, welche Strommengen produziert werden und zu
welchen Konditionen sie beim erstmaligen Absatz in den Handel gelangen. Da
Elektrizität nicht speicherbar ist, erfolgen Stromlieferungen – vereinfachend ausgedrückt
– durch eine mit dem Lieferauftrag deckungsgleiche Erzeugung von Strom, dessen
Einspeisung in das Verteilnetz und eine entsprechende Entnahme durch Endkunden.
Aus der Nicht-Speicherbarkeit von Strom folgt die Abhängigkeit der nachfolgenden
Stufen von der Erzeugungsstufe. Die erzeugten (oder auch importierten) Strommengen
entsprechen prinzipiell dem von Endkunden nachgefragten Stromvolumen. Die
Ausnutzung der Stromerzeugungskapazitäten wird durch den Einsatz von Regelenergie
innerhalb bestimmter Regelzonen von den Verbundunternehmen gesteuert. Dem
bloßen Handel mit Strom kommt dabei – abgesehen von seiner Verteilungsfunktion und
der Aufgabe, strukturell differenzierte Nachfragen zu befriedigen – keine eigenständige
wettbewerbliche Funktion für die Elektrizitätsmärkte zu. Er kann für die im Streitfall
erforderliche Marktabgrenzung vernachlässigt werden. Denn Stromhändler und
Weiterverteiler, die nicht oder nicht über ausreichende eigene
Stromerzeugungsmöglichkeiten oder über einen vertraglich abgesicherten Zugang dazu
verfügen, haben im Wettbewerb stets nur eine von den sie beliefernden Stromerzeugern
abgeleitete, abhängige Position. Sie sind auf eine Belieferung durch die
stromerzeugenden Unternehmen angewiesen. Das Bundeskartellamt hat dies zu Recht
dahin formuliert: die Marktergebnisse auf der Distributionsstufe, insbesondere der
Erstabsatz von Strom, aber auch auf den Endkundenmärkten, werden durch die
37
Verhaltensweisen der auf der Erzeugungsstufe tätigen Unternehmen determiniert (vgl.
Anlage A zum Schriftsatz des Bundeskartellamts vom 30.11.2006, S. 9, 13). Nach
wirtschaftlicher Erfahrung werden mit Strom handelnde Unternehmen von
Stromerzeugern nur insoweit beliefert, wie die dadurch zu erwirtschaftenden Erlöse
höher sind als die ersparten eigenen Verteilungs- und sonstigen Transaktionskosten.
Drohen infolgedessen allerdings eigene Abnehmer verloren zu gehen, wird der
Erzeuger die Stromabgabemengen erfahrungsgemäß reduzieren oder diese verteuern.
Dem Markt für den Erstabsatz von Strom gehören als Anbieter
Elektrizitätsversorgungsunternehmen an, die eigene oder ihnen aufgrund von Verträgen
verfügbare Stromerzeugungskapazitäten nutzen oder Strom aus dem Ausland
einführen. Dazu zählen die Verbundunternehmen Y., Z., V. und W2., aber auch alle
übrigen Unternehmen, die Elektrizität erzeugen (namentlich unabhängige
Kraftwerksbetreiber und größere Stadtwerke). Von Stromimporten gehen demgegenüber
nur begrenzte und im Ergebnis vernachlässigbare wettbewerbliche Wirkungen aus. Der
Umfang von Stromeinfuhren wird, nur abgesehen von der Grenze zu Österreich, durch
die Leistungsfähigkeit der Kuppelstellen (Interkonnektoren) begrenzt. Importe machen
nach den außer Streit stehenden Feststellungen des Bundeskartellamts aufgrund
dessen weniger als 10 % des inländischen Stromabsatzes aus. In dieser
Größenordnung sind sie ungeeignet, wettbewerbliche Impulse zu geben. Überdies
stehen die Kuppelstellen im Eigentum der Verbundunternehmen, die sie im Ergebnis
vornehmlich für Stromexporte nutzen. Die Relevanz von Stromimporten wird schließlich
ebenso durch den von Deutschland ausgehenden Exportüberschuss entwertet
(genauso auch der Bericht der Bundesnetzagentur nach § 63 Abs. 5 EnWG vom August
2006, S. 42 f). Dass die Grenzübergangsstellen in näherer Zukunft erheblich ausgebaut
werden, machen die Beteiligten nicht geltend.
38
ccc) Daneben hat das Bundeskartellamt auf dem in sachlicher Hinsicht zu erkennenden
Endkundenmarkt für Strom zutreffend danach differenziert, ob Kleinkunden (Haushalte,
gewerbliche und landwirtschaftliche Geringabnehmer) oder industrielle/gewerbliche
Großkunden beliefert werden. Großkunden unterscheiden sich von Kleinkunden durch
höhere Stromabnahmen, eine infolgedessen stärkere Verhandlungsposition sowie
durch Preissensibilität und eine entsprechend höhere Bereitschaft, den Lieferanten
unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gegebenenfalls auszuwechseln. Der
Großkundenmarkt ist in geografischer Hinsicht bundesweit abzugrenzen. Der
Kleinkundenmarkt ist hingegen durch das Verteilnetz des jeweiligen Gebietsversorgers
begrenzt. All dies wird von den Beteiligten nicht mit stichhaltigen Gründen angezweifelt.
39
Die differenzierende Marktabgrenzung ist vom Bundeskartellamt zulässig in das
Beschwerdeverfahren eingeführt worden. Die angefochtene Verfügung hat dadurch,
dass das Amt nunmehr auf die Stromerzeugungskapazitäten und die Anteile an der
Stromerzeugung statt auf Marktanteile auf dem Weiterverteilermarkt abstellt, keinen
anderen Regelungsgehalt bekommen (vgl. BGH WuW/E DE-R 399, 401 –
Verbundnetz).
40
ddd) Die gegen die Marktabgrenzung gerichteten Einwendungen der Beteiligten sind
unbegründet. Die Marktabgrenzung ist am vorherrschenden Bedarfsmarktkonzept
ausgerichtet. Stromhändler sind – durch keinen anderweitigen Bezug austauschbar –
auf einen Strombezug von der Erzeugungsstufe angewiesen. Soweit sie nicht über
eigene oder ihnen vertraglich zuzurechnende Erzeugungskapazitäten verfügen,
gehören sie der Erzeugerstufe nicht an. Marktanteile auf der Distributionsstufe müssen
41
zum Zweck eines Ausschlusses von Mehrfachzählungen gerade wegen der
festzustellenden Abhängigkeit der Stromverteilung von der Erzeugung nicht weiter
ermittelt werden. Die Abhängigkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass – wie die
Beteiligten behaupten – der Handel die theoretische Möglichkeit hat,
Strombezugsrechte ohne bereits bestehende Absatzbindungen gewissermaßen auf
Vorrat zu erwerben. Dies kann nur auf dem Weg von vertraglich vereinbarten
Bandlieferungen oder von Termingeschäften geschehen. Dass über derartige Geschäfte
ein so erheblicher Teil des Strombezugs von der Erzeugerstufe abgewickelt wird, dass
davon nennenswerte Auswirkungen auf die Marktabgrenzung ausgehen, haben die
Beteiligten aber nicht vorgetragen. Unter Zugrundelegung des Bedarfsmarktkonzepts
sind schließlich die Märkte für den Erstabsatz von Elektrizität sowie für die Belieferung
von industriellen/gewerblichen Großkunden mit Strom in räumlicher Hinsicht nicht
europaweit abzugrenzen, sondern auf das Inland beschränkt. Zwischen den
Strommärkten innerhalb der Europäischen Union hat sich noch kein
Leistungsaustausch entwickelt. Dazu tragen die begrenzten Kapazitäten der
Grenzübergangsstellen bei. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen
verwiesen (S. 13). Da auf die nationalen Märkte abzustellen ist, kommt es entgegen der
Auffassung der Beteiligten nicht darauf an, dass die der Entscheidung zugrunde gelegte
Marktabgrenzung des Bundeskartellamts von derjenigen der EU-Kommission teilweise
abweicht.
bb) Auf den Märkten für den erstmaligen Absatz von Strom und für die Belieferung von
industriellen und gewerblichen Großkunden mit Strom sind die Konzerne Y. und Z. auf
der Grundlage einer Gesamtschau der tatsächlichen Verhältnisse im Sinn eines Duo-
pols gemeinsam marktbeherrschend (§ 19 Abs. 2 S. 2 GWB). Ihnen kommt im Verhältnis
zu Wettbewerbern auch über die eigenen Versorgungsgebiete hinaus eine überragende
Marktstellung zu (§ 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB). Dafür sind die für das Jahr 2003
festgestellten Gegebenheiten maßgebend und die für 2004 anzunehmenden
Marktverhältnisse nur insoweit in den Blick zu nehmen, als sich die tatsächlichen
Grundlagen zu Gunsten der Beteiligten verändert haben können. Letztgenanntes ist
jedoch nicht der Fall. Auch wenn man auf die Marktverhältnisse der Jahre 2000 und
2001 abheben wollte, wäre das Ergebnis für die Beteiligten nicht besser. In jenen
Jahren war die Marktstellung von Y. und Z. noch stärker, als sie es im Jahr 2003 war.
42
aaa) Aufgrund einer Gesamtwürdigung der strukturellen Wettbewerbsbedingungen und
des tatsächlichen Marktverhaltens ist festzustellen, dass – bezogen auf das Jahr 2003 –
zwischen den Konzernunternehmen Y. und Z. kein wesentlicher, an sich aber
möglicher, Wettbewerb stattfand (kein Binnenwettbewerb).
43
(1.) Die Konzernunternehmen Y. und Z. weisen zahlreiche strukturelle
Gemeinsamkeiten auf, die – ohne diese überzubewerten – jedenfalls eine
Ausgangslage kennzeichnen, die wegen einer erkennbaren Gleichrichtung der
Interessenlage ein wettbewerbsbeschränkendes Parallelverhalten begünstigt. So sind
Y. und Z. auf allen im Streitfall in Betracht zu ziehenden Strommärkten mit eigenen
Unternehmen oder solchen, an denen sie Minderheitsbeteiligungen unterhalten,
vertreten. Die Konzerne sind vertikal integriert. Y. und Z. bieten eine Versorgung mit
Strom u n d Gas an. Auf dem Elektrizitätssektor verfügen sie unter Berücksichtigung
eigener Kraftwerke, von Anteilen an Gemeinschaftskraftwerken und aufgrund langfristig
vertraglich gesicherter Kraftwerksleistungen im Vergleich zu den übrigen
Verbundunternehmen W2. und V., aber auch im Verhältnis zu anderen
stromerzeugenden Unternehmen jeweils über die weitaus höchsten
44
Stromerzeugungskapazitäten sowie über die höchsten Anteile an der
Nettostromerzeugung (vgl. Anlage 32, S. 13 ff des Schriftsatzes des Bundeskartellamts
vom 15.3.2006). Bei einem der größten nationalen Kohlestromerzeuger, der S. AG, sind
Y. und Z. mit namhaften (Minderheits-) Beteiligungen vertreten (vgl. Anlage A, S. 16 zum
Schriftsatz des Bundeskartellamts vom 30.11.2006). Die auf Y. und Z. insoweit
entfallenden Anteile an der Stromerzeugung müssen an dieser Stelle nicht im Einzelnen
ausgewiesen werden. Genauso können angebliche Asymmetrien bei den
Stromerzeugungskapazitäten von Y. und Z. dahingestellt bleiben. Da Elektrizität im
Ergebnis ein homogenes Produkt darstellt, kommt es auch nicht darauf an, ob in den
Unternehmensbereichen von Y. und Z. eine heterogene Produktion erfolgt. Sowohl Y.
als auch Z. sind durch Tochterunternehmen überdies der weit überwiegende Teil der
Stromübertragungsnetze auf den Ebenen der Höchstspannung sowie der Hoch- und
Mittelspannung verfügbar (Anlage 32, S. 23 des Schriftsatzes des Amtes vom
15.3.2006). Entsprechend ihrer hohen Beteiligung an den technischen Anlagen für die
Stromerzeugung und den Transport entfallen auf die Konzerne Y. und Z. künftig die
höchsten Investitionen bei Kraftwerken und Leitungsnetzen. Dabei ist nicht von Belang,
ob die Investitionen einer Ausweitung von Stromerzeugungskapazitäten und
bestehenden Netzen oder nur einem Ersatz veralteter Anlagen gelten. Y. und Z. sind
auch an weiterverteilenden Elektrizitätsunternehmen durch Minderheitsbeteiligungen
beteiligt. Sie haben solche Beteiligungen innerhalb weniger Jahre konsequent
ausgebaut und unterhalten zu Beteiligungsunternehmen sowie zu gleichartigen
Unternehmen zu einem großen Teil jahrzehntealte Geschäftsverbindungen. Daneben
bestehen auf der Erzeuger- und der Verteilungsstufe Verflechtungen zwischen Y. und
Z.. Dazu zählt die bereits erwähnte Beteiligung am Kraftwerksunternehmen S. AG. Dazu
gehören zudem wechselseitige Beteiligungen an 13 Stromversorgungsunternehmen.
(2.) Am tatsächlichen Geschehen gemessen besteht kein wesentlicher Wettbewerb
zwischen Y. und Z.. Im Ausgangspunkt ist auch insoweit zu konstatieren, dass neben
den schon genannten Umständen die Homogenität des Produkts Strom, das geringe
Innovationspotential bei Elektrizität und die Transparenz der Abgabepreise geeignet
sind, ein Parallelverhalten zu fördern. Y. und Z. nutzen aber selbst dort, wo Wettbewerb
an sich denkbar wäre, die ihnen gegebenen Wettbewerbsmöglichkeiten nicht
gegeneinander aus. Dies belegen die aus der Marktdatenerhebung des
Bundeskartellamts für das Jahr 2003 hervorgehenden, nachhaltig geringen
Kundenzugewinnquoten, die entsprechend wenige Wechsel von Kunden indizieren.
Zwischen Y. und Z. findet ersichtlich kein nennenswerter Wettbewerb um Abnehmer
statt. So liegen bei Weiterverteilern die Kundengewinnquoten jeweils unter einem
Prozent, bei Großkunden bewegen sie sich unter vier Prozent. Die Wechselquoten sind
unter Y. und Z. ausgeglichen. Für 2004 sind nur marginale Änderungen zu verzeichnen
(vgl. Anlage 32, S. 42, 44). Das die angegebenen Quoten betreffende Bestreiten der
Beteiligten ist unerheblich. Den Feststellungen des Bundeskartellamts liegen die von
Marktteilnehmern, einschließlich von Y. und Z., erteilten Auskünfte zugrunde, die so
lange als richtig zu behandeln sind, wie die Beteiligten nicht darlegen, in welchen
Punkten und aus welchen Gründen jene Auskünfte unzutreffend und nunmehr
ausschließlich die zu den Akten gereichten Einzelaufstellungen maßgebend sind.
Derartige klarstellende Erläuterungen sind unterblieben.
45
Dabei ist sowohl Weiterverteilern als auch Großkunden eine Sensibilität für
wettbewerbliche Anstrengungen zuzusprechen, da namentlich Veränderungen bei den
Strompreisen zumeist unmittelbar auf die eigene Marktposition durchschlagen. Bloße
Kundenwechsel auf der Distributionsstufe sind hingegen ungeeignet, auf den der
46
wettbewerblichen Betrachtung zugrunde gelegten Märkten einen Wettbewerb unter den
Konzernunternehmen von Y. und Z. zu belegen. Wer – wie die Beteiligten – dabei auf
Wechsel zwischen Stromhandelsunternehmen abstellt, unterliegt außerdem der Gefahr,
einem nur vorgespiegelten Wettbewerb zu glauben. Y. und Z. konkurrieren außerhalb
ihrer Versorgungsgebiete genauso wenig um Beteiligungen an Stadtwerken und um
einen Abschluss von Konzessionsverträgen. Die Aktivitäten beschränken sich auf die
jeweils eigenen Versorgungsgebiete.
bbb) Y. und Z. verfügen auf den Märkten für den Erstabsatz von Strom sowie für die
Belieferung industrieller und gewerblicher Großkunden in ihrer Gesamtheit über eine
überragende Marktstellung, der sich die jeweilige Marktgegenseite auch außerhalb ihrer
Versorgungsgebiete nicht entziehen kann. Y. und Z. überragen eine jede für sich, aber
erst recht gemeinsam, Wettbewerber auf den relevanten Märkten deutlich. Dies ist
sowohl im Verhältnis zu den anderen Verbundunternehmen W2. und V. als auch im
Vergleich mit Kraftwerksbetreibern, regionalen und lokalen Weiterverteilern sowie
Stromhandelsunternehmen festzustellen.
47
(1.) W2. und V. weisen jene strukturellen Elemente, die im Fall von Y. und Z. die Gefahr
eines wettbewerblichen Parallelverhaltens begründen, zugleich aber auch Ausdruck
von wirtschaftlicher Marktmacht sind, in einem bedeutend geringeren Maß als Y. und Z.
auf. Auf dem Stromsektor ist die vertikale Integration bei ihnen weit weniger ausgebildet
als bei Y. und Z.. So verfügten W2. im Jahr 2004 über 28 Minderheitsbeteiligungen an
Stromversorgern und V. über lediglich sieben. Demgegenüber entfielen auf Y. auf 134,
auf Z. 70 derartige Unternehmensbeteiligungen (vgl. Anlage 32, S. 38). Y. und Z. sind in
vertikaler Hinsicht auf den Elektrizitätsmärkten infolgedessen weitaus stärker verankert
als W2. und V.. W2. und V. sind – wie außer Streit steht – ebenso wenig in der Lage,
aktuelle und potentielle Abnehmer mit Elektrizität u n d Gas in einem vergleichbaren
Ausmaß bedarfsdeckend wie Y. und Z. zu beliefern (vgl. Anlage A, S. 15). Die
Möglichkeit zur Belieferung "aus einer Hand" eignet sich aus der Sicht regionaler und
lokaler Versorgungsunternehmen, die ebenfalls Strom und Gas liefern,
erfahrungsgemäß dazu, die Attraktivität eines Angebots zu stärken.
48
Bei den Stromerzeugungskapazitäten sowie bei der Nettostromproduktion sind Y. und Z.
gegenüber W2. und V. mit Rücksicht auf eigene Kraftwerke, Anteile an
Gemeinschaftskraftwerken und durch langfristige Verträge gesicherte
Kraftwerksleistungen eine jede für sich sowie gemeinsam ebenfalls dominant. Im
diesem Zusammenhang kann auf eine authentische Bestimmung der jeweiligen Quoten
von Y./Z. einerseits und W2./V. andererseits verzichtet werden. Denn auch wenn die
Y./Z. zuzurechnenden Anteile – wie die Beteiligten behaupten – nicht die Hälfte der
inländischen Stromerzeugungskapazitäten und der tatsächlichen Stromerzeugung
überschreiten, sondern unterhalb dieser Schwelle liegen, haben diese im Verhältnis zu
W2. und V. einen deutlichen Vorsprung. So wollen selbst die Beteiligten den
Verbundunternehmen unter Bezugnahme auf den Bericht der EU-Kommission vom
10.1.2007 über die Sektoruntersuchung im Bereich Energie (Anlage BF 165, Annex C,
S. 337) sowie unter Hinweis auf Nettostromverbrauchsangaben des VDEW (Anlage 32,
S. 25) folgende Quoten zugerechnet sehen (GA 988 ff):
49
Anteile an der Anteile an der
50
Stromerzeugungskapazität Nettostromerzeugung
51
Y. rund 21 % 21,2 %
52
Z. rund 23 % 28,4 %
53
44 % 49,6 %
54
W2. rund 12 % rund 12 %
55
V. rund 15 % rund 15 %
56
27 % 27 %.
57
Schon die vorgenannten und auf dem Vortrag der Beteiligten beruhenden Angaben
veranschaulichen die Überlegenheit von Y. und Z. beim Zugang zur
Elektrizitätsbeschaffung, bei der Herstellung und – da anzunehmen ist, dass die
Erzeugung den erstmaligen Absatz von Strom bestimmt – auch beim Absatz von Strom.
Y./Z. vereinigen auf sich gemeinsam mindestens eine um rund 63 % höhere
Stromerzeugungskapazität und eine um etwa 84 % höhere tatsächliche
Stromerzeugung als W2./V.. Die Elektrizitätserzeugungsmöglichkeiten von Y. allein sind
um 75 % höher als die von W2. und um 40 % höher als jene von V.. Bei der
Stromproduktion verhält es sich ähnlich. Im Verhältnis zu Z. fallen die Abstände
nochmals deutlicher aus.
58
Bei der Verfügbarkeit der Elektrizitätsübertragungsnetze auf den Ebenen der
Höchstspannung sowie der Hoch- und Mittelspannung haben die Konzernunternehmen
Y. und Z. ebenfalls einen erheblichen Vorsprung gegenüber W2./V. (vgl. Anlage 32,
S. 23). Y./Z. sind W2. und V. desgleichen durch ihre bedeutend höhere Finanzkraft und
Entwicklungsmöglichkeiten überlegen.
59
(2.) Auch gegenüber unabhängigen Kraftwerksbetreibern sowie regionalen und lokalen
Versorgern mit eigenen Stromerzeugungskapazitäten – soweit diese auf den relevanten
Märkten überhaupt tätig sind – verfügen Y. und Z. über eine überragende Marktstellung.
Den obenstehenden, auf Vorbringen der Beteiligten beruhenden tabellarischen
Angaben ist zu entnehmen, dass auf eine nicht näher bestimmbare Vielzahl von
Kraftwerksunternehmen sowie regionalen und lokalen Stromversorgern mit eigener
Elektrizitätserzeugung eine Stromerzeugungskapazität von höchstens etwa 29 % und
eine Nettostromproduktion von rund 23 % entfallen. Bei jenen Unternehmen handelt es
sich um kleine und mittlere Unternehmen mit für sich genommen geringen
Marktanteilen, die weder als Einheit auftreten noch einheitliche wettbewerbliche
Aktivitäten entfalten und darum keinen Wettbewerbsdruck aufbauen können. Die oftmals
lediglich einen Eigen- oder Spitzen-, allenfalls noch einen Mittellastbedarf abdeckenden
Produktionskapazitäten der regionalen und lokalen Stromversorger sind unter
Konkurrenzgesichtspunkten mit der überwiegend in Grund- und Mittellastbereichen
rationeller und kostengünstiger arbeitenden Stromerzeugung von Y. und Z. nicht zu
vergleichen. Kraftwerksbetreibern sowie regionalen und lokalen
Stromversorgungsunternehmen sind Y. und Z. außerdem durch ihre Finanzkraft
überlegen.
60
Sonstige Stromversorgungs- und -handelsunternehmen verfügen über keinen eigenen
Zugang zur Beschaffung von Elektrizität. Sie sind nicht Anbieter, sondern ausschließlich
Nachfrager beim Erstbezug von Strom. Von daher sind sie – genauso wie strom-
61
erzeugende regionale und lokale Versorger für den größten Teil ihres Strombedarfs, der
mit eigenen Erzeugungskapazitäten nicht zu decken ist – von einer Belieferung aus der
Erzeugungsebene abhängig. Tatsächlich werden sie überwiegend von den
Marktbeherrschern mit Strom beliefert. Die Abhängigkeit wirkt sich beim Absatz an
industrielle und gewerbliche Großkunden aus. Auf Stromimporte kann nur theoretisch
ausgewichen werden. Die vergleichsweise geringen Stromeinfuhren (weniger als 10 %
des Gesamtabsatzes, vgl. S. 13) reichen nicht aus, die Nachfrage zu befriedigen. Eine
Ausweitung von Einfuhren scheitert an der Leistungsfähigkeit der vorhandenen
Grenzübergangsstellen, für deren Erweiterung keine Anzeichen vorliegen. Die
sonstigen Stromversorgungs- und -handelsunternehmen sind den Konzernen Y. und Z.
auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzkraft mit hohem Rückstand unterlegen.
(3.) Der vorstehende Befund wird bestätigend vom tatsächlichen
Wettbewerbsgeschehen unterlegt. Auf den bundesweit abzugrenzenden
Elektrizitätsmärkten findet kein wesentlicher Wettbewerb gegen Y. und Z. statt, durch
den der durch ihre überragende Marktstellung eröffnete Verhaltensspielraum wirksam
kontrolliert werden kann (kein Außenwettbewerb). Zwar haben Y. und Z. auf dem
Großkundenmarkt sowie auf dem früher als einschlägig betrachteten
Weiterverteilermarkt seit dem Jahr 2000 Marktanteile verloren. Diese Entwicklung hat
sich in den Jahren 2003 und 2004 fortgesetzt. Unter Zugrundelegung der hergebrachten
Marktabgrenzung erreichten auf dem Großkundenmarkt sowie auf dem
Weiterverteilermarkt die Marktanteile von Y. und Z. zusammengerechnet zuletzt nur
noch weniger als 50 % (vgl. zu allem: Anlage 32, S. 26). Die Marktanteilsverluste sind
durch ein möglicherweise leicht rückläufiges Marktvolumen, geringgradige
Kundenwechsel und durch eine nominelle Zunahme der Handelsgeschäfte zu erklären.
Die zuletzt genannten Umstände lassen jedoch keinen Wettbewerb zu den Mitgliedern
des Duopols entstehen. Denn die Stromhandel betreibenden Unternehmen sind darauf
angewiesen, von den auf der Erzeugungsstufe tätigen Unternehmen mit Strom beliefert
zu werden. Die Abhängigkeit von einer Belieferung gründet sich darauf, dass sie über
keine, jedenfalls nicht über ausreichende eigene oder sonst gesicherte
Stromerzeugungskapazitäten verfügen. Infolgedessen sind Stromhandelsunternehmen
nicht in der Lage, gegen stromproduzierende und auf der ersten Absatzstufe tätige
Unternehmen einen effektiven Wettbewerb aufzunehmen.
62
Von W2. und V. geht ebenso wenig ein nachhaltiger Wettbewerb aus. Zwar verfügen
beide über Stromerzeugungsmöglichkeiten. Jedoch haben Y. und Z. lediglich auf den im
Streitfall nicht in Rede stehenden Kleinkundenmärkten Abnehmer – vornehmlich an W2.
– verloren (O. Strom). Bei Beteiligungen an Stadtwerken konnte sich W2. außerhalb
ihres Versorgungsgebiets nur im Fall der Stadtwerke D. AG durchsetzen.
63
Überdies indizieren geringe Kundengewinnquoten auf dem Großkunden- und auf dem
herkömmlichen Weiterverteilermarkt einen Mangel an Wettbewerb. Allerdings hat W2.
für die Jahre 2003 und 2004 Kundengewinnquoten von 10 bis 15 % auf dem
Großkundenmarkt angegeben. V. hat für 2003 erhebliche Kundenzugewinne auf dem
Weiterverteilermarkt gemeldet (vgl. Anlage 32, S. 42, 44). Die Angaben von W2. und V.
sind jedoch unzuverlässig. Die Beschwerdeentscheidung kann darauf nicht gestützt
werden. So beruht die Mitteilung von W2. darauf, dass Verschiebungen zwischen
konzernverbundenen Unternehmen als Kundenwechsel bewertet wurden, ohne dass
sie nach dem Zweck der Fragestellung als solche anzusehen sind. V. hat
widersprüchliche Angaben gemacht, nämlich einerseits Gewinnquoten angegeben,
andererseits Marktanteilsverluste auf demselben Markt und im selben Jahr mitgeteilt.
64
Davon abgesehen und mit dem vorstehend dargestellten Befund übereinstimmend
bestehen zwischen W2./V. und dem Duopol aus Y. und Z. Verflechtungen, die eine
Aufnahme von effektivem Wettbewerb tendenziell erschweren. So verfügen Y./Z. mit
W2. oder V. über zehn gemeinsame Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken und
Regionalversorgungsunternehmen. V. unterhält (über H.) zusammen mit Y. außerdem
die Gemeinschaftskraftwerke B., B. und K. (vgl. Anlage A, S. 18). Nach Lage der Dinge
findet außerhalb der eigenen Versorgungsgebiete unter den Verbundunternehmen
insgesamt kein Wettbewerb statt.
65
(4.) Y. und Z. beherrschen auch außerhalb ihrer Versorgungsgebiete weiterhin
gemeinsam die Märkte für den Erstabsatz und für den Absatz von Strom an gewerbliche
und industrielle Großkunden. Dieser Feststellung liegt die zutreffende Erkenntnis des
Bundeskartellamts zugrunde, dass zwischen dem auf der sog. Distributionsstufe
stattfindenden Stromabsatz, den Endkundenmärkten und der Erzeugung von Strom eine
Abhängigkeit besteht, die darauf beruht, dass Elektrizität nicht speicherbar ist. Ob dies
durch Vorratsbeschaffungen (Bandlieferungen oder Termingeschäfte) umgangen
werden kann, sei dahingestellt. Davon wird jedenfalls kein feststellbarer Gebrauch
gemacht (s.o. S. 14). Die abgesetzten Strommengen sind deshalb durchweg mit den
produzierten Mengen identisch, wobei die Regelzonenbetreiber einen gegebenenfalls
erforderlichen Ausgleich herzustellen haben. Bei dieser Sachlage kommt der
Distributionsstufe nur die Aufgabe zu, den erzeugten Strom an die Endkunden
(gegebenenfalls strukturiert) zu verteilen. Aufgrund dessen sind der Distributionsmarkt
und die Endkundenmärkte sowie die Akteure auf jenen Märkten vom Verhalten der auf
dem Stromerzeugungsmarkt tätigen Unternehmen abhängig. Welche Strommengen zu
welchen Konditionen in den Handel und an Endabnehmer gelangen, bestimmen die
Stromerzeuger. Wer den Erzeugungsmarkt beherrscht, ist mithin zugleich auf der
Distributionsstufe, und zwar dort jedenfalls beim erstmaligen Absatz von Strom an
weiterverteilende Unternehmen, sowie auf den Endkundenmärkten (hier auf dem Markt
für die Belieferung von Großkunden) marktbeherrschend.
66
Y. und Z. sind auf der Stromerzeugungsstufe entsprechend der von ihnen gehaltenen
Marktanteile gemeinsam marktbeherrschend. Dies geht aus dem Ergebnis der im Wege
von Auskunftsverlangen nach § 59 GWB vom Bundeskartellamt für das Jahr 2003
durchgeführten Marktdatenerhebung hervor. Die Datenerhebung für das Jahr 2004
kommt für Y. und Z. zu keinem nennenswert abweichenden Resultat. Das
Bundeskartellamt hat auf dem Stromerzeugungsmarkt folgende Marktanteile ermittelt
und im Beschwerdeverfahren bekannt gegeben (vgl. Anlage 32, S. 17 f; Anlage A,
S. 14):
67
Anteile an den
Stromerzeugungskapazitäten:
68
2000 2003 2004
69
Y. gemeinsam gemeinsam gemeinsam
70
Z. ca. 65 % ca. 52 % ca. 52 %
71
W2. gemeinsam gemeinsam
72
V. ca. 30 % ca. 30 %
73
insgesamt > 82 % > 82 %.
74
Anteile an der
Nettostromerzeugung:
75
2000 2003 2004
76
Y. gemeinsam gemeinsam gemeinsam
77
Z. ca. 70 % ca. 57 % ca. 59 %
78
W2. gemeinsam gemeinsam gemeinsam
79
V. c a. 20 % ca. 29 % ca. 30 %
80
insgesamt ca. 90 % ca. 86 % ca. 89 %.
81
Die auf Auskunftsersuchen nach § 59 GWB zustandegekommenen
Ermittlungsergebnisse des Bundeskartellamts sind der Beschwerdeentscheidung
zugrundezulegen, nicht aber VDEW-Statistiken oder Angaben der EU-Kommission.
Dabei hat das Bundeskartellamt auf Seiten der Verbundunternehmen eigene
Kraftwerke, Anteile an Gemeinschaftskraftwerken sowie langfristig durch Verträge
gesicherte und zurechenbare Kraftwerksleistungen berücksichtigt. Dies ist sachgerecht,
da hierdurch die den Verbund- und sonstigen Unternehmen praktisch verfügbaren
Erzeugungskapazitäten zutreffend abgebildet werden. Die Y./Z. und den übrigen
Verbundunternehmen zugerechneten Marktanteile sind vom Bundeskartellamt
hinreichend zuverlässig ermittelt worden. Gewisse, vor allem in den Auskünften der
Marktteilnehmer begründete Ungenauigkeiten sind hinzunehmen. Dadurch werden die
Erhebungsergebnisse nicht ungeeignet, als Entscheidungsgrundlage zu dienen. Dass
die Marktstrukturen jedenfalls in den Größenordnungen zutreffend erfasst worden sind,
belegt die vom Bundeskartellamt vorgenommene Kontrolle anhand des vom VDEW
ermittelten Nettostromverbrauchs (vgl. Anlage 32, S. 25). Die Erhebungen des
Bundeskartellamts erfassen für das Jahr 2003 annähernd 96 % des Marktgeschehens
auf den Endkundenmärkten.
82
Die Beteiligten bemängeln zu Unrecht, das Bundeskartellamt habe die jeweiligen
Einzelmarktanteile von Y. und Z. an den Erzeugungskapazitäten sowie an der
Nettostromproduktion nicht benannt. Es verschlägt aber nichts, wenn hierauf unter
hinnehmbaren Schätzungenauigkeiten die in der 2005 veröffentlichten Untersuchung
des Instituts für Wirtschaftswissenschaft der Universität N. für die
Stromerzeugungskapazitäten mitgeteilten Verhältniswerte übertragen werden. Diese hat
das Amt in der Anlage 32 zum Schriftsatz vom 15.3.2006 angegeben (dort S. 16).
Danach hatte Y. im Jahr 2003 an den Stromerzeugungsmöglichkeiten einen Anteil von
26,10 %, Z. einen solchen von 27,59 %. Zwar geht die Untersuchung der Universität N.
bei den Erzeugungskapazitäten von anderen Zurechnungsmaßstäben als das
Bundeskartellamt aus (keine Zurechnung von langfristigen Nutzungsverträgen;
Erfassung von Erzeugungskapazitäten erst ab einer bestimmten Schwelle). Die mit der
Untersuchung ermittelten Verhältnisse können aber ihrer Größenordnung nach auf die
vom Bundeskartellamt angenommenen Erzeugungskapazitäten und die produzierten
Strommengen übertragen werden. Auch nach der Studie der Universität N. haben die
Marktanteile von Y. und Z. im Jahr 2004 im Übrigen nicht abgenommen. Da sich die
83
Marktuntersuchungen des Bundeskartellamts und der Universität N. gegenseitig stützen,
ist das von den Beteiligten an der Richtigkeit der letztgenannten Studie angemeldete
Bestreiten widerlegt. Dessen ungeachtet sind Aufteilungen auf Y. und Z. überflüssig, da
diese als Duopol eine gemeinsame Marktbeherrschung ausüben.
Desgleichen stellen die Beteiligten ohne Erfolg pauschal vor allem in Abrede, dass das
Bundeskartellamt tatsächlich alle in Betracht kommenden Stromerzeuger erfasst und
befragt hat und dass die Kapazitäten sowie die Erzeugungsmengen vollständig
gemeldet worden, richtig zugeordnet und zutreffend ausgewertet worden sind (s. GA
983, 995). Die Beteiligten hatten Einsicht in die Verwaltungsakten. Aufgrund dessen
konnten sie beurteilen, ob – was die Adressaten anbelangt – die Marktdatenerhebung
des Bundeskartellamts vollständig war. Dies kann prozessual zulässig nicht pauschal
bestritten werden, sondern diesbezügliche Mängel hätten, woran es fehlt, von den
Beteiligten dezidiert aufgezeigt werden müssen. Dass die Meldungen wenigstens
einigermaßen vollständig und mithin verwertbar waren sowie zutreffend ausgewertet
worden sind, ergibt sich aus den in den wesentlichen Punkten zu verzeichnenden
Übereinstimmungen der Ermittlungsergebnisse des Bundeskartellamts mit jenen des
wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Universität N.. Dass bei voneinander
unabhängig durchgeführten Untersuchungen und deren Auswertung dieselben
grundlegenden Unzulänglichkeiten vorgekommen sind, ist unwahrscheinlich.
84
Das pauschale Bestreiten der Beteiligten ist auch nicht deswegen zuzulassen, weil im
Rahmen seiner Ermittlungen vom Bundeskartellamt umfangreiche Daten erhoben und
ausgewertet worden sind. Dies begründet weder einen Erfahrungssatz noch eine aus
praktischer Erfahrung heraus im Einzelfall begründete Annahme, es könnten Marktdaten
unvollständig erhoben und/oder fehlerhaft ausgewertet worden sein. Sofern Ergebnisse
einer früheren Marktdatenerhebung des Bundeskartellamts für das Jahr 2002 in
einzelnen Punkten mangelhaft gewesen sein sollten, was dahingestellt bleiben kann,
besagt auch dies nichts darüber, dass die der Beschwerdeentscheidung
zugrundezulegende Marktuntersuchung fehlerbehaftet ist.
85
Allerdings stellen die Beteiligten die vom Bundeskartellamt angenommenen
Stromerzeugungskapazitäten und die Produktionsanteile von Y. und Z. auch unter
Hinweis auf von der EU-Kommission ermittelte und selbst berechnete Daten bei der
Stromerzeugung in Abrede (s.o. S. 18 f). Dieses Bestreiten ist jedoch unerheblich. Das
Amt hat Y./Z. Marktanteile auf der Grundlage von Eigentum sowie von Beteiligungs- und
Vertragsverhältnissen zugerechnet. Die Kommission und ersichtlich auch die Beteiligten
haben einen hiervon abweichenden Zuordnungsmodus angewandt. Infolgedessen
können die Ergebnisse nicht unmittelbar miteinander verglichen werden. Unabhängig
davon sind der Beschwerdeentscheidung die dem Jahr 2003 geltende
Marktdatenerhebung des Bundeskartellamts, in dem die angefochtene Verfügung
ergangen ist, und die in diesem Zusammenhang auch von den Beteiligten erteilten und
nicht revidierten Auskünfte zugrundezulegen. Daraus ergeben sich die vorstehend
wiedergegebenen Marktanteile. Im Prozess haben die Beteiligten für Y. im Jahr 2003
überdies eine nochmals (nämlich um etwa 10 %) nennenswert höhere
Stromerzeugungskapazität angegeben als bei der Auswertung der Marktdatenerhebung
vom Bundeskartellamt angenommen worden ist (GA 611). Daran gemessen spiegeln
die vom Amt zugrunde gelegten Marktanteile die Marktverhältnisse bei der
Stromerzeugung in jedem Fall hinreichend genau wider und sind die von der
Kommission ermittelten Marktanteile, die bei der Nettostromerzeugung im Übrigen
ebenfalls zu einem für Y. und Z. addierten Marktanteil von deutlich mehr als 50 %
86
gelangen, für die Entscheidung nicht heranzuziehen. Der in diesem Zusammenhang
von Y. vorgebrachte Einwand, sie habe beim Erstabsatz auf der Distributionsstufe
lediglich geringe Strommengen an Handelsunternehmen verkaufen können, ist
gleichermaßen unerheblich. Denn im Rahmen der erteilten Auskünfte hat das
Konzernunternehmen Y. eine Aufstellung mit allein ca. 60 von ihm belieferten
Handelsunternehmen eingereicht. Dies widerspricht dem jetzigen Bestreiten der
Beteiligten, ohne dass sie über den Widerspruch aufgeklärt haben. Davon abgesehen
gründet sich die Marktbeherrschung letztlich auf die tatsächlichen Verhältnisse bei der
Stromerzeugung. Wer – wie Y. und Z. bei der Stromerzeugung marktbeherrschend ist,
beherrscht auf der Distributionsstufe auch den Erstabsatz von Strom. Der
Distributionsstufe sind im Übrigen nicht nur die Stromhandelsunternehmen, sondern
weiterverteilende Regionalversorger und Stadtwerke sowie auch die von den
Verbundunternehmen beherrschten Stadtwerke, Regionalversorger und
Handelsunternehmen zuzurechnen.
cc) Infolge des Zusammenschlusses ist bei der hier zu treffenden
Prognoseentscheidung eine Verstärkung der gemeinsamen marktbeherrschenden
Stellung von Y. und Z. auf den Märkten für den Erstabsatz von Strom und für die
Belieferung von Großkunden zu erwarten. Mit einer Änderung der dafür maßgebenden
tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse ist mit der dafür vorauszusetzenden hohen
Wahrscheinlichkeit in näherer Zukunft nicht zu rechnen.
87
aaa) Die im Streitfall zu beurteilende Minderheitsbeteiligung an den Stadtwerken E.
sichert die Vorlieferantenposition von X. beim Stromabsatz an die Stadtwerke E. GmbH.
Es ist davon auszugehen, dass die Stadtwerke E. und die Stadt E. als deren
Mehrheitsgesellschafterin auf die Interessen der Minderheitsgesellschafterin X., die in
der Gesellschafterversammlung und durch in den Aufsichtsrat entsandte Mitglieder die
Belange ihrer Konzernmütter Y. AG und Y. E... AG repräsentiert, verstärkt Rücksicht
nehmen werden, und dass sich aufgrund dessen die Aussichten von X., beim
Neuabschluss von Strombezugsverträgen wiederum zum Zuge zu kommen, erhöhen.
Aufgrund des Zusammenschlusses werden Strombezugsverträge mit deutlich
gesteigerter Wahrscheinlichkeit weiterhin mit X. abgeschlossen (vgl. BGH NJW 1998,
2444, 2447 ff – Stadtwerke Garbsen; NJW 1998, 2440 – Stromversorgung Aggertal).
Dadurch wird die Marktstellung von X. – und mittelbar auch die von Y. als eines
marktbeherrschenden Unternehmens – im Absatzgebiet der Stadtwerke E. langfristig
gefestigt.
88
Die der Beteiligung zugrunde liegenden Vereinbarungen zwischen der Stadtwerke E.
GmbH und der Stadt E. einerseits sowie andererseits der X. AG, nämlich der
Gesellschaftsvertrag und der Konsortialvertrag vom 28.3.2003, sichern X. einen
hinreichenden Einfluss auf die künftigen Nachfrageentscheidungen der Stadtwerke E..
Zwar verfügt X. weder in der Gesellschafterversammlung – abgesehen von der auf sie
entfallenden Sperrminorität – noch im Aufsichtsrat über ein besonderes Gewicht. Im
zwölfköpfigen Aufsichtsrat kann X. allenfalls mit drei, von der
Gesellschafterversammlung zu wählenden, Mitgliedern vertreten sein (§ 8 Abs. 1 des
Gesellschaftsvertrages). Da der Gesellschaftsvertrag die Besetzung im Übrigen dahin
regelt, dass der Magistrat der Stadt E. sieben Mitglieder und der Betriebsrat der
Stadtwerke E. zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsendet, ist aber damit zu rechnen,
dass als die dann noch offenen drei Mitglieder Vertreter von X. gewählt werden, womit
X. ein Viertel der Stimmen im Aufsichtsrat auf sich vereinigen wird. Damit ist X. zwar
weit davon entfernt, die Nachfrageentscheidungen der Stadtwerke E. maßgebend zu
89
beeinflussen, doch vermitteln die ausweislich des Konsortialvertrages mit der Stadt E.
getroffenen Vereinbarungen X. eine Reihe von Vorteilen, die zwar nicht zwingend, aber
doch mit einiger Wahrscheinlichkeit bewirken werden, dass ihr die Stadt E. und die
umliegend belieferten Gemeinden als Absatzgebiet auf lange Sicht erhalten bleiben
(BGH NJW 1998, 2444, 2448 – Stadtwerke Garbsen).
So streben ausweislich der Präambel des Konsortialvertrages die Kreisstadt E. und X.
auf der Grundlage gegenseitiger Loyalität eine langfristige strategische Partnerschaft an.
Die Vertragsparteien haben sich in der Präambel verpflichtet, in der
Gesellschafterversammlung der Stadtwerke E. ihre Stimmrechte und darüber hinaus
ihren Einfluss auf die Mitglieder des Aufsichtsrats der Stadtwerke in der Weise
auszuüben, dass diese sich im Sinn der im Konsortialvertrag formulierten Grundsätze,
Zielvorstellungen und Maßnahmen verhalten. Die im Konsortialvertrag verabredeten
Grundsätze, Ziele und Maßnahmen geben genug Interpretationsspielraum, darin auch
die Absatzinteressen von X. auf dem Stromsektor zu erkennen (vgl. z.B. § 2 –
Grundsätze der Kooperation und unternehmenspolitische Ausrichtung:
Energiebeschaffung, Erweiterung der Geschäftsaktivitäten in der Strom-, Gas- und
Wasserversorgung; § 3 – Unternehmerische Ziele: Aufrechterhaltung und
Weiterentwicklung der Wertschöpfungskette in den Geschäftsfeldern, Weiterentwicklung
der vorhandenen Produkt- und Dienstleistungspalette und Erweiterung vorhandener
Geschäftsfelder, Aufbau neuer Geschäftsfelder, Erschließung neuer, insbesondere
regionaler Märkte; § 4 – Partnerschaftliche Zusammenarbeit: Akquisition und
Belieferung von Bündel- und Großkunden).
90
Zwar werden im Konsortialvertrag ein weiterhin maßgeblicher Einfluss der Kreisstadt E.
in den Organen und Gremien der Stadtwerke E. und eine unbeschränkte
Entscheidungsfreiheit der Stadtwerke E. bei der Beschaffung unter anderem von
Energie betont (vgl. § 2). Jedoch ist daneben mit gleichem Gewicht in § 2 des
Konsortialvertrages der Satz aufgestellt worden:
91
Unabhängig davon, dass die unternehmerische Führung und das operative
Geschäft der SWE GmbH weiterhin von deren Unternehmensleitung betrieben
werden, haben die Kreisstadt E. und die X. das Ziel, notwendige Entscheidungen
und Maßnahmen einvernehmlich zu treffen bzw. vorzunehmen und umzusetzen.
92
Davon ausgehend haben die Parteien im Konsortialvertrag dezidiert geregelt, auf
welche Weise die von ihnen angestrebte Einvernehmlichkeit bei den Entscheidungen
und Maßnahmen erreicht werden soll. Nach § 5 des Konsortialvertrags erhält vor der
Bestellung eines Mitglieds der Geschäftsführung und vor jedem späteren Wechsel in der
Geschäftsführung der Stadtwerke E. X. rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme. In
§ 6 des Vertrages haben die Parteien Abreden über das Verfahren der unter ihnen
vorzunehmenden Abstimmung getroffen. Im Sinn klarer und verbindlicher
Verhaltensregeln ist darin bestimmt:
93
1. Die Parteien werden sich auf Wunsch einer Partei in wichtigen Angelegenheiten,
insbesondere vor Gesellschafterversammlungen oder Aufsichtsratsitzungen,
rechtzeitig abstimmen. Die Abstimmung erfolgt zwischen dem Bürgermeister der
Kreisstadt E. oder seinem Vertreter und einem Vorstandsmitglied der X..
94
95
2. Zeichnet sich vor einer Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsratssitzung ab,
dass keine gemeinsame Position abgestimmt werden kann, so verpflichten sich
beide Parteien, auf Wunsch einer Partei darauf hinzuwirken, dass der strittige
Punkt von der Tagesordnung abgesetzt wird, es sei denn, der Beschluss duldet
keinen Aufschub. In der Zwischenzeit werden die Parteien weiter nach
gemeinsamen Lösungen suchen. Ist auch bis zu einer weiteren
Gesellschafterversammlung oder Sitzung des Aufsichtsrates keine gemeinsame
Position gefunden worden, so wird der Tagesordnungspunkt in dieser Sitzung
beibehalten und entsprechend den Mehrheitsverhältnissen entschieden.
96
97
Eine wichtige Angelegenheit, die auf Antrag von X. zum Gegenstand einer
Meinungsabstimmung mit der Stadt E. gemacht werden darf, ist zweifelsfrei auch der
Neuabschluss von Strombezugsverträgen. Der Umstand, dass die Parteien sich auf
Wunsch über den Abschluss eines Strombezugsvertrages verständigen wollen, bringt
allein schon einen nicht unerheblichen Vorteil für X. mit sich. Denn während ohne den
Zusammenschluss die Stadtwerke E. – und in Zweifelsfällen die Alleingesellschafterin
Stadt E. – die dahingehende Entscheidung, insbesondere die Wahl des
Vertragspartners, allein trafen, hat sich darüber als Folge des Zusammenschlusses die
Stadt E. mit dem Minderheitsgesellschafter X. auf Verlangen vorher ins Benehmen zu
setzen. Liegen ihr bekannt werdende Konkurrenzangebote vor, kann X. mit Erfolg auf
die Vorzüge des eigenen Angebots hinweisen. Gegenüber Preisvorstößen anderer
Anbietern kann X. ihr Angebot nachbessern. Dafür hat X. schon deswegen einen
Verhaltensspielraum, weil sie damit rechnen kann, dass ein Teil eines gewährten
Preisnachlasses als Unternehmensgewinn der Stadtwerke E. an sie zurückfließen wird.
X. kann sich aber auch auf die im Konsortialvertrag auf zahlreichen Geschäftsfeldern
vereinbarte Zusammenarbeit berufen. Die Kenntnis eines preisgünstigeren
Konkurrenzangebots versetzt X. in die Lage, darauf mit dem eigenen Angebot z.B. in der
Weise einzugehen, dass im Rahmen der Kooperation mit den Stadtwerken E.
bestimmte, bislang noch nicht konkret geplante Maßnahmen einer Zusammenarbeit, für
die X. oder ein Konzernunternehmen von Y. das Know-how liefert, nunmehr zusätzlich
offeriert werden. Im Rahmen der vereinbarten Abstimmung muss X. zu solchen
Reaktionen auf Verlangen Gelegenheit gegeben werden. Dergleichen würden die
Vertreter der Stadtwerke E., aber auch die Repräsentanten der Stadt E., nach dem
Grundsatz, dass das preiswerteste Angebot nicht ohne Weiteres auch das
wirtschaftlichste und annehmbarste ist, bei ihrer Entscheidung zu bedenken und
abzuwägen haben, wenn sie die Nachfrageentscheidung nicht schon aus
Rücksichtnahme auf die mit dem Minderheitsgesellschafter X. verabredete Kooperation
oder aus Verbundenheit mit ihrem Minderheitsgesellschafter zu dessen Gunsten treffen
wollen.
98
Die X. danach zu Gebote stehenden Einflussmöglichkeiten sind geeignet, Wettbewerber
davon abzuhalten, sich um eine Belieferung der Stadtwerke E. zu bemühen. Auch wenn
Nachfrageentscheidungen nicht notwendig zu Gunsten von X. ausfallen werden, ist aus
99
der Sicht des Wettbewerbs nach den Umständen jedenfalls aber eine dahingehende
Erwartung gegeben. Infolgedessen besteht die Gefahr, dass potentielle Wettbewerber
sich von einem Wettbewerb um die Belieferung der Stadtwerke E. entmutigt
zurückziehen. Der Zusammenschluss steigert – dem Marktbeherrscher Y. zurechenbar –
danach die Fähigkeit von X., Wettbewerbsvorstöße abzuwehren (vgl. BGH NJW 1998,
2444, 2449 – Stadtwerke Garbsen mwN). Er erweist sich damit zugleich als ein
Instrument zur langfristigen Behauptung von Absatzmärkten durch vertikale Integration
(vgl. auch Monopolkommission, XIV. Hauptgutachten, Kap. IV 2.3.1.2; XV.
Hauptgutachten, Kap. IV 2.5.2). Das Zusammenschlussvorhaben erzeugt in Bezug auf
die Marktbeherrschung durch Y. Verstärkungswirkungen auf dem Absatzmarkt für Strom
und auf dem Großkundenmarkt. Die Stadtwerke E. zählen zwei private Energieversorger
zu ihren Kunden.
bbb) Von den Beteiligten sind keine Umstände aufgezeigt worden, die eine andere
rechtliche Beurteilung gebieten. Vom Zusammenschlussvorhaben gehen zwar nur
verhältnismäßig geringe Verstärkungswirkungen aus, zumal es sich bei den
Stadtwerken E. um ein eher kleines Stadtwerk handelt. Die den Stromabsatz
beherrschende Erzeugungsstufe unterliegt jedoch einer hohen Konzentration (s.o. S. 9
f). Auf Märkten, die durch eine hohe Konzentration geprägt sind, genügt bereits eine
geringe Beeinträchtigung des Restwettbewerbs, um zu einer Verstärkung der
beherrschenden Stellung eines Zusammenschlussbeteiligten zu kommen (vgl. BGH
NJW 1998, 2444, 2447 mwN). Dieser Rechtssatz trifft auch auf den Streitfall zu.
100
Unabhängig davon hat das Bundeskartellamt mit Recht darauf hingewiesen, dass es
nicht ausreicht, die wettbewerbliche Betrachtung auf einen einzelnen, möglicherweise
weniger schwer wiegenden Fall einer (Minderheits-) Beteiligung von
Verbundunternehmen an regionalen und lokalen Stromversorgungsunternehmen zu
beschränken, sondern dass die Bedeutung solcher Beteiligungen für den Wettbewerb
nur vollständig erfasst werden kann, wenn sie in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden
(ebenso: Monopolkommission aaO). Ausgehend von diesem Vorverständnis ist
festzustellen, dass die Verbundunternehmen seit Ende der 90er Jahre Beteiligungen an
regionalen und lokalen Versorgern stark ausgebaut und insbesondere lokale Versorger
dies zugelassen haben. Diese wenden dadurch einen potentiellen Wettbewerb der
Verbundunternehmen bei Großkunden in ihrem Versorgungsgebiet ab. Im Gegenzug
wächst erfahrungsgemäß ihre Bereitschaft, auf wettbewerbliche Vorstöße gegen den
Minderheitsgesellschafter zu verzichten. Für die Verbundunternehmen (und deren
Tochterunternehmen) führt dies dazu, dass die Lieferbeziehungen von langfristigen (und
insoweit möglicherweise anstößigen) Bezugsverträgen unabhängig werden,
Absatzmärkte vielmehr durch vertikale Integration gesichert werden können. Für den
potentiellen Wettbewerb erzeugt indes gerade die Verbreitung der vertikalen Integration
eine abschreckende Signalwirkung, die sich auf den Kreis der regionalen und lokalen
Stromversorger insgesamt erstreckt und im selben Maß die Fähigkeit der
Verbundunternehmen stärkt, Wettbewerbsvorstöße abzuwehren. Infolgedessen entfaltet
der Erwerb von (Minderheits-) Beteiligungen an regionalen und lokalen
Versorgungsunternehmen gerade durch sein verbreitetes Vorkommen eine besondere
Wettbewerbsschädlichkeit.
101
Die Mitgliedschaft der Stadtwerke E. in der Gesellschaft für kommunale Kooperation
(GKK) steht der angenommenen Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Y.
nicht entgegen. Die Stadtwerke E. sind durch nichts gehindert, diese Mitgliedschaft
aufzugeben. Ungeachtet dessen haben die Stadtwerke E., solange die GKK existiert
102
und sie ihr angehören, Strom ausschließlich stets vom Y.-Konzernunternehmen X.
bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass sich dies ändern könnte, sind nicht hervorgetreten.
2. Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Gasmarkt für die
Belieferung von lokalen Weiterverteilern durch regionale Weiterverteiler:
103
a) Der Zusammenschluss lässt ferner erwarten, dass auf dem Markt für die Belieferung
lokaler Weiterverteiler (Stadtwerke E.) die marktbeherrschende Stellung des regionalen
Weiterverteilers G. GmbH, eines dritten Unternehmens, verstärkt wird. Dabei handelt es
sich um einen zusätzlichen Untersagungsgrund.
104
Unschädlich ist, dass die Verstärkungswirkung bei der in der
Zusammenschlusskontrolle gebotenen prognostischen Prüfung nicht unmittelbar bei
den Zusammenschlussbeteiligten oder bei einem mit ihnen im Sinne von § 36 Abs. 2
GWB verbundenen Unternehmen, sondern bei einem dritten Unternehmen eintritt. Auch
die bei einem dritten Unternehmen zu erwartende Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung gebietet eine Untersagung des Zusammenschlusses
nach § 36 Abs. 1 GWB, sofern an jenem Unternehmen Zusammenschlussbeteiligte oder
mit ihnen verflochtene Unternehmen jedenfalls Beteiligungen unterhalten, die beim
Erwerb einen Kontrolltatbestand nach § 37 Abs. 1 GWB erfüllen (ebenso:
Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 36 Rn. 131, 132; aA:
Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 36 Rn. 7).
105
Der Wortlaut der Norm lässt diese Auslegung zu. Danach ist nur erforderlich, dass
ursächlich durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründet
oder verstärkt wird. Die von den Beteiligten entgegen gehaltene historische Betrachtung
(GA 439 ff) widerspricht dem nicht. Der Anwendungsbefehl einer Norm ist zu befolgen,
wenn der Sachverhalt nach Wortlaut, Systematik und Zweck den gesetzlichen
Tatbestand erfüllt. Der historischen Auslegung kommt dabei in der Regel nur eine
begrenzte Rolle zu. Sie ist vor allem bei jüngeren Gesetzen relevant. Unabhängig
davon spricht im hier vorliegenden Zusammenhang eine historische Betrachtung gerade
gegen das von den Beteiligten vertretene engere Normverständnis, wonach es nur auf
die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung bei den am
Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ankommen soll. Denn § 23 a Abs. 1 und
Abs. 2 S. 2, 3 GWB aF, der auf die "am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen"
abstellte, ist durch die 6. GWB-Novelle aufgehoben worden. Davon abgesehen war der
Anwendungsbereich von § 23 a GWB aF – als einer Sondernorm – auf die darin
geregelten Vermutungstatbestände für marktbeherrschende Stellungen begrenzt,
wohingegen auch schon der damalige Untersagungstatbestand des § 24 Abs. 1 GWB
aF keine Beschränkung dahin enthielt, dass nur eine bei den
zusammenschlussbeteiligten Unternehmen zu erwartende Begründung oder
Verstärkung einer Marktbeherrschung die Untersagung eines Zusammenschlusses
gebot.
106
Auch die Systematik des Gesetzes rechtfertigt nicht jene von den Beteiligten vertretene
enge Auslegung. Dafür gibt die von den Beteiligten herangezogene Verbundklausel in
§ 36 Abs. 2 GWB nichts her. Dadurch soll sichergestellt werden, dass rechtlich
selbständige Unternehmen, die aufgrund ihrer Abhängigkeit von einem herrschenden
Unternehmen oder wegen konzernmäßiger Verflechtungen als eine wirtschaftliche
Einheit anzusehen sind, auch im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle als Einheit
behandelt werden. Die Norm soll Zusammenschlüsse erfassen, durch die eine
107
beherrschende Stellung gerade bei den so verbundenen Unternehmen entsteht oder
verstärkt wird. Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird aber nicht dadurch berührt,
dass die Entstehung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung eines einzelnen
dritten Unternehmens, hier der G., unter § 36 Abs. 1 GWB gefasst wird. Umgekehrt
besagt § 36 Abs. 2 GWB nichts darüber, dass Verflechtungen unterhalb der Schwelle
einer Beherrschung, welche die Zusammenschlussbeteiligten mit jenem dritten
Unternehmen aufweisen, bei der Zusammenschlusskontrolle unbeachtlich sind, wenn
der Zusammenschluss bei dem dritten Unternehmen die Begründung oder Verstärkung
einer marktbeherrschenden Stellung erwarten lässt.
Im Gegenteil ergibt sich aus dem Zweck der Norm, dass § 36 Abs. 1 GWB auch auf
Fälle der vorliegenden Art anzuwenden ist. Seinem Zweck nach soll § 36 Abs. 1 GWB
zum Schutz des Wettbewerbs (oder jedenfalls eines Restwettbewerbs) jedwede
Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung unterbinden. Der
Zweck der Vorschrift verbietet insoweit nicht nur jede Einschränkung bei der Frage, wo
eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, sondern gebietet eine
weite Auslegung.
108
Darauf, ob – wie die Beteiligten zu Unrecht meinen – das vorstehend dargestellte Ver-
ständnis in einem Gegensatz zu Vorschriften des EG-Fusionskontrollrechts und deren
Auslegung steht, kommt es nicht an. Das hier zu beurteilende
Zusammenschlussvorhaben ist ohne eine gemeinschaftsweite Bedeutung.
109
Im Streitfall liegen die eingangs dargestellten Voraussetzungen, die G. GmbH in die
fusionsrechtliche Kontrolle einzubeziehen, vor. An der G. GmbH ist der Y.-Konzern
unmittelbar und mittelbar beteiligt, und zwar
110
unmittelbar durch die Beteiligung der R2. E... Beteiligungs-AG, an der Y. beteiligt
ist, an der G. GmbH,
mittelbar aufgrund der Beteiligung des Y.-Konzernunternehmens T. AG an der
Gesellschafterin M2. AG der G. GmbH und
abermals mittelbar durch die 48,9 %ige Beteiligung der X. E... AG an der
Stadtwerke G2. AG, die ihrerseits eine Minderheitsbeteiligung an der G. hält.
111
112
Die vorgenannten Beteiligungen erfüllen den Tatbestand eines Kontrollerwerbs nach
§ 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB.
113
b) Die G. GmbH als regionale Weiterverteilerin ist auf dem Markt für die Belieferung
lokaler Weiterverteiler mit Gas (Stadtwerke E.) marktbeherrschend im Sinne von § 19
Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB. Der einschlägige Markt ist netzbezogen abzugrenzen. Bei dieser
Rechtslage unterliegt keinem Zweifel, dass die G., da sie über das Gasleitungsnetz
verfügt, im Verhältnis zu Wettbewerbern eine überragende Marktstellung hat, solange
nicht ein rechtlich abgesichertes und praktisch handhabbares Durchleitungssystem
besteht, das anderen Weiterverteilern die Möglichkeit einräumt, Nachfrager in dem in
Rede stehenden Gebiet zu Wettbewerbsbedingungen zu beliefern (vgl. BGH NVwZ
114
2006, 962 – Stadtwerke Dachau; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2006 – VI-2 Kart 1/06
(V)). Ein Durchleitungssystem, das diesen Ansprüchen genügt, ist bis heute nicht
existent.
c) Durch den Zusammenschluss wird die beherrschende Stellung der G. GmbH
verstärkt. Es ist zu erwarten, dass im Rahmen des im Konsortialvertrag mit der
Kreisstadt E. vereinbarten Abstimmungsprozesses X. beim Neuabschluss von
Gasbezugsverträgen dafür eintreten wird, dass die G. weiterhin den Zuschlag erhält,
und dass die Stadtwerke E. darauf eingehen werden. Das ergibt sich aus den vorhin
aufgezeigten Beteiligungsverhältnissen an der G., an der mittelbar die Y. AG, aber auch
X. beteiligt sind. Da infolge des Zusammenschlusses Y. mittelbar auch an den
Stadtwerken E. beteiligt wäre, entsteht ein ringförmiges Beteiligungsgeflecht, das die
Bereitschaft, die G. weiter zu beauftragen, fördert. Davon abgesehen ist anzunehmen,
dass auch der G. Gelegenheit gegeben würde, auf preisgünstigere Konkurrenzangebote
einzugehen. Ein weiteres Motiv für X., sich für einen weiteren Gasbezug von der G.
einzusetzen – wie auch für die Stadtwerke E., sich davon überzeugen zu lassen, ist
darin zu sehen, dass dadurch der Gasabsatz der Y. R2. AG gefördert würde, die in der
Vergangenheit bereits etwa drei Viertel ihres Gasbedarfs der Stadtwerke E. deckte. Die
Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der G. ist mithin darin zu erkennen, dass
durch den Zusammenschluss der von ihr jetzt schon gehaltene Absatzanteil in ihrem
Netzgebiet zusätzlich abgesichert würde.
115
Die mit den Einwirkungsmöglichkeiten der X. zu erwartende Verstärkungswirkung
verschafft der G. zwar nur verhältnismäßig geringe Vorteile. Da die Gasmärkte einen
hohen Konzentrationsgrad aufweisen, genügt jedoch schon eine geringe
Beeinträchtigung des potentiellen Restwettbewerbs, um eine Verstärkung der
marktbeherrschenden Stellung der G. zu bejahen.
116
3. Es ist weder nachgewiesen noch sonst zu erkennen, dass d u r c h den
Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und
dass diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen (§ 36
Abs. 1 2. Hs. GWB). Von den Beteiligten behauptete Synergieeffekte kommen, sofern
sie eintreten, allenfalls ihnen selbst zugute. Dass Abnehmer und Endkunden daran
angemessen beteiligt werden, ist keinesfalls gesichert.
117
4. Die von den Beteiligten erteilten Zusagen sind ungeeignet, die durch den
Zusammenschluss zu erwartende Verstärkung marktbeherrschender Stellungen und die
damit notwendig verbundenen Verschlechterungen der Wettbewerbsbedingungen
auszugleichen. An einen solchen Ausgleich sind hohe Anforderungen zu richten, da
durch den Zusammenschluss auf stark konzentrierten Märkten mit den Stadtwerken E.
ein bislang ungebundener Nachfrager dem Wettbewerb entzogen wird. Ob
Kompensationszusagen nur zu berücksichtigen sind, wenn sie auf den von den
Verschlechterungen betroffenen Märkten wirksam werden, also eine unmittelbar
vorteilhafte Wirkung für den Wettbewerb entfalten, bedarf keiner Entscheidung. Die von
den Beteiligten gemachten Zusagen haben bereits aus anderen Gründen als
unzureichend auszuscheiden.
118
a) Die Annahme der Beteiligten, die Zusage der X., das ihr gehörende Stromverteilnetz
in der Stadt M3. an die M3.-Werke GmbH zu veräußern, kompensiere die
Verschlechterung der Marktverhältnisse auf dem Strom-Großkundenmarkt, ist
fernliegend. Die M3.-Werke nutzen das Verteilnetz bereits aufgrund einer Pacht- und
119
Betriebsführungsvereinbarung mit X.. Eine Absicherung durch Eigentumserwerb bringt
nur eine graduelle Besserstellung mit sich. Ungeachtet dessen scheidet eine
Ausgleichswirkung auch wegen der betroffenen Stromvolumen aus. Auf die Stadtwerke
E. entfällt ein etwa doppelt so hoher Stromabsatz wie auf die M3.-Werke (ca. 200 GWh :
rund 107 GWh). Die von X. im Absatzgebiet der M3.-Werke an Großkunden
durchgeleiteten Strommengen (ca. 50 GWh) sind den M3.-Werken hingegen nicht
zuzurechnen. Der Entscheidung ist nicht zugrundezulegen, dass dieser Absatz auf die
M3.-Werke übergeht. Ginge er über, gewährte auch dies keinen angemessenen
Ausgleich, da die dem Wettbewerb entzogenen Absatzmengen immer noch um ein
Drittel höher wären als die freigewordenen Mengen. Zugesagte
Sonderkündigungsrechte für Stromgroßkunden von X. im Vertriebsgebiet der M3.-Werke
sind ebenfalls ungeeignet, einen Ausgleich zu bewirken. Lieferverträge waren zum
überwiegenden Teil ohnedies nur bis zum Ablauf der Jahre 2003 und 2004 befristet.
Auf dem Markt für den Erstabsatz von Strom wirkt sich die Veräußerung des
Stromnetzes in der Stadt M3. nicht aus.
120
b) Was den betroffenen Gasmarkt für die Belieferung von lokalen Weiterverteilern
anbelangt, stellt die Zusage von X., eine 49 %ige Beteiligung am Anlagenplaner und -
bauer K. GmbH in ... zu veräußern, ersichtlich keinen Ausgleich für die zu erwartenden
Nachteile dar. Die Zusage zielt auf die vage Expektanz ab, die K. GmbH werde die
Gasbezugsentscheidungen der zahlreichen und weit verstreut ansässigen Betreiber von
ihr geplanter, errichteter und/oder gewarteter Gasanlagen erfolgreich beeinflussen
können. Diese Annahme geht über bloße Vermutungen nicht hinaus und stellt
keinesfalls einen Ausgleich für die zu erwartenden Verschlechterungen der
Marktverhältnisse her. Im Unterschied zur K. GmbH hat es X. außerdem nur mit einem
Lieferverhältnis zu tun, bei dem es die Bereitschaft, Gas von einem bestimmten
Lieferanten (der G. GmbH) zu beziehen, zu fördern gilt.
121
III.
122
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 74 Abs. 2 GWB zugelassen worden.
123
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 GWB. Die Beteiligten haben auch die Kosten
der Beigeladenen zu tragen. Ein Beigeladener ist kostenrechtlich wie der
Beschwerdeführer oder Beschwerdegegner zu behandeln, wenn er die durch die
Beiladung begründete Rechtsstellung im Beschwerdeverfahren nutzt, indem er sich an
diesem Verfahren beteiligt. Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren
schriftsätzliche Stellungnahmen zur Sache abgegeben. Eine Antragstellung war nicht
erforderlich.
124
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 5.000.000 EUR
125
und für jede Beschwerde: 1.125.000 EUR
126
Durch eine am Erwerbspreis ausgerichtete Streitwertfestsetzung wird der
Prozessgegenstand nicht zureichend erfasst. Das wirtschaftliche Interesse der
Beteiligten geht darüber weit hinaus. Es ist auf eine langfristige Absatz- und
Kooperationssicherung gerichtet, von der mindestens der Elektrizitätsbereich der
Stadtwerke E. betroffen ist. Das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten hat der Senat
geschätzt.
127