Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.12.2010

OLG Düsseldorf (ausgleich, beschwerde, begründung, ehegatte, person, teilung, teil, verfahrensgegenstand, abweichung, bezug)

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-7 UF 182/10
Datum:
27.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-7 UF 182/10
Schlagworte:
Beschränkung der Beschwerde; Anwendung der Bagatellklausel
Normen:
§ 18 VersAusglG
Leitsätze:
1. Bei Anfechtung einzelner Teilungsanordnungen der VA-Entscheidung
findet die Überprüfung nur im Umfang der Anfechtung statt.
2. Bei Anrechten mit geringen Ausgleichswerten hat der
Versorgungsausgleich re-gelmäßig zu unterbleiben, soll er
ausnahmsweise durchgeführt werden, ist das zu begründen.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Amtsgerichts Neuss vom 7. September 2010 betreffend die Regelung
des Versorgungsaus-gleichs für das Anrecht der Antragstellerin bei der
DBV Deutsche Beamtenversi-cherung wie folgt abgeändert:
Der Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der DBV Deutsche
Beamtenversicherung (Vers-Nr.: ) findet nicht statt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
Beschwerdewert: 1.620,- €
Die Parteien haben am 14.05.2001 geheiratet; ihre Ehe ist am 22.12.2009 geschieden
worden. Den Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht abgetrennt und mit der
(teilweise) angefochtenen Entscheidung geregelt.
1
Beide Ehegatten haben während der Ehezeit (1.05.2001 bis 31.08.2008)
Altersvorsorgeanrechte erworben: Der Antragsgegner hat Anwartschaften bei der
gesetzlichen Rentenversicherung und Anrechte der betrieblichen Altersvorsorge
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erworben, die Antragstellerin hat Versorgungsanwartschaften in Höhe von monatlich
186,04 € beim Land NRW und ein Anrecht der privaten Altersvorsorge bei der DBV mit
einem Ausgleichswert von 1.469,50 € erworben.
Das Amtsgericht hat die Anrechte der staatlichen Regelversorgungen und das Anrecht
des Antragsgegners bei der Allianz-Pensionskasse intern geteilt; das Anrecht der
Antragstellerin bei der DBV hat es auf deren Verlangen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2
VersAusglG extern in die Deutsche Rentenversicherung geteilt.
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Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und ficht die
Teilungsanordnung für das Anrecht bei der DBV an. Ihrer Meinung nach sei dieses
Anrecht vom Ausgleich auszuschließen gewesen, da es den Bagatellwert des § 18 Abs.
2 VersAusglG nicht übersteige.
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Sie beantragt,
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den Beschluss des Amtsgerichts Neuss vom 07.09.2010 (Az.: 46 F 318/08 VA)
insoweit aufzuheben, als im Wege der externen Teilung zu Lasten des Anrechts
der Antragstellerin bei der DBV 4068510665 zugunsten des Antragsgegners ein
Anrecht in Höhe von 1.469,50 € bei der Deutschen Rentenversicherung Bund
bezogen auf den 31.08.2008, begründet wird und die DBV verpflichtet wird, diesen
Betrag an die Deutsche Rentenversicherung Bund zu bezahlen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
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Das Gericht habe zu Recht von seinem Ermessen im Rahmen des § 18 VersAusglG
Gebrauch gemacht. Es habe daher den Ausgleich angeordnet, um ein insgesamt
gerechteres Teilungsergebnis zu erzielen.
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II. Die gemäß § 58 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung
– nur - der angefochtenen Teilungsanordnung.
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1.
11
Die Antragstellerin hat mit ihrer Beschwerde explizit nur die Teilungsanordnung
betreffend ihr Anrecht bei der DBV angegriffen. Daher beschränkt sich die Überprüfung
des Senats nur auf diesen Teil der Entscheidung.
12
Es handelt sich nämlich um einen trennbaren Teil der angefochtenen Entscheidung
resp. des Verfahrensgegenstandes, über den unabhängig von der Entscheidung über
den restlichen Verfahrensgegenstand entschieden werden kann, ohne dass die Gefahr
einander widersprechender Entscheidungen im Verhältnis zum restlichen
Verfahrensgegenstand besteht und der daher auch einer Teilentscheidung zugänglich
ist (vgl. dazu Keidel/Meyer-Holz, FamFG, § 38 Rn. 29).
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Dies gilt nach dem am 1.9.2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Strukturreform des
Versorgungsausgleichs grundsätzlich für jede Teilungsanordnung:
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Das neues Teilungssystem sieht den Ausgleich jedes einzelnen Anrechts vor, §§ 9,10
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VersAusglG. Der Ausgleichs eines Anrechts hängt damit nicht von dem eines anderen
Anrechts ab. Eine Saldierung, in der sich die Werte der einzelnen Anrechte als
Rechnungsposten notwendig wechselseitig beeinflussen, findet nicht mehr statt. Jeder
Ehegatte wird in Bezug auf seine Anrechte ausgleichspflichtig und ist im Hinblick auf die
des anderen ausgleichsberechtigt.
Die einzelnen Teilungen sind mithin "aussonderbare" Verfahrensgegenstände im o.g.
Sinn (so auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Auflage, Rz. 1066) und können daher
auch im Amtsverfahren separat angefochten werden (vgl. Keidel-Sternal, § 64 FamFG,
Rz 37, 38; Bumiller, § 64 FamFG, Rnr. 89).
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Zu einer Überprüfung der Gesamtregelung des Versorgungsausgleichs kommt es
demgegenüber, wenn eine Begründung der Beschwerde gänzlich unterbleibt; die
Begründung ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung mehr (§ 65 FamFG). Das Gleiche gilt,
wenn der Beschwerdeführer die Regelung insgesamt zur Disposition stellt, auch wenn
er in der Beschwerdebegründung bestimmte Angriffspunkte benennt. Dann ist im Wege
der Amtsermittlung der Gesamtausgleich zu prüfen.
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2.
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Die von der Beschwerdeführerin gerügte Teilungsanordnung ist abzuändern.
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Denn das vom Amtsgericht zu ihren Lasten ausgeglichene Anrecht hat mit 2.939,- €
einen unter der Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG (120% der monatlichen
Bezugsgröße des § 18 SGB IV, das sind im Jahre 2008 – Ende der Ehezeit – 2.982,- €)
liegenden Ausgleichswert.
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Ein solches Anrecht "soll" gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich
ausgeschlossen werden. Mit dieser Regelung beabsichtigte der Gesetzgeber zum einen
eine Vereinfachung, zum anderen die Reduzierung unverhältnismäßigen
Verwaltungsaufwands (BT-Drs. 16/10144, S. 31, 43, 44, 60). Die Versorgungsträger, die
nach dem Teilungssystem alle vom Versorgungsausgleich betroffen sind, werden so
vom Ausgleich und der Verwaltung von Kleinstanrechten entlastet. Diese Regelung
relativiert also die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs auf die
Versorgungsträger, was insbesondere für die nach der Reform stärker eingebundenen
Versorgungsträger der privaten und betrieblichen Vorsorge zum Tragen kommt (BT-Drs.
a.a.O., S. 43). Zugleich werden die Gerichtsverfahren vereinfacht (BT-Drs. a.a.O., S. 44)
und die Vervielfältigung von kleinen Anrechten in den Händen der Eheleute vermieden,
die auch bei den Eheleuten zu unvorteilhaftem Aufwand (BT-Drs., a.a.O.,S. 60) und
ungünstiger Vervielfältigung von kleinen Vorsorgeanrechten (Steinmeyer, BetrAV 2010,
517f.) führen.
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Dies bedeutet, dass bei einem Anrecht mit geringfügigem Ausgleichswert oder bei einer
– vorrangig zu prüfenden (vgl. Thüringer Oberlandesgericht v. 29.7.2010, NJW 2010,
3310) – geringfügigen Ausgleichsdifferenz von Anrechten gleicher Art nach § 18 Abs. 1
VersAusglG der Ausgleich grundsätzlich unterbleibt, und zwar ohne weitere Prüfung
oder Begründung. Andernfalls würde sich die beabsichtigte Verfahrensvereinfachung für
alle Beteiligten in ihr Gegenteil verkehren.
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Umgekehrt ist daher die Durchführung des Ausgleichs zu begründen, wenn trotz
Geringfügigkeit der Anwartschaft ein Ausgleich geboten ist.
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Heranzuziehen ist dabei aber nicht das durch den Ausschluss bewirkte Ergebnis des
Versorgungsausgleichs, das naturgemäß zu einer Abweichung von der Halbteilung
führt; es handelt sich nämlich gerade um eine gesetzliche Ausnahme von dieser.
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Genauso wenig trägt als Begründung für eine Durchführung des Ausgleichs nach § 18
Abs. 2 VersAusglG, dass es – was hier der Fall ist – gerade nicht zu einem Ausschluss
nach § 18 Abs. 1 VersAusglG gekommen ist, weil die Ausgleichsdifferenz zweier
gleichartiger Anrechte (hier: des Anrechts des Antragsgegners bei der Allianz
Pensionskasse und das streitgegenständliche der Antragstellerin) über dem Grenzwert
liegt, mit der Folge, dass nur das Anrecht der Antragstellerin vom Ausgleich
auszuschließen ist. Diese zu einer Abweichung von der Halbteilung führende Folge ist
gesetzlich angelegt und gewollt; die daraus resultierenden "Ungerechtigkeiten" sind wie
bei Stichtagsregelungen der Regelung immanent und hinzunehmen.
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Für die richterliche Ermessensausübung (Thüringer Oberlandesgericht v. 4.11.2010, 2
UF 349/10, zit. nach juris: umfassende Ermessensabwägung im Einzelfall)
heranzuziehen sind demgegenüber vielmehr die konkreten persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse beider Eheleute, ihre Versorgungssituation (vgl. BT-Drs.
16/10144, S. 61), aus denen Umstände resultieren, die den Ausgleich des einen
Anrechts mit geringem Ausgleichswert zu Gunsten der insoweit ausgleichsberechtigten
Person erforderlich machen.
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Dies ist nach der Gesetzesbegründung in den Fällen des § 18 Abs. 2 VersAusglG dann
"denkbar, dass es der ausgleichsberechtigten Person gerade durch einen geringfügigen
Ausgleich gelingt, eine eigene Anwartschaft so auszufüllen, dass hierdurch eine
Wartezeit für den Bezug der Rente erfüllt ist. Auch kann eine Teilung ausnahmsweise
erforderlich sein, wenn die insgesamt ausgleichsberechtigte Person dringend auf den
Wertzuwachs angewiesen ist. Schließlich kommen Fälle in Betracht, bei denen ein
Ehegatte über viele kleine Ausgleichswerte verfügt, die in der Summe einen erheblichen
Wert darstellen, während der andere Ehegatte nur vergleichsweise geringe Anrechte in
der Ehe erworben hat" (BT-Drs. a.a.O.). Darüber hinaus kann der Ausgleich eines
Anrechts mit geringem Ausgleichswert dann veranlasst sein, wenn Besonderheiten des
auszugleichenden Anrechts – etwa eine herausragende Dynamik oder besonders
großzügige Leistungsvoraussetzungen – die Teilhabe des anderen Ehepartners
geboten erscheinen lassen (BT-Drs. a.a.O.)
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Eine solche Ermessensausübung hat das Amtsgericht nicht vorgenommen; der Hinweis
auf das Vorliegen "besonderer Gründe", ohne diese irgendwie zu benennen, ist nicht
ausreichend.
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Gründe, die den Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin rechtfertigten, sind indes
zudem weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Antragsgegner ist auf den
Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin angesichts seiner Versorgungssituation nicht
angewiesen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass zu Gunsten des Antragsgegners die
Teilung seines Anrechts bei der -Lebensversicherungs-AG unterblieben ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
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Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.
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Dr. S. M. E.
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