Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.09.2005
OLG Düsseldorf: unterbrechung der verjährung, verjährungsfrist, mitverschulden, anhörung, rückzahlung, mangel, reparaturkosten, wahrscheinlichkeit, unfall, zeugnis
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-23 U 16/05
Datum:
23.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-23 U 16/05
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.12.2004 ver-kündete
Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teil-weise geändert
und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.284,68 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
16.11.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 31% und der Kläger
zu 69 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen
I.
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Die zulässig Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Entscheidung des
Landgerichts beruht insoweit auf einem Rechtsfehler, als dem Kläger ein Anspruch auf
Rückzahlung des gezahlten Werklohns von 5.061,79 EUR zuerkannt wurde. Wegen der
weiteren Schadensersatzforderung von 2.284,68 EUR beruht das angegriffene Urteil
weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu
legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
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Auf das Schuldverhältnis sind die bis zum 31.12.2001 geltenden Bestimmungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden, Art. 229, § 5 EGBGB. Hinsichtlich der
Hemmung und Unterbrechung der Verjährung finden mit Wirkung ab dem 1.1.2002 die
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seit diesem Tage geltenden Vorschriften Anwendung, Art. 229, § 6 EGBGB.
A.
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Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung auf
Ersatz der Mangelfolgeschäden in Höhe von 2.284,68 EUR zu.
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1.
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Die Beklagte hat die in Auftrag gegebenen Arbeiten mangelhaft ausgeführt und dadurch
Folgeschäden am Fahrzeug des Klägers verursacht. Ihr ist vorzuwerfen, dass sie die
Schrauben, die den Adapter mit der Achse verbinden, nicht fachgerecht befestigt hat.
Die Schrauben haben sich 11 Monate nach der von der Beklagten durchgeführten
Spurverbreiterung gelöst und zu dem Unfallschaden des Klägers geführt. Dies steht
aufgrund des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens und der
Anhörung des Gutachters fest. Nach den Feststellungen des Sachverständigen kommen
für das Lösen der Schrauben als Ursache nur in Betracht, dass ihr Anzugsmoment nicht
ausreichend war, dass die Bauteile nicht passgenau verbunden waren oder dass das
Material nicht geeignet war. In allen Fällen liegt eine mangelhafte Werkleistung der
Beklagten vor. Dies ergibt sich ohne weiteres, wenn die Schrauben nicht
ordnungsgemäß angezogen waren. Falls das notwendige Anzugsmoment eingehalten
war, muss die mangelhafte Anpassung der Bauteile ursächlich sein. Der
Sachverständige N hat hierzu festgestellt:
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"Mit sorgfältiger Anpassung aller Bauteile zu einander, Prüfung der Freigängigkeit
und der Flächenpressung können sich bei sachgerecht angezogenen Verbindung
die Schrauben nicht lösen" (GA 112).
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In seiner mündlichen Anhörung ergänzte der Gutachter, dass es zum Lösen der
Schrauben kommt, weil die konstruktiven Bauteile ihre Dimension oder Spannung
verlieren oder gelegentlich, wenn das Material zu weich ist. Im konkreten Fall liegt die
höhere Wahrscheinlichkeit darin, dass die Verbindung der Bauteile nicht passgenau
war. Die Ansicht der Beklagten, dass eine mangelhafte Leistung nicht bewiesen sei,
weil der Gutachter nur von einer höheren Wahrscheinlichkeit spricht, trifft nicht zu. Von
den drei in Betracht kommenden Ursachen, einem zu geringen Anziehmoment der
Schrauben, einer Materialschwäche oder Passungenauigkeit, die sämtliche die
Annahme einer mangelhaften Leistung rechtfertigen, ist die Passungenauigkeit die
wahrscheinlichere. Dies gilt umso mehr, als nach der Aussage des Zeugen P die
Adapter bis zur Übergabe des Wagens an den Kläger mehrfach ausgetaucht wurden.
Für alle drei in Betracht kommenden Möglichkeiten haftet die Beklagte als
Werkunternerin. Die Frage, ob die Beklagte auf die Notwendigkeit eines Nachziehens
der Schrauben hingewiesen hat, kann dabei dahinstehen, weil sie ein solcher Hinweis
nicht entlastet. Ein Nachziehen ist nicht erforderlich, wenn die Schrauben unter
Beachtung der Passgenauigkeit richtig angezogen worden sind. Das Nachziehen bietet
die Möglichkeit, einen bestehenden Mangel zu beheben, es ist bei ordnungsgemäß
angezogenen Schrauben nicht erforderlich, wie der Sachverständige N dargelegt hat.
Der angeblich fehlende Hinweis auf das notwendige Nachziehen der Schrauben ist
nicht die Mangelursache. Ob dem Kläger diese Möglichkeit eingeräumt wurde und er
davon Gebrauch machen musste, ist keine Frage des Mangels, sondern des
Mitverschuldens.
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Der Anscheinsbeweis, wonach das Lösen der Schrauben und der Unfall auf eine nicht
ordnungsgemäß durchgeführte Arbeit der Beklagten zurückzuführen ist, ist nicht durch
den Zeitablauf erschüttert. Der Sachverständige N hat hierzu ausgeführt, dass es zu
einem Lösen der Schrauben kurz nach den Arbeiten kommen kann, oder aber nach
einem Zeitraum von einem Jahr, sofern die Schrauben korrekt angezogen waren, die
Passgenauigkeit der Bauteile aber nicht gegeben war (GA 145). Die Beklagte hat keine
Tatsachen bewiesen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen
Geschehensablaufs ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Radnaben oder die
Bremsscheiben gewechselt und dabei die Schrauben gelöst hat, fehlen. Es kann dahin
stehen, ob bei einem Reifenwechsel notwendigerweise die Schraubverbindungen
zwischen Adapter und Achsen zu lösen sind. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger
habe statt der zunächst aufgebrachten Sommerreifen Winterreifen und dann wieder
Sommerreifen aufgebracht, hat der Kläger bestritten. Einen Reifenwechsel hat der
Kläger entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht in erster Instanz mit Schriftsatz
vom 5.8.2003 (GA 33) eingeräumt. Er hat vielmehr auf die entsprechende Behauptung
der Beklagten hin ausgeführt, er habe keine Veranlassung gehabt, die Schrauben zu
lösen. Dass der Kläger die Ansicht vertrat, bei einem Reifenwechsel müssten die
Schrauben nicht gelöst werden, besagt nicht, dass ein solcher Reifenwechsel
durchgeführt wurde.
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2.
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Die unsachgemäße Arbeiten der Beklagten sind ursächlich für den Unfallschaden, den
der Kläger erlitt, als sich Schrauben während der Autobahnfahrt lösten. Die
Reparaturkosten betrugen 2.163,46 EUR gemäß den vorgelegten Rechnungen der Fa.I
und dem Kostenvoranschlag der Fa. C. Der Sachverständige N hat ausgeführt, dass es
sich sämtlich um nachvollziehbare Schäden aus dem Unfallereignis handelt und die
Reparaturkosten zutreffend berechnet sind. Es fehlt jeglicher Anlass für die Annahme,
dass der Kläger Schäden aus anderen Ereignissen in die Berechnung seiner
Forderungen hat einfließen lassen. Als weitere Schadensposition sind die
Übernachtungs- und Verpflegungskosten von 151,22 EUR anlässlich der
Fahrzeugreparatur in der Schweiz zu ersetzen.
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3.
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Der Anspruch des Klägers ist nicht wegen eines Mitverschuldens zu kürzen. Ein
Mitverschulden des Klägers an der Entstehung des Schadens steht nämlich nicht fest.
Ein Mitverschulden wäre anzunehmen, wenn der Beklagte den Kläger auf die
Notwendigkeit des Nachziehens der Schrauben hingewiesen hätte. Denn ein
Nachziehen nach 100 km hätte das Lösen der Schrauben mit hoher Wahrscheinlichkeit
verhindert, wie der Sachverständige N in seiner Anhörung ausführte. Das Unterlassen
einer solchen Sicherheitsmaßnahme kann dem Kläger nur zum Vorwurf gemacht
werden, wenn er darauf hingewiesen worden ist. Die Beweislast hierfür trägt die
Beklagte, der sich auf ein Mitverschulden beruft. Dieser Nachweis ist aber nicht geführt.
Der Zeuge P hat berichtet, er weise üblicherweise auf das Nachziehen der Schrauben
hin, der als Partei vernommene Kläger hat die Erteilung eines solches Hinweises
verneint. Soweit der Beklagte sich in der Berufungsinstanz auf das Zeugnis des Kfz-
Meisters d V beruft, ist das Vorbringen neu und gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich.
Die Beklagte hat sich in erster Instanz nicht auf das Zeugnis des Kfz-Meisters berufen,
auch nicht, nachdem der Zeuge P angegeben hatte, er nehme an, dass der Meister den
Kläger hingewiesen habe. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, wegen der
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falschen Schreibweise des Namens im Verhandlungsprotokoll sei eine frühere
Benennung des Zeugen nicht möglich gewesen, mithin der späte Beweisantritt
entschuldigt. Die Beklagte hatte Gelegenheit bei dem von ihm eingeschalteten
Subunternehmer, dem Zeugen P, wegen des Namens und der Anschrift des Zeugen
nachzufragen und diesen korrekt zu benennen. Dies hat sie in der Zeit seit der Aussage
des Zeugen P am 6.5.2004 bis zum nächsten Verhandlungstermin am 9.12.2004
unterlassen. Die Beklagte teilt auch in der Berufungsinstanz nicht mit, welche
Maßnahmen sie erstinstanzlich ergriffen hat, um den Zeugen ausfindig zu machen. An
der falschen Namensangabe im Protokoll kann es nicht gelegen haben, denn bei
unverändertem Protokoll hat sie den Zeugen jetzt benennen können.
Ein Mitverschulden ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger den Unfall hätte vermeiden
können, wie die Beklagte meint. Der Kläger hat es geschafft, anzuhalten, ohne mit der
Leitplanke oder anderen Fahrzeugen zu kollidieren. Dafür, dass er auch noch hätte
anhalten können, bevor sich das Rad löste, und dass er schuldhaft trotz einer erkannten
oder erkennbaren Gefahrenlage weitergefahren ist, ergibt sich nichts.
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4.
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Der Anspruch auf Ersatz der Mangelfolgeschäden ist nicht verjährt. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur
Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB verwiesen. Es handelt sich nicht um engere
Mangelfolgeschäden, für die die Verjährungsfrist des § 638 BGB eingreifen würde.
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B.
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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Werklohns von
5.061,79 EUR zu. Ein solcher Anspruch aus § 635 BGB ist gemäß § 638 BGB verjährt.
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1.
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Die für eine unsachgemäße Reparatur gezahlte Vergütung ist der unmittelbar auf dem
Mangel beruhende Schaden im Sinne des § 635 BGB, sogenannter großer
Schadensersatz. Für solche Mangelschäden gilt die 6 -monatige Verjährungsfrist des §
638 BGB. Aus den vom Landgericht zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
ergibt sich nichts anderes. In beiden Entscheidungen (BGH Urt. v. 5.5.1983 - VII ZR
174/81, NJW 1983, 2078ff und BGH Urt. v. 8.12.1992 - X ZR 85/91, NJW 1993, 923,
924) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass für die nicht unmittelbar mit dem
Mangel zusammenhängenden Folgeschäden eine dreißigjährige Verjährungsfrist gilt.
Die Annahme des Landgerichts, auch der eigentliche Mangelschaden unterliege der
langen Verjährungsfrist, trifft nicht zu und findet in den Entscheidungen keine Stütze. Die
Verjährungsfrist begann mit der Abnahme der Werkleistung im Juni 2001 und endete
spätestens mit Ablauf des 31.12.2001. Die im April 2003 erhobene Klage hatte keinen
Einfluss auf die bereits abgelaufene Verjährungsfrist.
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2.
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Es bedarf keiner Prüfung, ob die Werkleistung der Beklagten auch insoweit mangelhaft
war, als die Zulassungsvoraussetzungen fehlten. Ein sich hieraus eventuell ergebender
Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB ist verjährt. Soweit der Kläger wegen dieses
Mangels die Rückzahlung der Vergütung verlangt, macht er den Mangelschaden
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geltend, der der 6-monatigen Verjährungsfrist des § 638 BGB unterliegt. Anhaltspunkte
für ein arglistiges Verhalten der Beklagten, das eine Verlängerung der Verjährungsfrist
rechtfertigen könnte, fehlen.
3.
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Auf eine deliktische Haftung der Beklagten gemäß § 823 BGB mit einer dreijährigen
Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB kann der Kläger seinen Anspruch nicht stützen. Ein
Anspruch aus § 823 BGB wegen Eigentumsverletzung scheidet aus, wenn sich der
Mangelunwert der Reparatur mit dem erlittenen Eigentumsschaden deckt. Es ist nicht
Aufgabe des Deliktsrechts, die Erwartung des Auftraggebers zu schützen, dass der
Vertrag ordnungsgemäß erfüllt wird und der mit der in Auftrag gegebenen Werkleistung
bezweckte Erfolg eintritt (BGH Urt. v. 27.1.2005 - VII ZR 158/03, BGHReport 2005, 624,
626). Ist der geltend gemachte Schaden, wie hier die Reparaturkosten, mit dem
Mangelunwert der Werkleistung stoffgleich, besteht ein Schadensersatzanspruch aus
Eigentumsverletzung nicht (BGH Urt. v. 12.12.2000 - VI ZR 242/99, BGHReport 2001,
155).
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II.
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Der Zinsanspruch des Klägers ist aus Verzug begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor.
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Streitwert: 7.346,47 EUR
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