Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.01.2005

OLG Düsseldorf: squeeze out, angemessenheit, juristische person, hauptaktionär, ausschluss, stimmrecht, vorzugsaktie, erfüllungs statt, konstitutive wirkung, satzung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 U 59/04
Datum:
14.01.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-16 U 59/04
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 12 O 122/03
Leitsätze:
§§ 327 a ff.; 140, 141, 304 AktG; Art. 14 GG
1. Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327 a ff. AktG und
die dazu ergangenen Verfahrensregelungen sind mit Art. 14 GG
vereinbar.
2. Ist der Hauptaktionär eine juristische Person, so ist der
Übertragungsbericht nach § 327 c Abs. 2 AktG von Mitgliedern des
Vorstands oder der Geschäftsführung in vertretungsberechtigter Zahl zu
unterzeichnen.
3. In § 327 c Abs. 3 AktG sind die auszulegenden Unterlagen
abschließend aufge-führt, so dass Konzernabschluss nebst Lagebericht
nicht ausgelegt zu werden brauchen.
4. Eine Parallelprüfung spricht nicht gegen eine unabhängige (Über-)
Prüfung der Angemessenheit der angebotenen Barabfindung i.S.d. §
327 c Abs. 2 AktG.
5. Berücksichtigt der im Gewinnabführungsvertrag vorgesehene
Ausgleich den Divi-dendenvorzug des Vorzugsaktionärs und nimmt
dieser den Ausgleich an, so kann sein wirksam ausgeschlossenes
Stimmrecht nicht nach § 140 Abs. 2 AktG wieder aufleben.
6. Durch den Übertragungsbeschluss nach § 327 a AktG wird der in der
Satzung festgelegte Vorzug nicht unmittelbar beeinträchtigt, so dass er
nicht eines zustim-menden Sonderbeschlusses der Vorzugsaktionäre
nach § 141 AktG bedarf.
Tenor:
Die Berufungen der Klägerinnen werden auf ihre Kosten
zurückgewiesen. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten
fallen den Nebenin-tervenienten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 120% des aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung jeweils
Sicherheit in glei-cher Höhe leisten. Die Sicherheit kann durch
Bürgschaft eines der Aufsicht durch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts geleistet
werden.
G r ü n d e :
1
A.
2
Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktengesellschaft, die Kommunikationsnetze
herstellt und vertreibt. Ihr Grundkapital von 20,8 Mio. EUR besteht je zur Hälfte aus
3
Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien, die mehrheitlich (99,3 % des
Grundkapitals) von der im Jahre 2000 gegründeten Hauptaktionärin der Beklagten, der
E... ... V....-GmbH mit Sitz in Neuss, gehalten werden. Diese ist eine 100 %ige Tochter
der ... G... H... GmbH (Muttergesellschaft: ... C..., M... /...). Die restlichen 72.832
Vorzugsaktien befinden sich derzeit noch in Streubesitz. Die Klägerin zu 1. hält
mindestens 40 dieser Vorzugsaktien, die Klägerin zu 3. 50 und die Klägerin zu 2. 1.300
Vorzugsaktien.
4
Die Satzung der Beklagten sieht in § 5 Abs. 5 vor, dass die Vorzugsaktien vorbehaltlich
zwingender gesetzlicher Vorschriften kein Stimmrecht haben. § 6 trifft zur
Gewinnberechtigung folgende Regelung: "..2. Der an die Aktionäre zu verteilende
Bilanzgewinn wird in nachstehender Reihenfolge verwandt: a) Zunächst sind die für die
Vorzugsaktionäre bestimmten Vorzugsgewinnanteile von 0,08 EUR je Vorzugsaktie zu
zahlen. Reicht der Gewinn zur Zahlung des Vorzugsgewinnanteils ... nicht aus, so ist
der Rückstand ohne Zinsen aus dem Gewinn der folgenden Geschäftsjahre in der
Weise nachzuzahlen, dass die älteren Rückstände vor den jüngeren zu tilgen sind ... b)
Sodann sind die für die Stammaktionäre bestimmten Gewinnanteile von bis zu 0,04
EUR je Stammaktie zu zahlen. c) Der restliche Gewinn ist zur Zahlung eines
zusätzlichen Gewinnanteils an die Vorzugs- und Stammaktionäre zu verwenden und in
jeweils gleicher Höhe auf sämtliche Aktien zu verteilen. ..."
5
Unter dem 25. Juli 2000 schloss die Beklagte als abhängige Gesellschaft mit ihrer
Hauptaktionärin E... ... V....-GmbH als herrschender Gesellschaft einen Beherrschungs-
und Gewinnabführungsvertrag, der am 6. Oktober 2000 in das Handelsregister
eingetragen wurde. Durch diesen Vertrag verpflichtete sich die Hauptaktionärin, auf
Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der Beklagten dessen Aktien gegen eine
Barabfindung in Höhe von 19 EUR zu erwerben (§ 5 des Vertrages). Des weiteren
garantierte sie den außenstehenden Aktionären der Beklagten als angemessenen
Ausgleich für die Dauer des Vertrages einen Gewinnanteil (Bardividende) von
mindestens 0,99 EUR je nennwertloser Vorzugsaktie und 0,95 EUR je nennwertloser
Stammaktie jeweils für das Geschäftsjahr 2000 sowie von mindestens 1,07 EUR je
nennwertloser Vorzugsaktie und 1,03 EUR je nennwertloser Stammaktie jeweils für das
Geschäftsjahr 2001 und jedes darauf folgende Geschäftsjahr (§ 4 des Vertrages).
6
Wegen der Angemessenheit dieser Festsetzungen ist vor dem Landgericht Düsseldorf
ein Spruchstellenverfahren anhängig - Aktenzeichen: ... -.
Nachdem die Hauptaktionärin sämtliche Stammaktien und nahezu alle Vorzugsaktien
der Beklagten hielt, trat sie am 8. Mai 2003 an den Vorstand der Beklagten mit dem
Verlangen heran, dass deren Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der
übrigen Aktionäre auf sie gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung
beschließe. Auf Antrag der Hauptaktionärin vom 3. Juni 2003 wählte das Landgericht
Düsseldorf die von der Hauptaktionärin vorgeschlagene B... Deutsche Warentreuhand
AG Wirtschaftprüfungsgesellschaft (nachfolgend B...) als sachverständige Prüferin nach
§ 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG aus und bestellte sie mit Beschluss vom 17. Juni 2003.
7
Unter dem 11. Juli 2003 erstattete die Hauptaktionärin einen Bericht über die
Voraussetzungen der Übertragung und die Angemessenheit der festzusetzenden
Barabfindung, der von ihren Geschäftsführern H... und Dr. Z... unterschrieben wurde. In
diesem legte sie die angemessene Barabfindung auf 21,17 EUR je Vorzugsaktie fest.
8
Der gerichtlich bestellte sachverständige Prüfer B... erstattete unter dem 14. Juli 2003
seinen Prüfbericht und bestätigte in diesem die Angemessenheit der Barabfindung.
9
Mit Schreiben vom 9. Juli 2003 übernahm die W... AG die Gewährleistung für die
Erfüllung der Verpflichtung der Hauptaktionärin gegenüber den Minderheitsaktionären
der Beklagten, indem sie sich diesen gegenüber verpflichtete, nach Eintragung des
Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister der Beklagten unverzüglich jedem der
Minderheitsaktionäre die festgelegte Barabfindung in Höhe von 21,17 EUR je
Vorzugsaktie zzgl. der Zinsen nach § 327 b Abs. 2 AktG für die von ihm gehaltenen und
auf die Hauptaktionäre übergegangenen Aktien zu zahlen.
10
Durch Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 29. August
2003, zu der ihr Vorstand unter dem 8. Juli 2003 eingeladen hatte, sind die Aktien der
Minderheitsaktionäre der Beklagten "gemäß dem Verfahren zum Ausschluss der
Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 21,17 EUR für
je eine auf den Inhaber lautende Vorzugsaktie der Q... AG auf die E... ... V....-GmbH mit
Sitz in Neuss übertragen" worden. Der Beschluss wurde mit allen Stimmen der
stimmberechtigten Aktionäre gefasst. Hierzu haben die Klägerinnen durch ihre Vertreter
Widerspruch zur Sitzungsniederschrift erklärt.
11
Mit ihren Klagen machen die Klägerinnen die Nichtigkeit, hilfsweise die Unwirksamkeit
des squeeze-out-Beschlusses geltend. Sie haben gemeint, die Regelungen über den
Ausschluss von Minderheitsaktionären seien verfassungswidrig. Unabhängig davon sei
der angefochtene Beschluss verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Der vorgelegte
Übertragungsbericht habe nicht dem Schriftformerfordernis genügt, die erforderlichen
Konzernabschlüsse seien nicht ausgelegt gewesen und ihre Auskunfts- und
Informationsrechte in der Hauptversammlung massiv verletzt worden. Auch fehle es an
einer ordnungsgemäßen Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung. Des Weiteren
sei der Übertragungsbeschluss wegen fehlender Zustimmung der Vorzugsaktionäre und
wegen Fehlens der erforderlichen Sonderbeschlussfassung unwirksam. Schließlich
erfülle die E... ... V....-GmbH nicht die an einen Hauptaktionär zu stellenden
Voraussetzungen, weil es sich bei ihr um eine reine "Briefkastenfirma" handele, die bei
unzureichender Kapitalausstattung nur gegründet worden sei, um der
Mehrheitsgesellschafterin die Möglichkeit der preisgünstigen Übernahme der Beklagten
12
zu verschaffen.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und geltend gemacht, der angefochtene
Übertragungsbeschluss sei wirksam.
13
Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der
Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung zu Tagesordnungspunkt 7 über die
Übertragung der von den Minderheitsaktionären der Beklagten gehaltenen Aktien auf
die E... ... V....-GmbH als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung sei
wirksam. Weder seien die Regelungen des squeeze-out-Verfahrens verfassungswidrig
noch werde dieses Verfahren von der Hauptaktionärin rechtsmissbräuchlich betrieben
noch leide der in der Hauptversammlung gefasste Beschluss an den geltend gemachten
Mängeln und/oder Verfahrensfehlern.
14
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgen die Klägerinnen ihre
erstinstanzlichen Anträge weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens macht die Klägerin zu 1. geltend, die Regelungen der §§
327 a ff. AktG seien auch deshalb verfassungswidrig, weil die betroffenen
Vorzugsaktionäre keinerlei Zustimmungsmöglichkeit zu diesem Übertragungsbeschluss
hätten. Das Landgericht habe in seinem Urteil weiter verkannt, dass der
Übertragungsbericht des Hauptaktionärs nicht der Schriftform genüge, weil sich aus
dem Bericht nicht ergebe, wer für die Gesellschaft unterschrieben habe.
Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass eine Vorlage der
(Teil-) Konzernabschlüsse nebst Lageberichten nicht erforderlich sei. Daneben fehle es
an der erforderlichen Zustimmung zum squeeze-out durch die Vorzugs- bzw.
Minderheitsaktionäre. Schließlich sei auch die Gewährleistungserklärung der W... AG
unzureichend, weil sie jederzeit frei widerruflich sei.
15
Die Klägerinnen zu 2. und 3. wenden unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens ein: Eine ordnungsgemäße Prüfung der Angemessenheit
der Barabfindung habe nicht stattgefunden, weil es schon die gesetzlich zwingend
vorgeschriebene gerichtliche Auswahl des Prüfers nicht gegeben habe. Hinzu komme,
dass diese von der Hauptaktionärin selbst ausgesuchte Prüferin schon vor ihrer
Bestellung tätig geworden sei und damit an dem mitgearbeitet habe, was später
Gegenstand der Prüfung habe werden sollen. Auch sei der Bericht - wie schon
erstinstanzlich ausgeführt - inhaltlos, so dass er nicht als Bericht im Sinne des Gesetzes
gewertet werden könne. Unabhängig davon fehle es an der Festsetzung einer
angemessenen Barabfindung, weil die Hauptaktionärin öffentlich zugängliche
Wertindikatoren von Anfang an übergangen habe. Dies stehe einer fehlenden
Festsetzung gleich, die zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen müsse. Des
Weiteren gehe das Landgericht zu Unrecht davon aus, dass es der Aus- und Vorlage
der Konzernabschlüsse nicht bedurft habe. Schließlich fehle es auch an einer
ordnungsgemäßen Bankgarantie, weil die der W... AG vom 9. Juli 2003 auf einen
Höchstbetrag von insgesamt 1.541.853,44 EUR zzgl. etwaiger Zinsen begrenzt sei.
16
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufungen, indem sie das angefochtene
Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den Inhalt der angegriffenen
Entscheidung sowie auf die mit Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2004 erteilten
18
rechtlichen Hinweise Bezug genommen.
B.
19
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen haben aus den Gründen des
Senatsbeschlusses vom 1. Dezember 2004 keinen Erfolg. Der in der
Hauptversammlung vom 27. August 2003 zu Tagesordnungspunkt 7 gefasste Beschluss
über die Übertragung der von den Minderheitsaktionären gehaltenen Aktien auf die
Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung ist weder nichtig
noch wirksam angefochten oder sonst unwirksam. Zu Recht hat das Landgericht
entschieden, dass die Regelungen des squeeze-out-Verfahrens nicht verfassungswidrig
sind (siehe I.), das Verfahren von der Hauptaktionärin nicht rechtsmissbräuchlich
betrieben wird und der in der Hauptversammlung vom 27. August 2003 gefasste
Beschluss auch nicht an den geltend gemachten Mängeln und Verfahrensfehlern leidet
(siehe II.).
20
a.
I.
21
Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 16. Januar 2004 (I-16 W 63/03, AG
2004, 207 ff. = DB 2004, 590 ff. = ZIP 2004, 359 ff.) ausgeführt hat, bestehen an der
Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des squeeze-out-Verfahrens (§§ 327 a ff. AktG)
keinerlei Zweifel, so dass kein Anlass dazu besteht, entsprechend der Anregung der
Klägerin zu 2. den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts einzuholen:
22
1. Die gesetzliche Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsaktionären stellt eine
Enteignung i.S.d. Artikel 14 Abs. 3 GG nicht dar. Weder geht ein möglicher
Rechtsverlust vom Staat selbst oder einem mit staatlichen Zwangsrechten beliehenen
Unternehmer aus noch dient der Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer
Aktiengesellschaft der Erfüllung öffentlicher Aufgaben.
23
2. Durch das Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären gegen ihren Willen
wird das durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete aktienrechtliche
Anteilseigentum lediglich eingeschränkt. Mit der ganz herrschenden Meinung in
Literatur und Rechtsprechung ist der Senat der Ansicht, dass die gesetzlichen
Regelungen der §§ 327 a ff. AktG den Anforderungen entsprechen, welche das
Bundesverfassungsgericht an den Ausschluss von Minderheitsaktionären stellt, und
dass sie als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne des Artikel
14 Abs. 1 Satz 2 GG damit verfassungskonform sind (Senat, a.a.O.; OLG Oldenburg ZIP
2003, 1351; OLG Köln BB 2003, 2307; OLG Hamburg AG 2003, 696 = ZIP 2003, 2076;
ZIP 2003, 1344 = NZG 2003, 539 = AG 2003, 441; OLG Stuttgart ZIP 2003, 2363 = AG
2004, 105 = OLGR 2004, 139 = NZG 2004, 146; Steinmeyer/Häger, WpÜG, Rdnr. 8 ff. zu
§ 327 a; Hüffer, AktG, 6. Aufl., Rdnr. 4 zu § 327 a; Grzimek in: Geibel/Süssmann, WpÜG,
Rdnr. 26 ff. zu § 327 a; Kölner Kommentar-WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 11 zu § 327 a;
Münchner Kommentar/Grunewald, AktG, 2. Aufl., Rdnr. 6 zu § 327 a;
Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 3. Aufl., Rdnr. 7 zu § 327 a;
Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 121, 127; Fleischer ZGR 2002, 757, 763 f.; Wirth/Arnold
24
AG 2002, 503 ff.; Krieger BB 2002, 53, 54; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205; Sellmann
WM 2003, 1545 ff.; a.A. Hans Hanau NZG 2002, 1040).
2.1 Artikel 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum und damit auch das in der Aktie
verkörperte Anteilseigentum, wobei sich der Schutz sowohl auf die mitgliedschaftliche
Stellung als auch auf die vermögensrechtlichen Ansprüche erstreckt, welche das
Aktieneigentum vermittelt (BVerfG DStR 2003, 990; AG 2001, 42 (Moto-Meter); E 100,
289 ,301 f. (DAT/Altana)).
25
Gleichwohl schließt Artikel 14 Abs. 1 GG es nicht grundsätzlich aus, eine
Aktionärsminderheit gegen ihren Willen aus der Aktiengesellschaft zu drängen. Nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber dem unternehmerischen Gestaltungsinteresse
gegenüber dem Bestandsinteresse des Kleinaktionärs Vorrang einräumt, sofern dies mit
hinreichenden Schutzvorkehrungen für den Minderheitsaktionär verbunden ist (BVerfG
a.a.O.). Zwar wird durch das Hinausdrängen der Minderheitsaktionäre auch das
mitgliedschaftliche Bestandsinteresse tangiert, im Vordergrund steht jedoch die
Vermögenskomponente der Aktie, weil das mitgliedschaftliche Element naturgemäß bei
Kleinaktionären nur von begrenzter Bedeutung ist. Der Schutz der Minderheitsaktionäre
ist dann gewährleistet, wenn ihnen der Wert ihrer Aktien ersetzt wird und sie die
Möglichkeit haben, die Richtigkeit der Wertbemessung in einem gerichtlichen Verfahren
überprüfen zu lassen (BVerfG a.a.O.).
26
2.2 Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben werden durch die Regelungen der §§ 327 a
ff. AktG erfüllt. Die berechtigten Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen
Minderheitsaktionäre werden gewahrt.
27
2.2.1 Die gesetzgeberische Zielsetzung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit dem
Rechtsinstitut des "squeeze-out" soll einem Aktionär, der direkt oder indirekt über
mindestens 95 % Anteile an einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft
auf Aktien verfügt, die Möglichkeit gegeben werden, die Aktien der noch in der
Gesellschaft verbliebenen Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer
angemessenen Barabfindung zwangsweise zu erwerben und damit die
Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft auszuschließen. Dies dient in erster Linie der
Vereinfachung der Unternehmensführung. Eine geringe Anzahl von
Minderheitsaktionären in einer ganz überwiegend von einem Großaktionär oder einer
Unternehmensgruppe kontrollierten Gesellschaft ist kaum in der Lage, in
nennenswertem Umfang zur Eigenkapitalbeschaffung oder zur Unternehmensführung
beizutragen. Gleichwohl aber müssen auch bei Vorgängen, welche die Interessen der
Minderheitsaktionäre nicht oder kaum beeinträchtigen, sämtliche aktienrechtlichen
Minderheitenschutzvorschriften - Einberufung der Hauptversammlung, deren
ordnungsgemäße Durchführung, Fragerecht der Aktionäre und die diversen
aktienrechtlichen Berichtspflichten - mit einem erheblichen Kostenaufwand beachtet
werden. Des weiteren besteht die Gefahr missbräuchlicher Anfechtungsklagen, die
weitere Verzögerungen, Synergieverluste und Kosten mit sich bringen
(Regierungsentwurf BT-Drucksache 14/7034, S. 31 f., 72 ff.; Krieger BB 2002, 53; Kölner
Kommentar-WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 6 f. zu § 327 a; Steinmeyer/Häger, Rdnr. 4 ff. zu §
327 a; Grzimek in: Geibel/Süssmann, Rdnr. 2 zu § 327 a).
28
Schließlich soll die squeeze-out-Möglichkeit der Vollendung des Kontrollwechsels
dienen. Hat der Hauptaktionär eine 95 %ige Beteiligung durch ein Pflichtangebot i.S.d. §
29
35 WpÜG erworben, so soll ihm auch die Möglichkeit eingeräumt werden,
überbleibende Splitterbeteiligungen abzufinden und alle Anteile an der Zielgesellschaft
zu übernehmen (Regierungsentwurf BT-Drucksache 14/7034, S. 32; Steinmeyer/Häger,
Rdnr. 6 zu § 327 a; Kölner Kommentar-WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 8 zu § 327 a).
2.2.2 Das Vermögensinteresse des Minderheitsaktionärs, der gegen Zahlung einer
Barabfindung ausscheidet, ist durch das dem Eingliederungsverfahren nachgebildete
Verfahren der §§ 327 a ff. AktG nicht nur ausreichend geschützt. Die
Schutzvorkehrungen gehen sogar über den Schutz hinaus, der Minderheitsaktionären
bei sonstigen Strukturmaßnahmen gewährt wird.
30
Die Angemessenheit der vom Hauptaktionär festzulegenden Barabfindung unterliegt der
Prüfung durch einen sachverständigen Prüfer, der vom Gericht ausgewählt und bestellt
wird (§ 327 c Abs. 2 Satz 2 AktG). Die Leistung dieser von einem unabhängigen,
gerichtlich ausgewählten und bestellten sachverständigen Prüfer als angemessen
testierten Barabfindung wird durch eine deutsche Bank abgesichert, so dass die
Minderheitsaktionäre zusätzlich einen unmittelbaren Anspruch gegen das Kreditinstitut
erhalten (§ 327 b Abs. 3 AktG). Die Angemessenheit der Barabfindung können die
ausgeschiedenen Minderheitsaktionäre im Spruchverfahren überprüfen lassen (§ 327 f
Abs. 1 Satz 2 AktG). Außerdem haben sie die Möglichkeit, den in der
Hauptversammlung gefassten Übertragungsbeschluss im Wege der Anfechtungsklage
überprüfen zu lassen, wobei diese allerdings weder darauf gestützt werden kann, dass
der Hauptaktionär nach § 243 Abs. 2 AktG Sondervorteile zu erlangen suchte, noch
darauf, dass die festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist (§ 327 f Abs. 1 Satz 1
AktG).
31
Dass die nach § 327 b Abs. 1 AktG zu stellende Bankgarantie sich notwendigerweise
nur auf die beschlossene und nicht auch auf eine in einem möglichen
Spruchstellenverfahren ermittelte Barabfindung bezieht, kann ebenso wenig zur
Verfassungswidrigkeit des squeeze-out-Verfahrens führen wie die vielfach überlange
Dauer von Spruchstellenverfahren. Letztere ist nicht auf die gesetzliche Regelung als
solche zurückzuführen, sondern auf die Schwierigkeit der Materie für Parteien, Gerichte
und Sachverständige. Durch das mit Wirkung vom 1. September 2003 in Kraft getretene
Spruchverfahrensgesetz soll die Verfahrensdauer abgekürzt werden (siehe dazu Büchel
NZG 2003, 793 ff.). Das Risiko des Minderheitsaktionärs, den in einem Spruchverfahren
festgesetzten Mehrbetrag im Falle einer zwischenzeitlichen Insolvenz des
Hauptaktionärs nicht durchsetzen zu können, ist verhältnismäßig gering einzuschätzen,
da die beschlossene Barabfindung bereits vorab durch einen gerichtlich bestellten
Sachverständigen auf ihre Angemessenheit überprüft wird (§ 327 c Abs. 2 AktG). Im
Übrigen wird das Insolvenzrisiko bei anderen Strukturmaßnahmen, deren
Verfassungskonformität nicht angezweifelt wird, überhaupt nicht geschützt (siehe auch
OLG Hamburg NZG 2003, 978, 979; AG 2003, 696).
32
Die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung lässt sich auch nicht damit
begründen, dass die Zinspflicht nach § 327 b Abs. 2 AktG erst mit der Eintragung des
Übertragungsbeschlusses beginnt. Diese Regelung knüpft an die konstitutive Wirkung
der Eintragung an. Bis dahin behält der Aktionär seine Stellung als Anteilsinhaber mit
der Folge, dass er daraus resultierende Ansprüche, insbesondere Dividenden oder
Ausgleichsansprüche geltend machen kann (OLG Hamburg NZG 2003, 978, 979; OLG
Köln BB 2003, 2307, 2309). Im Übrigen ist nach § 327 b Abs. 2 2. Halbsatz AktG die
Geltendmachung eines weitergehenden (Verzugs-) Schadens nicht ausgeschlossen, so
33
dass die Minderheitsaktionäre es in der Hand haben, den Hauptaktionär durch
Einreichung ihrer Aktien in Verzug zu setzen (Kölner Kommentar-WpÜG/Hasselbach,
Rdnr. 14 zu § 327 b).
3. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Entgegen der Auffassung der
Klägerin zu 1. lässt sich die Verfassungswidrigkeit der Regelungen des squeeze-out-
Verfahrens auch nicht daraus herleiten, dass Vorzugsaktionäre keinerlei Möglichkeit der
Zustimmung zu einem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss haben. Es ist
das vom Gesetzgeber ausdrücklich erklärte unmittelbare und ausschließliche Ziel dieser
Regelungen, für den Mehrheitsaktionär, dem bereits der ganz überwiegende Teil der
Aktien der Gesellschaft gehört, die Möglichkeit zu schaffen, die restlichen
Minderheitsaktionäre ohne eine sachliche Rechtfertigung auch gegen ihren Willen
auszuschließen. Damit kann und darf es auf ihre Zustimmung nicht ankommen, so dass
nicht nur ihr entgegenstehender, sondern auch ihr fehlender Wille unmaßgeblich ist.
Würde man für den Übertragungsbeschluss nach § 327 a AktG die Zustimmung der
Minderheitsaktionäre verlangen, würde die gesetzgeberische Zielsetzung verfehlt, weil
den Minderheitsaktionären dadurch ein Vetorecht eingeräumt würde. Dadurch, dass ihr
Ausschluss gegen eine angemessene Barabfindung zu erfolgen hat und sie die
Angemessenheit dieser im Spruchverfahren überprüfen lassen können, sind ihre
Vermögensrechte ausreichend geschützt.
34
a.
II.
35
Der in der Hauptversammlung vom 29. August 2003 zu Tagesordnungspunkt 7 gefasste
Übertragungsbeschluss nach § 327 a AktG ist ordnungsgemäß zustande gekommen.
Ohne Erfolg rügen die Klägerinnen zu 1. bis 3. auch in der Berufungsinstanz, die
Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung weise Verfahrensfehler auf.
36
1. Dass die Beklagte oder die Hauptaktionärin die ihnen bei der Vorbereitung der
Hauptversammlung nach § 327 c AktG obliegenden Informations-, Berichts- und
Prüfungspflichten verletzt haben, lässt sich nicht feststellen.
37
1.1 Die Hauptaktionärin hat der Hauptversammlung den von § 327 c Abs. 2 AktG
geforderten schriftlichen Bericht vorgelegt.
38
1.1.1 Die Rüge der Klägerin zu 1., der Bericht der E... S... V... GmbH vom 11. Juli 2003
entspreche schon nicht der Schriftform, weil er nicht ordnungsgemäß unterzeichnet sei,
ist unbegründet.
39
Der Bericht des Hauptaktionärs ist schriftlich abzufassen und daher gemäß § 126 BGB
mit eigenhändiger Unterschrift zu versehen. Ist der Hauptaktionär eine juristische
Person, so ist der Bericht von Mitgliedern des Vorstands oder der Geschäftsführung in
vertretungsberechtigter Zahl zu unterzeichnen (Senat AG 2004, 207, 210; Kölner
Kommentar-WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 9 zu § 327 c; Grzimek in: Geibel/Süssmann,
Rdnr. 5 zu § 327 c; Münchner Kommentar/Grunewald, Rdnr. 6 zu § 327 c). Dies ist hier
geschehen. Der schriftlich verfasste Bericht ist von den seinerzeitigen Geschäftsführern
der E... S... V... GmbH, Reinhold H... und Dr. H... Z..., unterzeichnet worden. Dass sie
40
dies in dieser Funktion getan haben, geht klar und deutlich aus dem Zusatz "E... ... V....-
GmbH" oberhalb der Unterschriftenzeile hervor. Bei einer solchen von § 35 Abs. 3
GmbHG geforderten Namenszeichnung unter Hinweis auf die Gesellschaft tritt der
unterzeichnende Geschäftsführer ausdrücklich als ihr Vertreter auf (§ 36 GmbHG, § 164
Abs. 1 Satz 2 BGB) und genügt damit der in § 126 BGB vorgesehenen Schriftform.
Weitergehende Anforderungen sind an diese nicht zu stellen, insbesondere bedurfte es
nicht noch des von der Klägerin zu 1. geforderten Hinweises auf die
Vertretungsberechtigung und damit der Erläuterung, dass es sich bei den
Unterzeichnenden um die Geschäftsführer der Hauptaktionärin handelte (s.a. OLG
Stuttgart ZIP 2003, 2363 f.). Ob diese Information entsprechend § 35 a Abs. 1 GmbHG
geschuldet war, kann dahin stehen. Bei dieser Regelung handelt es sich - wie auch bei
§ 36 Abs. 3 GmbHG - nicht um eine Form-, sondern um eine bloße Ordnungsvorschrift,
deren Verletzung nicht die Ungültigkeit der Erklärung zur Folge hat (vgl. nur: Zöllner in:
Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., Rdnr. 10 zu § 35 a; Lutter/Hommelhoff, GmbHG,
16. Aufl., Rdnr. 6 zu § 35 a).
1.1.2 Im Übrigen entspricht der Bericht den Anforderungen des § 327 c Abs. 2 Satz 1
AktG, denn er legt die Voraussetzungen für die Übertragung dar und erläutert die
Angemessenheit der Barabfindung umfassend und nachvollziehbar. Dass die
Barabfindung nicht ordnungsgemäß angeboten worden ist, lässt sich entgegen der
Auffassung der Klägerinnen nicht feststellen. Soweit sie in diesem Zusammenhang die
Höhe der von der Hauptaktionärin festgesetzten - und durch die Ausschlussprüferin
überprüften - Abfindung beanstanden, müssen sie dies gemäß § 327 f Abs. 1 AktG
i.V.m. § 2 Spruchverfahrensgesetz im Spruchverfahren geltend machen. Da die
Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung ausschliesslich im Spruchverfahren
erfolgt und die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses nur bei fehlendem
Barabfindungsgebot zulässig ist, hängt die Wirksamkeit der Strukturmaßnahme nicht
von der Angemessenheit der festgesetzten Kompensation ab (vgl. nur:
Emmerich/Habersack, Rdnr. 5 zu § 327 f; Kölner Kommentar-WpÜG/Hasselbach, Rdnr.
4 zu § 327 e; Krieger, BB 2002, 53, 60).
41
1.2 Ohne Erfolg wenden die Klägerinnen auch ein, die Beklagte sei ihrer Verpflichtung
zur Auslegung von Unterlagen nach §§ 327 c Abs. 3, 327 d Satz 1 AktG nur
unzureichend nachgekommen, weil sie den (Teil-)Konzernabschluss nebst Lagebericht
nicht vorgelegt habe.
42
Ergänzend zu den Berichtspflichten des § 327 c AktG wird dem Informationsinteresse
der Minderheitsaktionäre dadurch Rechnung getragen, dass die Berichte, der Entwurf
des Übertragungsbeschlusses sowie die Jahresabschlüsse und Lageberichte der
Gesellschaft für die letzten drei Jahre vom Tage der Einberufung der
Hauptversammlung an bis zu deren Beendigung auszulegen sind (§ 327 c Abs. 3, § 327
d Satz 1 AktG). Dies entspricht der Rechtslage beim Abschluss eines
Unternehmensvertrages und bei der Eingliederung, die Regelungen sind §§ 293 f. Abs.
1, 319 Abs. 3, 293 g Abs. 1, 320 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 Satz 3 AktG nachgebildet. Die
Aufzählung der in diesen Regelungen aufgeführten Unterlagen ist abschließend. Zu
Recht ist das Landgericht daher zu der Feststellung gelangt, dass die Auffassung der
Klägerin, es bedürfte daneben auch der Auslegung der (Teil-) Konzernabschlüsse nebst
Lageberichten, im Gesetz keine Stütze findet (so auch OLG Hamburg NZG 2003, 978,
980 = ZIP 2003, 2076 = AG 2003, 698; Münchner Kommentar/Grunewald, Rdnr. 17 zu §
327 c; Kölner Kommentar-AktG/ Koppensteiner, 3. A., Rdnr. 15 zu § 327 c). Ob etwas
anderes dann zu gelten hat, wenn Minderheitsaktionäre einer Holdinggesellschaft aus
43
dieser ausgeschlossen werden (so OLG Celle AG 2004, 206 f.), braucht der Senat nicht
zu entscheiden, weil es sich bei der Beklagten nicht um eine solche handelt. Sie
entfaltet ihre operative Tätigkeit selbst, so dass sich ein vollständiges Bild dieser aus
den gesetzlich geforderten und rechtzeitig vorgelegten Unterlagen ergibt.
1.3 Unbegründet ist auch der Einwand, die Hauptaktionärin habe kein
ordnungsgemäßes Angebot i.S.d. §§ 327 a ff. AktG vorgelegt, weil die von der W... AG
unter dem 9. Juli 2003 abgegebene Bankgarantie unzureichend sei.
44
Gemäß § 327 b Abs. 3 AktG muss ein Kreditinstitut die Gewährleistung für die Erfüllung
der Verpflichtung der Hauptaktionärin übernehmen. Erforderlich ist die Abgabe eines
eigenen Zahlungsversprechens, an dessen Rechtsnatur keine besonderen
Anforderungen zu stellen sind. Neben einer Garantie kommen daher auch
Bürgschaftsversprechen, Schuldbeitritt oder abstraktes Schuldversprechen in Betracht.
Dass das Zahlungsversprechen schriftlich abzugeben ist, sieht das Gesetz zwar nicht
ausdrücklich vor, aus Beweisgründen aber wird dies unerlässlich sein, denn die
ausgeschlossenen Aktionäre sollen die Möglichkeit erhalten, aus der Erklärung
unverzüglich und komplikationslos gegen das Kreditinstitut vorgehen zu können.
45
Der Umfang der Gewährleistung muss sich auf die Verpflichtung des Hauptaktionärs zur
Zahlung der von ihm festgelegten Barabfindung beziehen. Entscheidend ist damit der im
Übertragungsbeschluss genannte Betrag der Abfindung mit der Folge, dass etwaige
Erhöhungen in der Hauptversammlung gegenüber dem bekannt gemachten Betrag von
der Gewährleistung abgedeckt sein müssen. Im Spruchverfahren festgesetzte
Erhöhungen sowie Zinsen müssen hingegen von der Garantie nicht erfasst werden, da
sie sich nur auf die vom Hauptaktionär festgelegte Barabfindung erstrecken muss (vgl.
zu Vorstehendem nur: Emmerich/Habersack, Rdnr. 11 ff. zu § 327 b; Hüffer, Rdnr. 9 zu §
327 b; Grzimek in: Geibel/Süssmann, Rdnr. 43 ff. zu § 327 b; Kölner Kommentar-
WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 30 ff. zu § 327 b; Kölner Kommentar-AktG/Koppensteiner,
Rdnr. 9 ff. zu § 327 b; Münchner Kommentar/Grunewald, Rdnr. 15 ff. zu § 327 b; OLG
Hamburg NZG 2003, 978, 980).
46
Die von der Hauptaktionärin beigebrachte Bankgarantie erfüllt diese Voraussetzungen.
Die W... AG hat sich unter dem 9. Juli 2003 gegenüber den Minderheitsaktionären
ausdrücklich verpflichtet, nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das
Handelsregister unverzüglich jedem Minderheitsaktionär die festgelegte Barabfindung
in Höhe von 21,17 EUR je Aktie zu zahlen und diese Garantie darüber hinaus sogar
noch auf den Zinsanspruch nach § 327 b Abs. 2 AktG erstreckt. Diese Erklärung
begründet für die Minderheitsaktionäre - wie im Text der Erklärung weiter ausdrücklich
festgehalten ist - den von § 327 b Abs. 3 AktG geforderten unmittelbaren Anspruch
gegen die W... AG auf Leistung der Barabfindung im Sinne eines echten Vertrages zu
Gunsten Dritter. Damit aber ist sie entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. auch
nicht frei widerruflich. Eine Aufhebung oder Änderung des Vertrages ohne die
Zustimmung der aus ihnen begünstigten Minderheitsaktionäre ist vertraglich nicht
vorgesehen und kann auch den weiteren Umständen nicht entnommen werden (§ 328
Abs. 2 BGB), denn sie würde dem Sicherungszweck des Garantieversprechens nach §
327 b Abs. 3 AktG widersprechen.
47
Ebenso wenig lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerinnen zu 2. und 3.
feststellen, dass die Garantie unzulässigerweise auf den Höchstbetrag von
1.541.853,41 EUR beschränkt worden ist. Die Garantie bezieht sich ausdrücklich auf
48
alle Minderheitsaktionäre, die eine Barabfindung erhalten, so dass sie weder
ausdrücklich noch konkludent auf einen Höchstbetrag beschränkt ist. Damit bedarf es
auch keiner Entscheidung, ob eine solche Beschränkung unzulässig wäre (so LG
Frankfurt NZG 2004, 672, 674; a.A.: Kölner Kommentar/Hasselbach, Rdnr. 32 zu § 327
b; Dißars/Kocher NZG 2004, 856 f.).
1.4 Keinen Erfolg hat auch die Rüge der Klägerinnen zu 2. und 3., die Angemessenheit
der Barabfindung sei nicht ordnungsgemäß überprüft worden.
49
Der Prüfbericht ist von der mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Juni
2003 gemäß § 327 c Abs. 2 Satz 3 AktG zur Ausschlussprüferin bestellten
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft B... erstellt worden. Dass er inhaltlich nicht den
Vorgaben des § 293 e Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 in Verbindung mit § 327 c Abs. 2 AktG
entspricht, ist weder ersichtlich noch von den Klägerinnen näher aufgezeigt.
50
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen lässt sich nicht feststellen, dass die Auswahl
und Bestellung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft B... als Ausschlussprüferin oder die
Prüfung selbst nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.
51
§ 327 c Abs. 2 Satz 3 AktG sieht vor, dass der sachverständige Prüfer auf Antrag des
Hauptaktionärs vom Gericht ausgewählt und bestellt wird. Hierdurch soll sichergestellt
werden, dass der Prüfer eine gewisse Distanz zum Hauptaktionär hat und sein
Prüfergebnis von den Minderheitsaktionären eher akzeptiert wird oder im
Spruchverfahren zugrunde gelegt werden kann (Münchner Kommentar/Grunewald,
Rdnr. 12 f. zu § 327 c; Emmerich/Habersack, Rdnr. 11 zu § 327 c; Steinmeyer/Häger,
Rdnr. 14 zu § 327 c; Kölner Kommentar-WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 19 zu § 327 c). An
den Vorschlag des Hauptaktionärs ist das Gericht, das nach billigem Ermessen
entscheidet, grundsätzlich nicht gebunden. Die Bestellung des vom Hauptaktionär
vorgeschlagenen Prüfers wird das Gericht allerdings nur dann ablehnen müssen, wenn
im konkreten Fall tatsächliche Anhaltspunkte für eine mangelnde Unabhängigkeit des
Prüfers bestehen. Fehlen solche und bestellt das Gericht den vorgeschlagenen Prüfer
führt dies faktisch dazu, dass die Auswahl letztlich vom Hauptaktionär getroffen wird,
wobei der Sachverständige durchaus den Gutachtenauftrag bereits kennen und unter
Umständen auch schon seine Tätigkeit aufgenommen haben kann (Steinmeyer/Häger;
Kölner Kommentar-WpÜG/Hasselbach; jeweils a.a.O; Büchel NZG 2003, 793, 801). Von
einer solchen Verfahrensweise ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (siehe nur die
Nachweise bei Büchel, a.a.O.).
52
Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht mit
Beschluss vom 17. Juni 2003 die von der Hauptaktionärin vorgeschlagene
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft B... zur Ausschlussprüferin bestellt hat. Insbesondere
können die Klägerinnen zu 2. und 3. nicht aufzeigen, dass gegen deren Unabhängigkeit
zu irgendeinem Zeitpunkt Bedenken bestanden. Solche lassen sich nicht schon daraus
herleiten, dass die Ausschlussprüferin - wie sie in ihrem Bericht vom 14. Juli 2003
festgehalten hat (S. 2) - ihre Prüfung im Juni und Juli 2003 zeitlich parallel zu den
vorbereitenden Arbeiten der Hauptaktionärin durchgeführt hat, die sich wiederum der
sachverständigen Hilfe der K... bedient hat (s. Bl. 27 des Übertragungsberichts). Eine
Tätigkeit als Ausschlussprüfer ist gemäß § 319 Abs. 2 Nr. 5 bis 7 HGB lediglich dann
ausgeschlossen, wenn der Wirtschaftsprüfer über seine Prüfungstätigkeit hinaus an der
Aufstellung des Berichts des Hauptaktionärs mitgewirkt hat (vgl. nur: Steinmeyer/Häger,
Rdnr. 11 zu § 327 c). Unschädlich ist hingegen die Einwirkung im Rahmen der
53
Prüfungstätigkeit, um ein Testat erteilen zu können. Die Übernahme der Ansichten und
Einschätzungen des gerichtlich bestellten Prüfers durch den Hauptaktionär und des in
seinem Auftrag tätigen Bewertungsgutachters ist gerade der Zweck der Überprüfung.
Daher wird der sachverständige Prüfer in der Praxis mit seiner Überprüfung des
Vorstandsberichtes nicht erst beginnen, wenn dieser fertiggestellt ist, sondern zeitgleich
an seiner Überprüfung arbeiten und etwaige Zweifel bei Bewertungsfragen im Vorfeld
klären. Eine solche Parallelprüfung spricht daher nicht gegen eine unabhängige (Über-
)Prüfung der Angemessenheit der angebotenen Barabfindung (Senat AG 2004, 207;
OLG Stuttgart ZIP 2003, 2363, 2364 f.; Münchner Kommentar/Grunewald, Rdnr. 13 zu §
327 c; Leuering NZG 2004, 606, 609; Büchel NZG 2003, 793, 801; Ott DB 2003, 1615),
und zwar selbst dann nicht, wenn - was die Klägerinnen nicht konkret aufzeigen können
- die gerichtliche Bestellung erst zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Prüfungstätigkeit
schon aufgenommen wurde (Büchel, a.a.O.). Die vom Landgericht geäußerten Zweifel
sind daher unberechtigt.
Soweit es die Angemessenheit der Barabfindung angeht, gilt das oben unter 1.1.2.
Ausgeführte.
54
2.
55
Ein Anfechtungsrecht kann die Klägerin zu 2. auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass
ihr Auskunftsrecht nach § 131 AktG in der Hauptversammlung verletzt worden sei.
56
Gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG können Aktionäre in der Hauptversammlung vom
Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen, soweit sie zur
sachgemäßen Beurteilung des Tagesordnungspunktes erforderlich sind.
57
Die Klägerin zu 2. zeigt eine Verletzung des Auskunftsrechts schon nicht schlüssig auf.
Unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag rügt sie ganz allgemein nur, dass
Fragen ihres Vertreters Dr. R... im Zusammenhang mit der Ermittlung des Kaufpreises
bei der Veräußerung von Tochtergesellschaften der Beklagten nicht ausreichend
beantwortet seien (Bl. 103 f. GA).
58
Dass dieser Umstand zur sachgerechten Beurteilung des Tagesordnungspunkts
"Ausschluss der Minderheitsaktionäre" erforderlich war, aber ist unter keinem
Gesichtspunkt ersichtlich. Für die Festlegung der Barabfindung nach § 327 a AktG sind
gemäß § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG allein die Verhältnisse der Beklagten im Zeitpunkt
der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung, also am 29. August 2003, maßgeblich,
so dass die Frage der zutreffenden Wertermittlung bei in der Vergangenheit liegenden
Beteiligungsveräußerungen hierfür keine Rolle spielen kann. Ob diese bei der
Bemessung der Abfindung im Rahmen des am 25. Juli 2000 geschlossenen
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages von Relevanz sind, kann offen
bleiben, weil die Abfindung nach § 305 AktG auf einen anderen Bewertungsstichtag,
den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung über diesen Vertrag,
abhebt (vgl. nur: Hüffer, Rdnr. 23 zu § 305).
59
Damit kommt es nicht weiter darauf an, inwieweit unterlassene, unrichtige oder
unvollständige Auskünfte zum Abfindungswert überhaupt eine Anfechtungsklage
begründen können (bejahend: Hüffer, Rdnr. 2 zu § 327 f.; Emmerich/Habersack, Rdnr. 4
zu § 327 f.; Krieger BB 2002, 53, 60) oder ob eine solche Verletzung des
Informationsrechts, die im Zusammenhang mit der Berechnung der Angemessenheit der
60
Barabfindung steht, nur im Spruchverfahren nach § 327 f AktG geltend gemacht werden
kann (so: OLG Köln BB 2003, 2307; Steinmeyer/Häger, Rdnr. 5 zu § 327 f.; Kölner
Kommentar-WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 3 ff. zu § 327 f.; differenzierend: Grzimek in:
Geibel/Süßmann, Rdnr. 3 ff. zu § 327 f.).
3. Der Beschluss über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre ist in der
Hauptversammlung vom 29. August 2003 auch wirksam gefasst worden.
61
3.1 Die Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Durchführung des "squeeze-
out" muss mangels abweichender gesetzlicher Regelungen in den §§ 327 ff. AktG nur
mit einfacher Mehrheit gemäß § 133 Abs. 1 AktG erfolgen. Weder aus § 327 a AktG
noch aus anderen gesetzlichen Vorschriften lässt sich eine Beschlussfassung mit 95 %
der abgegebenen Stimmen oder eine sonstige qualifizierte Mehrheit entnehmen (Kölner
Kommentar/Hasselbach, Rdnr. 8 zu § 327 d; Grzimek in: Geibel/Süssmann, Rdnr. 38 zu
§ 327 a; Hüffer, Rdnr. 11 zu § 327 a; Steinmeyer/Häger, Rdnr. 19 zu § 327 a; Münchner
Kommentar/Grunewald, Rdnr. 16 zu § 327 a; Fuhrmann/Simon WM 2002, 1211, 1213).
62
In der Niederschrift über die Hauptversammlung ist zum maßgeblichen
Tagesordnungspunkt 7 festgehalten, dass der Beschluss über die Übertragung der von
den Minderheitsaktionären der Beklagten gehaltenen Aktien auf die Hauptaktionärin
gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung mit allen Stimmen der
stimmberechtigten Aktionäre angenommen worden ist.
63
3.2 Zu Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass
den Vorzugsaktionären bei der Abstimmung über den Beschluss nach § 327 a AktG ein
Stimmrecht nicht zustand.
64
3.2.1 Gemäß § 4 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ist das Grundkapital eingeteilt in
10,4 Mio. Aktien, zerlegt in 5,2 Mio. Stamm- und 5,2 Mio. Vorzugsaktien ohne
Stimmrecht. Letztere haben gemäß § 5 Abs. 5 der Satzung - vorbehaltlich zwingender
gesetzlicher Vorschriften - kein Stimmrecht. Rechtfertigende Voraussetzung - und
Surrogat - für den Stimmrechtsausschluss ist gemäß § 139 AktG der Vorzug, d.h. der
Vorrang des Aktionärs bei der Verteilung des nach § 58 Abs. 4 AktG verteilbaren
Bilanzgewinns vor den Stammaktionären bei der Zahlung der Dividende und der damit
einhergehende Nachzahlungsanspruch. § 6 Abs. 2 a der Satzung sieht einen solchen
Vorzug vor, weil bei der Verteilung des Bilanzgewinns zunächst die für die
Vorzugsaktionäre bestimmten Vorzugsgewinnanteile von 0,08 EUR je Vorzugsaktie zu
zahlen sind und dieser nachzuzahlen ist, wenn und soweit in einem Jahr eine
Vorzugsdividende nicht ausgeschüttet wird.
65
3.2.2 Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. ist das mit § 5 der Satzung wirksam
ausgeschlossene Stimmrecht der Vorzugsaktionäre nicht nach § 140 Abs. 2 AktG
wieder aufgelebt.
66
§ 140 Abs. 2 Satz 1 AktG gibt den Vorzugsaktionären dann ein Stimmrecht, wenn die
Vorzugsdividende in einem Jahr zumindest teilweise nicht gezahlt worden ist und der
Rückstand im Folgejahr nicht vollständig nachgezahlt wird. Dies lässt sich entgegen der
Auffassung der Klägerin zu 1. nicht feststellen.
67
Die Beklagte und die Hauptaktionärin haben unter dem 25. Juli 2000 einen
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, der nach Zustimmung der
68
Hauptversammlung der Beklagten am 6. Oktober 2000 in das Handelsregister
eingetragen und damit entsprechend § 294 Abs. 2 AktG wirksam geworden ist. Dieser
garantiert den außenstehenden Aktionären als angemessenen Ausgleich für die Dauer
des Vertrages einen Gewinnanteil von mindestens 0,99 EUR je nennwertloser
Vorzugsaktie und 0,95 EUR je nennwertloser Stammaktie für das Geschäftsjahr 2000
sowie von mindestens 1,07 EUR je nennwertloser Vorzugsaktie und 1,03 EUR je
nennwertloser Stammaktie für das Geschäftsjahr 2001 und jedes darauf folgende
Geschäftsjahr. Da der Gewinnabführungsvertrag die Entstehung eines verteilbaren
Bilanzgewinns verhindert und damit das mitgliedschaftliche Dividendenrecht leer laufen
würde, sieht § 304 Abs. 1 AktG die Kompensation derartiger Verluste durch einen zu
zahlenden Ausgleich vor. Ein solcher Ausgleich stellt daher eine Leistung an Erfüllungs
Statt i.S.d. § 364 Abs. 1 BGB dar, wenn er - wie hier - den Dividendenvorzug der
Vorzugsaktionäre (hier: 0,04 EUR bei Gewinnverteilung an Vorzugs- und
Stammaktionäre) berücksichtigt. Sie hat zur Folge, dass der Aktionär, der diese
annimmt, das Stimmrecht gemäß § 140 Abs. 2 AktG nicht wieder erlangt (Münchner
Kommentar/Volhard, Rdnr. 11 zu § 140; G. Bezzenberger in: Grosskommentar zum
AktG, 4. A., Rdnr. 22 zu § 140; T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, S. 96
f.). Das Gleichgewicht von Gewinnvorzug und Stimmrechtsausschluss ist nicht gestört,
so dass ein Wiederaufleben des Stimmrechts auch Sinn und Zweck des § 140 Abs. 2
AktG widerspräche.
Dass der Ausgleich für die Geschäftsjahre 2000 bis 2003 an die Vorzugsaktionäre
gezahlt worden ist, stellt die Klägerin zu 1. nicht in Abrede.
69
3.2.3 Eine verfassungskonforme Anwendung des Aktiengesetzes gebietet es nicht, den
Vorzugsaktionären ein Stimmrecht zuzubilligen.
70
Wie bereits eingangs ausgeführt, verkennt die Klägerin zu 1. insoweit, dass in dem
Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen - oder ohne - ihren Willen kein Verstoß
gegen Artikel 14 Abs. 1 GG liegt. Der Schutz dieser Minderheit wird - wie auch bei
anderen Strukturmaßnahmen - durch die strengen Voraussetzungen ausreichend
gewährleistet. So kann es zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre ohne ihren Willen
nur kommen, wenn sich 95 % des Grundkapitals in einer Hand befinden, die Zahl der
außenstehenden Aktionäre also so klein geworden ist, dass ein besonderer, über die
Gewähr einer angemessenen Barabfindung hinausgehender Minderheitenschutz nicht
mehr geboten erscheint.
71
3.2.4 Damit kommt es nicht weiter darauf an, dass eine verfahrensfehlerhafte
Nichtberücksichtigung des Stimmrechts der Vorzugsaktionäre die Anfechtbarkeit des
Hauptversammlungsbeschlusses auch deshalb nicht begründen kann, weil sie keinen
Einfluss auf das Beschlussergebnis gehabt hätte. Unstreitig besaß die Hauptaktionärin
im Zeitpunkt der Hauptversammlung nicht nur 5,2 Mio. Stammaktien, sondern auch
schon 5.127.168 Vorzugsaktien, also 99,3 % des Grundkapitals, so dass sie mit diesen
Stimmen die Übertragung der restlichen 72.832 Vorzugsaktien beschließen konnte, für
die es nur der einfachen Mehrheit bedurfte. In derartigen Fällen, in denen eine
fehlerhafte Feststellung des Abstimmungsergebnisses auf das Beschlussergebnis ohne
Einfluss geblieben ist, fehlt nicht nur die Kausalität, sondern auch die Relevanz des
Verfahrensfehlers für das Beschlussergebnis (vgl. nur: Hüffer, Rdnr. 19 zu § 243; ders.
in: Münchner Kommentar, Rdnr. 41 zu § 243).
72
3.3 Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. war ein zustimmender Sonderbeschluss
73
nach § 141 AktG nicht erforderlich.
Gemäß § 141 Abs. 1 AktG bedürfen sämtliche Beschlüsse, durch die der Vorzug
aufgehoben oder aber beschränkt, also unmittelbar beeinträchtigt wird, zu ihrer
Wirksamkeit der Zustimmung der Vorzugsaktionäre, nicht aber nur mittelbare
Beeinträchtigungen. Maßnahmen mit mittelbarer, also lediglich nachteiliger
wirtschaftlicher Auswirkung sind - von den Ausnahmen des § 141 Abs. 2 AktG
abgesehen - grundsätzlich nicht zustimmungspflichtig (Hüffer, Rdnr. 4 ff. zu § 141;
Münchner Kommentar/Volhard, Rdnr. 3 ff. zu § 141).
74
Der in der Satzung festgelegte Vorzug wird durch den Übertragungsbeschluss nicht
unmittelbar beeinträchtigt, denn die Übertragung hat nur einen Inhaberwechsel zur
Folge, lässt aber - ebenso wie Liquidations- und Verschmelzungsbeschlüsse - die
rechtliche Ausgestaltung der Aktiengattung selbst unberührt (s.a. Emmerich/Habersack,
Rdnr. 24 zu § 327 a; Rdnr. 45 vor § 311; Rdnr. 11 zu § 320; Kölner Kommentar-
WpÜG/Hasselbach, Rdnr. 9 zu § 327 d; Fuhrmann/Simon WM 2002, 1211, 1213).
75
a.
III.
76
Im Übrigen greifen die Klägerinnen das landgerichtliche Urteil schon nicht in der von §
521 Abs. 3 Nr. 2 geforderten Weise an, denn sie zeigen im Einzelnen nicht auf, aus
welchen Gründen sie das Urteil im Übrigen für unrichtig halten. Unabhängig davon hat
das Landgericht aber auch zu Recht entschieden, dass sich nicht feststellen lässt, dass
die Hauptaktionärin das squeeze-out-Verfahren rechtsmissbräuchlich betrieben hat, das
Fragerecht der Aktionäre in der Hauptverhandlung im übrigen verletzt worden ist oder es
eines Sonderbeschlusses der ausstehenden Aktionäre nach § 295 Abs. 1 AktG
bedurfte.
77
IV.
78
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 2. HS ZPO.
79
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
80
Der Streitwert wird für jede der Berufungen der Klägerinnen auf jeweils 50.000 EUR
festgesetzt (§§ 12 GKG, 247 AktG). In dieser Höhe sind die Klägerinnen auch
beschwert.
81
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1,
Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der
Rechtsstreit nicht auf, auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
Insbesondere weicht der Senat bei den von ihm entschiedenen Rechtsfragen nicht von
der Rechtsprechung anderer Instanzgerichte ab, auch aus dem Schrifttum sind gegen
die in dieser Entscheidung vertretenen Rechtsauffassungen nachhaltige Bedenken
nicht vorgebracht worden.
82
R... v... R... F...
83