Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.07.2005

OLG Düsseldorf: treu und glauben, aufrechnung, rückzahlung, auszahlung, beratung, fahrlässigkeit, unterhalt, scheidungsverfahren, einverständnis, erlass

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 45/05
Datum:
28.07.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 45/05
Vorinstanz:
Landgericht Mönchengladbach, 10 O 325/04
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück
zu weisen. Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen 2
Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
G r ü n d e :
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Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung verweist der
Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Die hiergegen in der
Berufungsbegründung erhobenen Angriffe bieten keinen Anlass zu einer anderen
Beurteilung.
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1. Ein Erfolg ist der Berufung schon deshalb verwehrt, weil die Aufrechnung des
Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des aufgrund des
Vergleichs der Eheleute zu ihren Gunsten auf ein Konto des Beklagten überwiesenen
Abfindungsbetrages mit eigenen Gebührenansprüchen unzulässig ist.
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a) Die Aufrechnung ist nach § 242 BGB ausgeschlossen, wenn die Eigenart des
Schuldverhältnisses oder der Zweck der geschuldeten Leistung die Aufrechnung als mit
Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lässt (BGH NJW 1994, 2885;
Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 387 Rdnr. 15 m.w.N. Hausler/Prüting, BRAO 2.
Aufl., § 43 a Rdnr. 177, Hartung/Holl BORA, 2 Aufl., § 4 Rdnr. 28). Hier hindert die
zweckgebundene Leistung die Aufrechnung; denn der Beklagte hat nach eigenem
Vortrag (Berufungsbegründung Seite 3) aus einem Vergleich in einem
Scheidungsverbundverfahren 35.000 Euro erlangt, die der frühere Ehemann der
Klägerin dieser als Abfindung zu zahlen hatte. Da die finanziellen Verhältnisse der
Klägerin beengt waren, wie die frühere Bewilligung von Prozesskostenhilfe belegt,
musste die Summe auch dem künftigen Lebensunterhalt der Klägerin dienen. In diesem
Falle würde ein Zweck der Leistung, die Sicherung des künftigen Unterhalts, nicht nur
erschwert, sondern geradezu vereitelt und es bestünde die Gefahr, dass die Klägerin bei
zulässiger Aufrechnung alsbald wieder unterhaltsbedürftig würde, und zwar zu Lasten
öffentlicher Kassen oder - je nach Ausgestaltung des Vergleichs - wiederum ihres
damaligen Ehemannes.
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Bei einer solchen Sachlage bedarf es deshalb nicht der Feststellung, ob der Beklagte
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die Abfindungssumme nicht auch als Treuhänder entgegengenommen hat und die
Aufrechnung aus diesem Grunde unzulässig wäre (vgl. Palandt a.a.O. § 387 Rdnr. 15 f
und BGH WM 2003, 92, jeweils m.w.N.).
b) Im übrigen hat die neuere Fassung von § 43 a Abs. 5 Satz 2 BRAO in Verbindung mit
§ 4 Abs. 5 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) in der Fassung vom 1.
November 2001 sowie Ziffer 3.8.1.5 b der Anlage 1 hierzu (Berufsregeln der
Rechtsanwälte der Europäischen Union, zuletzt geändert am 28. November 1998) zu
einer deutlichen Einschränkung der Befugnisse eines Rechtsanwalts geführt, mit
Fremdgeldern eines Mandanten zu verfahren. Nach Ziffer 3.8.1.5 b ist nämlich
vorbehaltlich entgegenstehender gesetzlicher Vorschriften oder gerichtlicher Anordnung
und vorbehaltlich der ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung des
Mandanten, für den die Zahlung vorgenommen wird, die Auszahlung von
Mandantengeldern an dritte Personen unzulässig, und dies gilt ausdrücklich auch für
den Ausgleich der Honorarforderungen des Rechtsanwaltes (vgl. hierzu auch Zugehör,
Handbuch der Anwaltshaftung, Rdnr. 823), was die Aufrechnung insoweit ausschließt.
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2. Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, würde der Berufung der Erfolg zu
versagen sein; denn auch das Vorbringen des Beklagten zu den materiell-
rechtlichenVoraussetzungen seiner Aufrechnungs(gebühren-)forderungen ist nicht
schlüssig.
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a) Anders als noch in erster Instanz ist inzwischen unstreitig, dass die Parteien
seinerzeit durch mehrere Mandatsverhältnisse miteinander verbunden waren, und
jedenfalls mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin auch die zuvor von ihr
vermissten ordnungsgemäßen Honorarabrechnungen erhalten. Ferner ist zugrunde zu
legen, dass der Klägerin im Oktober 2001 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden
war in einem Verfahren auf einstweilige Anordnung betreffend die Herausgabe
persönlicher Gegenstände, ferner dass die PKH-Bewilligung sich auch auf das
Scheidungsverfahren und die Folgesachen Zugewinnausgleich und Unterhalt erstreckte
(Beschluss vom 28. März 2002), und schließlich dass die PKH-Bewilligung durch
Beschluss vom 18. September 2003 aufgehoben wurde, und zwar aufgrund der
Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Zufluss von 35.000 Euro. Dies ist
aber entgegen einer früher in der Rechtsprechung vertretenen Tendenz kein
ausreichender Grund für eine Aufhebung der PKH-Bewilligung, wenn nicht weitere
Bedingungen, etwa die Vortäuschung der Voraussetzungen oder absichtlich oder aus
grober Fahrlässigkeit von einem Antragsteller unrichtig gemachte Angaben über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben waren (vgl. Zöller/Philippi,
ZPO, 25. Aufl., § 124 Rdnr. 17). Folglich hätte der Beklagte die von der Staatskasse
aufgrund bewilligter PKH gezahlten Beträge nicht zurückzahlen, sondern vielmehr nach
entsprechender Beratung der Klägerin ein - nach den obigen Erwägungen begründetes
- Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss einlegen müssen. Die aufgrund
fehlerhaften Verhaltens nunmehr gegen die Klägerin geltend gemachten Ansprüche
wegen der Rückzahlung an die Staatskasse kann der Beklagte folglich nicht
durchsetzen, weil der Klägerin ein entsprechender Schadensersatzanspruch auf
Freistellung von entsprechenden Honoraransprüchen erwachsen ist.
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Auch im Arrestverfahren war der Klägerin am 26. Oktober 2001 PKH bewilligt worden.
Für die auch insoweit vom Beklagten vorgenommene Rückzahlung von PKH-Gebühren
hat sich der Beklagte auf ein Schreiben des Amtsgerichts Viersen vom 27. Februar 2002
bezogen, dieses aber nicht vorgelegt und auch nicht mitgeteilt, wieso zu jener Zeit ein
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Wegfall der Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH, und das mit Rückwirkung,
hätte gegeben sein sollen, und dies, obwohl sich die Klägerin bereits in erster Instanz
auf die zutreffende Bewilligung von PKH bezogen hatte. Auch wenn es sich nicht um
eine Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 124 ZPO, sondern um eine Entscheidung
des Gerichts nach § 120 Abs. 4 ZPO gehandelt haben sollte, wie der Beklagte
anscheinend geltend machen will, ändert sich im Ergebnis nichts: in diesem Falle
scheitern die gegen die Mandantin gerichteten Gebührenansprüche des Beklagten an
der sich aus den §§ 122 Abs. 1 Nr. 3 und 1 b ZPO, 130 Abs. 1 BRAGO ergebenden
Rechtslage: infolge der PKH-Bewilligung ist für den beigeordneten Anwalt eine
Forderungssperre entstanden, die mit einer Anordnung nach § 120 Abs. 4 ZPO noch
nicht endet (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 122 Rdnr. 12 und 14). Diese
Rechtslage ist auch durch Vereinbarung mit der Partei selbst nicht abänderbar. Im
übrigen hat der Beklagte weder detailliert mitgeteilt, wann und wie eine solche
Absprache stattgefunden haben soll, noch eine solche unter Beweis gestellt.
b) Soweit dem Beklagten danach überhaupt noch Gebührenansprüche gegen die
Klägerin zustehen, gilt folgendes:
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Zu der Angelegenheit Hausratsteilung hat der Beklagte weder die Notwendigkeit einer
Besprechung mit dem gegnerischen Anwalt, noch - trotz generellen Bestreitens der
Klägerin - Zeitpunkt und Ort der Besprechung noch das nach § 118 Abs. 1 Ziffer 2
BRAGO erforderliche Einverständnis der Klägerin behauptet oder gar unter Beweis
gestellt. Aus der Rechnung über 864,50 Euro sind folglich 708,80 DM + 16 %
Mehrwertsteuer = 822,21 DM = 420,39 Euro herauszurechnen, so dass der geforderte
Restbetrag von 364,50 Euro nicht gerechtfertigt ist.
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Überdies hat der Beklagte den Geschäftswert von 10.000 Euro nicht ausreichend
dargelegt und auch keinen Beweis hierfür angeboten.
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3. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO
(Ziff. 2 und 3) liegen vor.
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4. Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.
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Düsseldorf, 28. Juli 2005 OLG, 24. Zivilsenat
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