Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.03.2004
OLG Düsseldorf: beweismittel, neues vorbringen, zivilrechtliche haftung, nummer, urkunde, beweiswürdigung, ermittlungsverfahren, firma, abrechnung, kopie
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-15 U 16/03
Datum:
17.03.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-15 U 16/03
Tenor:
Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das am 19. Dezember 2002
verkün-dete Schlussvorbehaltsurteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichter -
des Landge-richts Düsseldorf im Urkundenprozess wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu 1) zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1) darf die
Zwangsvoll-streckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet
I.
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Die Klägerin macht im Urkundenprozess Schadensersatz wegen Zahlungen geltend,
die sie aufgrund fingierter Rechnungen über tatsächlich nicht erbrachte
Behandlungsleistungen an den Beklagten zu 3), der eine physiotherapeutische Praxis
betrieb, geleistet hat. Der Beklagte zu 1) war bis zu seiner fristlosen Kündigung durch
die Klägerin am 08.03.2001 (GA Bl. 40) Alleinvorstand der Klägerin. Am 28.04.1997
kam zwischen dem Beklagten zu 1) sowie den Beklagten zu 2) (der in der
physiotherapeutischen Praxis des Beklagten zu 3) tätig war) und 3) und dem Vorstand
der Betriebskrankenkasse Rheinmetall, Herrn D., eine schriftlich niedergelegte, von
allen Beteiligten unterschriebene Vereinbarung zustande, in der es auszugsweise wie
folgt heißt:
2
"Es soll ein Kooperationsprojekt entstehen, welches vom 01.05.1997 bis zum
31.12.1998 befristet ist.
3
Inhaltlich wird über Herrn W., Physiotherapeut, im Rahmen der "ambulanten
Wohnortrehabilitation" über eine neu zu installierende Bankverbindung ein tatsächlich
nicht erbrachtes Leistungsvolumen im Wert von mindestens 1 Million DM während o.g.
Projektlaufzeit gegenüber den Krankenkassen und Rheinmetallgruppe abgerechnet.
Hiervon entfallen ca. 700.000 DM auf die Krankenkasse und 300.000 DM auf die
4
Krankenkasse.
Zu diesem Zweck vergibt eine der o.g. Betriebskrankenkassen ein Interims-IK, welches
zur Abrechnung gegenüber beiden genannten Krankenkassen dient und im
Rechnungsbriefbogen als "IK" erscheint.
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Die Liquidationen erfolgen direkt gegenüber der Firma V., dem
Abrechnungsunternehmen der o.g. Betriebskrankenkassen. Abgerechnet wird jeweils
einmal monatlich. Zugrundegelegt wird der offiziell vereinbarte Vergütungssatz für die
"ambulante Wohnortrehabilitation" in Höhe von 3.850 DM je Patient. Welche
Patientendaten jeweils für die Abrechnungen verwendet werden, vereinbaren die o.g.
Personen gesondert. Die erste Abrechnung erfolgt am 05.05.1997.
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Die abrechnende o.g. Firma wird entsprechende Kostenstellen einrichten (regelmäßige
Mietkosten, Honorare für Mitarbeiter, Versicherungen etc.), damit die Glaubwürdigkeit
gegenüber dem Bankinstitut aufrechterhalten bleibt.
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25 % des jeweiligen Abrechnungsvolumens verbleiben daher dem abrechnenden
Unternehmen zur Betriebskostenbestreitung im o.g. Sinne. 75 % des
Abrechnungsvolumens werden einmal monatlich an die genannten Personen verteilt.
Der Verteilerschlüssel des auszuschüttenden Betrages wird wie folgt vereinbart:
8
1.1
9
50 % zugunsten der Krankenkassen-Vertreter S. und D.
10
1.2
11
50 % zugunsten der Reha-Vertreter W. und S.
12
2.1
13
Das Auszahlungsverhältnis innerhalb der zu 1.1 genannten Personen erfolgt
entsprechend der jeweiligen Abrechnungshöhe gegenüber der entsprechenden
Krankenkassen.
14
2.2
15
Das Auszahlungsverhältnis innerhalb der zu 1.2 genannten Personen erfolgt jeweils
hälftig.
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Die Finanzverteilung erfolgt bar und innerhalb von 14 Tagen nach den entsprechenden
Abrechnungsgutschriften. ...."
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Wegen des weiteren Inhalts wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift in Kopie zu den
Akten gereichte schriftliche Vereinbarung (GA Bl. 8) Bezug genommen. Mit
Telefaxschreiben vom 30.04.1997 (GA Bl. 9; Anl. K2) teilte der Beklagte zu 1) dem
Geschäftsführer der V.GmbH mit, dass die Krankenkasse ihn gebeten habe, der V.
einen neuen Vertragspartner zu benennen, für den ein "IK" vergeben wurde. Er nannte
den "IK" sowie den Namen "Ambulante Rehabilitation W." , den Beklagten zu 3), und
wies darauf hin, dass bei der Rechnungsprüfung darauf zu achten sei, diesen nicht mit
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der Firma "Reha Düsseldorf W. zu verwechseln". Mit weiterem Telefaxschreiben vom
16.05.1997 an die V. GmbH wies er diese an, welche Leistungsarten bei der
Abrechnung der Leistungen des "neuen Vertragspartners Ambulante Rehabilitation W."
zu verwenden seien, kündigte die ersten Rechnungen für den "kommenden
Dienstagmorgen" an, bedankte sich für die Information, dass die "VP-Nummer" um eine
Ziffer zu lang sei und nannte die nunmehr Nummer 0000 die nunmehr für die
Abrechnungen verwendet werden sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts
der beiden Telefaxschreiben wird auf die Anlagen K 2 und K 3 Bezug genommen. Die
Klägerin leistete auf die in Umsetzung der Vereinbarung vom 28.04.2001 von dem
Beklagten zu 3) der Firma V vorgelegten fingierten Rechnungen Zahlungen, deren
Höhe zwischen den Parteien streitig ist. Von diesen an den Beklagten zu 3) geleisteten
Zahlungen erhielt der Beklagte zu 1) Teilbeträge, zu deren Höhe er erstinstanzlich
folgendes ausgeführt hat:
Er habe in den Jahren 1997/1998 Barzahlungen von dem Beklagten zu 3) erhalten, die
"nach dem Bekunden des Beklagten zu 3) in Vollzug der als Anlage K 1 vorgelegten
Vereinbarung geleistet" worden seien, diese Zahlungen des Beklagten zu 3) hätten
insgesamt einen Betrag von rund 100.000 DM ausgemacht, wobei er, der Beklagte zu 1)
"aus der Erinnerung darüber hinausgehende Zahlungen bis zu einem Höchstbetrag von
180.000 DM zwar für unwahrscheinlich halte, diese aber bis zu diesem Höchstbetrag
nicht ausschließen könne und wolle" (GA Bl. 40).
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Die Klägerin hat behauptet, der Kriminalpolizei sei es aufgrund der Verwendung der "IK-
Nummer" gelungen, aus den EDV-Daten der V GmbH, welche - unstreitig - die
Rechnungsprüfung und Abwicklung für die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum
durchführte, die Zahlungen auf Scheinrechnungen des Beklagten zu 3) zu identifizieren
und auf die geltend gemachte Summe zu beziffern. Hierzu hat sie sich auf die als
Anlage K 4 vorgelegte Aufstellung berufen und behauptet, hierbei handele es sich um
die im Ermittlungsverfahren erstellte Aufstellung aus den EDV-Daten der V GmbH. Bis
auf drei Buchungen, die auf nicht den Beklagten zuzurechnende Doppelzahlungen
entfallen seien und die sie deshalb von der Klageforderung in Abzug gebracht habe,
seien diese Zahlungen auf Scheinrechnungen des Beklagten zu 3) erfolgt. Ferner hat
sich die Klägerin zum Beweis der auf Scheinrechnungen geleisteten Zahlungen auf
eine von dem Beklagten zu 3) handschriftlich gefertigte Übersicht, die dieser im
Ermittlungsverfahren den Strafverfolgungsbehörden überlassen hat, bezogen, welche
sie mit einer Kopie des Vernehmungsprotokolls des Beklagten zu 3) vom 27.02.2001 als
Anlage K 6 vorgelegt hat. Hierzu hat sie erläutert, diese handschriftliche Aufstellung
stimme mit den in der Computeraufstellung enthaltenen Beträgen überein. Lediglich
zwei Rechnungen seien in der handschriftlichen Aufstellung nicht enthalten, was aber
auf einem Versehen beruhe. Diese Rechnungen (Nr. 174/97 und 179/97) hat sie mit
dem Anlagenkonvolut K 5 in Kopie vorgelegt (GA Bl. 5).
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Der Beklagte zu 1) hat geltend gemacht, die Klägerin habe durch die Vorlage der
Vereinbarung vom 28.04.1997, des Vernehmungsprotokolls vom 04.05.2001 und der als
Anlage K 4 vorgelegten Rechnungsaufstellung einen Schadensersatzanspruch in der
geltend gemachten Höhe nicht schlüssig dargetan und urkundlich belegt. Denn aus den
genannten Urkunden folge nicht, dass in Vollzug der Vereinbarung vom 28.04.1997
tatsächlich 1.020.750 DM durch die Klägerin an den Beklagten zu 3) ohne
Gegenleistung gezahlt worden seien und er, der Beklagte zu 1), hierfür
gesamtschuldnerisch hafte. Es werde aus der Anlage K 4 nicht deutlich, wer Urheber
der vorgelegten Aufstellung sei. Er wolle zwar nicht in Abrede stellen, dass durch den
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Beklagten zu 3) Abrechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen erstellt, der
V. GmbH zugeleitet und von dort zu Lasten der Klägerin an den Beklagten zu 3)
geleistet worden seien. Er, der Beklagte zu 1), gehe aber nicht davon aus, dass dies in
einer Größenordnung von 1.020.750 DM geschehen sei. Da die Rechnungen
unmittelbar der Abrechnungsfirma V zugeleitet worden seien, habe das System
unberechtigte Rechnungen des Beklagten zu 3) unter Angabe der IK-Nr. 0000
funktioniert, ohne dass er, der Beklagte zu 1), in seiner Eigenschaft als Vorstand der
Klägerin in diesen Abrechnungskreislauf in irgendeiner Weise habe eingreifen müssen
oder eingegriffen habe. Er selbst habe auch niemals Einblick in die
Abrechnungsunterlagen genommen. Die der Klägerin durch die V GmbH in den Jahren
1997/1998 monatlich übersandten Auswertungen über die Leistungen der V GmbH
hätten sich nicht darüber verhalten, an welchen Leistungspartner in dem jeweiligen
Monat welche Zahlungen aufgrund welcher Rechnungen veranlasst worden seien,
sondern allein darüber, welche Leistungen insgesamt für bestimmte Leistungssparten
angefallen seien. Deshalb habe er den monatlichen Abrechnungen der V GmbH nicht
entnehmen können, ob und in welchem Umfang Leistungen in dem hier
"streitgegenständlichen Abrechnungskreislauf fakturiert und bezahlt worden seien". Er
habe sich als Vorstand der Klägerin diese Informationen zwar verschaffen können, habe
dies aber bis zu seinem Ausscheiden bei der Klägerin tatsächlich nicht getan. Aus den
Barzahlungen, die er in den Jahren 1997/1998 von dem Beklagten zu 3) erhalten habe,
könne er keine Rückrechnung anstellen, die auf ein Abrechnungsvolumen zu Lasten der
Klägerin in einer Größenordnung von 1.020.750 DM schließen lasse. Deshalb könne er
nur mit Nichtwissen bestreiten, dass zu Lasten der Klägerin insgesamt die mit der
Klageforderung geltend gemachten Beträge an den Beklagten zu 3) geleistet worden
seien. Er vermute, dass die Klägerin selbst Urheberin der Anlage K 4 sei. Bei der durch
den Beklagten zu 3) gefertigten handschriftlichen Aufstellung handele es sich nicht um
ein im Urkundenprozess taugliches Beweismittel. Im übrigen habe die Klägerin seine,
des Beklagten zu 1), Haftung gemäß § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht schlüssig dargetan.
Denn allein aus der Vereinbarung vom 28.04.1997 folge weder, dass diese mit dem
geltend gemachten Schaden umgesetzt worden sei noch dass der Taterfolg ihm gemäß
§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB zuzurechnen sei. Das streitgegenständliche
Abrechnungssystem hätte auch ohne seine Beteiligung funktionieren können und wäre
nach seiner Einschätzung nicht einmal aufgefallen. Nicht er, der Beklagte zu 1), sondern
Herr D in seiner Eigenschaft als Vorstand der Krankenkasse habe die IK-Nr. 00000
vergeben. Dies habe er in seinem als Anlage K 2 vorgelegten Telefax-Schreiben vom
30.04.1997 auch ausgeführt. Da ihm zugetragen worden sei, dass die Klägerin eine
Vermögensschadenshaftpflichtversicherung unterhalte, müsse er mit Nichtwissen
bestreiten, dass die Klägerin noch Inhaberin der Ansprüche sei.
Das Landgericht hat den Beklagten zu 1) mit Schlussvorbehaltsurteil im
Urkundenprozess vom 19.12.2002 als Gesamtschuldner mit dem durch - rechtskräftig
gewordenes - Teilversäumnisurteil vom 14.11.2002 verurteilten Beklagten zu 2) und
dem Beklagten zu 3) antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 260.950,59 EUR nebst 4
% Zinsen seit dem 20.12.2001 sowie weiterer 260.950,59 EUR nebst 4 % Zinsen seit
dem 20.12.2001 zu zahlen und die Klage im übrigen abgewiesen. Den Beklagten zu 1)
und 3) ist die Geltendmachung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten worden. Zur
Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage sei im Urkundenprozess gemäß
§ 592 ZPO statthaft. Die Klägerin habe den Beweis der anspruchsbegründenden
Tatsachen durch Vorlage der Urkunden Anlage K 1, K 4 und K 6 belegt. Die Beklagten
hafteten gemäß §§ 826, 830 BGB für den der Klägerin entstandenen Schaden. Sie
hätten die Klägerin gemeinschaftlich handelnd vorsätzlich sittenwidrig geschädigt,
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indem sie nicht erbrachte Leistungen berechnet hätten. Die Beklagten hätten den
eingetretenen Schaden nicht in erheblicher Weise bestritten. Sie hätten insbesondere
nicht in Zweifel gezogen, dass die als Anlage K 6 vorgelegte Vernehmungsniederschrift
der Einlassung des Beklagten zu 3) im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren inhaltlich
falsch sei. Die von dem Beklagten zu 3) gefertigte handschriftliche Liste, die die geltend
gemachten Zahlungen belege und die mit der als Anlage K 4 vorgelegten Auflistung
weitestgehend übereinstimme, hätten die Beklagten ebenfalls nicht in Zweifel gezogen.
In dieser handschriftlichen Liste fehlten lediglich die Rechnungen 174/97 und 179/97,
welche die Klägerin aber als Anlage K 5 vorgelegt habe. Unter Berücksichtigung dieser
weiteren Positionen ergebe sich ein Gesamtbetrag von 1.020.750 DM an Abrechnungen
für nicht erbrachte Leistungen. Im Hinblick auf die urkundlich belegten Eingeständnisse
des Beklagten zu 3) im Ermittlungsverfahren reiche es nicht aus, dass der Beklagte zu
1) die Ausführungen der Klägerin zur Schadenshöhe mit Nichtwissen bestritten habe.
Der Tatbeitrag des Beklagten zu 1), der als alleiniger Vorstand der Klägerin gewusst
habe, dass die Beklagten zu 2) und 3) inhaltlich unzutreffende Abrechnungen
einreichten, und der ebenfalls Anteile aus den zu Unrecht gezahlten Geldern erlangt
habe, genüge für seine Verantwortlichkeit im Sinne des § 830 BGB.
Durch - inzwischen rechtskräftiges - Teilanerkenntnisurteil vom 17.04.2003 hat das
Landgericht das Schlussvorbehaltsurteil hinsichtlich des Beklagten zu 3) für
vorbehaltlos erklärt. Das Vorbehaltsurteil bzgl. des Beklagten zu 1) hat das Landgericht
mit Schlussurteil vom 05.01.2004 für vorbehaltlos erklärt, in dem es sich im
wesentlichen auf seine Begründung des Schlussvorbehaltsurteils bezogen und
ausgeführt hat, neues Vorbringen des Beklagten zu 1) im Nachverfahren existiere nicht.
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Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen das
Schlussvorbehaltsurteil im Urkundenprozess macht der Beklagte zu 1) geltend, die
Klägerin habe streitige anspruchsbegründende Tatsachen nicht hinreichend durch
zulässige Beweismittel unter Beweis gestellt. Das Landgericht habe im Rahmen seiner
Beweiswürdigung Umstände berücksichtigt, die im Hinblick auf die gewählte Prozessart
und die streitgenossenschaftliche Verbundenheit der Beklagten nicht hätten verwertet
werden dürfen. Die Anlage K 4 sei nicht geeignet, den geltend gemachten
Schadensersatzanspruch der Höhe nach zu beweisen. Hieraus sei nicht ersichtlich,
dass die darin aufgeführten Beträge tatsächlich an den Beklagten zu 3) ohne
entsprechende Gegenleistung gezahlt worden seien. Auch die Urheberschaft der
Anlage K 4 sei ungeklärt. Die handschriftliche Liste des Beklagten zu 3) (Anlage K 6)
hätte nicht im Prozessrechtsverhältnis zu ihm, dem Beklagten zu 1), als Beweismittel
verwendet werden dürfen, weil die Beklagten Streitgenossen seien und die Liste im
Verhältnis zu ihm, dem Beklagten zu 1), als schriftliche Zeugenaussage zu bewerten
sei. Eine schriftliche Zeugenaussage sei bereits kein taugliches Beweismittel im
Urkundenprozess. Jedenfalls aber stehe eine Verwertung dieser schriftlichen
Zeugenaussage die Vorschrift des § 61 ZPO entgegen. Dies gelte auch für die
Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung des Beklagten zu 3). Das Bestreiten mit
Nichtwissen bzgl. der Schadenshöhe durch ihn sei zulässig gewesen .
24
Der Beklagte zu 1) beantragt,
25
das am 19.12.2002 verkündete Schlussvorbehaltsurteil im Urkundenprozess des
Landgerichts Düsseldorf - 3 O 557/01 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
26
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.
28
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht geltend, sie habe den Beweis aller
anspruchsbegründenden Tatsachen einschließlich der Schadenshöhe in zulässiger
Weise durch Urkunden geführt. Ein entscheidendes Beweismittel für die Höhe der zu
Unrecht geleisteten Zahlungen seien nunmehr auch das gegen den Beklagten zu 3)
ergangene Teilanerkenntnisurteil vom 17. April 2003 und das gegen den Beklagten zu
2) ergangene Teilversäumnisurteil vom 14. November 2002.
29
Nach Erlass des Schlussurteils vom 5. Januar 2004, mit welchem das
Schlussvorbehaltsurteil gegen den Beklagten zu 1) für vorbehaltlos erklärt worden ist,
habe sich "die Frage zur Statthaftigkeit des Urkundenprozesses erledigt".
30
II.
31
Die Berufung des Beklagten zu 1) ist zulässig, jedoch unbegründet.
32
1.
33
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung gegen das angefochtene
Schlussvorbehaltsurteil im Urkundenprozess ist nicht im Hinblick auf das Schlussurteil
des Landgerichts vom 5. Januar 2004 , mit dem das Schlussvorbehaltsurteil gegen den
Beklagten zu 1) für vorbehaltlos erklärt worden ist, entfallen. Das Vorbehaltsurteil und
das Urteil im Nachverfahren sind selbständig mit Rechtsmitteln anfechtbar. Das
Nachverfahren kann schon vor Rechtskraft des Vorbehaltsurteils betrieben werden (vgl.
BGH ZZP 87, 85; Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., Rdnr. 24). Die höchsrichterliche
Rechtsprechung , der der Senat folgt, nimmt eine Bindungswirkung des
Vorbehaltsurteils für das Nachverfahren insoweit an, als es nicht auf der eigentümlichen
Beschränkung der Beweismittel im Urkundenprozess beruht (BGH, ZZP 87, 85, 87;
BGH NJW 1991,1117). Daher ist der Bestand des Urteils im Nachverfahren davon
abhängig , dass auch das Vorbehaltsurteil rechtskräftig wird (BGH ZZP, 87, 85, 86).
Dies bedeutet, dass, wenn - wie im Streitfall - das erstinstanzliche Gericht die Klage im
Nachverfahren für begründet hält und das Vorbehaltsurteil im Nachverfahren für
vorbehaltlos erklärt, während der Urkundenprozess zur gleichen Zeit in der
Rechtsmittelinstanz anhängig ist, das stattgebende Urteil im Nachverfahren nur unter
der auflösenden Bedingung der Aufhebung des Vorbehaltsurteils rechtskräftig wird, was
darauf beruht, dass der Beklagte im Nachverfahren die Bindungswirkung des
Vorbehaltsurteils hinnehmen muss. (Musielak-Voit, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 600, Rdnr. 11
m.w.Nachw.). Daher muss der Beklagte trotz des Urteils im Nachverfahren die
Möglichkeit haben, sein Rechtsmittel gegen das Vorbehaltsurteil fortzuführen.
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Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung hat die Fortsetzung des Rechtsmittels
im Urkundenverfahren allerdings "keinen Sinn mehr", wenn das Vorbehaltsurteil im
Nachverfahren aufrechterhalten wird (Zöller-Greger, a.a.O., § 600, Rdnr. 28). Nach
dieser Ansicht könnte daher ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des
Berufungsverfahrens hier nicht mehr gegeben ist, nachdem das Landgericht das
Schlussvorbehaltsurteil bzgl. des Beklagten zu 1) für vorbehaltlos erklärt hat.
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Der Senat vermag dieser Ansicht jedoch nicht zu folgen. Denn wenn das
Vorbehaltsurteil nicht auf der eigentümlichen Beschränkung der Beweismittel im
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Urkundenverfahren beruht, sondern - wie im Streitfall - auf einem nicht zulässigen
Bestreiten der die Klageforderung begründenden Tatsachen mit Nichtwissen, ist eine
Bindung des Gerichts an seine Beurteilung im Vorbehaltsurteil für das Nachverfahren
gemäß § 318 ZPO zu bejahen. Dies folgt daraus, dass gemäß § 600 ZPO das
Nachverfahren kein von dem Urkundenprozess unabhängiges Verfahren darstellt,
sondern mit diesem eine Einheit bildet (Münchener Kommentar-Braun, ZPO, 2. Aufl.
2000, § 600, Rdnr. 7). Der Rechtsstreit bleibt nach Erlass des Vorbehaltsurteils im
ordentlichen Verfahren anhängig. Die durch den Urkundenprozess entstandene
Rechtshängigkeit bleibt im Nachverfahren erhalten und muss nicht neu begründet
werden. Da derselbe Streitgegenstand in Frage steht, sind aber im Hinblick auf die
Einheitlichkeit des Verfahrens die nicht auf der eigentümlichen Beschränkung der
Beweismittel im Urkundenprozess beruhenden Feststellungen des Gerichts in den
Gründen des Vorbehaltsurteils bindend, solange das Vorbehaltsurteil im Instanzenweg
nicht aufgehoben worden ist (BGH NJW 1973, 467, 468; NJW 1982, 183; NJW 1991,
1117; NJW 1993, 668). Daher ist das Vorbehaltsurteil unabhängig von dem Erlass des
Urteils im Nachverfahren selbständig anfechtbar. Der Bestand des das Vorbehaltsurteil
bestätigenden Urteils im Nachverfahren ist, auch dann wenn es rechtskräftig wird, davon
abhängig, dass auch das Vorbehaltsurteil rechtskräftig wird.
2.
37
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte
Schadensersatzanspruch, dessen tatsächliche Voraussetzungen sie mit Urkunden
belegt hat, gemäß §§ 823 II BGB, 263 StGB, §§ 826, 830 I, 840 I BGB gegen den
Beklagten zu 1) zu.
38
a)
39
Die Klage ist im Urkundenverfahren gemäß § 592 ZPO statthaft.
40
Entgegen dem Wortlaut des § 592 ZPO verlangt der Bundesgerichtshof in ständiger
Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nur für die beweisbedürftigen
Tatsachen einen urkundlichen Nachweis. Tatsachen, die unstreitig, offenkundig oder
gerichtsbekannt sind, brauchen deshalb nicht durch Urkunden bewiesen zu werden.
Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass die nicht urkundlich bewiesenen Tatsachen
nur der Ausfüllung von Lücken in der Beweisführung dienen dürfen; eine Klage im
Urkundenprozess ohne Vorlegung von Urkunden wäre deshalb nicht statthaft (BGH
NJW 1971, 1199). Der Anspruch braucht sich nicht aus der Urkunde selbst zu ergeben,
sie braucht also nicht konstitutiv zu sein. Es kann deshalb jedes schriftliche Beweisstück
vorgelegt werden. Bei seiner Würdigung können auch Sätze der Lebenserfahrung
berücksichtigt werden, beispielsweise der, dass ein deklaratorisches
Schuldanerkenntnis nicht abgegeben wird, wenn die Schuld nicht besteht. Es ist nicht
erforderlich, dass die streitigen (Haupt-)Tatsachen unmittelbar aus der Urkunde folgen;
ein mittelbarer Beweis in dem Sinne, dass der vorgelegten Urkunde Indiztatsachen zu
entnehmen sind, genügt (BGH NJW 1985,2935).
41
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Klage im Urkundenverfahren statthaft. Den
haftungsbegründenden Tatbestand hat die Klägerin durch Urkunden belegt,
insbesondere durch die schriftliche Vereinbarung der Beklagten und des Herrn D. vom
28.04.1997, aus der sich die Art und Weise der Durchführung der beabsichtigten
Betrugshandlungen zu Lasten der Klägerin ergibt. Auch dass diese Vereinbarung unter
42
Beteiligung des Beklagten zu 1) tatsächlich durchgeführt wurde und die Klägerin
hierdurch einen Schaden erlitten hat, folgt aus den vorgelegten Urkunden. Die beiden
Telefaxschreiben des Beklagten zu 1), vorgelegt als Anl. K 2 (GA BL. 9) und K3, zeigen,
dass dieser auch in der "Durchführungsphase" des Abrechnungsbetrugs eine aktive
Mitwirkungshandlungen erbracht hat, indem er die V GmbH auf den "neuen
Vertragspartner" hingewiesen, dessen "Daten für die Ersterfassung" (einschließlich der
"IK-Nummer") mitgeteilt und angekündigt hat, wann die ersten Rechnungen eintreffen
würden. In dem Telefaxschreiben vom 16.05.1997 (Anlage K 3) hat er die V GmbH
ausdrücklich angewiesen, welche Leistungsarten für die (fingierten) Rechnungen zu
verwenden seien und die für die Zuordnung und Prüfung der Rechnungen maßgebliche
"VP-Nummer" korrigiert. Dadurch hat er nicht nur an dem gemeinsamen Tatplan
mitgewirkt, sondern auch im Rahmen der Ausführung einen konkreten Tatbeitrag
geleistet, der die Täuschung der Mitarbeiter der V GmbH (mit-)verursacht hat, dass den
Rechnungen des Beklagten zu 3) tatsächlich keine Leistungen zugrundelagen und
infolge dieses Irrtums die Scheinrechnungen auf Kosten der Klägerin bezahlt wurden.
Die Behauptung des Beklagten zu 1), das "System unberechtigter Rechnungen" habe
funktioniert, ohne dass er in irgendeiner Weise in den Abrechnungskreislauf eingegriffen
hat oder hätte eingreifen müssen, wird dadurch widerlegt. Denn die beiden
Telefaxschreiben des Beklagten zu 1) haben gerade erst die Voraussetzung dafür
geschaffen, dass die V GmbH die Scheinrechnungen des Beklagten zu 3) - unter der
von dem Beklagten zu 1) angegebenen "IK-Nummer", die, wie sich aus der Aufstellung
Anlage K 4 ergibt, später um die erste Ziffer (statt um die letzte Ziffer, wie in dem
Telefaxschreiben des Beklagten zu 1) vom 16.05.1997 vorgeschlagen) gekürzt wurde -
als berechtigt anerkannte. Er kann sich nicht mit Erfolg dararuf berufen, dass die IK-
Nummer durch Herrn D, den Vorstand der Krankenkasse, vermittelt wurde.
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Auch die Schadenshöhe hat die Klägerin ausreichend durch Urkunden belegt.
44
Der aus den Ermittlungsakten stammende Computerauszug der V GmbH (Anlage K 4)
stellt entgegen der Ansicht der Beklagten eine Urkunde im Sinne des § 592 ZPO dar.
Als Urkunden gemäß dieser Vorschrift kommen alle Schriftstücke in Betracht, gleich, ob
sie öffentlich oder privat, unterschrieben oder nicht unterschrieben, gedruckt,
maschinengeschrieben oder handgeschrieben sind. Auch Ausdrucke elektronischer
Dateien zählen hierzu (Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 592, Rdnr. 15). Unerheblich ist
danach auch, ob die Urkunde ihren Aussteller erkennen lässt. Welchen Beweiswert ein
solcher Computerausdruck hat, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Für die
Statthaftigkeit des Urkundenprozesses genügt zunächst die Vorlage eines solchen
Ausdrucks.
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Auch die Einwände des Beklagten zu 1) gegen die Berücksichtigung des polizeilichen
Vernehmungsprotokolls des Beklagten zu 3) und der von diesem im Rahmen seiner
Beschuldigtenvernehmung zu den Ermittlungsakten gereichten handschriftlichen Liste
über die aufgrund der Scheinrechnungen gezahlten Beträge greifen nicht durch. Zwar
reicht die Vorlage privatschriftlicher Zeugenerklärungen, auch in Form einer
eidesstattlichen Versicherung, im Urkundenporzess als zulässiges Beweismittel nicht
aus, wenn es sich um einen selbstgefertigten Ersatz für die im Urkundenprozess nicht
zugelassene Zeugenvernehmung handelt. Alle privatschriftlichen Urkunden, die ihrem
Inhalt nach auf einen derartigen "Ersatzbeweis" für Zeugenaussagen,
Sachverständigengutachten, oder Augesnscheinsergebnisse hinauslaufen, scheiden im
Urkundenprozess als Beweismittel aus (Zöller-Greger, a.a.O., Rdnr. 16). Etwas anderes
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gilt aber für die Protokolle über die Vernehmung eines Zeugen in einem anderen
Zivilprozess oder in einem Strafverfahren. Diese sind im Urkundenprozess als
Beweismittel zulässig (Zöller-Greger, a.a.O. m. Nachw.). Denn es handelt sich hierbei
nicht um Beweismittel, die für den Urkundenprozess in Umgehung der diesem
eigentümlichen Beschränkungen angefertigt wurden, sondern um schriftliche
Aufzeichnungen, die unabhängig von dem betreffenden Urkundenprozess entstanden
sind und deren Inhalt ebenso wie andere Schriftstücke der freien Beweiswürdigung
unterliegt. Der Berücksichtigung des Vernehmungsprotokolls und der während der
Vernehmung übergebenen handschriftlichen Liste des Beklagten zu 3) steht auch nicht
§ 61 ZPO entgegen. Denn die Verwertung dieser Urkunden führt nicht dazu, dass ein
Geständnis im Sinne des § 288 ZPO des Beklagten zu 3) dem Beklagten zu 1)
zugerechnet oder das Vernehmungsprotokoll als Zeugenbeweis verwertet wird.
Vielmehr werden ein unabhängig vom Streitverfahren entstandenes
Vernehmungsprotokoll und die handschriftliche Aufzeichnung eines Streitgenossen -
inhaltlich als der freien Beweiswürdigung gem. § 286 ZPO unterliegende - Schriftstücke
im Wege des Urkundenbeweises herangezogen.
Gegen die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses bestehen nach alledem keine
Bedenken.
47
b)
48
Die Klage ist auch begründet.
49
Der Beklagte zu 1) haftet, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, für den der
Klägerin aus dem Abrechnungsbetrug entstandenen Schaden mit den Beklagten zu 2)
und 3) als Gesamtschuldner aus §§ 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB, §§ 826, 830 I 1, 840 I
BGB.
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Die Beklagten haben durch die Umsetzung des gemeinsamen, in der Vereinbarung vom
28.04.1997 (Anl. K1, GA Bl. 8) schriftlich niedergelegten Tatplans die Klägerin
gemeinschaftlich handelnd vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und gemeinschaftlich
Betrugshandlungen im Sinne des § 263 StGB zu ihrem Nachteil begangen.
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Gemeinschaftliche Begehung im Sinne des § 830 Abs. 1 S.1 BGB ist im Sinne der
strafrechtlichen Mittäterschaft zu sehen, setzt also bewusstes und gewolltes
Zusammenwirken Mehrerer zur Herbeiführung eines Erfolgs voraus (Palandt-Sprau-
BGB, 63. Aufl., § 823, Rdnr. 3). Die Beurteilung, ob sich jemand als Mittäter oder Gehilfe
im Sinne des § 830 I 1 BGB an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden
deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, richtet sich nach den für das Strafrecht
entwickelten Rechtsgrundsätzen ( BGHZ 63, 124, 126; BGHZ 89, 383, 389; BGH NJW
1998, ). Die Teilnahme verlangt demgemäß neben der Kenntnis der Tatumstände
wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat
gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern; objektiv
muß eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form
deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Da Mittäter und Gehilfen gemäß § 830
Abs. 2 BGB deliktsrechtlich gleich zu behandeln sind, kommt es auf diese rechtliche
Unterscheidung der Beteiligungsform nicht an. Beihilfe kann gegebenenfalls auch
psychisch geleistet werden und setzt keine physische Mitwirkung bei der Tat voraus
(vgl. BGHZ 63, 124, 130 m.w.N.). Jedenfalls aber muß für den einzelnen Teilnehmer ein
Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in das fremde
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Rechtsgut unterstützt hat und das (gemäß den im Rahmen des § 830 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 BGB maßgeblichen strafrechtlichen Grundsätzen) von der Kenntnis der
Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war.
Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist hier eine Beteiligung des Beklagten zu 1) an
den Abrechnungsbetrügereien zu bejahen. Er hat, wie vorstehend ausgeführt, nicht nur
das Tatgeschehen durch die Beteiligung an der Absprache, auf welche Weise die
geplanten Betrugshandlungen auszuführen sind, sondern auch in der Phase der
Tatausführung durch die beiden Telefaxschreiben an die V GmbH objektiv in seiner
konkreten Ausgestaltung maßgeblich beeinflußt; auch subjektiv war das
schadenstiftende Verhalten von seinem Willen mit umfaßt. Dass der Beklagte zu 1) nicht
in die konkrete Ausstellung oder Prüfung der Einzelrechnungen einbezogen war, führt
nicht zu einer anderen Beurteilung. Durch seine Telefaxschreiben an die V GmbH, hat
er, wie bereits dargestellt, die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die
Scheinrechnungen von der V GmbH überhaupt akzeptiert wurden und deshalb im
"System" der fingierten Abrechnungen eine ganz maßgebliche Funktion ausgeübt.
Überdies ist es für die Haftung eines Teilnehmers unerheblich, ob er den Schaden
eigenhändig mitverursacht hat und wieviel er selbst zu ihm beigetragen hat (BGH NJW-
RR 1999,843). Der Beklagte zu 1) hat sich daher das dem gemeinsamen Tatplan
entsprechende vorsätzliche und sittenwidrig schädigende Verhalten der Beklagten zu 2)
und 3), an dem er durch die ihm - wie er nicht bestreitet - tatsächlich zugeflossene
Beteiligung wirtschaftlich in erheblichem Umfang partizipiert hat, in vollem Umfang
zurechnen zu lassen. Er haftet deshalb für den gesamten der Klägerin durch die
Bezahlung der Scheinrechnungen entstandenen Schaden gemäß § 840 I BGB als
Gesamtschuldner. Seine Haftung ist nicht etwa auf den ihm zugeflossenen "Anteil"
beschränkt.
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Die Schadenshöhe hat der Kläger nicht in zulässiger Weise bestritten. Sein Bestreiten
mit Nichtwissen ist gemäß § 138 IV ZPO unzulässig und daher unbeachtlich.
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Nach § 138 IV ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen (nur) über Tatsachen zulässig,
die weder eigene Handlung der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung
gewesen sind. Ob der Beklagte zu 1) sich das Wissen seines Mittäters, des Beklagten
zu 3), betreffend die Höhe der insgesamt zu Unrecht ausgezahlten Beträge zurechnen
lassen muss, kann dahinstehen, denn sein Bestreiten der Schadenshöhe mit
Nichtwissen ist jedenfalls aufgrund der Verletzung einer Erkundigungspflicht gegenüber
seinen Mittätern unzulässig. Eine Erkundigungspflicht der Partei ist anzunehmen bei
Vorgängen im Bereich von Personen, die unter der Anleitung, Aufsicht, Weisung oder im
Verantwortungsbereich der bestreitenden Partei tätig geworden sind und die über das
Wissen verfügen, welches der Partei fehlt (vgl. BGH NJW 1999, 53.; BGH, NJW 1990,
453, 454). Nach diesen Grundsätzen ist hier eine Erkundigungspflicht des Beklagten zu
1) zu bejahen. Zwischen den Beklagten bestand nach der "Unrechtsvereinbarung" eine
Vereinigung, die den - sittenwidrigen - Zweck hatte, durch eine zwischen den
Mitgliedern dieser Vereinigung im einzelnen festgelegte Vorgehensweise Gelder von
der Klägerin zu erlangen, die nach einem bestimmten, in der Unrechtsvereinbarung
genau geregelten Schlüssel zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden sollte. Der
Beklagte zu 3) als Rechnungssteller übernahm gewissermaßen treuhänderisch für die
anderen die Einziehung des Geldes. Deshalb dürfte es dem Beklagten zu 1) sogar
möglich sein, aufgrund der erhaltenen Beträge den Gesamtschaden zu berechnen.
Dass der Beklagte zu 3) von dem vereinbarten Verteilungsschlüssel abgewichen ist ,
hat der Beklagte zu 1) nicht behauptet. Soweit er einen Betrag von 100.000,- DM und
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"nicht ausschließbar" höchstens 180.000,- DM nennt, genügt dies nicht den
Anforderungen an einen vollständigen Parteivortrag ( § 138 I ZPO). Hat die Partei zum
behaupteten Vorgang kein aktuelles Wissen, so muss sie ihr Gedächtnis - soweit
möglich und zumutbar - etwa anhand eigener Unterlagen auffrischen. Dass der Beklagte
zu 1) entsprechende Bemühungen unternommen hat, lässt sich seinem pauschalen
Vortrag nicht entnehmen. Überdies hat er seine angeblichen Erinnerungslücken
betreffend die Höhe der empfangenen Beträge nicht glaubhaft gemacht. Dies kann im
Ergebnis aber offenbleiben, da der Beklagten zu 1) nach den vorstehend dargelegten
Grundsätzen bei den Beklagten zu 2) und 3) wie "im eigenen Unternehmensbereich"
Erkundigungen hätte einziehen müssen. Denn faktisch bildeten die Beklagten eine -
wenn auch wegen des sittenwidrigen Zwecks rechtsgeschäftlich nicht wirksam
begründete - BGB-Gesellschaft. Die Einholung von Informartionen bei den Beklagten zu
2) und 3) wäre dem Beklagten zu 1) auch aus der Untersuchungshaft heraus, z.B. durch
Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten oder Strafverteidiger - Verteidgerpost
unterliegt nicht der Postkontrolle -, möglich und zumutbar gewesen.
Selbst wenn man aber das Bestreiten mit Nichtwissen hinsichtlich der Schadenshöhe
für beachtlich hielte, hat die Klägerin den Beweis, dass es zu einem Schaden in der
geltend gemachten Höhe gekommen ist, mit im Urkundenprozess zulässigen
Beweismitteln geführt. Für die Schadensermittlung nach Maßgabe des § 287 ZPO
genügt der Computerausdruck aus den Dateien der V-GmbH in Verbindung mit der
handschriftlichen Aufstellung des Beklagten zu 3) und der Niederschrift seiner
polizeilichen Vernehmung auch nach Überzeugung des Senats, um den Schaden
entsprechend dem Vortrag der Klägerin festzustellen. Wegen der Begründung im
einzelnen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug
genommen, die sich der Senat insoweit zu eigen macht.
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3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Ein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
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