Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.05.2007

OLG Düsseldorf: entgangener gewinn, unmittelbarer schaden, sicherheitsleistung, vollstreckbarkeit, rechnungslegung, zwangsvollstreckung, markt, erlass, hauptsache, mitbewerber

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 74/05
Datum:
10.05.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
I-2 U 74/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen den Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreck-barkeit im Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts
Düsseldorf vom 24. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters
201 22 040 (Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung, Rechnungslegung und
Schadensersatz in Anspruch.
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Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "A" Einrichtungen zum
Installieren von Versorgungsleitungen, die in Labors und Unterrichtsräumen eingesetzt
werden. Die Klägerin sieht in der Herstellung und dem Vertrieb der genannten
Einrichtungen durch die Beklagten eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters und
hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung zu
verurteilen sowie ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festzustellen. Die Beklagte hat
beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat u.a. die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters bestritten.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte im Wesentlichen
antragsgemäß verurteilt. Es hat das erstinstanzliche Urteil gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 300.000,-- € für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das Urteil ist den
Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 17. Juni 2005 zugestellt worden. Sie hat
gegen das Urteil des Landgerichts am 5. Juli 2005 Berufung eingelegt und – nach
entsprechender Fristverlängerung – die Berufung mit am 31. August 2005
eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie trägt hierzu unter Wiederholung und
Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags vor.
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Die Klägerin betreibt aus dem erstinstanzlichen Urteil die Zwangsvollstreckung gegen
die Beklagte, nachdem sie zuvor die erforderliche Sicherheitsleistung durch
Bankbürgschaft erbracht hat.
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Die Beklagte hat beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Löschung des
Klagegebrauchsmusters beantragt. Die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA hat den
Löschungsantrag mit Beschluss vom 10. April 2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat die
Beklagte Beschwerde beim Bundespatentgericht eingelegt. Eine Entscheidung steht
noch aus. Im Hinblick darauf hat der Senat den vorliegenden Rechtsstreit mit
Zustimmung der Parteien mit Beschluss vom 30. August 2006 ausgesetzt.
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Nunmehr begehrt die Beklagte, im Berufungsverfahren durch Vorabentscheidung den
Ausspruch des Landgerichts zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abzuändern und die auf
300.000,-- € festgesetzte Sicherheitsleistung zu erhöhen. Zur Begründung ihres Antrags
verweist die Beklagte auf eine Mehrzahl von öffentlichen Ausschreibungen mit einem
Gesamtvolumen in Höhe von ca. 2 Mio. Euro, an denen sie aufgrund des Urteils nicht
habe teilnehmen können und bezüglich derer ihr ein Gewinn entgangen sei.
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Die Beklagte beantragt,
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auf ihre Berufung die von der Klägerin gemäß Abschnitt V. des Urteilstenors des
angefochtenen Urteils zu erbringende Sicherheit in angemessener Weise, auf
mindestens 500.000,-- €, heraufzusetzen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Sie macht geltend, dass es sich bei fünf der von der Beklagten zitierten
Ausschreibungen nicht um ein anzubietendes System nach dem Klagegebrauchsmuster
gehandelt habe, die Beklagte an fünfundzwanzig Ausschreibungen teilgenommen und
vier Aufträge erhalten habe. Acht Ausschreibungen seien nicht durchgeführt worden.
Außerdem existierten neben ihr und der Beklagten noch zwei weitere Mitbewerber am
Markt.
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II.
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Der Antrag der Beklagten, die Sicherheitsleistung in angemessener Höhe
heraufzusetzen, ist unbegründet.
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Zur Zeit ist im Hinblick auf die zulässige Berufung der Beklagten gegen das
angefochtene Urteil nach § 718 ZPO lediglich vorab über den Ausspruch des
Landgerichts betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit zu entscheiden, und zwar durch
ein Teilurteil, das durch die spätere Entscheidung in der Hauptsache auflösend bedingt
ist. Hängt – wie hier – die Befugnis des Gläubigers zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
nach § 709 Satz 1 ZPO von der Erbringung einer vorherigen Sicherheitsleistung ab, so
dient diese Sicherheitsleistung dem Interesse des Schuldners und soll ihm einen vollen
Ersatz für diejenigen Nachteile gewähren, die er bei einer etwaigen
Zwangsvollstreckung erleidet; er soll davor geschützt werden, dass er zwar die
Vollstreckung duldet, aber bei einem objektiv unrechtmäßigen Vollstreckungszugriff
eventuelle Ersatzansprüche gegen den vollstreckenden Gläubiger nicht realisieren
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kann, wozu vor allem ein etwaiger Ersatzanspruch des Vollstreckungsschuldners nach
§ 717 Abs. 2 ZPO gehört.
Im Streitfall kann zwar grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Beklagten
aus der Unterlassungsvollstreckung ein unmittelbarer Schaden entstehen wird, als
solcher kommen insbesondere der Gewinnentgang und der Verlust von
Kundenbeziehungen durch die weggefallenen Liefermöglichkeiten in Betracht. Im
Streitfall lässt sich jedoch anhand des von der Beklagten vorgetragenen Sachverhaltes
nicht erkennen, dass die Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,-- € nicht ausreichend
sein könnte. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist unsubstantiiert, worauf der
Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist.
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Die Beklagte macht keine Angaben dazu, in welchem Umfang sie bei den
Ausschreibungen zum Zuge gekommen wäre, etwa bezogen auf einen eventuellen
Marktanteil vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils. Darüber hinaus fehlt es an
Angaben, in welchem Umfang sie aus den Geschäften erwarten kann, Gewinn zu
realisieren, denn nur ein solcher entgangener Gewinn kann Grundlage der Schätzung
eines möglichen Vollstreckungsschadens sein. Weitere Anhaltspunkte, einen etwaigen
Schaden der Beklagten der Höhe nach zu bestimmen, liegen nicht vor. Des Weiteren ist
der Umfang der Beklagten möglicherweise entgegangener Geschäfte aufgrund des
Vortrags der Klägerin unklar, da sich die Beklagte im vorliegenden Antrag auch auf
Geschäfte zu beziehen scheint, die vom vorliegenden Unterlassungstitel nicht erfasst
sind und auf solche, die gar nicht zur Durchführung gelangt sind.
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