Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.02.2010

OLG Düsseldorf (treu und glauben, kläger, zpo, aufrechnung, rechtsschutzversicherung, zahlung, herausgabe, zeitpunkt, falle, entstehen)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 156/09
Datum:
01.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 156/09
Vorinstanz:
Landgericht Kleve, 1 O 446/07
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Be-
schlussverfahren zurückzuweisen.
2. Der Beklagte erhält Gelegenheit, zu den Gründen binnen einer Frist
von
z w e i W o c h e n schriftsätzlich Stellung zu nehmen.
3. Der am 09. Februar 2010 geplante Senatstermin entfällt.
G r ü n d e
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I. Das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das
Landgericht hat den beklagten Rechtsanwalt im Ergebnis zu Recht zur Rückzahlung
des von ihm vereinnahmten Fremdgeldes (Gerichtskostenvorschuss: 11.118,00 € nebst
Zinsen) verurteilt. Die dagegen vorgebrachten Berufungseinwände rechtfertigen keine
dem Beklagten günstigere Entscheidung.
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1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten gemäß §§ 667, 675 BGB ein auf Zahlung
gerichteter Herausgabeanspruch in Höhe des von der Rechtsschutzversicherung
unstreitig geleisteten Gerichtskostenvorschusses zu, und zwar entgegen der
Rechtsauffassung des Landgerichts aus eigenem Recht.
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a) Richtig ist allerdings der vom Landgericht gewählte rechtliche Ansatz:
Kostenerstattungsansprüche des Nehmers einer Rechtsschutzversicherung gehen auf
den Rechtsschutzversicherer über, der vertragsgemäß Leistungen an den
Versicherungsnehmer erbringt (§ 67 Abs. 1 S. 1 VVG in der bis zum 31. Dezember 2007
geltenden Fassung -künftig: VVG a.F.- in Verbindung mit den dem
Rechtsschutzversicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen
Rechtsschutzversicherungsbedingungen –ARB-, und zwar entweder gemäß § 20 Abs. 2
ARB 1975 oder gemäß dem im Wesentlichen gleichlautenden § 17 Abs. 8 ARB 1994
(2000), je nachdem, wann der Kläger die Rechtsschutzversicherung genommen hat).
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Der kraft Gesetzes eintretende Rechtsübergang (cessio legis) erfolgt in dem Zeitpunkt,
in dem der Kostenerstattungsanspruch entsteht (vgl. Senat NJW-RR 2005, 1155;
VersR 2008, 1347).
b) Ein solcher Kostenerstattungsanspruch als Voraussetzung eines Rechtsübergangs
auf den Rechtsschutzversicherer ist in feststellbarer Weise indes nicht entstanden. Dies
hat der Beklagte jedenfalls nicht schlüssig dargelegt. Die Darlegungslast trifft ihn als
denjenigen, der sich auf den Rechtsverlust des Klägers auf der Grundlage einer cessio
legis beruft (vgl. Grüneberg in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast,
3. Aufl., § 398 Rn 1; vgl. auch BGH NJW 1983, 2018 und 1986, 1925).
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aa) Ein auf die hier umstrittene Zahlung bezogener Kostenerstattungsanspruch des
Rechtsschutzversicherers hätte nur dann entstehen können, wenn der Beklagte aus den
ihm überlassenen Mitteln zweckentsprechend den Kostenvorschuss bei Gericht
eingezahlt hätte. Da der Beklagte das aber unstreitig nicht getan hat, konnte zugunsten
des Rechtsschutzversicherers kein Kostenerstattungsanspruch kraft Gesetzes
übergehen.
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bb) Im Übrigen hat der Kläger den Regressprozess, für den der Vorschuss bestimmt
war, rechtskräftig verloren, nachdem das OLG Oldenburg (6 U 132/06) seine Berufung
gegen das klageabweisende Urteil des LG Osnabrück (12 O 2594/04) im
Beschlussverfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO am 27. Februar 2007 zurückgewiesen hat
(vgl. Urt. OLG Düsseldorf v. 01. 04. 2009, I-18 U 150/08). Auch daraus folgt, dass ein
dem Rechtsübergang unterliegender Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen
konnte.
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cc) Die Rechtsschutzversicherung könnte demgemäß allenfalls gegen den Kläger einen
Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1 S. 2 BGB) haben, der den gegen den Beklagten
gerichteten Herausgabeanspruch aus § 667 BGB aber unberührt lässt.
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2. Dieser Anspruch ist durch die vom Beklagten wiederholt erklärte Aufrechnung nicht
untergegangen.
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a) Die Aufrechnung scheitert indes nicht bereits an fehlender Gleichartigkeit im Sinne
des § 387 BGB. Zwar gleicht der auf die Herausgabe bestimmten Geldes gerichtete
Anspruch aus 667 BGB nicht dem geltend gemachten Gegenanspruch auf Zahlung von
Honorar, der sich nicht auf bestimmtes Geld des Klägers richtet, sondern aus dessen
Vermögen zu befriedigen ist. Gleichwohl werden beide Ansprüche, die letztlich
Geldzahlungen zum Inhalt haben, im Sinne des § 387 BGB als gleichartig behandelt
(vgl. BGH NJW 2005, 3709, 3710).
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b) Die vom Beklagten erklärten diversen Aufrechnungen waren unzulässig bzw.
unwirksam, weshalb sie - unabhängig vom umstrittenen Bestand der zur Aufrechnung
gestellten Honorarforderungen - nicht zum Erlöschen des Herausgabeanspruchs geführt
haben.
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aa) Zum Zeitpunkt der (ersten) Aufrechnungserklärung vom 19. August 2004, die
gegenüber dem Kläger erklärt worden ist, war das vom Beklagten vereinnahmte Geld
zweckgebunden. Es diente nämlich der Tilgung des erforderlichen
Gerichtskostenvorschusses in dem vor dem LG Osnabrück zu führenden
Regressprozess. Gegen zweckgebunden vereinnahmte Gelder darf der Rechtsanwalt
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auch dann nicht aufrechnen, wenn die zur Aufrechnung gestellten Honoraransprüche
aus demselben Mandat stammen; stammen sie, wie im Streitfall ganz überwiegend,
sogar aus anderen Mandaten, gilt das erst recht (vgl. BGH NJW 1989, 1148, 1149;
Senat AnwBl 2005, 787 = FamRZ 2006, 636).
bb) Die Aufrechnungserklärung vom 22. September 2008, die der Beklagte gegenüber
dem Rechtsschutzversicherer erklärt hat, tilgte den Herausgabeanspruch des Klägers
schon deshalb nicht, weil es an der Gegenseitigkeit fehlt. Der Rechtsschutzversicherer
war nicht Inhaber des Rückforderungsanspruchs; auf die vorstehenden Erwägungen
(sub I.1b) wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen.
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cc) Soweit sich der Beklagte während des Rechtsstreits im Laufe des Jahres 2008
schriftsätzlich auf die außergerichtlich erklärten Aufrechnungen bezogen und sie
dadurch dem Kläger gegenüber (konkludent) wiederholt hat, sind sie ebenfalls
ausnahmslos unzulässig. Dem Rechtsanwalt, der vom Mandanten auf die Herausgabe
von Fremdgeld in Anspruch genommen wird (§§ 675, 667 BGB), ist die Aufrechnung mit
Honoraransprüchen, gleichgültig, ob aus demselben Mandat oder aus auftragsfremden
Angelegenheiten, nur dann gestattet, wenn ein solches Vorgehen nicht gegen Treu und
Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) verstößt (vgl. BGH NJW 1978, 1807, 1808 sub
I.2b; 1995, 1425, 1426 sub II.1b; 2003, 140, 142 sub II.4c,bb; 2005, 2927 sub III; 2007,
2640, 2641; Senat AnwBl 2009, 66 = MDR 2009, 535). Im Streitfall liegt ein solcher
Verstoß vor; denn der Beklagte hat die Aufrechnungslage durch Vertragsverstöße
hergestellt. Er hat nämlich die bereits im August 2003 nach Kündigung des Mandats
fällig gewordene Herausgabe des Fremdgeldes nach seinem eigenen Vorbringen
rechtswidrig so lange hinausgezögert, bis (möglicherweise) die Zweckbestimmung
entfallen ist. Es ist ihm versagt, eine durch derart schwerwiegende Vertragsverstöße
erlangte Aufrechnungslage zu seinem Vorteil auszunutzen. Daran vermag nichts zu
ändern, dass der Beklagte für den Kläger umfängliche anwaltlichen Tätigkeiten kreditiert
haben will. Das daraus folgende Risiko ist der Beklagte bewusst eingegangen. Der
Kläger hat ihn nämlich, wie der Beklagte selbst vorträgt, über seine Zahlungsunfähigkeit
nicht im Unklaren gelassen, so dass er Deckung seiner Honorarabsprüche nur im Falle
des Eintritts der Rechtsschutzversicherung oder im Falle des Obsiegens im Prozess
erwarten konnte. Aus der hier umstrittenen Leistung des Rechtsschutzversicherers
durfte sich der Beklagte wegen deren Zweckgebundenheit jedenfalls nicht befriedigen
und wegen der Treuwidrigkeit seines Vorgehens auch dann nicht, nachdem Jahre
später (möglicherweise) die Zweckgebundenheit entfallen ist.
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3. Der Herausgabeanspruch des Klägers ist auch nicht verjährt. Durch die am 28.
Dezember 2007 eingereichte und alsbald zugestellte Klage ist der Ablauf der am 31.
Dezember 2007 endenden Verjährungsfrist gehemmt worden, §§ 199 Abs. 1, 204 Abs. 1
Nr. 1 BGB, 167 ZPO. Die Rechtsauffassung des Beklagten, die Hemmung sei nicht
eingetreten, weil der Kläger einen ihm materiell nicht zustehenden, sondern einen auf
den Rechtsschutzversicherer kraft Gesetzes übergegangenen Anspruch geltend
gemacht habe, ist unzutreffend. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die
vorstehenden Erwägungen (oben sub I.1b) Bezug genommen.
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II. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren
liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
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III. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich
privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (vgl. OLG Brandenburg
MDR 2009, 1363).
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