Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.12.2010

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Oberlandesgericht Düsseldorf, IV-3 RBs 210/10
Datum:
27.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
IV-3 RBs 210/10
Leitsätze:
StVG § 25 Abs. 1 Satz 1
Bei der Verhängung eines Fahrverbots darf das gesetzliche Mindestmaß
von einem Monat nicht unterschritten werden.
OLG Düsseldorf, 3. Senat für Bußgeldsachen
Beschluss vom 27. Dezember 2010, IV-3 RBs 210/10
Tenor:
1.
Der angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehö-
rigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine
andere Abteilung des Amtsgerichts Wuppertal zurückverwiesen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit (um 45 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften) zu einer
Geldbuße von 300 Euro verurteilt. Ferner hat es gegen den Betroffenen ein Fahrverbot
"von einem halben Monat" verhängt.
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Hiergegen richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte
Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich auf die Sachrüge stützt.
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II.
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Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
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Der Rechtsfolgenausspruch ist schon deshalb sachlich-rechtlich fehlerhaft, weil das
Amtsgericht durch das angeordnete Fahrverbot "von einem halben Monat" auf eine
Rechtsfolge erkannt hat, die das Gesetz nicht vorsieht. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG
kann ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verhängt
werden. Das gesetzliche Mindestmaß des Fahrverbots ist auf einen Monat festgelegt
und darf nicht unterschritten werden. Eine Bemessung nach Wochen oder Tagen kommt
nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens in Betracht (vgl. Hentschel/König/Dauer,
Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 25 StVG, Rdn. 27; LK-Geppert, StGB, 12. Aufl., § 44
Rdn. 50). Aus dem Umstand, dass in Ausnahmefällen gänzlich von einem Fahrverbot
abgesehen werden kann, lässt sich nicht - wie das Amtsgericht gleichsam interpolierend
meint - ableiten, dass das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat bei der
Verhängung eines Fahrverbots unterschritten werden darf.
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Die Kommentarstelle bei Hentschel/König/Dauer a.a.O. enthält ferner die Aussage, dass
bei Regelfällen von Verstößen, bei denen die BKatV ein Fahrverbot indiziert, die Sätze
der BKatV zu beachten sind, jedoch auch insoweit zu prüfen ist, ob nicht der Einzelfall
eine geringere Fahrverbotsdauer rechtfertigt. Soweit das Amtsgericht diese
Kommentarstelle zum Beleg seiner Auffassung, das gesetzliche Mindestmaß von einem
Monat unterschreiten zu dürfen, angeführt hat, liegt offenbar ein Missverständnis vor. So
betreffen die in diesem Zusammenhang bis zur 39. Auflage zitierten Entscheidungen
(OLG Zweibrücken DAR 2003, 531; OLG Bamberg DAR 2006, 515) jeweils ein
dreimonatiges Fahrverbot, das - jedoch nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens - im
Einzelfall ermäßigt werden kann.
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Aufgrund der Wechselwirkung zwischen der Höhe der Geldbuße und der Dauer des
Fahrverbots unterliegt der Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
insgesamt der Aufhebung.
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III.
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Der Senat hat von der durch § 79 Abs. 6 OWiG eröffneten Möglichkeit Gebrauch
gemacht, die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und
Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Wuppertal
zurückzuverweisen (vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdn. 48 m.w.N.).
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IV.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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Der Betroffene hat berufliche und wirtschaftliche Nachteile als Folgen eines Fahrverbots
regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen daher kein Absehen von der
Verhängung eines Regelfahrverbots (hier: ein Monat), sondern grundsätzlich nur Härten
ganz außergewöhnlicher Art, wie z. B. ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der
Verlust einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR
2000, 312, 313; BayObLG NZV 2002, 143, 144; OLG Schleswig SchlHA 2003, 212, 213;
OLG Hamm NZV 2007, 100, 101). Die Entscheidung über das Absehen von dem
Regelfahrverbot ist außerdem eingehend zu begründen und mit ausreichenden
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Regelfahrverbot ist außerdem eingehend zu begründen und mit ausreichenden
Tatsachen zu belegen.
Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil erschöpfen sich in einer ungeprüften
Übernahme der Angaben des Betroffenen. So legt dessen Vorbringen, er sei als
Rechtsanwalt überwiegend im Rahmen der Sanierung des Kreiskrankenhauses in D.
tätig, die Annahme nahe, dass er eng mit einem im Gesundheitswesen tätigen
Beratungsunternehmen zusammenarbeitet oder als dessen Justitiar fungiert. Mit der
Frage, ob und inwieweit unter Anrechnung auf das Honorar Fahrdienste von
Mitarbeitern dieses Beratungsunternehmens übernommen werden können, befassen
sich die Urteilsgründe nicht. Auch kann mangels konkreter Angaben zu den
Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht nachvollzogen werden, dass es dem
Betroffenen - erforderlichenfalls durch Aufnahme eines Kredits - finanziell nicht möglich
sein soll, für solche Fahrten, die in zumutbarer Zeit nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln
durchgeführt werden können, einen Fahrer zu beschäftigen. Das Halten eines
werthaltigen BMW-Fahrzeugs deutet jedenfalls nicht auf finanzielle Schwierigkeiten hin.
Ferner ist nicht erörtert worden, ob und inwieweit der Betroffene ein Fahrverbot während
eines Urlaubs abwickeln könnte.
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