Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.01.2010

OLG Düsseldorf (bundesrepublik deutschland, internationale zuständigkeit, deutschland, patg, daten, dvd, örtliche zuständigkeit, zuständigkeit, gericht erster instanz, gesellschaft mit beschränkter haftung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 125/08
Datum:
28.01.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 125/08
Tenor:
I.
Die Berufung gegen das am 7. Oktober 2008 verkündete Urteil der 4b
Zivil-kammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,-- Euro
abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 255.000,-- €.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer japanischen
Unionspriorität vom November 1992 im November 1993 angemeldeten europäischen
Patents 0 599 xxx B 1 (im Folgenden: Klagepatent), dessen Erteilung im Oktober .2001
veröffentlicht worden ist. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik
Deutschland benannt.
2
Das in englischer Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent trägt die Bezeichnung
"Verfahren und Gerät zur Bildkodierung und Verfahren und Gerät zur Bilddekodierung".
3
Patentanspruch 11, der im Rechtsstreit allein interessiert, lautet in deutscher
Übersetzung wie folgt:
"Bilddecodierverfahren zum Decodieren eines codierten Bildsignals, das in einem
Codiervorgang durch Codieren von Bilddaten, zusammengesetzt aus Vollbildern,
erzeugt worden ist, wobei jedes Vollbild zwei Halbbilder umfasst, wobei das
Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
4
Extrahieren eines Signals von dem codierten Bildsignal, wobei das extrahierte
Signal anzeigt, ob die Vollbilder des codierten Bildsignals durch eine Vollbild-
Einheit-Codierung durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen
Blöcken des Vollbilds codiert worden ist, wobei jedes aus Pixeln beider der zwei
Halbbilder zusammengesetzt wird, die in dem Vollbild umfasst sind, und Codieren
jedes der kleinen Blöcke des Vollbilds, oder codiert durch eine Halbbild-Einheit-
Codierung durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken
des ersten Halbbilds, wobei jeder aus Pixeln von nur einem der zwei Halbbilder
zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind, und in eine Vielzahl von
kleinen Blöcken des zweiten Halbbilds, wobei jeder aus Pixeln von nur dem
anderen der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst
sind, und Codieren jedes kleinen Blocks des ersten und zweiten Halbbilds, und
Decodieren jedes Vollbilds des codierten Bildsignals auf einer Basis Vollbild für
Vollbild oder auf einer Basis Halbbild für Halbbild in Abhängigkeit des extrahierten
Signals."
5
Die Klägerin hat das Klagepatent in einen Patentpool eingebracht, der von der A LA
L.L.C USA, einer US-amerikanischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach dem
Recht des Staates Delaware, verwaltet wird (nachfolgend A LA). Der Patentpool beruht
auf einer Vereinbarung betreffend die Erteilung von Lizenzen für Patente, die für die
Einführung einer ISO-Norm mit der Bezeichnung A-2 zur Übertragung und Speicherung
von Videosignalen notwendig sind. Die Vereinbarung wurde zwischen Inhabern von
Patenten, die für die Einhaltung der A-2-Norm (nach deren Ansicht) als notwendig
angesehen wurden, sowie der A LA und einer weiteren Gesellschaft geschlossen. Um
u.a. die Einführung der Norm zu beschleunigen, haben die Mitglieder der A LA eine
weltweite einfache Patentlizenz erteilt. A LA verpflichtete sich ihrerseits, jedem
Unternehmen, das die A-2-Norm einführen möchte, einfache (Unter-)Lizenzen zu
Standardbedingungen zu erteilen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben 25 Lizenzgeber
über 800 Patente für ca. 57 Länder in den A-2-Patentpool eingebracht. Mehr als 1.400
Lizenznehmer sind derzeit weltweit nach dem Standardvertrag lizenziert. Die A LA bietet
Unternehmen, die den A-2-Standard nutzen wollen, den Abschluss eines Standard-
Lizenzvertrages an.
6
Die Beklagte hat – nach Erlass des landgerichtlichen Urteils – vorsorglich ihr Interesse
am Erhalt einer Lizenz für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland bekundet
und erklärt, dass sie "eine Lizenz des A LA für Benutzungshandlungen in der
Bundesrepublik Deutschland zu den Konditionen des A LA Standardlizenzvertrages"
abschließen möchte.
7
Die in Griechenland ansässige Beklagte stellt her und vertreibt DVDs. Nach ihrem
eigenen zweitinstanzlichen Vorbringen ist sie der drittgrößte, nach den Angaben der
Klägerin der größte DVD-Hersteller in Griechenland. Unstreitig stellte sie jedenfalls im
Jahr 2007 insgesamt 28 Mio. und im Jahr 2008 ca. 29 Mio. DVDs her.
8
Die Beklagte lieferte am 30. März 2007 insgesamt 500 von ihr hergestellte DVDs mit
dem Titel "Erdbebenmessung in Deutschland" an eine Lieferadresse in Köln. Anlass für
diese Lieferung war eine von der Klägerin initiierte Bestellung einer Frau Manuela B.
Diese nahm erstmals am 9. Februar 2009 per Email unter der Bezeichnung "exC
manuela B" und Angabe einer Geschäftsadresse in Frankfurt/Main Kontakt mit der
Beklagten auf und bat diese um ein Angebot für die Herstellung von 500 DVDs. Frau B
teilte in diesem Zusammenhang mit, dass der Beklagten ein "DVD-Master auf einem
DLT-Tape Type IV" ("DVD Master on a DLT-Tape Type IV") zur Verfügung gestellt
werde, und bat um Information, ob das Format für die Produktion der Beklagten geeignet
sei. Dieses Email beantwortete die Beklagte am 12. Februar 2007 positiv. Weiterhin
heißt es in dem Email:
9
"The above prices are EX-WORKS and do not include any copyrights or royalty
fees for which you should secure us".
10
Daraufhin bestellte Frau B – wiederum unter der Bezeichnung "exC manuela B"– mit
Email vom 27. Februar 2007 die angefragten 500 DVDs bei der Beklagten, wobei sie
angab, dass die Video-Daten "GEMA-frei" seien. Außerdem teilte sie mit, die Druck- und
Videodaten unverzüglich nach Griechenland zu senden. Mit unter dem Briefkopf "ExC
Manuela B" verfasstem Schreiben vom 2. März 2007 wurden der Beklagten ein "DVD-
Master auf einem DLT-Tape TYP IV" sowie Printdaten im PDF-Format übersandt.
Gleichzeitig wurde die Beklagte darum gebeten, die DVDs an eine Adresse der "ExC
Manuela B" in Köln zu liefern. Zur Produktion der bestellten DVDs fertigte die Beklagte
zunächst einen so genannten Glassmaster an, auf den sie die bereits auf dem "DLT-
Tape" komprimierten Daten übertrug. Den "Glassmaster" benutzte sie anschließend als
Vorlage für die Herstellung eines so genannten Stampers (= Stempel), mit dessen Hilfe
die Dateninhalte der ursprünglichen Pressvorlage in das Kunststoff- bzw.
Polycarbonatscheiben der DVDs eingeprägt wurden. Die fertigen DVDs lieferte die
Beklagte auftragsgemäß an die angegebene Anschrift und stellte sie mit Schreiben vom
29. März 2007 in Rechnung.
11
Die Klägerin sieht in dem geschilderten Verhalten eine Verletzung des Klagepatents.
Mit ihrer Klage hat sie die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung,
Auskunftserteilung sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in
Anspruch genommen. Einen ursprünglich ebenfalls erhobenen Vernichtungsanspruch
hat die Klägerin in erster Instanz zurückgenommen.
12
Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht: Die Beklagte sei der größte
DVD-Hersteller Griechenlands, zu deren Standardgeschäft die Belieferung
europäischer und mithin auch deutscher DVD-Kunden gehöre. Die von der Beklagten
hergestellten und nach Deutschland gelieferten DVDs verletzten das Klagepatent. Das
geschützte Decodierverfahren gehöre zum A-2-Standard und sei für die Einhaltung
dieses Standards essentiell. Bei den DVDs der Beklagten handele es sich um optische
Datenträger mit gemäß dem A-2-Standard decodierten Videoinhalten und somit um
unmittelbare Erzeugnisse des patentgeschützten Verfahrens (§ 9 Satz 2 Nr. 3 PatG).
13
Die Beklagte, die um Klageabweisung gebeten hat, hat die internationale und örtliche
Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Düsseldorf gerügt und außerdem eine
Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Sie hat geltend gemacht: Die Klägerin
habe die Lieferung der in Rede stehenden DVDs nach Köln allein zu dem Zweck
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provoziert, sich den Gerichtsstand des Landgerichts Düsseldorf aus sachfremden
Erwägungen, nämlich allein deshalb zu erschleichen, weil sie das Klagepatent bereits
in der Vergangenheit erfolgreich vor dem angerufenen Gericht durchgesetzt habe. Es
sei ihr (der Beklagten) trotz intensiver Recherche nicht gelungen, die Firma ExC zu
ermitteln. Diese sei weder unter der Geschäftsanschrift in Frankfurt noch unter der in
Köln angegebenen Lieferanschrift bekannt gewesen. Sie (die Beklagte) unterhalte keine
geschäftlichen Beziehungen nach Deutschland. Bei dem in Rede stehenden Geschäft
habe es sich um die einzige Lieferung nach Deutschland seit Juni 1995 gehandelt. Es
seien in dieser Zeit auch keine Bestellungen akzeptiert worden. Nur aufgrund der mit
500 Stück als gering zu bezeichnenden Stückzahl der Bestellung sei es der Klägerin
gelungen, ihre internen Kontrollmechanismen zu umgehen. Die zuständige
Sachbearbeiterin hätte bei einem größeren Bestellvolumen Rücksprache mit einem
Vorgesetzten gehalten und sich danach erkundigt, ob eine Lieferung nach Deutschland
überhaupt ausgeführt werden dürfe. Die Klägerin handele außerdem
rechtsmissbräuchlich, wenn sie – ohne Anhaltspunkte für eine drohende
Verletzungshandlung – eine Lieferung patentverletzender DVDs nach Deutschland
provoziere, um sie (die Beklagte) "hereinzulegen". Aufgrund dessen sei die Klage auch
in der Sache unbegründet. Außerdem bestreite sie, dass sie das Klagepatent bei ihrer
Produktion einsetze.
Durch Urteil vom 7. Oktober 2008 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach den
zuletzt gestellten Anträgen entsprochen und in der Sache wie folgt erkannt:
15
I.
16
Die Beklagte wird verurteilt,
17
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle
Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
18
optische Datenträger mit codierten Bilddaten eines Bildcodierverfahrens zum
Decodieren eines codierten Bildsignals
19
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu
gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu
besitzen,
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das in einem Codiervorgang durch Codieren von Bilddaten, zusammengesetzt
aus Vollbildern, erzeugt worden ist, wobei jedes Vollbild zwei Halbbilder
umfasst, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
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Extrahieren eines Signals von dem codierten Bildsignal, wobei das extrahierte
Signal anzeigt,
22
23
ob die Vollbilder des codierten Bildsignals durch eine Vollbild-Einheit-
Codierung durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen
Blöcken des Vollbilds codiert worden ist, wobei jedes aus Pixeln beider der
zwei Halbbilder zusammengesetzt wird, die in dem Vollbild umfasst sind, und
Codieren jedes der kleinen Blöcke des Vollbilds,
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oder codiert durch eine Halbbild-Einheit-Codierung durch Dividieren eines
Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des ersten Halbbilds, wobei
jeder aus Pixeln von nur einem der zwei Halbbilder zusammengesetzt ist, die
in dem Vollbild umfasst sind, und in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des
zweiten Halbbilds, wobei jeder aus Pixeln von nur dem anderen der zwei
Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind, und
Codieren jedes kleinen Blockes des ersten und zweiten Halbbilds,
25
Decodieren jedes Vollbilds des codierten Bildsignals auf einer Basis Vollbild für
Vollbild oder auf einer Basis Halbbild für Halbbild in Abhängigkeit des extrahierten
Signals;
26
27
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die
Beklagte) die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem
10.11.2001 begangen hat,
28
und zwar unter Angabe
29
a. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer unter Vorlage der
Liefer- und Rechnungsunterlagen in Kopie,
b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -
preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und
Anschriften der Abnehmer unter Vorlage der Liefer- und Rechnungsunterlagen in
Kopie,
c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -
preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und
Anschriften der Angebotsempfänger,
d. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
des erzielten Gewinns,
30
31
w o b e i
32
der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht
gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem
von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit
verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik
Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn
ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein
bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.
33
II.
34
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden
zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 10.11.2001
begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
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Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
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Die Klage sei zulässig. Das Landgericht Düsseldorf sei für die Entscheidung des
Rechtsstreits nach Art. 5 Nr. 3 EG VO 44/2001 international und gemäß § 32 ZPO örtlich
zuständig. Sich auf diesen Gerichtsstand zu berufen, sei der Klägerin nicht wegen
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verwehrt. Ein Testkauf sei ein grundsätzlich
zulässiges Mittel im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Es sei auch nicht
rechtsmissbräuchlich, einen Testkauf durchzuführen, um hierdurch einen bestimmten
Gerichtsstand (hier: in Düsseldorf) zu begründen. Testkäufe seien nur bei Vorliegen
besonderer Umstände als sittenwidrig anzusehen, nämlich dann, wenn mit ihnen
lediglich die Absicht verfolgt werde, den Mitbewerber "hereinzulegen" oder wenn
verwerfliche Mittel angewandt würden, um ein unzulässiges Geschäft herbeizuführen.
Solche Umstände lägen hier nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin sich
durch die Beauftragung von Frau B in irgendeiner Weise verwerflicher Mittel bedient
habe oder dass Frau B selber solche Mittel angewandt habe. Auch sei nicht geltend
gemacht, dass der Klägerin oder Frau B bekannt gewesen sei, dass mit einer Bestellung
von "nur" 500 DVDs eine Bearbeitung des Auftrages wahrscheinlicher sei. Es sei ferner
auch nicht ersichtlich, dass der Testkauf nur dazu gedient habe, die Beklagte
hereinzulegen, ohne dass Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder drohende
Patentverletzung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland vorgelegen hätten. Die
Beklagte sei unstreitig ein auf dem betreffenden Markt bedeutendes Unternehmen in
Griechenland mit einer Produktion von 28 Mio. DVDs im Jahr 2007. Die Beklagte sei
dem Vortrag der Klägerin nicht entgegengetreten, dass die Belieferung europäischer
DVD-Kunden zu ihrem Standardgeschäft gehöre. Sie habe insoweit lediglich geltend
gemacht, dass der tatsächliche und strategische Schwerpunkt ihrer
Unternehmensaktivitäten in Griechenland liege. Bestritten habe die Beklagte lediglich,
dass sie seit Juni 1995 Bestellungen aus Deutschland akzeptiert oder Lieferungen nach
Deutschland vorgenommen habe. Zugestanden habe sie hingegen, dass sie
international tätig sei. Bereits dies spreche dafür, dass patentverletzende DVDs aus der
Produktion der Beklagten auch in Deutschland Verbreitung fänden, weil es sich hierbei
um eine flüchtige Ware handele. Hierfür sprächen im Übrigen auch die weiteren – durch
den Testkauf an den Tag getretenen – Umstände. Auch das von der Klägerin initiierte
Veranlassen einer Lieferung nach Köln, um eine für sie vermeintlich "günstige
Rechtsprechung" des Landgerichts Düsseldorf auszunutzen, führe nicht zu der
Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise. Es sei grundsätzlich nicht zu
beanstanden, wenn der Kläger das ihm bequemste oder genehmste Gericht auswähle,
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also beispielsweise sein Heimatgericht oder das Gericht mit der ihm am günstigsten
erscheinenden Rechtsprechung.
Die Klage sei auch begründet. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen sei davon
auszugehen, dass die Beklagte bei ihrer DVD-Herstellung auf das dem Patent zugrunde
liegende Decodierverfahren zurückgreife. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen
der Klägerin seien die DVDs der Beklagten auf gängigen DVD-Geräten abspielbar und
stelle der A-2-Standard das in der Praxis dominierende Codierverfahren dar. Der A-2-
Standard kenne ein Verfahren zum Decodieren eines codierten Bildsignals wie es das
Klagepatent lehre. Da der A-2-Standard das Klagepatent umfasse und außerdem
ausreichende Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Beklagte im Rahmen ihrer
Geschäftstätigkeit auch von den das Klagepatent betreffenden Optionen des Standards
Gebrauch gemacht habe, sei es Sache der Beklagten darzutun, dass und weshalb es
trotz Befolgung des A-2-Standards nicht zu einer patentgemäßen Verfahrensführung
gekommen sei. Dieser Darlegungslast sei die Beklagte nicht nachgekommen.
38
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem
Landgericht erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt. Die
Beklagte macht geltend:
39
Sie habe nur ein Mal 500 DVDs nach Deutschland geliefert. Diese seien auf der
Grundlage bereits komprimierter Daten hergestellt und vervielfältigt worden, welche sie
von der Testkäuferin der Klägerin erhalten gehabt habe. Auf dem ihr zur Verfügung
gestellten "DLT-Tape-Typ IV" seien – was zwischen den Parteien unstreitig ist – bereits
nach dem A-2-Standard komprimierte Daten vorhanden gewesen. Sie habe die Daten
nicht verändert und damit kein einziges Patent aus dem A-2-Pool verwendet. Bei den
DVDs handele es sich im Übrigen nicht um unmittelbare Verfahrensprodukte im Sinne
von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG. Bei chronologischer Betrachtung seien die DVDs nicht mehr
das unmittelbare Produkt des patentierten Verfahrens. Die Anwendung des
patentgemäßen Verfahrens ende spätestens mit der Erstellung des "DLT-Tapes".
Außerdem wiesen DVDs auch andere charakteristische Eigenschaften auf als
komprimierte und dekomprimierte Daten; der Verkehr differenziere zwischen Daten und
handelsfähigen DVDs. Jedenfalls handele es sich bei den angegriffenen DVDs deshalb
um keine unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse, weil sie diese nicht unter Anwendung
des klagepatentgemäßen Verfahrens hergestellt habe. Sie selbst habe lediglich bereits
komprimierte Daten kopiert.
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Etwaige Verbietungsrechte der Klägerin seien im Übrigen erschöpft, weil nicht sie (die
Beklagte) die Decodierung vorgenommen habe, sondern Frau B, die für die Klägerin
das "DLT-Tape" hergestellt und sodann an sie verschickt habe. Frau B habe die Daten
mit der Software eines Unternehmens (der Apple Inc.) bearbeitet, das Lizenznehmerin
sämtlicher Patente aus dem A-2-Pool sei. Frau B sei daher durch einen Lizenzvertrag
der A LA mit diesem Unternehmen autorisiert gewesen, Daten in das A-2-Format zu
komprimieren und zu dekomprimieren. Die Erschöpfung gelte auch für das unmittelbare
Verfahrensprodukt, welches hier aus den komprimierten Daten auf dem "DLT-Tape"
bestehe. Für die rechtliche Beurteilung sei es unerheblich, ob sich die Daten auf einem
"DLT-Tape" befänden oder ob sie auf eine DVD übertragen werden würden. Die
Aufzeichnungsstruktur bleibe nämlich völlig identisch und es finde lediglich ein
schlichter Wechsel des Speichermediums statt.
41
Selbst wenn man jedoch zu der Ansicht gelange, dass eine Patentverletzung zu
42
bejahen sei, könne sich die Klägerin auf diese eine Patentverletzung nicht berufen, weil
sie sich selbst durch das Provozieren des Rechtsverstoßes rechtsmissbräuchlich
verhalten habe. Dies führe einerseits dazu, dass das angerufene Gericht nicht zuständig
sei, und andererseits dazu, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht
bestehe. Die Klägerin habe einen Testkauf fingiert, der aufgrund der ihn begleitenden
Umstände als unzulässig zu qualifizieren sei. Ein unzulässiger Testkauf liege immer
dann vor, wenn ein Wettbewerber ohne hinreichende Anhaltspunkte für bereits
begangene oder bevorstehende Rechtsverletzungen lediglich die Absicht verfolge, den
Mitbewerber "hereinzulegen". Das sei hier der Fall. Es hätten keine Anhaltspunkte für
eine Lieferbereitschaft nach Deutschland bestanden. Die Einzellieferung an Frau B
habe außerhalb ihres regelmäßigen Absatzgebiets stattgefunden, wobei die zu Grunde
liegende Bestellung unter Verstoß gegen eine interne Arbeitsanweisung ausgeführt
worden sei. Die betreffende Arbeitsanweisung habe sich auf alle Bestellungen über 400
Stück bezogen, und zwar unabhängig davon, ob die Bestellung DVDs oder CDs
betroffen habe. Sie (die Beklagte) habe alles getan, um in ihrem Betrieb Mechanismen
einzurichten, die sicherstellten, dass schutzrechtsverletzende Lieferungen nicht
ausgeführt würden. Unzutreffend sei, dass die Belieferung europäischer DVD-Kunden
ein Standardgeschäft von ihr sei. Den Großteil ihrer Produktion setze sie in
Griechenland ab; nur einen geringen Teil exportiere sie, und zwar überwiegend in das
arabische Ausland. Hätte die Klägerin tatsächlich einen regulären Testkauf durchführen
wollen, hätte diese ihr unkomprimierte Daten geliefert, um herauszufinden, ob sie (die
Beklagte) tatsächlich eine Codierung nach dem A-2-Standard wähle. In diesem Fall
wäre von ihr (der Beklagten) eines der anderen möglichen Codierungsverfahren
ausgewählt worden. Darüber hinaus habe die Klägerin auch verwerfliche Mittel
angewandt, um ein unzulässiges Geschäft herbeizuführen. Die Übersendung des "DLT-
Tapes" mit der Aufforderung, auf dieser Grundlage DVDs zu reproduzieren und zu
liefern, sei als verwerflich zu qualifizieren. Sie sei in die Irre geführt und getäuscht
worden, da sie davon habe ausgehen müssen, dass die auf dem "DLT-Tape"
enthaltenen Daten problemlos in Deutschland verwendet werden könnten. Eine
Überprüfung des "DLT-Tapes" sei ihr nicht möglich gewesen und hierzu sei sie auch
nicht verpflichtet gewesen. Zudem habe Frau B versichert, die Reproduktion der bereits
komprimierten Daten sei bezüglich einer möglichen Rechtsverletzung unbedenklich.
Außerdem habe sie – um das Prozesskostenrisiko zu reduzieren – eine umfassende
Unterlassungserklärung abgegeben, welche insbesondere auch die Nutzung der
Technologie des Klagepatents umfasse. Die Unterlassungserklärung sei wirksam.
Überdies habe sie wirksame interne Maßnahmen ergriffen, um rechtswidrige Exporte
nach Deutschland zu unterbinden.
43
Darüber hinaus beruft sich die Beklagte auf den kartellrechtlichen Lizenzeinwand. Sie
trägt hierzu vor, dass sie sich für versehentliche Patentverletzungen in Deutschland
durch eine Lizenz absichern wolle. Dazu, ihr eine Poollizenz für Benutzungshandlungen
in Deutschland zu erteilen, bestehe jedoch keine Bereitschaft. Die A LA sei nur zur
Erteilung einer weltweiten Poollizenz bereit, welche auch Nutzungen in Ländern
umfasse, für die kein Patentschutz bestehe. Ein sachlicher Grund, warum ihr
entsprechendes Lizenzangebot abgelehnt worden sei, sei nicht ersichtlich. Das
Verlangen einer weltweiten Lizenz rechtfertige sich insbesondere nicht durch eine
Verwaltungsvereinfachung.
44
Die Beklagte beantragt,
45
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
46
Die Klägerin beantragt,
47
die Berufung zurückzuweisen.
48
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend und macht unter Wiederholung
und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend:
49
Das Landgericht habe zu Recht seine Zuständigkeit angenommen, und zwar sowohl
seine internationale als auch seine örtliche Zuständigkeit. Darauf, dass das Gericht der
ersten Instanz seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe, könne die Berufung
ohnehin nicht gestützt werden. Sofern diejenigen Tatsachen, die die örtliche
Zuständigkeit begründeten mit denjenigen Umständen zusammenfielen, aus denen sich
die internationale Zuständigkeit ergebe, wie dies hier der Fall sei, gelte gleiches auch
hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit. Für die Annahme eines
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens bestehe kein Anhaltspunkt. Es sei vorliegend
seitens eines für die Beklagte nicht bekannten Dritten eine Liefermöglichkeit angefragt
und nach Bejahen dieser Liefermöglichkeit eine Bestellung aufgegeben worden, die
sodann seitens der Beklagten durchgeführt worden sei. Soweit in der Korrespondenz
auf ein DVD-Master auf einem "DLT-Tape Typ IV" hingewiesen worden sei, sei es allein
darum gegangen herauszufinden, ob die Beklagte sich tatsächlich wie ein Replikator
verhalte und ob die Beklagte des weiteren auf jede beliebige Anfrage bereit sei, ihre
nach Maßgabe des A-2-Standards hergestellten DVDs in die Bundesrepublik
Deutschland zu liefern.
50
Dass von der Beklagten nicht sämtliche Handlungen in der Herstellungskette,
beginnend von der Filmaufzeichnung bis hin zur Herstellung der fertigen DVD, selbst
verwirklicht worden seien, habe rechtlich keine Bedeutung. Die Beklagte habe sich wie
in einer arbeitsteiligen Wirtschaft üblich verhalten, indem sie einzelne Stufen in dieser
Kette von anderen habe durchführen lassen, um sich deren Arbeitsergebnisse zu Nutze
zu machen. Insoweit ergebe sich die Haftung der Beklagten für die vorliegend
zugelieferte Herstellung und den Vertrieb von "DLT-Tapes" unter
Zurechnungsgesichtspunkten. Seitens der Beklagten habe Kenntnis darüber bestanden,
dass die von ihr herzustellenden und in die Bundesrepublik Deutschland zu liefernden
DVDs A-2-codierte Daten hätten aufweisen sollen. Dies habe sich schon daraus
ergeben, dass für die Tätigkeit der Beklagten ein "DVD-Master auf einem DLT-Tape Typ
IV" habe geliefert werden sollen.
51
Bei den von der Beklagten hergestellten DVDs handele es sich um unmittelbare
Verfahrenserzeugnisse. Das Klagepatent sei auf ein bestimmtes Verfahren der
Datendecodierung gerichtet, wobei sich das Ergebnis des Verfahrens in Form eines
optischen Datenträgers mit Audio- und/oder Videosignalen zur Übertragung von Audio-
und/oder Videosignalen widerspiegele.
52
Der von der Beklagten in zweiter Instanz erhobene Erschöpfungseinwand sei verspätet.
Abgesehen davon könne von einer Erschöpfung auch nicht die Rede sein. Die
Testbestellung sei gerade zu dem Zweck erfolgt zu überprüfen, ob die Beklagte DVD-
Herstellungsaufträge für Deutschland annehme. Die Testbestellerin verfüge über keine
Patentverwertungslizenzen der Klägerin und sei auch nicht Inhaberin einer A-2-Pool-
Lizenz. Frau B habe zu keiner Zeit die Befugnis gehabt, ihrerseits von den Lehren des
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A-2-Standards Gebrauch zu machen. Es liege bei einem Testkauf auf der Hand, dass
derjenige, der ihn veranlasse, seinerseits mit dem Verhalten des Veranlassten von
vornherein nicht einverstanden sei. Im Übrigen sei der betreffende DVD-Master zu
keinem Zeitpunkt Gegenstand des Geschäftsverkehrs gewesen.
Die von der Beklagten abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung sei
unzureichend.
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Auf eine auf Deutschland geographisch beschränkte A-2-Standard-Poollizenz habe die
Beklagte keinen Anspruch. Es bedeute insbesondere keine zu missbilligende
Diskriminierung der Beklagten, wenn seitens der A LA ein auf ein einzelnes territoriales
Gebiet (hier: Bundesrepublik Deutschland) bezogenes Poollizenzangebot
zurückgewiesen werde. Das Verlangen einer weltweiten Lizenz bedeute auch nicht,
dass Lizenzgebühren für Handlungen verlangt würden, die patentfrei seien. In
Griechenland bestünden nämlich eine Reihe von A-2-Pool-Patenten.
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Es bestehe schließlich auch kein Anlass zu der Annahme, dass die
Wiederholungsgefahr durch Vorsichts- und Abwehrmaßnahmen der Beklagten
ausgeräumt worden sei. Die vermeintliche "Vorsichtsmaßnahme" habe schon den in
Rede stehenden Patentverletzungstatbestand nicht verhindert.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
57
II.
58
Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
59
A. Zulässigkeit der Klage:
60
61
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
62
1.
63
Ob das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit zu Recht bejaht hat, ist im
Rechtsmittelzug nicht mehr zu überprüfen. Nach § 513 Abs. 2 ZPO kann die Berufung
nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht erster Instanz seine Zuständigkeit zu
Unrecht angenommen hat. Selbst wenn die Klägerin die Zuständigkeit des Landgerichts
Düsseldorf für den vorliegenden Patentverletzungsrechtsstreit "erschlichen" hätte,
lassen sich daraus im zweiten Rechtszug im Hinblick auf § 513 Abs. 2 ZPO –
hinsichtlich der vom Landgericht bejahten örtlichen Zuständigkeit – keine prozessualen
Konsequenzen mehr ziehen. Die Vorschrift dient der Verfahrensbeschleunigung und
soll die Sacharbeit der ersten Instanz auch bei fehlerhafter Annahme der Zuständigkeit
erhalten (vgl. BT-Drs 14/4722 S. 94; BGH, NJW 2005, 1660, 1662; Zöller, ZPO, 27. Aufl.,
§ 513 ZPO Rdnr. 6). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Vorinstanz ihre
64
Zuständigkeit zu Unrecht bejaht oder ob der Kläger deren Zuständigkeit erschlichen hat
(vgl. OLG Düsseldorf [3. FamS], FamRZ 1987, 281;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 513 ZPO Rdnr. 4). § 513 Abs.
2 ZPO schließt die Nachprüfung der vom Gericht erster Instanz angenommenen
örtlichen Zuständigkeit durch das Berufungsgericht schlechthin, d.h. unter jedem
erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt aus.
2.
65
Dagegen kann die Berufung darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten
Rechtszugs seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Denn die
Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO bezieht sich nicht auf die internationale Zuständigkeit
(BGH, NJW 2004, 1456; BGH, NJW 2005, 1660, 1662; Zöller, a.a.O. § 513 ZPO Rdnr. 8;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 513 ZPO Rdnr. 5 m.w.N.). Die Rüge
der Beklagten, es fehle an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, ist
jedoch unbegründet. Wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, ist die
internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die von der Klägerin erhobene
Patentverletzungsklage nach Art. 5 Nr. 3 EG VO 44/2001 gegeben.
66
a) Art. 5 Nr. 3 EG VO 44/2001 bestimmt, dass ein Angehöriger eines Vertragsstaates
(Griechenland) vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates (Deutschland) in
Anspruch genommen werden kann, wenn dieser dort eine unerlaubte Handlung
begangen hat. Es ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, dass die Klägerin selbst
keinen Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft hat. Denn die
Zuständigkeitsverordnung gilt auch für Ausländer aus Drittstaaten, die ebenfalls einen
Anspruch auf Justizgewährung haben (vgl. Zöller, a.a.O., Art. 2 EuGVVO Rdnr. 13). Der
besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, der nach Wahl des Klägers zur
Anwendung kommt, verdankt seine Existenz dem Umstand, dass zwischen der
Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Staates, in dem der Beklagte seinen
Wohnsitz hat, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer
geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine
Zuständigkeit dieser sitzfremden Gerichte rechtfertigt (vgl. LG Düsseldorf, GRUR Int.
1999, 775, 776 f. – Impfstoff II, m. w. N.). Zuständigkeitsbegründend im Rahmen des Art.
5 Nr. 3 EG VO 44/2001 ist sowohl der Handlungs- wie auch der Erfolgsort des
Schadenseintritts, wobei für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit die
Behauptung einer die Zuständigkeit hervorbringenden Verletzungshandlung durch den
Kläger genügt.
67
b)
68
Vorliegend nimmt die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des
Klagepatents auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung und
Schadensersatz in Anspruch. Anlass hierfür ist die unstreitige Lieferung der Beklagten
von 500 DVDs an einen vermeintlichen Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland.
Durch diese Lieferung hat die Beklagte die von der Klägerin als patentverletzend
angesehenen DVDs im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr
gebracht. Der Handlungsort liegt damit im Inland und hier liegt auch der Erfolgsort,
welcher sich bei einer Patentverletzung immer dort befindet, wo der mutmaßlich
verletzte nationale Schutzrechtsteil belegen ist. Ob die Beklagte das Klagepatent durch
die in Rede stehende inländische Begehungshandlung tatsächlich verletzt hat, ist allein
eine Frage der Begründetheit der Klage.
69
c)
70
Die Beklagte kann gegen die Annahme des internationalen Gerichtsstands nicht mit
Erfolg den Arglisteinwand mit der Begründung erheben, die Klägerin habe den
Kompetenztatbestand arglistig herbeigeführt, indem sie die Bestellerin veranlasst habe,
sich die streitgegenständlichen DVDs nach Deutschland liefern zu lassen. Dieser
unstreitige Sachverhalt rechtfertigt es nicht, von einer unbeachtlichen
Provokationsbestellung zu sprechen, durch die der internationale Gerichtsstand nicht
begründet werden könne. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, zeigt die –
problemlose – Ausführung einer solchen Bestellung im Allgemeinen die grundsätzliche
Lieferbereitschaft der Beklagten (vgl. OLG München, GRUR 1990, 677 – Postervertrieb).
Für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit reicht dies in der Regel – so auch
hier – aus.
71
Soweit das Oberlandesgericht München in der vom Landgericht in Bezug genommenen,
zum Urheberrecht ergangenen Entscheidung (GRUR 1990, 677 – Postervertrieb)
ausgeführt hat, dass eine solche Einzellieferung für die Annahme der "Verbreitung"
eines Werks im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG (nur) dann als unbeachtlich angesehen
werden könne, wenn sie außerhalb des regelmäßigen Absatzgebietes nur
ausnahmsweise aufgrund einer ausdrücklichen Bestellung vorgenommen worden sei,
lässt sich diese Betrachtung auf das Patentrecht nicht übertragen. Denn auch eine
einmalige und außerhalb des regelmäßigen Absatzgebietes aufgrund einer
ausdrücklichen Bestellung vorgenommene Lieferung von patentverletzenden
Erzeugnissen an einen Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland stellt ein
Inverkehrbringen eines Erzeugnisses, das Gegenstand eines Patents ist, im Sinne des §
9 Satz 2 Nr. 1 PatG dar.
72
Davon abgesehen bestehen hier – wie noch ausgeführt wird – letztlich auch keine
Anhaltspunkte für ein unlauteres Verhalten der Klägerin bei der Testbestellung.
73
d) Die von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts
Hamm (NJW 1987, 138) ist, was die hier allein zu prüfende internationale Zuständigkeit
der deutschen Gerichte anbelangt, ebenfalls nicht einschlägig. Im Streitfall besteht
zwischen der vorliegenden Patentverletzungsstreitigkeit und den angerufenen
deutschen Gerichten eine besonders enge Beziehung. Zu entscheiden ist nämlich über
die Verletzung des deutschen Teils eines europäischen Patents durch eine bereits im
Inland begangene Handlung, wobei die Verletzungsfrage und die sich daraus
ergebenden Rechtsfolgen ausschließlich nach dem deutschen materiellen Recht zu
beurteilen sind. Die – vom Oberlandesgericht Hamm in dem von ihm entschiedenen Fall
vermisste – Sachnäche liegt hier unzweifelhaft vor.
74
e) Für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit, also der Frage, ob die deutschen
oder ausländische Gerichte zuständig sind, gänzlich irrelevant ist der Umstand, dass die
Testkäuferin gegenüber der Beklagten eine Geschäftsadresse in Frankfurt angegeben,
dann aber veranlasst hat, dass die Lieferung der von ihr bestellten DVDs an eine
Adresse in Köln erfolgt. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte wäre
auch gegeben gewesen, wenn die Beklagte die angegriffenen DVDs an die
angegebene Geschäftsadresse in Frankfurt geliefert hätte. Unabhängig davon ist es aus
den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ohnehin nicht als
missbräuchlich anzusehen ist, wenn der Kläger von mehreren möglichen Gerichten das
75
ihm genehmste auswählt, z. B. dasjenige Gericht, das mit dem Klagepatent und/oder
den sich mutmaßlich ergebenden Rechtsfragen bereits befasst war.
B. Das Klageschutzrecht:
76
77
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Bilddecodierung, insbesondere ein Verfahren
zur Bilddecodierung, das zum Übertragen und Aufzeichnen digitaler Bilder effektiv ist.
78
Ausgehend von der Ähnlichkeit aufeinanderfolgender Bilder beruht die
Datenkompression auf dem Prinzip, nicht jedes Videobild mit seiner gesamten
Datenmenge zu übertragen, sondern Einzelbilder im Bildstrom zur Kompression
anderer, ihm ähnlicher Bilder heranzuziehen. Dieses als "interframe-dropping"
bezeichnete Verfahren basiert auf drei Kategorien von Bildtypen, die verschiedene
Codierungsverfahren verwenden und einen variierenden Komprimierungsgrad
aufweisen. Zu unterscheiden sind intrarahmen-codierte Bilder (I-Bilder) von
interrahmen-codierten Bildern, wobei letztere wiederum P-Bilder oder B-Bilder sein
können. I-Bilder stellen Referenzbilder für die von ihnen abhängigen P- und B-Bilder
dar. Sie werden unter Verwendung von Informationen nur von sich selbst codiert und
stellen Zugriffspunkte auf die codierte Sequenz bereit, an denen die Decodierung
beginnen kann. Ihre Kompression ist gering. P-Bilder sind demgegenüber solche, die in
Anwendung bewegungskompensierter Prädiktion von einem vergangenen
Referenzvollbild oder -teilbild, und zwar einem I- oder einem P-Bild, codiert sind. Sie
ermöglichen im Vergleich zu I-Bildern eine deutlich höhere Kompressionsrate und
werden im Allgemeinen als Referenz für weitere Prädiktion verwendet. B-Bilder
schließlich sind unter Verwendung bewegungskompensierter Prädiktion aus einem
bzw. mehreren vergangenen und/oder zukünftigen Referenzvollbildern codiert. Sie
liefern – wegen ihres Rückgriffs auf mehrere Referenzbilder – den höchsten
Kompressionsgrad.
79
Dem Klagepatent liegt die Aufgabe zugrunde, eine effektive Codierung zu ermöglichen.
80
Zu diesem Zweck schlägt Patentanspruch 11 ein zum Codiervorgang reziprokes
Decodierverfahren vor, das sich durch folgende Merkmale auszeichnet:
81
1. Bilddecodierverfahren zum Decodieren eines codierten Bildsignals.
82
83
2. Das codierte Bildsignal ist in einem Codiervorgang durch Codieren von Bilddaten
erzeugt worden.
84
85
3. Die Bilddaten sind aus Vollbildern zusammengesetzt, wobei jedes Vollbild zwei
Halbbilder umfasst.
86
87
88
4. Das Bilddecodierverfahren weist die folgenden Schritte auf:
89
90
a. Extrahieren eines Signals von dem codierten Bildsignal;
91
92
b. Decodieren jedes Vollbilds des codierten Bildsignals
93
94
auf einer Basis Vollbild für Vollbild oder auf einer Basis Halbbild für Halbbild
95
96
97
in Abhängigkeit von dem extrahierten Signal.
98
99
5. Das extrahierte Signal zeigt an, ob die Vollbilder des codierten Bildsignals
100
101
a. durch eine Vollbild-Einheit-Codierung
102
103
durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des Vollbilds
codiert worden ist,
104
105
106
wobei jeder Block aus Pixeln beider der zwei Halbbilder zusammengesetzt wird,
die in dem Vollbild umfasst sind,
107
108
und wobei jeder der kleinen Blöcke des Vollbilds codiert ist;
109
110
b. oder durch eine Halbbild-Einheit-Codierung
111
112
durch Dividieren eines Vollbilds in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des ersten
Halbbilds und in eine Vielzahl von kleinen Blöcken des zweiten Halbbilds codiert
worden ist,
113
114
wobei jeder Block des ersten Halbbildes aus Pixeln von nur einem der zwei
Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind,
115
116
jeder Block des zweiten Halbbildes aus Pixeln von nur dem anderen der zwei
Halbbilder zusammengesetzt ist, die in dem Vollbild umfasst sind,
117
118
und jeder der kleinen Blöcke des ersten und zweiten Halbbilds codiert ist.
119
120
Der Durchschnittsfachmann versteht ohne weiteres, dass die Decodierung der
Bildsignale in derselben Weise vorgenommen werden muss wie die vorausgegangene
Codierung erfolgt ist. Wurde z.B. auf der Basis Vollbild für Vollbild codiert, ist es
notwendig, dass auch die Decodierung auf derselben Basis, d.h. Vollbild für Vollbild,
stattfindet. Weil dem so ist, muss für das Decodierverfahren bekannt sein, in welcher
Weise die zu decodierenden Bilddaten jeweils codiert worden sind. Nicht nur der die
eigentliche Codierung betreffende Patentanspruch 1 sieht aus diesem Grund vor, dass
die codierten Bilddaten mit einem ihre jeweilige Codierungsart – Vollbild für Vollbild
oder Teilbild für Teilbild – anzeigenden Signal (Kennzeichen) versehen werden.
Spiegelbildlich hierzu ordnet auch der das streitbefangene Decodierungsverfahren
beschreibende Nebenanspruch 11 an, dass die Bilddaten in Abhängigkeit von eben
diesem (die Codierungsart kennzeichnenden) Signal vorgenommen wird. Damit das
"Kennzeichnungssignal" - wie es seine Aufgabe ist - die Decodierung steuern kann,
muss es zu Beginn des Decodierungsverfahrens ausgelesen werden. Merkmal (4) sieht
dementsprechend vor, dass das die Codierungsart repräsentierende Signal vor der
Decodierung von dem codierten Bildsignal "extrahiert" wird. Das "Extrahieren" dient
ersichtlich dem Zweck, Aufschluss darüber zu erhalten, ob das zu decodierende Bild in
einer Vollbild-Einheit oder in einer Teilbild-Einheit codiert worden ist und demzufolge
auch auf derselben Basis decodiert werden muss.
121
Dem Fachmann ist dabei geläufig, dass die geschilderte Decodierung nicht nur in einem
Decodierer (der z.B. Teil eines DVD-Players ist) erfolgt, sondern dass es einer - lokalen
- Decodierung des gerade codierten Bildsignals auch im Zuge der Codierung
abhängiger (P- oder B-)Bilder bedarf. Sie ist notwendig, um das in Bezug genommene
(I- oder P-)Bild als Referenzobjekt für die abhängige Codierung zur Verfügung zu
haben.
122
Wegen der weiteren Einzelheiten der technischen Lehre des Klagepatents wird auf die
Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen, gegen die die
Berufung keine Einwände erhebt.
123
C. Patentbenutzung:
124
125
Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist davon
auszugehen, dass die angegriffenen DVDs ihre Entstehung (u.a.) der Anwendung des
patentgemäßen Decodierfahrens verdanken.
126
1. Auf den angegriffenen DVDs sind unstreitig A-2-codierte Daten enthalten. Die
Beklagte, die den ihr von der Testkäuferin als Ausgangsmaterial zur Verfügung
gestellten "DVD-Master" in Form eines "DLT-Tapes Typ IV" zwischenzeitlich hat
untersuchen lassen, trägt in zweiter Instanz selbst vor, dass auf dem der Produktion der
angegriffenen DVDs zugrunde liegenden "DLT-Tape" nach dem A-2-Standard
komprimierte bzw. im A-2-Format codierte Daten vorhanden waren. Dieses "DLT-Tape"
bzw. dieser "Master" diente unstreitig – in üblicher Weise – als Pressvorlage für die von
der Beklagten vorgenommene Herstellung der DVDs. Die Beklagte verwendete den
"Master" zunächst zur Herstellung eines "Glassmasters", der wiederum die Vorlage für
die Herstellung eines "Stampers" (= Stempels) bildete, bei dem es sich – ähnlich einer
Matrize – um eine Negativabbildung der Dateninhalte des "DLT-Tapes" bzw. "Masters"
handelt. Mit Hilfe des "Stampers" wurden die Dateninhalte der ursprünglichen
Pressvorlage von der Beklagten in Kunststoff- bzw. Polycarbonatscheiben eingeprägt,
die als DVDs aus dem Produktionsprozess hervorgingen.
127
2.
128
Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts kennt der A-2-Standard ein
Verfahren zum Decodieren eines codierten Bildsignals wie es das Klagepatent lehrt.
Das greift die Berufung nicht an.
129
3.
130
Das Landgericht ist aufgrund der festgestellten Befolgung des A-2-Standards mangels
gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen, dass es bei der Codierung der Daten
jeweils zu einer patentgemäßen Verfahrensführung gekommen ist. Auch dies greift die
Berufung nicht konkret an. Dass es trotz Befolgung des A-2-Standards beim sog.
"Authoring" (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 7, 70, 83 Tz. 46 – Videosignal-Codierung I) nicht
zu einer patentgemäßen Decodierung gekommen ist, behauptet die Beklagte, die das
ihr als Ausgangsmaterial zur Verfügung gestellte "DLT-Tape" überprüft hat, nicht. Sie
macht auch nicht geltend, dass sie trotz Untersuchung des "DLT-Tapes" hierzu keine
Angaben machen könne. Die Beklagte stellt eine Benutzung des Klagepatents vielmehr
nur mit der Begründung in Abrede, dass eine reine DVD-Vervielfältigung unter
Verwendung eines vorgegebenen "DLT-Tapes" keine patentverletzende
Verfahrensanwendung darstelle. Ist es jedoch bei der Datenkomprimierung zu einer
patentgemäßen Verfahrensführung gekommen, handelt es sich auch bei den Daten, die
sich auf den von der Beklagten unter Verwendung dieser Pressvorlage hergestellten
DVDs befinden, denknotwendig um solche Daten, die unter Anwendung des
klagepatentgemäßen Verfahrens erzeugt wurden. Denn die A-2-Daten werden bei allen
weiteren Verfahrensschritten unstreitig nicht mehr verändert.
131
132
D. Unmittelbares Verfahrenserzeugnis:
133
Die angegriffenen DVDs stellen entgegen der Auffassung der Beklagten unmittelbare
(körperliche) Erzeugnisse des durch Patentanspruch 11 des Klagepatents geschützten
Verfahrens dar (§ 9 Satz 2 Nr. 3 PatG).
134
Nach Art. 64 Abs. 2 EPÜ bzw. § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG erstreckt sich der Patentschutz auf
die durch ein Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse, wenn Gegenstand des
europäischen Patents ein Verfahren ist. Hintergrund der in den besagten Vorschriften
enthaltenen Regelung ist die Vorstellung des Gesetzgebers, dass der Inhaber eines
Verfahrenspatents den ihm zustehenden wirtschaftlichen Wert der Erfindung nicht in
angemessener Weise ausschöpfen kann, wenn ihm nicht auch der Handel mit den
durch das Verfahren unmittelbar hervorgebrachten Erzeugnissen vorbehalten bleibt (LG
Düsseldorf, InstGE 7, 70, 84 Tz. 59 – Videosignal-Codierung I, m. w. Nachw.).
135
1.)
136
Darauf, ob auch nichtkörperliche Verfahrenserzeugnisse unter den
Verfahrenserzeugnisschutz fallen (vgl. hierzu Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl., § 9
PatG Rdnr. 53; Mes, GRUR 2009, 305 f.), kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Denn
mit der Klage werden optische Datenträger (DVDs) angegriffen, auf denen die Daten mit
Hilfe von entlang einer Aufzeichnungsspur vorgesehenen Vertiefungen und
Erhebungen gespeichert sind, d.h. körperliche Erzeugnisse gemäß § 9 Satz 2 Nr. 3
PatG (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 7, 70, 85 Tz. 60 – Videosignal-Codierung I; BPatG, Mitt
1969, 75; Bruchhausen, GRUR 1979, 743; Benkard, EPÜ, Art. 64 Rdnr. 25; Busse,
Patentgesetz, 6. Aufl., § 9 PatG Rdnr. 100 ff.; Wolfram, Mitt 2003, 57; Mes, GRUR 2009,
305, 307). Hingegen stehen im Streitfall als Verfahrenserzeugnisse keine Videosignale
oder Daten als solche, d.h. ohne jegliche Materialisierung im Streit.
137
2.)
138
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Bilddecodierung gemäß dem Klagepatent ist ein
Herstellungs-, und nicht bloß ein Arbeitsverfahren (zur Abgrenzung beider Verfahren
vgl. BGH, GRUR 1998, 130 – Handhabungsgerät; BGH, GRUR 1990, 508 –
Spreizdübel; BGH, GRUR 1986, 163 – Borhaltige Stähle; BGH, GRUR 1951, 314 –
Motorblock). Es lehrt, wie mittels der benannten Verfahrensschritte aus einem
bestimmten Ausgangsprodukt ein von diesem abweichendes Endprodukt entsteht (vgl.
LG Düsseldorf, InstGE 7, 70, 86 Tz. 64 – Videosignal-Codierung I). Gegenteiliges macht
die Beklagte auch nicht geltend.
139
3.)
140
Die angegriffenen DVDs sind "unmittelbare" Erzeugnisse des erfindungsgemäßen
Decodierverfahrens.
141
a)
142
Eine "Unmittelbarkeit" zwischen Verfahren und Erzeugnis im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 3
143
PatG ist zunächst und ohne weiteres dann zu bejahen, wenn es sich bei dem
angegriffenen Produkt um einen Gegenstand handelt, der mit Abschluss des allerletzten
Schritts des geschützten Verfahrens erhalten wird (vgl. OLG Karlsruhe, InstGE 11, 15 –
SMD-Widerstand; Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl., § 9 PatG Rdnr. 55; Busse, a.a.O., §
9 PatG Rdnr. 105; Kraßer, Patentrecht
,
8. Aufl., § 9 PatG Rdnr. 84). Das patentierte Verfahren muss allerdings nicht in jedem
Fall der allerletzte Schritt in der zum angegriffenen Produkt führenden Herstellungskette
sein. Losgelöst von der vorstehenden, rein zeitlich-chronologischen Betrachtung ist eine
"Unmittelbarkeit" nach zutreffender Auffassung vielmehr auch dann gegeben, wenn sich
das angegriffene Erzeugnis zwar nicht als Resultat des zeitlich letzten
Verfahrensschritts darstellt, sondern als ein Zwischenprodukt, das im Anschluss an das
patentgeschützte Verfahren weiteren Behandlungsmaßnahmen unterzogen worden ist,
sofern das patentierte Verfahren zur Hervorbringung des Erzeugnisses
bestimmungsgemäß und nach der Verkehrsanschauung wesentlich beigetragen hat und
das durch die Erfindung geschaffene Erzeugnis seine charakteristischen Eigenschaften
und seine Selbständigkeit durch die weiteren Behandlungsschritte nicht eingebüßt hat
(vgl. OLG Karlsruhe, InstGE 11, 15 – SMD-Widerstand; LG Düsseldorf, Entscheidungen
1997, 31, 37 – Halbleiterbauelement; LG Düsseldorf, InstGE 7, 70, 87 Tz. 69 –
Videosignal-Codierung I; Court of Appeal, GRUR Int. 1998, 718 – Pioneer
Electronics/Warner Music; Benkard, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 55; Beier/Ohly, GRUR Int.
1996, 973 ff.; Busse, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 106 ff.; Kraßer, a.a.O., S. 774 ff.; Schulte,
a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 84 m.w.N.).
Ebenso wie Art. 64 Abs. 2 EPÜ verfolgt auch § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG die Aufgabe, das
Interesse des Patentinhabers an einem effektiven Schutz seiner Erfindung mit dem
Interesse der Allgemeinheit an Handlungsfreiheit im Wirtschaftsleben und an
Rechtssicherheit zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Der bezweckte Schutz des
Verfahrenserzeugnisses ist wirtschaftlich nur dann sinnvoll gewährleistet, wenn er das
Verfahrensprodukt in der Form erfasst, in der es verkehrsfähig ist. Diese
Verkehrsfähigkeit wird heutzutage, wo aufgrund der modernen industriellen Produktion
bei der Herstellung überwiegend mehrstufig und arbeitsteilig verfahren wird, oftmals erst
durch einen letzten Verfahrensschritt erreicht, mag dieser letzte Schritt im Vergleich zu
einem vorgelagerten innovativen Verfahrensschritt häufig auch relativ unbedeutend
sein. Bei der Anwendung eines streng chronologischen Ansatzes wäre der Erfinder
unter solchen Umständen schutzlos gestellt. Den Patentschutz nur bei einstufigen
Verfahren oder solchen, die den letzten Schritt eines mehrstufigen Verfahrens
darstellen, eingreifen zu lassen, ist sachlich nicht gerechtfertigt, wenn der
Erfindungsgedanke für das Wesen des Endprodukts charakteristisch bleibt. Derartiges
könnte auch nicht im Interesse der Allgemeinheit sein, weil ein Erfinder anderenfalls
keinen Anreiz hätte, seine Erfindung preiszugeben und damit für die Gemeinschaft
verwertbar zu machen.
144
b)
145
Wie das Landgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung "Videosignal-Codierung I"
(InstGE 7, 70, 87 f. Tz. 69 – 74) zutreffend ausgeführt hat, sind bei Anwendung dieser
rechtlichen Grundsätze die zur Herstellung einer DVD benötigten "DLT-Tapes", "DVD-
Rs", "Master" sowie "Stamper" als unmittelbar durch das geschützte Decodierverfahren
hervorgebracht anzusehen.
146
Für die "Master" ist dabei entscheidend, dass nach Abschluss sämtlicher in
147
Patentanspruch 11 vorgesehenen Verfahrensschritte die Informations- und
Aufzeichnungsstrukturen im Arbeitsspeicher der Encodersteckkarten und danach auf
der Festplatte des Rechners gespeichert sind. Mittels dieser dem Ende des
Verfahrensablaufs folgenden Speicherung werden die A-2-Videodaten dauerhaft
materialisiert. Insoweit handelt es sich um das (erste) Zwischenprodukt, da die auf der
Festplatte gespeicherten Daten anschließend einer DVD-Formatierung und sodann
einer Aufzeichnung bzw. Speicherung auf einem anderen Aufzeichnungsträger, den
"DLT-Tapes", "DVD-Rs" bzw. "Mastern", unterzogen werden. Weil weder die
Transformierung in das DVD-Format noch die Speicherung auf den
Aufzeichnungsträgern zu einer weiteren Bearbeitung oder Veränderung der unter
Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens gewonnenen Daten führt, diese mithin
ihre durch das Verfahren hervorgerufenen charakteristischen Eigenschaften ohne
Einschränkung beibehalten, ist die mit dem Komprimierungsverfahren verbundene
Identität auch in den "Mastern" gewahrt. Die durch das Komprimieren gewonnene
Aufzeichnungsstruktur, die durch das erfindungsgemäße Verfahren erst ermöglicht wird,
geht nicht verloren; ein unabhängiges und selbständiges neues Produkt ist nicht zu
erkennen. Zwar erfolgt eine Übertragung und Speicherung der Daten von der Festplatte
auf verschiedene Aufzeichnungsträger. Dies geschieht jedoch ohne eine Veränderung
oder Bearbeitung der bereits gemäß dem A-2-Standard codierten Bilddaten; es handelt
sich um nichts anderes als den schlichten Wechsel eines Speichermediums. Die
Materialisierung der nach dem durchgeführten Verfahren gewonnenen Informations- und
Aufzeichnungsstruktur erfolgt - unter Beibehaltung dieser Strukturen - anstatt auf der
Festplatte nunmehr auf einer Kunststoff- bzw. Polycarbonatscheibe. Der Austausch des
Substrats ist lediglich als eine andere "Verpackung" anzusehen, die den hinreichenden
Zusammenhang zwischen dem patentgemäßen Verfahren und seinem Erzeugnis (einer
bestimmten Aufzeichnungsstruktur) nicht zerfallen lässt (vgl. BGH, GRUR 2004, 495 –
Signalfolge).
Die gleiche Beurteilung ist für die "Stamper" vorzunehmen. Auch wenn sie – ähnlich
einer Matrize – eine Negativabbildung der Dateninhalte der Master sind, bleiben die
ursprünglich mit dem klagepatentgemäßen Verfahren gewonnenen Informations- und
Aufzeichnungsstrukturen unverändert. Eine Bearbeitung oder Veränderung der dem A-
2-Standard entsprechenden Daten bei der Erstellung des "Stampers" erfolgt nicht,
weswegen es sich auch bei den "Stampern" um Erzeugnisse handelt, die unmittelbar
aus dem Übertragungsverfahren nach Patentanspruch 1 hervorgegangen sind.
148
Nichts anderes kann für das hier in Rede stehende Endprodukt, die DVD, gelten (vgl.
auch LG Düsseldorf, GRUR-RR 2009, 119 = NJOZ 2009, 930, 939; LG Düsseldorf,
InstGE 10, 66 – Videosignal-Codierung III). Auch sie sind ein unmittelbares
Verfahrenserzeugnis, weil die ursprünglich mit dem klagepatentgemäßen Verfahren
gewonnenen Informations- und Aufzeichnungsstrukturen auf ihnen unverändert
enthalten sind. Diese haben ihre charakteristischen Eigenschaften und ihre
Selbständigkeit nicht durch die weiteren Herstellungsschritte eingebüßt. Außerdem sind
die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gewonnenen Informations- und
Aufzeichnungsstrukturen für die DVD prägend, weil diese nur hierdurch mit nach dem A-
2-Standard arbeitenden Wiedergabegeräten abgespielt werden kann.
149
c)
150
Für den von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG angeordneten Verfahrenserzeugnisschutz ist allein
entscheidend, dass das fragliche Produkt (DVDs) als unmittelbares Resultat des
151
patentgeschützten Herstellungsverfahrens anzusehen ist. Es bleibt den
Verbietungsrechten des Schutzrechtsinhabers auch dann ausgesetzt, wenn es sich
nicht mehr in der Hand desjenigen befindet, der das patentgemäße Verfahren
durchgeführt hat. Die Beklagte kann deswegen nicht entlasten, dass die in ihren DVDs
erhalten gebliebene Aufzeichnungsstruktur nicht von ihr selbst, sondern von dritter Seite
hervorgebracht worden ist.
E. Erschöpfung:
152
153
Die Verbietungsrechte aus dem Klagepatent sind nicht erschöpft, weder dadurch, dass
zur Herstellung des später von der Beklagten zur Produktion ihrer DVDs verwendeten
"DLT-Tapes" Codierungssoftware eines Anbieters (Apple Inc.) verwendet worden sein
soll, der eine Lizenzvereinbarung mit A LA getroffen haben soll, noch dadurch, dass die
im Auftrag der Patentinhaberin handelnde Testkäuferin der Beklagten ein "DLT-Tape"
mit den bereits erfindungsgemäß decodierten Daten zur Produktion überlassen hat.
154
1.
155
Mit der Frage, ob eine Erschöpfung der Patentrechte eingetreten sein kann, weil die auf
"DLT-Tapes", "DVD-Rs" oder "Mastern" gespeicherten Daten bzw. Signale in einem
Codierer unter Einsatz von Codiergeräten (Codierungsvorrichtungen und
Codierungssoftware) codiert worden sind, für die die Anbieter der Codiergeräte eine
Lizenzvereinbarung mit A LA getroffen haben, hat sich das Landgericht bereits in seiner
Entscheidung "Videosignal-Codierung I" (InstGE 7, 70, 89 f. Tz. 75 – 79) befasst und im
dortigen Fall eine Erschöpfung zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint.
156
a)
157
Erschöpfung meint den Verbrauch des Patentrechts. Der Einwand ist begründet, wenn
die Partei, die sich darauf beruft, schlüssig darlegen kann, dass der Patentinhaber selbst
oder ein mit dessen Zustimmung handelnder Dritter das patentierte Erzeugnis oder das
unmittelbare Erzeugnis eines patentierten Verfahrens in einem der Vertragsstaaten der
Europäischen Union in Verkehr gebracht hat (BGH, GRUR 1997, 116 – Prospekthalter;
BGH, GRUR 2001, 223 – Bodenwaschanlage; Benkard, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 16
m.w.N.). Besonderheiten gelten allerdings für Verfahrenspatente. Das Inverkehrbringen
einer zur Ausübung eines Verfahrens geeigneten Vorrichtung durch den Patentinhaber
oder einen mit dessen Zustimmung handelnden Dritten hat regelmäßig keine
Erschöpfung des Verfahrenspatents zur Folge. Denn hierdurch wird nicht das Verfahren
selbst in den Verkehr gebracht, sondern nur die Vorrichtung (Benkard, a.a.O., § 9 PatG
Rdnr. 25). Demgemäß hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung
"Fullplastverfahren" (GRUR 1980, 38, 39) entschieden, dass durch die Veräußerung
einer Vorrichtung, mit deren Hilfe ein durch ein Patent geschütztes Verfahren ausgeübt
werden kann, eine Erschöpfung des Verfahrenspatents auch dann nicht eintritt, wenn
der Veräußerer zugleich Inhaber des Verfahrenspatents ist.
158
Das gilt nicht nur bei der Veräußerung einer ungeschützten Vorrichtung, mit deren Hilfe
ein geschütztes Verfahren ausgeübt werden kann (BGH, GRUR 1980, 38, 39 –
Fullplastverfahren; BGH, GRUR 2001, 223, 224 - Bodenwaschanlage; Benkard, a.a.O.,
§ 9 PatG Rdnr. 25; Busse, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 152; Mes, Patentgesetz
Gebrauchsmustergesetz, 2. Aufl., § 9 PatG Rdnr. 56; Schulte, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 24),
sondern gleichermaßen bei Veräußerung einer durch dasselbe oder ein anderes Patent
des Inhabers geschützten Vorrichtung (Kraßer, a.a.O., S. 803; Benkard, a.a.O., § 9 PatG
Rdnr. 25). Wenn auch die Vorrichtung patentiert ist, erschöpft sich mit deren Lieferung
nur die Befugnis, auf Grund des Sachpatents den Gebrauch der Vorrichtung zu
untersagen. Es tritt also Erschöpfung der Rechte aus dem Sachteil des Patents ein.
Sofern das geschützte Verfahren im bestimmungsgemäßen Gebrauch der Vorrichtung
besteht, gerät der bezüglich des Sachpatents anzuwendende Erschöpfungsgrundsatz
damit zwar in Konflikt mit den fortbestehenden Befugnissen aus dem Verfahrensteil
desselben (oder eines anderen) Patents (Kraßer, a.a.O., S. 803). Dieser Konflikt lässt
sich jedoch nicht dadurch lösen, dass sich die Befugnis des Patentinhabers, die
Anwendung des Verfahrens zu untersagen, in einem solchen Fall mit dem vom
Patentinhaber gebilligten Inverkehrbringen der Vorrichtung erschöpft. Denn es bleibt
auch unter den genannten Umständen dabei, dass das durch den Verfahrensanspruch
geschützte Verfahren selbst nicht in den Verkehr gebracht wird und dass auch keine
unmittelbare Benutzungshandlung in Ausübung des Verfahrenspatents vorgenommen
wird (vgl. Benkard, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 25). Die Vorrichtung ist – was das
Verfahrenspatent anbelangt – eben nicht patentfrei, weshalb der Grundsatz von der
Erschöpfung – in Bezug auf den Verfahrensanspruch – keine Anwendung finden kann
(vgl. Benkard, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 25).
159
b)
160
Ob derjenige, der vom Inhaber des Patents eine zur Ausübung des geschützten
Verfahrens erforderliche Vorrichtung erworben hat, zum Gebrauch der Vorrichtung und
infolgedessen zur Durchführung des patentgeschützten Verfahrens berechtigt ist,
beantwortet sich allein danach, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Erwerber
mit dem Verkauf der Vorrichtung eine stillschweigende Erlaubnis (einfache Lizenz) zur
Verfahrensbenutzung erteilt worden ist (Benkard, a.a.O., § 9 PatG Rdnr. 25; Kraßer,
a.a.O., S. 803 f.). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bejaht eine konkludente
Lizenzerteilung, sofern nicht ausnahmsweise ausdrückliche entgegenstehende Abreden
bestehen (§§ 133, 157, 242 BGB; vgl. BGH, GRUR 1980, 38, 39 – Fullplastverfahren;
BGH, GRUR 2001, 4097, 409 – Bauschuttsortieranlage; BGH, GRUR 2007, 773, 776 -
Rohrschweißverfahren; Senat, InstGE 9, 66, 73 – Trägerbahnöse).
161
Im Streitfall liegen solche Lizenzerteilungsverbote ausweislich des A-2-
Poollizenzvertrages vor. Die in Rede stehende Codierungssoftware gehört ebenso wie
das Codierungsgerät zu den in Artikel 2.3 angesprochenen
"Datenverschlüsselungsprodukten" oder "Datenverschlüsselungssoftware". Die
Bedingungen des Standard-Lizenzvertrages berechtigen gemäß Ziffer 2.3 (lediglich) zur
Herstellung, zum Verkauf, zum Angebot und zum sonstigen Vertrieb von
Codierungsprodukten, Übertragungscodierungsprodukten, Codierungssoftware und
gebündelter Codierungssoftware, wohingegen der Gebrauch der lizenzierten Produkte
nur zu anderen Zwecken als der Codierung eines A-2-Videoereignisses auf einem A-2-
gepackten Medium erlaubt ist. Ausdrücklich beinhaltet die Lizenz nicht die Erlaubnis zur
Codierung eines oder mehrerer A-2-Videoereignisse zur Aufnahme auf einem A-2-
gepackten Medium durch gewerbliche Kunden der Codiergeräte-Lizenznehmer. Vor
162
dem Hintergrund dieser Beschränkungsregelung verbietet sich die Annahme, die den
Codiergeräteherstellern bzw. Codiersoftwareproduzenten eingeräumte Lizenz umfasse
auch den Gebrauch der lizenzierten Geräte auf der Abnehmerstufe, weil der Verkauf
eines Codiergerätes bzw. der Codiersoftware wirtschaftlich nur Sinn mache, wenn die
veräußerte Vorrichtung auch in Betrieb genommen werden dürfe. Abgesehen davon,
dass in dem genannten Lizenzvertrag etwas anderes vereinbart wurde, kann sich die
Benutzungserlaubnis auf der Stufe der Codiergeräteabnehmer selbstverständlich aus
einer eigenen Lizenznahme an dem Klagepatent ergeben (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 7,
70, 89 f. Tz. 79 – Videosignal-Codierung I). Nach dem Vorbringen der Klägerin
entspricht es auch der Praxis, dass an den Schutzrechten des A-2-Standards eine auf
die Benutzung der Codiergeräte begrenzte Lizenz erteilt wird.
Gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit der vertraglichen Lizenzbeschränkung sind
rechtliche Bedenken nicht zu erheben (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 7, 70, 89 f. Tz. 79 –
Videosignal-Codierung I). Grundsätzlich steht es dem Patentinhaber als Ausfluss seiner
alleinigen Verfügungsmacht über den Erfindungsgegenstand frei, den Inhalt der
Lizenzgewährung nach seinem Ermessen zu bestimmen. Eine Beschränkung der
Erlaubnis auf eine bestimmte Art der Benutzung ist grundsätzlich zulässig. Denn eine
Lizenz kann auf einzelne der dem Patentinhaber vorbehaltenen Benutzungsarten
beschränkt werden. Die Beschränkung grenzt die Benutzungserlaubnis hinsichtlich
lizenzierter Benutzungshandlungen von anderen, die nicht lizenziert werden, ab. Die
Handlungen, welche die Beschränkung dem Lizenznehmer wie auch sonstigen Dritten
verwehrt, sind diesen schon auf Grund der grundsätzlichen Ausschlusswirkung des
Patents untersagt. Wegen der fehlenden Einräumung der Benutzungserlaubnis muss
der Lizenznehmer ihm nicht vorbehaltene Handlungen unterlassen. Die Erschöpfung
reicht infolge dessen nur so weit wie die von der Lizenzerteilung erfassten
Benutzungshandlungen (Benkard, a.a.O., § 15 PatG Rdnr. 72). Erzeugnisse, die unter
Missachtung der eingeräumten Lizenzbefugnisse in den Verkehr gelangt sind, verletzen
das Patent. Sie werden nicht gemeinfrei, so dass auch der Abnehmer des
Lizenznehmers durch das Gebrauchen solcher Gegenstände eine Patentverletzung
begeht (vgl. Benkard, a.a.O., § 15 PatG Rdnr. 73).
163
2.
164
An dem bisherigen Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass der Beklagten das "DLT-
Tape" zur Anfertigung der in Auftrag gegebenen DVDs mit Billigung der Patentinhaberin
überlassen worden ist.
165
a)
166
Zugunsten der Beklagten kann angenommen werden, dass ihr das "DLT-Tape"
übereignet und zum endgültigen Verbleib bei ihr übergeben worden ist. Eine
Erschöpfung der Verbietungsrechte scheidet auch unter diesen Umständen aus. Sie
scheitert bereits daran, dass das "DLT-Tape" nicht in einer das Klagepatent
konsumierenden Weise in Verkehr gelangt ist. Nach gefestigter Rechtsprechung (vgl.
nur BGH, GRUR 2007, 882 – Parfümtester) liegt ein zur Erschöpfung führendes
"Inverkehrbringen
"
Begebung der eigenen Verfügungsgewalt tatsächlich in die Verfügungsgewalt einer
anderen Person übergeht und wenn der Schutzrechtsinhaber dadurch den
wirtschaftlichen Wert der Erfindung realisiert hat. Zwar ist hierzu nicht unbedingt ein
Absatzgeschäft im Rahmen des regulären Handelsverkehrs notwendig; vielmehr ist ein
167
"Inverkehrbringen" auch dann anzunehmen, wenn der Gegenstand vom Hersteller als
Anschauungs- und Testgerät zur Absatzförderung an einen Vertreiber geliefert wird
ohne die Pflicht, den Gegenstand nach Gebrauch an den Hersteller zurückzugeben
(BGH, GRUR 2007, 882 – Parfumtester; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 355 –
Parfumtester). Vorliegend ist der Beklagten die Verfügungsgewalt an dem "DLT-Tape"
jedoch im Zusammenhang und zu dem ausschließlich Zweck eines Testkaufs
übertragen worden, welcher dazu diente, die Rechtstreue der Beklagten im Hinblick auf
die Beachtung des Klagepatents zu verifizieren. Bei dieser Zielsetzung geschah die
Überlassung nicht unter Umständen, bei denen die Klägerin als Patentinhaberin ihren
wirtschaftlichen Nutzen aus der patentierten Erfindung gezogen hat.
b)
168
Eine (stillschweigende) Erlaubnis zur Herstellung und/oder zum Vertrieb der
angegriffenen DVDs ist der Beklagten mit der Übersendung des "DLT-Tapes" ebenfalls
nicht eingeräumt worden. Auch für die Beurteilung einer konkludenten Lizenzerteilung
ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Es ist danach zu fragen, ob der gegebene
Sachverhalt für einen unbefangenen, mit allen Umständen des Falles vertrauten
Beobachter die Annahme gerechtfertigt hätte, dass der Beklagten mit der Übergabe des
"DLT-Tapes" von der Patentinhaberin die Erlaubnis erteilt wird, das Klagepatent zu
benutzen. Dies ist zu verneinen. Die Beklagte wusste bei Auftragserteilung nicht (und für
sie sollte auch nicht erkennbar sein), dass die Bestellerin B auf Veranlassung der
Klägerin tätig wird. Ebenso wie beim bloßen Kauf eines patentverletzenden
Gegenstandes durch einen Testkäufer verbietet sich deshalb auch im Streitfall die
Annahme, die Patentinhaberin sei mit der Herstellung und/oder dem Vertrieb der
patentverletzenden DVDs einverstanden gewesen. Bei einem Testkauf liegt es – ganz
im Gegenteil - auf der Hand, dass derjenige, der ihn veranlasst, mit dem Verhalten des
Veranlassten von vornherein nicht einverstanden ist. Denn der Patentinhaber, der einen
Testkauf in Gang setzt, will bloß in Erfahrung bringen, ob der "Testverkäufer"
Patentverletzungshandlungen begeht, und bejahendenfalls die sich daraus ergebenden
Verbietungsrechte geltend machen, die gerade ein rechtswidriges Tun voraussetzen.
169
F. Testkauf:
170
171
Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, das Landgericht habe die von der Klägerin
erhobenen Klageansprüche deshalb verneinen müssen, weil das zugrunde liegende
Testgeschäft unzulässig bzw. rechtsmissbräuchlich gewesen sei.
172
1.
173
Die Zulässigkeit von Testkäufen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes richtet
nach den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen (BGH, GRUR
1992, 612, 614 – Nicola). Danach sind Testkäufe grundsätzlich zulässig (vgl. BGH,
GRUR 1965, 612, 615 – Warnschild; BGH, GRUR 1965, 607, 609 – Funkmietwagen;
BGH, GRUR 1981, 827, 828 – Vertragswidriger Testkauf; BGH, GRUR 1989, 113, 114 –
174
Mietwagen-Testfahrt; BGH, GRUR 1992, 612, 614 – Nicola; OLG Hamm, Urt. v.
13.07.2004 – 4 U 48/04, BeckRS 2005 03659; OLG Karlsruhe, GRUR 1984, 75 –
Provozierter Verstoß; OLG Karlsruhe, GRUR 1994, 130, 131 – Testpatient; LG
Düsseldorf, InstGE 10, 193, 197 – Geogitter; Baumbach/Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 11 UWG Rdnr. 2.41; Ahrens/Bähr, Der
Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 27 Rdnr. 26; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 47 Rdnr. 29). Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat,
sind Testkäufe ein weithin unentbehrliches Mittel zur Überprüfung des
Wettbewerbsverhaltens von Mitbewerbern. Für ihren Erfolg ist es unvermeidlich, den
Zweck zu verbergen (vgl. BGH, GRUR 1965, 612, 614 – Warnschild; BGH, GRUR 1999,
1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung; Baumbach/Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
a.a.O., § 11 UWG Rdnr. 2.41). Es ist rechtlich grundsätzlich auch unbedenklich, wenn
Testkäufe nicht von dem Wettbewerber selbst, sondern von seinem anwaltlichen
Vertreter oder einem sonstigen Dritten durchgeführt werden (vgl. BGH, GRUR 1999,
1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung). Nichts anderes gilt, wenn die Klägerin oder
ihr Anwalt einen Dritten mit der Durchführung des Testkaufs beauftragt. Lediglich bei
Vorliegen besonderer Umstände sind solche Testkäufe als sittenwidrig anzusehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dies insbesondere der Fall
sein, wenn mit ihnen lediglich die Absicht verfolgt wird, den Mitbewerber
"hereinzulegen" (vgl. BGH, GRUR 1965, 612, 614 – Warnschild; GRUR 1989, 113, 114
– Mietwagen-Testfahrt; BGH, GRUR 1992, 612, 614 – Nicola; GRUR 1999, 1017, 1018
– Kontrollnummernbeseitigung; Baumbach/Hefermerhl/Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 11
UWG Rdnr. 2.41) oder wenn verwerfliche Mittel angewandt werden, um ein
unzulässiges Geschäft herbeizuführen (vgl. BGH, GRUR 1965, 607, 609, 607 –
Funkmietwagen; BGH, GRUR 1989, 113, 114 – Mietwagen-Testfahrt; BGH, GRUR
1992, 612, 614 – Nicola). Hierunter fallen insbesondere die in den Bereich der
Strafbarkeit reichenden oder anderweitig verwerflichen Mittel, u.a. die Anwendung
besonderer Verführungskunst. Verwerfliche Mittel sind auch rechtswidrige Handlungen
des testenden Mitbewerbers, und zwar nicht nur Straftaten, sondern auch sonstige von
der Rechtsordnung verbotene Handlungen, weil grundsätzlich Rechtsverletzungen nicht
deshalb hingenommen werden können, damit konkurrierende Unternehmen ihre
wettbewerblichen Interessen besser verfolgen können (BGH, GRUR 1989, 113, 114 –
Mietwagen-Testfahrt; BGH, GRUR 1992, 612, 614 – Nicola; vgl. auch BGH, GRUR
1965, 612 – Warnschild; BGH, GRUR 1965, 607, 609 – Funkmietwagen; BGH, GRUR
1985, 447, 450 – Provisionsweitergabe).
2.
175
Diese im Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze finden auch im Patentrecht
Anwendung. Ob die Wettbewerber bestehende Patente beachten, ist auch im Bereich
der technischen Schutzrechte oftmals nur anhand von Testkäufen gerichtsverwertbar
festzustellen. Dabei geht es nicht nur um die Beweisbarkeit eines bereits anderweitig
festgestellten Verstoßes, sondern nicht selten gerade darum, dass überhaupt erst mit
Hilfe des Testkaufes verlässliche Erkenntnisse darüber gewonnen werden können, ob
der ins Auge gefasste Wettbewerber zu patentverletzenden Handlungen bereit ist
und/oder solche wahrscheinlich und vom Schutzrechtsinhaber unbemerkt bereits
begangen hat. Zu denken ist an technische Erfindungen, deren Benutzung
typischerweise in einem dem Schutzrechtsinhaber nicht zugänglichen Raum stattfindet.
Neben Verfahrenserfindungen gehört hierzu auch das vorliegend streitbefangene
Klagepatent, weil die unter Verwendung des A-2-Standards hergestellten DVDs eine
außerordentlich flüchtige Ware darstellen, deren betriebliche Herkunft für den
176
Patentinhaber ggf. nur aufwändig nachzuvollziehen ist. Überwachungsmaßnahmen des
Patentinhabers durch Testkäufe sind vor diesem Hintergrund auch und speziell im
Bereich des Patentrechts bisweilen absolut notwendig, jedenfalls zur Rechtsverfolgung
sinnvoll, deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. zum Sortenschutzrecht BGH,
GRUR 1992, 612, 614 – Nicola; vgl. auch LG Düsseldorf, InstGE 10, 193, 197 –
Geogitter) und nur bei Vorliegen besonderer Umstände als rechtsmissbräuchlich
anzusehen.
3.
177
Im Streitfall liegen solche besonderen Umstände nicht vor.
178
a) Dass die von der Klägerin bzw. ihren Patentanwälten veranlasste Testbestellung nur
dazu dienen sollte, die Beklagte in unzulässiger Weise "hereinzulegen", um sie mit
einem Patentverletzungsrechtsstreit überziehen zu können, vermag der Senat nicht
festzustellen.
179
Zutreffend ist, dass der Bundesgerichtshof eine Sittenwidrigkeit des Testkaufs unter dem
Gesichtspunkt des "Hereinlegens" eines Mitbewerbers in Betracht zieht, wenn
hinreichende Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende
Rechtsverletzung fehlen (vgl. BGH, GRUR 1965, 612, 614 – Warnschild; BGH, GRUR
1999, 1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung; vgl. auch
Baumbach/Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 11 UWG Rdnr. 2.41). Näher präzisiert
hat der Bundesgerichtshof dieses Erfordernis allerdings nicht und er hat – soweit
ersichtlich – eine derartige Fallgestaltung bisher auch noch nicht als gegeben
angesehen. Nach Auffassung des Senats sind an das Vorliegen des
Ausnahmetatbestandes strenge Anforderungen zu stellen. Es kann namentlich nicht
verlangt werden, dass – im Sinne einer Erstbegehungsgefahr – konkrete Tatsachen
vorgelegen haben, die die greifbare und unmittelbar bevorstehende Besorgnis von
Verletzungshandlungen gerechtfertigt haben. Es genügt vielmehr, dass die generelle
Gefahr einer Patentverletzung bestand; diese darf nur nicht völlig fern gelegen haben,
also praktisch "aus der Luft gegriffen" sein.
180
Letzteres war hier nicht der Fall. Die Beklagte gehört ihren eigenen Angaben zufolge zu
den größten DVD-Herstellern in Griechenland. Nach ihrem Vorbringen ist sie der
drittgrößte griechische Produzent. Die von der Klägerin überreichten Unterlagen
sprechen sogar dafür, dass die Beklagte der größte DVD-Hersteller in Griechenland ist.
Unstreitig hat die Beklagte jedenfalls im Jahr 2007 insgesamt 28 Mio. DVDs und im Jahr
2008 sogar 29 Mio. DVDs produziert. Diesen von der Klägerin vorgetragenen Zahlen ist
die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht substanziell entgegen getreten. Die
damit als unstreitig zu behandelnde jährliche Produktionsmenge der Beklagten ist
beträchtlich. Angesichts einer Einwohnerzahl Griechenlands von ca. 10,5 Mio. ergibt
sich daraus schlüssig, dass die DVD-Produktion der Beklagten nicht allein für den
griechischen Markt vorgesehen ist, womit übereinstimmt, dass die Beklagte unstreitig
DVDs ins Ausland liefert. Sie räumt in zweiter Instanz einen Export ihrer Waren
ausdrücklich ein und hat bereits in erster Instanz zugestanden, dass sie international
tätig ist. Zwar behauptet die Beklagte, dass der Export nur einen geringen Teil ihrer
Produktion umfasse und "überwiegend in das arabische Ausland" erfolge. Allein die
Tatsache der Exportorientierung lässt es aber als hinreichend möglich erscheinen, dass
die Beklagte die von ihr produzierten DVDs bei entsprechender Nachfrage auch in
andere Länder - und damit auch nach Deutschland - liefert. Das gilt umso mehr, als die
181
Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen bloß "überwiegend in das arabische Ausland"
exportiert, was zwingend bedeutet, dass sie zu irgendeinem Teil eben auch in andere
Länder liefert. Ist dem aber so, besteht nach der eigenen Einlassung der Beklagten die
potentielle Gefahr von Exporten auch in die Bundesrepublik Deutschland. Wie die
Klägerin in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen hat, stehen die europäischen
DVD-Hersteller in einem regen Wettbewerb zueinander, wobei sie DVDs regelmäßig
nicht nur für den jeweiligen Heimatmarkt, sondern auch und gerade für die
Bundesrepublik Deutschland als den größten Absatzmarkt in Europa herstellen. Als
Beispiele hat die Klägerin in diesem Zusammenhang auf Hersteller in Österreich,
Frankreich, Italien und Spanien ansässige DVD-Hersteller verwiesen.
Das alles sprach und spricht dafür, dass patentverletzende DVDs aus der Produktion
der Beklagten in Deutschland Verbreitung finden konnten und auch künftig noch finden
können. Bei DVDs handelt es sich um äußerst flüchtige Ware, deren Vertrieb von der
Beklagten nicht gesteuert werden muss und der in Abhängigkeit vom Zielland auch
keine besondere Vertriebsstruktur erfordert, erst recht keine solche, die eine bisher nicht
ausführbare Lieferung nach Deutschland erst möglich machen würde. Auch die
Beklagte zeigt nicht auf, inwiefern es einen logistischen, spezielle Vorkehrungen
betrieblicher Art erfordernden Unterschied machen soll, ob patentgemäße DVDs z.B.
nach Dubai oder nach Deutschland ausgeliefert werden. Wie einfach eine Bestellung
von der Beklagten hergestellter DVDs durch einen in Deutschland ansässigen Kunden
möglich ist, hat die von der Klägerin veranlasste Testbestellung exemplarisch gezeigt.
Die von der Testkäuferin aufgegebene Bestellung ist von der Beklagten ohne Weiteres
entgegengenommen und problemlos ausgeführt worden.
182
Ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Verhandlungstermin vor dem
Landgericht nachträglich davon gesprochen hat, die Beklagte sei wohl in diese Falle
"hineingetappt", spielt für die rechtliche Bewertung des Verhaltens der Klägerin bzw. der
Testkäuferin keine Rolle. Letztlich ist jedes Testgeschäft im weitesten Sinne eine Art
"Falle", in welche der Betroffene, wenn er den Abschluss des Geschäfts nicht ablehnt,
"hineintappt".
183
b) Die Klägerin hat auch keine verwerflichen Mittel angewandt, um das Geschäft
herbeizuführen.
184
aa)
185
Die Testkäuferin B ist gegenüber der Beklagten wie ein normaler Kunde aufgetreten.
Dass sie der Beklagten einen "DVD-Master auf einem DLT-Tape Type IV" als
Ausgangsmaterial zur Verfügung gestellt hat, ändert daran nichts. "Master" werden von
einem Authoring-Studio üblicherweise entweder an den Kunden oder direkt an ein
Presswerk ausgeliefert (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 7, 70, 843 4. Tz. 52 – Videosignal-
Codierung I; Berufungsbegründung, Seite 9). Im Falle der Auslieferung an den Kunden
obliegt es diesem, den "Master" dem Presswerk zur Verfügung zu stellen. Genau so ist
hier verfahren worden. Hat sich aber der Testkäufer genauso verhalten, wie sich
Verkehrsteilnehmer in derartigen Fällen zu benehmen pflegen, scheidet die Annahme,
die Testperson habe mit verwerflichen Mitteln auf einen Verstoß bzw. eine
Rechtsverletzung hingewirkt, grundsätzlich aus (vgl. z.B. BGH, GRUR 1965, 607, 609 –
Funkmietwagen; BGH, GRUR 1965, 612, 614 – Warnschild; OLG Karlsruhe, GRUR
1984, 75 – Provozierter Verstoß; OLG Hamm, Urt. v. 13.07.2004 – 4 U 48/04, BeckRS
2005 03659; Ahrens/Bähr, a.a.O., Kap. 27 Rdnr. 26 m.w.N.). Erst wenn der Testkäufer
186
den Verletzer – anders als ein normaler Kunde – gewissermaßen in den Verstoß bzw.
die Rechtsverletzung treibt, kann ein solcher Testkauf nicht mehr als Beleg für die
Rechtstreue des Verletzers dienen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 13.07.2004 – 4 U 48/04,
BeckRS 2005 03659 m.w.N.). Dafür fehlen im Streitfall jegliche Anhaltspunkte.
bb)
187
Die Testkäuferin musste die Beklagte des Weiteren nicht zur Annahme und
Durchführung der Bestellung überreden bzw. sonstwie nachhaltig auf die Beklagte
einwirken. Das in Rede stehende Geschäft ist ohne Schwierigkeiten zustande
gekommen und von der Beklagten auch ohne Weiteres ausgeführt worden.
188
cc) Da die Übersendung eines "Masters" nichts Ungewöhnliches ist, sondern der
Üblichkeit entspricht, kann auch nicht vom Einsatz besonderer Verführungskunst oder
unfairer Mittel seitens der Testkäuferin die Rede sein. Die Testkäuferin hat die Beklagte
nicht darüber getäuscht, dass es sich bei dem übersandten "DLT-Tape" um ein im A-2-
Standard codiertes "DLT-Tape" handelt. Über die Codierung bzw. das Daten-Format hat
sie gegenüber der Beklagten weder unzutreffende noch irreführende Angaben gemacht.
Über die Codierung bzw. das Daten-Format ist die Testkäuferin von der Beklagten auch
nicht befragt worden.
189
Soweit die Beklagte geltend macht, sie habe keine Möglichkeit gehabt, eine
Überprüfung des "DLT-Tapes" vorzunehmen, mag dahinstehen, ob dies im
Tatsächlichen zutrifft. Zumindest hätte die Beklagte – die spätestens auf Grund der
vorangegangenen Korrespondenz mit der A LA wusste, dass es A-2-Poolpatente gab –
sich bei der Testkäuferin erkundigen können und müssen, ob das ihr zur Verfügung
gestellte "DLT-Tape" im A-2-Format codierte Daten enthält. Diese Nachfrage, welche
die Beklagte unstreitig nicht gestellt hat, war umso angebrachter und notwendiger, als
der A-2-Standard nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts das in der
Praxis dominierende Codierverfahren darstellt und es sich deswegen für die Beklagte
geradezu aufdrängen musste, dass es sich bei dem ihr überlassenen Tape um ein im A-
2-Standard codiertes "DLT-Tape" handeln kann. In Anbetracht dessen kommt es nicht
mehr darauf an, ob sich – wie die Klägerin behauptet – für die fachkundige Beklagte
ohnehin aus der Angabe "DVD Master on a DLT-Tape Type IV" ergab, dass die zu
liefernden DVDs im A-2-Format codierte Daten aufweisen sollten.
190
dd) Dass die Testkäuferin der Beklagten "versichert" hat, die Reproduktion der bereits
komprimierten und codierten Daten sei bezüglich einer möglichen Rechtsverletzung
unbedenklich, trifft nicht zu. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der
Hinweis der Beklagten in ihrem Email vom 12. Februar 2007 auf "copyrights or royalty
fees” aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nur auf
urheberrechtliche Belange bezogen, also auf Urheberrechte und zugehörige
Lizenzgebühren. Denn insoweit trägt der Besteller die Verantwortung für die Inhalte, die
von dem Replikator lediglich in seinem Auftrag vervielfältigt werden. Dementsprechend
hat die Testkäuferin das besagte Schreiben der Beklagten mit Email vom 27. Februar
2007 auch dahingehend beantwortet, dass die Video-Daten "GEMA-frei" seien. Diese
Erklärung war auch aus Sicht der Beklagten völlig ausreichend, wie daran deutlich wird,
dass die Beklagte keinen Anlass gesehen hat, weitere Nachfragen bzw. Rückfragen an
die Testkäuferin B zu richten. Solche wären jedoch unbedingt zu erwarten gewesen,
wenn es der Beklagten tatsächlich um Lizenzgebühren "für sämtliche möglicherweise
bestehenden Rechte, einschließlich gewerblicher Schutzrechte", gegangen wäre, zu
191
denen sich die Testkäuferin in ihrem Antwort-Email zweifelsfrei nicht geäußert hatte. Die
Beklagte konnte und durfte hiernach nicht davon ausgehen – und sie ist bei
lebensnaher Betrachtung der Umstände seinerzeit selbstverständlich auch nicht davon
ausgegangen -, dass die Bestellerin etwaige Lizenzgebühren für gewerbliche
Schutzrechte, insbesondere für einschlägige Patente, abgeführt hatte und als
Lizenznehmerin zur Benutzung solcher Schutzrechte berechtigt war.
ee)
192
Dem Umstand, dass die Bestellung der Testkäuferin ein Volumen von lediglich 500
Stück umfasste, kommt keine Bedeutung zu. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf ein
Email vom 4. Juli 2006 eine angeblich interne "Arbeitsanweisung" geltend macht,
wonach erst die besagte geringe Stückzahl es ermöglicht habe, ihre betrieblichen
Kontrollmechanismen zu umgehen, vermag dies nicht zu überzeugen. In dem von der
Beklagten angesprochenen Schriftstück heißt es sinngemäß, dass alle Bestellungen mit
einem Volumen von über 400 Stück DVDs/CDs mit allen erforderlichen Informationen
Herrn Ioannidis vorzulegen sind und nur nach Erteilung seiner schriftlichen Bestätigung
ausgeführt werden dürfen, und dass die Mitarbeiter in allen Fällen zwingend vor der
Ausführung eines Auftrages sicherstellen sollen, dass alle Lizenzen und Gebühren in
Bezug auf gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte geklärt sind und allein von den
Kunden der Beklagten an die Rechteinhaber gezahlt werden. Eine Vorlagepflicht an
den General Manager und Leiter der Verkaufsabteilung der Beklagten bestand demnach
bei Bestellungen ab 400 Stück (vgl. auch Berufungsbegründung, Seiten 19 und 20). Ist
dem aber so, ist schon im Ansatz nicht nachvollziehbar, wie die "Kontrollmechanismen"
der Beklagten mit einer Bestellmenge von 500 Stück gezielt hätten umgangen werden
können. Darüber hinaus behauptet die Beklagte – wie das Landgericht zutreffend
ausgeführt hat – auch selbst nicht, dass der Klägerin oder der Testkäuferin bekannt
gewesen sei, dass mit einer Bestellung von "nur" 500 Stück eine positive Bearbeitung
des Auftrages wahrscheinlicher sei. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass und auf
welchem Wege die Klägerin, ihre Patentanwälte oder die Testkäuferin Kenntnis von der
im Prozess vorgelegten "Arbeitsanweisung" erhalten haben könnten.
193
ff) Daraus, dass die Testkäuferin gegenüber der Beklagten eine Lieferanschrift
angegeben hat, die von ihrer Geschäftsanschrift abwich und unter welcher Anschrift
nach den Angaben der Beklagten ein Geschäftsbetrieb oder ein Hinweis auf die Firma
der Testkäuferin nicht zu finden ist, kann die Beklagte nichts herleiten. Das Geschäft ist
ordnungsgemäß abgewickelt worden. Die DVDs sind an die angegebene
Empfängeradresse geliefert worden. Die Rechnung ist von der Testkäuferin auch
bezahlt worden. Irgendein rechtserheblicher Nachteil ist der Beklagten durch die
Angabe der Kölner Lieferanschrift nicht entstanden.
194
gg) Ohne Erfolg macht die Beklagte schließlich geltend, die Testkäuferin habe eine
Geheimhaltungspflicht sowie Interessenwahrungspflicht aus dem Kaufvertrag mit der
Beklagten verletzt, indem sie "belastende" Dokumente an Dritte, nämlich die Klägerin,
weitergegeben habe. Wie bereits ausgeführt, ist es für den Erfolg von Testkäufen
unvermeidlich, den Zweck zu verbergen, und ist es grundsätzlich unbedenklich, den
Testkauf von einem Dritten als Strohmann durchführen zu lassen. In einem solchen Fall
liegt es auf der Hand, dass der Dritte den Rechtsinhaber über die Einzelheiten des
Geschäfts informiert. Nichts anderes ist hier geschehen. Eine Geheimhaltungspflicht ist
weder vereinbart worden noch ist ersichtlich, dass hier Geschäftsgeheimnisse der
Beklagten in Rede stehen.
195
G. Zwangslizenzeinwand:
196
Ob die Beklagte aufgrund kartellrechtlicher Vorschriften – anstelle einer weltweiten
Poollizenz oder einer Einzellizenz – als dritte Option eine auf Deutschland beschränkte
Poollizenz beanspruchen kann, bedarf keiner Erörterung. Der Einwand der Beklagten,
die Klägerin sei aufgrund der Standardbindung des Klagepatents als Inhaberin einer
marktbeherrschenden Stellung verpflichtet, ihr eine Lizenz an dem Klagepatent
einzuräumen, wobei der Lizenzierungsanspruch auch den Verbietungsrechten aus dem
Patent entgegen gehalten werden könne, schlägt schon deshalb fehl, weil es Sache der
Beklagten gewesen wäre, ihren Lizenzanspruch durch die Vorlage eines spezifizierten
Lizenzangebotes geltend zu machen und die sich daraus für die Vergangenheit
(zumindest für die im Zusammenhang mit dem Testkauf bereits vorgefallenen
Benutzungshandlungen) ergebenden Vertragspflichten angebotsgerecht zu erfüllen
(BGH, GRUR 2009, 694 – Orange-Book-Standard). Da die Benutzung eines Patents
regelmäßig nicht unentgeltlich verlangt werden kann und der Gestattungseinwand des
Benutzers infolgedessen lediglich dahin geht, dass ihm die Benutzung der Erfindung
gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr erlaubt wird, hat der Beklagte ein
konkretes,
Lizenzangebot zu unterbreiten (BGH, GRUR 2009, 694 – Orange-Book-Standard; OLG
Düsseldorf, InstGE 10, 129 – Druckerpatrone II). Das gilt nicht nur dann, wenn der
Patentinhaber zwar grundsätzlich zur Lizenzierung bereit ist, die Parteien jedoch über
die nähere Ausgestaltung der Lizenzvereinbarung (d.h. über einzelne Klauseln) streiten,
sondern gleichermaßen dann, wenn der Patentinhaber die Einräumung eines
Benutzungsrechtes in der vom Beklagten gewünschten Art (z.B. in Gestalt einer
territorial beschränkten Poollizenz) kategorisch ablehnt. Denn auch in diesem Fall kann
dem Lizenzsucher ein Benutzungsrecht regelmäßig nur gegen Entgelt zustehen, das
demgemäß offeriert werden muss. Die unberechtigte Weigerung des Patentinhabers
über die vom Beklagten gewünschte Lizenzierung zu verhandeln, hat lediglich zur
Folge, dass mangels konkreter anderslautender Formulierungsvorschläge des
Patentinhabers prima facie von der Angemessenheit des vom Lizenzsucher
unterbreiteten Angebotes auszugehen ist.
197
Vorliegend hat es die Beklagte versäumt, einen von ihr für angemessen gehaltenen, aus
sich heraus annahmefähigen Lizenzvertragstext vorzulegen. Soweit sie sich auf die
"Konditionen des A LA-Standardlizenzvertrages" bezieht, genügt dies nicht. Der
Standardvertrag liegt zwar vor; es fehlt aber jeglicher Sachvortrag dazu, ob in ihm das
Lizenzgebiet auf Deutschland einfach begrenzt werden kann, ohne dass es hierdurch zu
irgendwelchen Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten kommt, die die Klägerin nicht
hinnehmen muss, weil sie dem Angebot seine Annahmefähigkeit nehmen. Schon die
Frage, an welchen (in Deutschland geltenden) Schutzrechten überhaupt eine Lizenz
nachgefragt wird, ist nicht mit der gebotenen, einen vernünftigen Zweifel
ausschließenden Klarheit ersichtlich. Die Offerte der Beklagten lässt nicht eindeutig
erkennen, ob eine Lizenznahme nur an den mit einer Verletzungsklage verfolgten
Standard-Schutzrechten gewollt ist oder auch an denjenigen, die in Deutschland gelten
aber nicht Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung sind. Abgesehen davon
ist das Lizenzverlangen auch an den falschen Adressaten, nämlich den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtet. In Bezug auf ihn ist nichts dafür
ersichtlich, dass er alle diejenigen Schutzrechtsinhaber vertritt, die Pool-Patente in
Deutschland halten, an denen die Beklagte eine gebündelte Benutzungsgestattung
erhalten will. Die Beklagte ist weiterhin nicht ihrer Pflicht nachgekommen, für die
198
Vergangenheit vertragsgerecht, d.h. wahrheitsgemäß und vollständig, über ihre
lizenzpflichtigen Benutzungshandlungen Rechnung zu legen und entsprechende
Lizenzgebühren zu zahlen. Weder hat die Beklagte zum Zwecke der Auskunftserteilung
eine Erklärung dazu abgegeben, ob es außer dem Testkauf weitere Benutzungen des
Klagepatents gegeben hat, noch hat sie irgendwelche Vergütungszahlungen
vorgenommen, die jedenfalls im Hinblick auf den Testkauf geschuldet waren.
H. Rechtsfolgen:
199
200
Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung zur
Unterlassung und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, auch zum
Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr die Berechnung ihrer Ansprüche
auf Schadenersatz zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Verletzungshandlungen
Rechnung zu legen hat, ist vom Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend
dargelegt worden. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug genommen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten sind
lediglich die nachfolgenden Hinweise veranlasst:
201
1. Da die Beklagte, wie vorstehend ausgeführt, entgegen § 9 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 PatG
eine patentierte Erfindung benutzt hat, kann die Klägerin als Inhaberin des benutzten
Klagepatents sie nach § 139 Abs. 1 PatG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 1 EPÜ auf
Unterlassung in Anspruch nehmen. Die Gefahr weiterer künftiger Rechtsverletzungen
ergibt sich daraus, dass die Beklagte im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit die
angegriffenen Handlungen bereits vorgenommen hat und deshalb vermutet wird, dass
sie dieses Verhalten auch in Zukunft wiederholen wird.
202
a)
203
Eine – auch nur einmalige – Schutzrechtsverletzung begründet die auf Lebenserfahrung
beruhende tatsächliche Vermutung der Gefahr der Wiederholung der geschehenen
rechtswidrigen Handlung (vgl. BGH, GRUR 1992, 612, 614– Nicola; BGH, GRUR 2003,
1031, 1033 - Kupplung für optische Geräte). Nur ausnahmsweise ist die
Wiederholungsgefahr bei besonderen Umständen trotz geschehener Verletzung zu
verneinen, wofür der Verletzer darlegungs- und beweispflichtig ist (Benkard, a.a.O.,
§ 139 PatG Rdnr. 29 f.).
204
Solche Umstände sind hier nicht feststellbar. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend,
dass die in Rede stehende Bestellung lediglich unter Verstoß gegen eine interne
"Arbeitsanweisung" ausgeführt worden sei. Insoweit kann dahinstehen, ob die
betreffende "Arbeitsanweisung" im fraglichen Zeitraum bereits bestand. Zur wirksamen
Unterbindung weiterer Lieferungen patentverletzender DVDs in die Bundesrepublik
Deutschland ist sie schon deshalb nicht geeignet, weil danach nur Bestellungen von
über 400 Stück DVDs anzeige- und genehmigungspflichtig sind. Die Beklagte trägt
selbst vor, dass nur ihr General Manager und Leiter der Verkaufsabteilung im jeweiligen
Einzelfall prüfen könne, welche Schutzrechtssituation bestehe (vgl.
205
Berufungsbegründung, Seite 20). Die weitere Anweisung, die Mitarbeiter sollten in allen
Fällen zwingend vor der Ausführung eines Auftrags sicherstellen, dass alle Lizenzen
und Gebühren in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte geklärt seien
und allein von den Kunden der Beklagten an die Rechteinhaber gezahlt würden, ist
erkennbar unzureichend. Weder wird den Sachbearbeitern erläutert, in welcher Weise
dies geschehen soll, noch wird ihnen mitgeteilt, welche konkreten Rechte jeweils
betroffen sein können und unter welchen Bedingungen von einer hinreichenden Klärung
der Schutzrechtslage auszugehen ist. Letztlich zeigt die Beklagte auch nicht auf, wie ihr
General Manager und Leiter der Verkaufsabteilung die Schutzrechtssituation
üblicherweise prüft. Weitere "Vorsichtsmaßnahmen" hat die Beklagte nach derm in
Rede stehenden Lieferfall patentverletzender DVDs nach Deutschland nicht getroffen.
Jedenfalls trägt die Beklagte in dieser Hinsicht nichts Konkretes vor.
b)
206
Die damit wegen der begangenen Rechtsverletzung zu vermutende
Wiederholungsgefahr ist nicht entfallen. An die Beseitigung der Wiederholungsgefahr
sind strenge Anforderungen zu stellen (Benkard, a.a.O., § 139 PatG Rdnr. 30 m.w.N.).
Eine Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch die Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR
1992, 318, 319 – Jubiläumsverkauf; BGH, GRUR 1999, 1017, 1019 –
Kontrollnummernbeseitigung; BGH, GRUR 2001, 453, 455 – TCM-Zentrum; BGH,
GRUR 2008, 996, 999 – Clone-CD; BGH, GRUR 2008, 1108, 1110 – Haus & Grund III;
BGH, WM 2009, 2026 – DAX; BGH, GRUR 2009, 845, 849 – Internet-Videorecorder).
Hingegen genügen grundsätzlich weder das bloße Versprechen, die angegriffene
Handlung nicht erneut zu begehen, noch die Aufgabe der Betätigung, in deren Rahmen
die Verletzung erfolgt ist, um die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer
Wiederholungsgefahr zu widerlegen (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2000, 605, 608 -
comtes/ComTel; BGH, WM 2009, 2026 – DAX; BGH, GRUR 2009, 845, 849 – Internet-
Videorecorder). Regelmäßig kann die durch die Rechtsverletzung begründete
Wiederholungsgefahr auch in solchen Fällen nur durch die Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung – das heißt durch eine uneingeschränkte, bedingungslose und
unwiderrufliche Unterwerfungserklärung unter Übernahme einer angemessenen
Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung (vgl. BGH, GRUR 1996, 290, 291 –
Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH, GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der
Wiederholungsgefahr II) – ausgeräumt werden. Diese muss eindeutig und hinreichend
bestimmt sein sowie den ernstlichen Willen erkennen lassen, die fragliche Handlung
nicht (mehr) zu begehen.
207
Vorliegend hat die Beklagte, vertreten durch Herrn C, dem Leiter der Finanzen, zwar in
seiner in Kopie überreichten eidesstattlichen Versicherung eine Unterlassungserklärung
des Inhalts abgegeben, dass sie keine "DVDs, die die streitgegenständlichen Patente"
verwirklichen, nach Deutschland liefert, wobei sie sich für den Fall der Zuwiderhandlung
verpflichtet hat, eine Vertragsstrafe in einer angemessenen, von der Klägerin
festzusetzenden, im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfenden Höhe zu
zahlen. Diese Erklärung hat sie im Berufungsrechtszug durch ihren
Prozessbevollmächtigten bekräftigen und wiederholen lassen (Schriftsatz v. 28.08.2009,
Seite 20). Beide Erklärungen sind jedoch unzureichend. Eine Unterlassungserklärung
muss nach Inhalt und Umfang dem entsprechen, was auch Inhalt eines entsprechenden
Unterlassungsantrages und der Urteilsformel wäre (vgl. BGH, GRUR 1997, 379, 380 –
Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Senat, Mitt. 2003, 264, 267 –
208
Antriebsscheibenaufzug; Teplitzky, a.a.O., Kap. 8 Rdnr. 16 m.w.N.). Dem wird das
Unterlassungsversprechen, das die Beklagte abgegeben hat, ersichtlich nicht gerecht.
Denn die Formulierung "DVDs, die die streitgegenständlichen Patente verwirklichen" ist
zu unbestimmt. Weder werden die betreffenden DVDs nach dem Wortlaut der verletzten
Patentansprüche beschrieben, noch wird das vorliegende Klagepatent überhaupt
bezeichnet. Dass hier in mehreren Verfahren Unterlassungserklärungen verschiedenen
Inhalts abgegeben werden müssten, was mit einem gewissen Aufwand verbunden sein
mag, befreit die Beklagte nicht davon, eine hinreichend bestimmte
Unterlassungserklärung zu formulieren. Auch die Klägerin muss in den einzelnen
Verfahren jeweils bestimmte Klageanträge stellen. Außerdem werden die zu
unterlassenden Begehungshandlungen in der vorliegenden Unterlassungserklärung
nicht konkret bezeichnet und es werden auch nicht alle zu unterlassenden Handlungen
aufgeführt. Angesprochen ist lediglich die "Lieferung". Diese Formulierung kennt weder
§ 9 Satz 2 Nr. 1 noch § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG. Auch wenn Unterwerfungserklärungen wie
andere Willenserklärungen der Auslegung nach den allgemeinen Regeln zugänglich
sind (vgl. BGH, GRUR 1996, 290, 291 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I), muss sich
der Patentinhaber mit einer derart unbestimmten, möglicherweise
Auslegungsschwierigkeiten hervorrufenden Unterwerfungserklärung nicht zufrieden
geben.
2. Nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG hat die Beklagte der Klägerin außerdem
allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die schutzrechtsverletzenden Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird. Die Beklagte hat die ihr zur Last gelegten
Handlungen schuldhaft begangen, nämlich zumindest fahrlässig im Sinne des § 276
Abs. 1 Satz 2 BGB.
209
a)
210
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276
Abs. 2 BGB). Der Vorwurf der Fahrlässigkeit setzt voraus, dass der objektiv
patentverletzend Handelnde den patentverletzenden Charakter seines Verhaltens bei
Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden
können. Die Sorgfaltsanforderungen, die zur Vermeidung des Fahrlässigkeitsvorwurfs
erfüllt sein müssen, sind hoch. Da sich grundsätzlich jeder Gewerbetreibende vor
Aufnahme einer Benutzungshandlung nach etwa entgegenstehenden Schutzrechten
Dritter zu vergewissern hat und die erfolgte Patenterteilung in allgemein zugänglichen
Quellen bekannt gemacht wird, kann aus dem Vorliegen einer rechtswidrigen
Benutzung des Patents in aller Regel auf ein (zumindest fahrlässiges) Verschulden des
Benutzers geschlossen werden (vgl. BGH, GRUR 1977, 250, 252 – Kunststoffhohlprofil
I; BGH, GRUR 1993, 460, 464 – Wandabstreifer). Das gilt nicht nur für ein herstellendes
Unternehmen, sondern prinzipiell in gleicher Weise für ein lediglich vertreibendes
Unternehmen. Von Gewerbetreibenden wird generell erwartet, dass sie sich über
fremde Schutzrechte informieren, die ihren Tätigkeitsbereich betreffen, und dass sie
auch deren Schutzbereich prüfen, sofern die Art ihrer gewerblichen Tätigkeit es nicht als
ausgeschlossen erscheinen lässt, dass von geschützten Gegenständen oder Verfahren
Gebrauch gemacht wird (vgl. LG Mannheim, InstGE 7, 14, 16 – Halbleiterbaugruppe).
Sofern eine eigene Schutzrechtsprüfung mit besonderem Aufwand verbunden ist,
besteht zumindest die Verpflichtung, sich bei seinem Vorlieferanten zu vergewissern, ob
die notwendige Überprüfung von diesem oder einem früheren Glied in der Vertriebskette
mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden ist (BGH, GRUR 2006, 575, 577 –
Melanie).
211
b)
212
Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat die Beklagte fahrlässig gehandelt. Selbst wenn die
im Ausland ansässige Beklagte als Replikator zu einer eigenen Untersuchung des ihr
vom Besteller zur Verfügung gestellten "DLT-Tapes" im Hinblick auf eine mögliche
Schutzrechtsverletzung nicht verpflichtet gewesen sein sollte, hat die Beklagte ihre
Sorgfaltspflichten jedenfalls dadurch verletzt, dass sie sich vor der Lieferung der DVDs
nicht einmal bei der Bestellerin in verlässlicher Weise darüber vergewissert hat, ob
diese bereits mit der gebotenen Sorgfalt geprüft hat, ob die anhand des "DLT-Tapes"
anzufertigenden DVDs Schutzrechte in der Bundesrepublik Deutschland verletzen. Eine
solche Nachfrage war für die Beklagte leicht durchzuführen und von ihr als Exporteur
selbst produzierter DVDs unbedingt zu verlangen.
213
III.
214
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
215
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711,
108 ZPO.
216
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine
Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine
entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den
Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich wäre.
217