Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.04.2002
OLG Düsseldorf: lege artis, medikamentöse behandlung, spasmus, embolie, komplikationen, behandlungsfehler, diagnose, erblindung, eingriff, herzinfarkt
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-8 U 5/01
Datum:
25.04.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-8 U 5/01
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 16. November 2000
verkündete Ur-teil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten zu 3) und zu 4) durch
Sicher-heitsleistung in Höhe von 6.000 € und die Vollstreckung der
Beklagten zu 1) und 2) sowie zu 5) und 6) durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 10.000 € ab-wenden, sofern nicht die Beklagten vor der
Vollstreckung in jeweils gleicher Höhe Sicherheit leisten.
T a t b e s t a n d
1
Aus Anlass einer beabsichtigten Reise nach Australien stellte sich der am 24.
November 1936 geborene Kläger im Juli 1989 in der medizinisches Klinik und Poliklinik
der H.-H.-Universität in D. vor, um seine körperliche Konstitution überprüfen zu lassen.
Der damalige Chefarzt der Klinik war der Beklagte zu 1); der Beklagte zu 2) war als
Oberarzt tätig. Nach dem Inhalt der Bescheinigung seines Hausarztes Dr. B. vom 19.
Januar 1994 (GA 110) waren bei dem Kläger seit März 1989 Herzrhythmusstörungen
aufgetreten, die medikamentös behandelt wurden. Ausweislich der dokumentierten
Anamnese in den in Fotokopie auszugsweise vorliegenden Behandlungsunterlagen der
Beklagten zu 6) war es seit etwa 5 Monaten zu einer Zunahme von Herzbeschwerden
gekommen.
2
Am 6. Juli 1989 wurde der Kläger in der Klinik für Kardiologie ambulant untersucht.
Neben einer klinischen Untersuchung durch den Beklagten zu 2) erfolgte eine EKG-
Untersuchung, eine Ergometrie, Echokardiographie, Röntgenuntersuchung sowie
Sonographie und Laboruntersuchungen. Die Untersuchungsergebnisse wurden am 1.
August 1989 von dem Beklagten zu 2) mit dem Kläger besprochen. Der Beklagte zu 2)
3
erklärte hierbei, dass für eine genaue Diagnose die Durchführung einer
Herzkatheteruntersuchung erforderlich sei. Der Kläger erbat sich zur Entscheidung
hierüber einen Tag Bedenkzeit. Danach stimmte er dem Vorschlag zur Durchführung
einer solchen Untersuchung zu.
Am 21. August 1989 wurde der Kläger absprachegemäß stationär aufgenommen.
Zunächst wurden weitere Untersuchungen durchgeführt. Sodann führte der Beklagte zu
5), der seinerzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Beklagten zu 6) tätig war (GA
192, 196), ein Aufklärungsgespräch mit dem Kläger hinsichtlich der Durchführung der
Herzkatheteruntersuchung und holte die schriftliche Einverständniserklärung des
Klägers zu diesem Eingriff ein. In der schriftlichen Einverständniserklärung des Klägers
vom 21. August 1989 werden als Komplikationen (1:1000) genannt: Embolie,
Herzrhythmusstörungen, Herzkammerflimmern, Herzinfarkt, Blutung,
Kontrastmittelunverträglichkeit.
4
Die Herzkatheteruntersuchung wurde am 22. August 1989 von dem Beklagten zu 2)
vorgenommen. Als Untersuchungsergebnis ist in den Behandlungsunterlagen vermerkt:
5
"Koronare Herzkrankheit Grad I mit Wandunregelmäßigkeiten im Bereich der LAD
und RCA. Deutliche Myokardhypertrophie bei arteriellem Hypertonus mit
beginnender linksventrikulärer Funktionsstörung bei erhöhtem LVEDP und einer
Kontraktionsstörung im Bereich der Hinterwand."
6
Bei Beendigung der Untersuchung fiel dem Kläger ein Schatten auf, der sich auf die
untere und kurze Zeit später auch auf die obere Hälfte des rechten Auges legte. Als der
Kläger darauf hinwies, wurden sofort - zwischen den Parteien umstrittene -
Behandlungsmaßnahmen eingeleitet. Es wurden 10.000 IE Heparin I.V. verabreicht;
darüber hinaus erfolgte über 4 Tage eine intravenöse Gabe von Nimodipin, eine High-
Dose Heparinisierung mit 40.000 I.E./24 Stunden und eine rheologische Therapie mit
Hydroxyäthylstärke. Die Behandlung führte dennoch nicht zum Erfolg. Das rechte Auge
des Klägers ist erblindet.
7
Der Kläger wurde nach einer weiteren stationären Behandlung am 28. August 1989 aus
der Klinik entlassen.
8
Der Kläger hat die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler um
Überprüfung gebeten, ob dem Beklagten zu 2) sowie den nachbehandelnden Ärzten
Behandlungsfehler vorzuwerfen sind. Durch Bescheid vom 30. November 1991 hat die
Gutachterkommission festgestellt, dass die Behandlung lege artis war und den
behandelnden Ärzten Fehler nicht vorgeworfen werden können (GA 72-77).
9
Mit seiner Klage ist der Kläger der Bewertung der Gutachterkommission
entgegengetreten. Er hat behauptet, die Herzkatheteruntersuchung sei nicht indiziert
gewesen; angesichts seines nicht gravierenden Beschwerdebildes hätten weitere
weniger invasive Untersuchungsmaßnahmen genügt. Im übrigen hat der Kläger geltend
gemacht, die Katheteruntersuchung selbst sei offenbar fehlerhaft durchgeführt worden.
Auch sei der bei im eingetretene Visusverlust zu spät festgestellt und sodann falsch
behandelt worden. Über die Risiken der Herzkatheteruntersuchung sei er zudem nur
unzureichend aufgeklärt worden. Hätte man ihm die Gefahr einer möglichen Erblindung
genannt, hätte er diese Untersuchung nicht durchführen lassen. Der Kläger hat die
Zubilligung von Beweiserleichterung auch wegen des Fehlens der Original-
10
Behandlungsunterlagen aus dem Hause der Beklagten zu 6) verlangt.
Der Kläger hat behauptet, er leide aufgrund des Visusverlustes auf dem rechten Auge
unter starken psychischen Beeinträchtigungen und befürchte die Gefahr der Erblindung
auch auf dem linken Auge. Der Kläger hat geltend gemacht, dass unter
Berücksichtigung seiner Beeinträchtigung die Zahlung eines Schmerzensgeldes von
90.000,00 DM angemessen sei.
11
Der Kläger hat beantragt,
12
1.
13
die Beklagte zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner ein angemessenes
Schmerzensgeld für die Zeit ab einschließlich 22. August 1989 nebst 4 % Zinsen
seit dem 15. September 1993 zu zahlen;
14
2.
15
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und
immateriellen Schäden, letztere, soweit sie ihm nach Klageerhebung zusätzlich
entstehen, aus dem mit der Herzkatheteruntersuchung und dem Visusverlust am
22. August 1989 verbundenen Geschehen zu bezahlen, soweit die Ansprüche
nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
16
Die Beklagten haben beantragt,
17
Die Klage abzuweisen.
18
Die Beklagten zu 1), 2) und 3) haben auf ihre Beamteneigenschaft verwiesen und ihre
Passivlegitimation damit aus Rechtsgründen in Abrede gestellt. Die Beklagten zu 4) und
5) haben sich im übrigen darauf berufen, mit der Behandlung des Klägers nicht befasst
gewesen zu sein. Im übrigen sind die Beklagten dem Vorwurf einer fehlerhaften
Behandlung oder unzureichender Risikoaufklärung entgegengetreten. Sie haben
behauptet, die von dem Beklagten zu 2) durchgeführte Herzkatheteruntersuchung sei
angesichts des Beschwerdebildes des Klägers indiziert gewesen und dem Standard
entsprechend durchgeführt worden. Die sich dabei ergebende Komplikation einer
vermutlich embolischen Schädigung sei unverzüglich und sachgerecht behandelt
worden. Der Visusverlust des Klägers sei als schicksalhaft anzusehen. Im Übrigen
haben die Beklagten sich darauf berufen, dass der Kläger ausführlich über die
möglichen Risiken der Herzkatheteruntersuchung aufgeklärt worden ist. Das von ihm
geforderte Schmerzensgeld haben sie als übersetzt angesehen.
19
Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat Beweis erhoben durch Einholung
eines schriftlichen Gutachtens des leitenden Arztes der medizinischen Klinik 1 des
Klinikums L., Prof. Dr. T. (GA 346). Durch das am 16. November 2000 verkündete Urteil
hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
20
Gegen die Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er wiederholt seine
Behauptung, die Herzkatheteruntersuchung sei nicht indiziert gewesen, weil er sich
seinerzeit bei bester Gesundheit befunden und nur leichte Herzrhythmusstörungen
gehabt habe. In jedem Fall hätte es vor Einleitung dieser invasiven Diagnostik weiterer
21
ambulanter Untersuchungen bedurft. Der Kläger behauptet erneut, er sei von dem
Beklagten zu 5) über keine einzige Komplikation der Herzkatheteruntersuchung
aufgeklärt worden. Die Einwilligungserklärung habe er unterzeichnet, ohne deren Inhalt
zu kennen. Bei entsprechender Kenntnis hätte er die Untersuchung nicht durchführen
lassen. Der Kläger wirft dem Beklagten zu 2) vor, beim Eintreten des Visusverlustes die
falsche Diagnose gestellt zu haben. Der Beklagte zu 2) habe eine
Zentralarterienembolie angenommen und deshalb eine Behandlung mit Heparin
angeordnet, obwohl es sich um einen kontrastmittelindizierten Gefäßspasmus gehandelt
habe. Wäre rechtzeitig ein Augenarzt hinzugezogen worden, hätte dieser die richtige
Diagnose stellen und die indizierten Behandlungsmaßnahmen einleiten können. Der
Kläger ist der Auffassung, ihm seien Beweiserleichterungen zuzubilligen, weil das
Versagen des Beklagten zu 2) als grob fehlerhaft anzusehen sei und weil die
Originalbehandlungsunterlagen nicht vorliegen.
Der Kläger beantragt, nachdem er die Berufung hinsichtlich der Beklagten zu 3) und 4)
zurückgenommen hat,
22
1.
23
die Beklagten zu 1), 2), 5)und 6) zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner ein
angemessenes Schmerzensgeld für die Zeit ab einschließlich 22.8.1989 nebst 4 %
Zinsen seit dem 5.9.1993 zu zahlen;
24
2.
25
festzustellen, dass die Beklagten zu 1), 2), 5) und 6) verpflichtet sind, ihm als
Gesamtschuldner sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem mit
der Herzkatheteruntersuchung und dem Visusverlust am 22.8.1989 verbundenen
Geschehen zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger
oder sonstige Dritte übergehen.
26
Die Beklagten beantragen,
27
die Berufung zurückzuweisen.
28
Die Beklagten verteidigen das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung ihres
erstinstanzlichen Sachvortrages.
29
Im Berufungsverfahren ist ergänzend Beweis erhoben worden durch Vernehmung des
Beklagten zu 5) als Partei sowie durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. H. G..
Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk vom 28. Februar 2002 (GA 596-618)
verwiesen.
30
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie die beigezogenen
Behandlungsunterlagen Bezug genommen.
31
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
32
A.
33
Die gegenüber den Beklagten zu 3) und 4) zurückgenommene und alleine gegenüber
den Beklagten zu 1) und 2) sowie zu 5) und 6) weiter verfolgte zulässige Berufung ist
nicht begründet. Die Beklagten sind nicht nach § 847 BGB zur Zahlung eines
Schmerzensgeldes verpflichtet. Auch kann der Kläger weder nach den Grundsätzen
einer positiven Vertragsverletzung gemäß den §§ 611, 242, 276, 249 ff BGB noch aus
dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 BGB einen
Ausgleich seiner materiellen Schäden verlangen. Die Beklagten haften weder für ein
ärztliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Durchführung der am 22. August
1989 erfolgten Herzkatheteruntersuchung und der sich anschließenden Behandlung
des einseitigen Visusverlustes noch für ein Versäumnis im Rahmen der gebotenen
Patientenaufklärung, ohne dass es hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) auf die Frage
ihrer von ihnen in Abrede gestellten Passivlegitimation ankommt.
34
I.
35
Nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen hat ein Kläger in einem Prozess zu
beweisen, dass dem in Anspruch genommenen Arzt oder Krankenhausträger ein für
eine konkrete gesundheitliche Beeinträchtigung ursächlicher diagnostischer oder
therapeutischer Behandlungsfehler anzulasten ist. Diesen Beweis hat der Kläger nicht
zu führen vermocht. Sowohl die von dem Kläger vorprozessual eingeschaltete
Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler als auch der von dem Landgericht
beauftragte Sachverständige Prof. Dr. T. sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die
indizierte Behandlung des Klägers einwandfrei durchgeführt worden ist. Auch der von
dem Senat mit der ergänzenden Begutachtung beauftragte Sachverständige Prof. Dr. G.
hat keinerlei Anhaltspunkte für eventuelle Versäumnisse gefunden; nach seiner
Darstellung ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger in der kardiologischen
Klinik der Beklagten zu 6) in jeder Hinsicht einwandfrei behandelt worden ist und sich
der Visusverlust auf dem rechten Auge als schicksalhaft darstellt.
36
1.)
37
Die Durchführung der Herzkatheteruntersuchung bei dem Kläger war aus medizinischer
Sicht sinnvoll und ihre Indikation im Ergebnis nicht in Frage zu stellen.
38
a)
39
Prof. Dr. G., der als Direktor der Kardiologischen Klinik des Herzzentrums W. zur
gutachterlichen Bewertung des streitgegenständlichen medizinischen Sachverhaltes in
besonderem Maße befähigt ist, hat erläutert, dass die Frage nach der Indikation der
Herzkatheteruntersuchung – sofern nicht von der als gleichwertig anzusehenden
Möglichkeit einer Myokardszintigraphie Gebrauch gemacht wird – in erster Linie
aufgrund eines zuvor durchzuführenden Belastungs-EKG zu beantworten ist. Bei
hierdurch nicht ausreichend sicherer diagnostischer Befundabklärung ist dem Patienten
die Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung zu empfehlen. Daran, dass im Falle
des Klägers aufgrund der erhobenen Befunde eine solche Empfehlung ausgesprochen
werden durfte, hat der Sachverständige keinen Zweifel gelassen:
40
Anhand der in dem Arztbrief der Beklagten zu 1) und 2) vom 3. August 1989
dokumentierten Untersuchungsbefunde, an deren Richtigkeit zu zweifeln keine
Veranlassung besteht, hat Prof. Dr. G. deutlich gemacht, dass sich bei dem Kläger
Hinweise auf Risikofaktoren und der Verdacht einer möglichen Herzerkrankung
41
ergaben, die es diagnostisch weiter abzuklären galt. Von besonderer Bedeutung war
dabei der Ergometriebefund; danach kam es nach einer zweiminütigen Belastung bis
175 W wegen eines Blutdruckanstieges auf 240/110 mm/Hg und gleichzeitiger
körperlicher Erschöpfung bei einer Herzfrequenz von 155/min. zu einem Abbruch der
Untersuchung. Angesichts einer im EKG angedeuteten deszendierenden ST-
Strecksenkung hat Prof. Dr. G. den Befund als nicht normal und damit abklärungswürdig
bezeichnet. Angesichts der weiterhin beschriebenen linksthorakalen Beschwerden des
Klägers sowie der dargestellten Laborwerte, die auf eine Hyperlipoproteinämie als
eigenständigen Risikofaktor für eine Arteriosklerose hinwiesen, hat der Sachverständige
die Sinnhaftigkeit der – aus damaliger Sicht von ihm selbst befürworteten –
abschließenden klärenden Diagnostik durch eine Herzkatheteruntersuchung
hervorgehoben und deutlich gemacht, dass die Frage der Durchführung einer solchen
Untersuchungsmaßnahme letztlich vom Willen des Patienten abhängt, eine genaue
Diagnose zu erfahren.
Dass dem Kläger vor seiner entsprechenden Einwilligung eine nicht zutreffende
Darstellung von der Notwendigkeit dieser Untersuchungsmaßnahme gegeben worden
war, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht die ihm zugebilligte und von ihm
wahrgenommene Überlegungszeit – der Kläger entschied sich erst am Tage nach der
Unterredung mit dem Beklagten zu 2) für die Untersuchung – dafür, dass ihm die
tatsächlichen Gründe für die Entscheidung zur Durchführung der Untersuchung bewusst
waren.
42
b)
43
Ohne Erfolg versucht der Kläger die im Krankenhaus der Beklagten zu 6) erhobenen
Untersuchungsbefunde durch Hinweis auf seine damalige körperliche
Leistungsfähigkeit und die von den Ärzten Dr. B. und Dr. B. dokumentierten früheren
Untersuchungsbefunde zu entkräften. Prof. Dr. G. hat darauf hingewiesen, dass die von
diesen Ärzten als funktionell beschriebenen Herzbeschwerden des Klägers keine
eindeutige Aussage über die tatsächliche Befundlage zuließen, und dass unabhängig
davon für die Frage der Indikation der Herzkathederuntersuchung maßgebend auf die in
der Universitätsklinik selbst erhobenen Befunde abzustellen war, zumal der Kläger
ausweislich der handschriftlich dokumentierten Anamnese in der Klinik der Beklagten
zu 6) über seit fünf Monaten zunehmende linksthorakale Beschwerden sowie unter
anderem auch über ein ringförmiges Engegefühl klagte.
44
c)
45
In Übereinstimmung mit der Beurteilung durch die Gutachterkommission sowie dem
Sachverständigen Prof. Dr. T. hat Prof. Dr. G. im übrigen eindeutig und überzeugend der
Darstellung des Klägers widersprochen, es hätten vor Durchführung der
Herzkatheteruntersuchung jedenfalls weitergehende nicht invasive
Untersuchungsmaßnahmen erfolgen müssen. Prof. Dr. G. hat deutlich gemacht, dass
die bei dem Kläger durchgeführten Voruntersuchungen umfassend waren und es keine
weiteren Diagnosemaßnahmen gab, die eine Herzkatheteruntersuchung hinfällig
machen konnten. Nach der Durchführung sämtlicher Voruntersuchungen war alleine die
Herzkatheteruntersuchung geeignet, eine genaue Aussage über eine mögliche
ernsthafte Herzerkrankung zu machen.
46
d)
47
Der Kläger kann die in dem Arztbrief der Beklagten zu 1) und 2) vom 3. August 1989
dargestellten Untersuchungsbefunde nicht unter Hinweis auf das Fehlen der
Behandlungsunterlagen im Original in Frage stellen und in diesem Zusammenhang zu
seinen Gunsten Beweiserleichterungen einfordern. Es bestehen keinerlei Zweifel daran,
dass die in dem Arztbrief dargestellten Befunde den Tatsachen entsprachen. Dem von
dem Kläger erhobenen Vorwurf einer möglichen Fälschung wird bereits deshalb der
Boden entzogen, weil die Dokumentation vor der Herzkatheteruntersuchung erfolgt war
und es keinerlei Anlaß dafür gab, die Untersuchungsergebnisse unzutreffend
wiederzugeben.
48
2.)
49
Fehler bei der Durchführung der Herzkatheteruntersuchung durch den Beklagten zu 2)
haben der in erster Instanz beauftragte Sachverständige Prof. Dr. T. ebenso wie die
Gutachterkommission überzeugend verneint. Auch Prof. Dr. G. vermochte einen
entsprechenden Vorwurf, auf den der Kläger mit der Berufung auch nicht mehr
ausdrücklich zurückkommt, nicht zu bestätigen.
50
3.)
51
Den Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, erforderliche Vorsorgemaßnahmen zur
Verhinderung oder unverzüglichen Behebung von Komplikationen im Zusammenhang
mit der Herzkatheteruntersuchung, wie sie bei dem Kläger letztlich aufgetreten sind,
unterlassen zu haben.
52
a)
53
Dass die von Prof. Dr. G. als obligat anzusehende prophylaktische Gabe von 5.000
Einheiten Heparin erfolgt war, ist – obwohl die Beklagten eine entsprechende
schriftliche Dokumentation nicht (mehr) vorlegen können – nicht zu bezweifeln.
Anhaltspunkte dafür, dass im Falle des Klägers bei der Durchführung der Untersuchung
nicht dem medizinischen Standard entsprechend vorgegangen worden ist, liegen nicht
vor. Es gibt auch keinerlei Anzeichen dafür und es ist nach Ansicht des Senates als
fernliegend anzusehen, dass eine solche bei jeder Herzkatheteruntersuchung üblichen
Vorsorgemaßnahme, die der Beklagte zu 2) im Verhandlungstermin selbst als damals
absoluten Standard in seiner für die Untersuchung speziell ausgerüsteten Klinik
bezeichnet hat, nicht erfolgt sein soll. Daher verbietet es sich, den Kläger alleine im
Hinblick darauf, dass die Beklagten nicht mehr in der Lage sind, die gesamte aus dem
Jahr 1989 stammende Behandlungsdokumentation vorzulegen und die entsprechende
prophylaktische Heparingabe damit nachzuweisen, von der ihm obliegenden
Verpflichtung zum Nachweis entsprechender Behandlungsfehler zu entbinden und ihm
Beweiserleichterungen zuzubilligen.
54
Die von dem Beklagten zu 2) im Beweisaufnahmetermin beschriebene prophylaktische
Heparingabe mit dem Herzkatheter ist im übrigen nicht zu beanstanden. Prof. Dr. G. hat
zu dieser Vorgehensweise keine Einwände erhoben, wobei sich entgegen der
Bewertung des Klägers die Infusion durch den Herzkatheter durchaus als
"prophylaktische" Maßnahme darstellte, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine
emboliebedingten Komplikationen eingetreten waren.
55
b)
56
Weiterer Vorsorgemaßnahmen – wie z.B. der Bereithaltung anderweitiger Fachärzte –
bedurfte es nicht. Prof. Dr. G. hat deutlich gemacht, dass bei dem Kläger eine äußerst
seltene Komplikation eingetreten war, deren Ursache – Embolie oder Komponente
eines Spasmus – weder damals noch heute als sicher bekannt gilt. Jedenfalls wurden
bei dem Kläger die in einem solchen Fall unmittelbar erforderlichen
Behandlungsmaßnahmen eingeleitet, indem einerseits gerinnselauflösende und
andererseits spasmuslösende Infusionen verabreicht wurden. Prof. Dr. G. hat keinen
Zweifel daran gelassen, dass die Behandlung der sich abzeichnenden Erblindung auf
dem rechten Auge dem medizinischen Standard entsprechend erfolgte und er selbst
auch heute keine andere Behandlungsalternative wüsste. Weiteres ärztliches Personal
war – so der Sachverständige – nach dem geltenden Standard vorher nicht
bereitzustellen. Dies wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass eine
Komplikation wie sie bei dem Kläger eingetreten war, nicht entfernt voraussehbar war.
Im übrigen wurden bei dem Kläger die unmittelbar erforderlichen Maßnahmen ergriffen,
weshalb nicht davon auszugehen ist, dass auch sofort bereitstehende Arzte anderer
Fachrichtungen eine andere oder eine weitergehende Behandlung unmittelbar
veranlasst hätten.
57
4.)
58
Versäumnisse bei der Behandlung des im Anschluss an die Herzkatheteruntersuchung
auftretenden Visusverlustes sind nicht feststellbar: Es konnte angesichts der unklaren
Ursache alleine der Versuch unternommen werden, eine vermutliche Embolie
aufzulösen oder einen auch in Betracht kommenden Spasmus zu beheben. Dabei kam
zur Behandlung einer Embolie alleine die erfolgte Verabreichung von zunächst 10.000
i.E. Heparin mit einer sich anschließenden High-Dose Heparinisierung
59
mit 40.000 i.E. in 24 Stunden sowie zur Behandlung eines möglichen Spasmus die über
vier Tage erfolgte intravenöse Gabe von Nimodipin sowie eine rheologische Therapie
mit Hydroxyäthylstärke in Betracht. Prof. Dr. T. hat dieses Vorgehen als lege artis
bewertet und darauf hingewiesen, dass dieses Vorgehen bei entsprechenden
Komplikationen auch heute als Therapie der Wahl anzusehen ist. Diese Bewertung hat
Prof. Dr. G. bestätigt und ergänzend ausgeführt, dass es angesichts der Unklarheit der
Komplikationsursache keine Alternative zur Gabe von einerseits gerinnselauflösenden
und andererseits spasmuslösenden Substanzen gab.
60
Die Behauptung des Klägers, man sei zu Unrecht von einer Embolie ausgegangen und
habe das tatsächliche Vorliegen eines Spasmus fehlerhaft verkannt, beruht auf
unzutreffenden tatsächlichen Grundlagen und wird aufgrund der gutachterlichen
Feststellungen, wonach es keinerlei greifbare Hinweise darauf gibt, dass bei dem
Kläger seinerzeit ein Spasmus aufgetreten war, nicht bestätigt: Prof. Dr. G. hat darauf
hingewiesen, dass es weder damals noch heute geeignete diagnostische Mittel gibt, um
festzustellen, ob die eingetretene Komplikation auf einen Spasmus oder eine Embolie
zurückzuführen war. Seiner Darstellung zufolge geht die allgemeine medizinische
Vorstellung dahin, dass – gerade weil nur ein Auge betroffen war und es nicht bekannt
ist, dass eine solche Komplikation durch einen Spasmus bewirkt werden könnte –
vermutlich ein embolisches Ereignis im Vordergrund stand. Unter diesen Umständen hat
Prof. Dr. G. die sich anschließende medikamentöse Behandlung als dem medizinischen
Standard entsprechend bezeichnet, um den möglichen Ursachen der Komplikationen
61
umfassend entgegenzuwirken.
Entgegen der Darstellung des Klägers ergibt sich aus dem Arztbrief vom 28. August
1989 (GA 96) nichts gegenteiliges; insbesondere geht daraus nicht hervor, dass bei dem
Kläger seinerzeit ein Gefäßspasmus vorlag. Dort wird lediglich ausgeführt, dass
während der Herzkatheteruntersuchung ein protrahierter Visusverlust des rechten
Auges auftrat, wobei der Verdacht auf eine Zentralarterienembolie der rechten Arteria
zentralis retinae geäußert wurde, differentialdiagnostisch allerdings an einen
kontrastmittelinduzierten Gefäßspasmus, der in seltenen Fällen eintreten kann, gedacht
werden muss. Diese Darstellung entspricht der Beurteilung der Sachverständigen,
wonach der Gefäßspasmus nur eine mögliche Ursache der Komplikation darstellt.
Sichere Feststellungen lassen sich insoweit – wie dargestellt – nicht treffen.
62
Es ist auch nicht festzustellen, dass die medikamentöse Behandlung des Klägers in
unzulässiger Weise verzögert erfolgte: In der handschriftlichen Dokumentation zu der
durchgeführten Herzkatheteruntersuchung ist vermerkt, dass nach Bekanntwerden der
Sehstörung auf dem rechten Auge sofort die Gabe von 10.000 Einheiten Heparin und
danach die Gabe von Nimodipin erfolgte, die über 4 Tage beibehalten wurde. Ein solch
abgestuftes Vorgehen hat Prof. Dr. G. nachvollziehbar mit der Begründung, es sei
zunächst die Wirkung des zunächst verabreichten Medikamentes abzuwarten, als
einwandfrei bewertet.
63
II.
64
Die Beklagten haften ferner nicht für ein präoperatives Aufklärungsversäumnis. Dabei ist
davon auszugehen, dass die Aufklärung dem Patienten im wesentlichen einen
Überblick über die mit dem geplanten Eingriff verbundenen Risiken geben muss. Sie
muss Art und Schwere des Eingriffs kennzeichnen. Die Risiken müssen dabei
allerdings nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen
dargestellt werden; vielmehr genügt ein allgemeines Bild von der Schwere und der
Richtung des konkreten Risikospektrums.
65
Diesen Anforderungen wird die Aufklärung über die Risiken der
Herzkatheteruntersuchung, wie sie dem Kläger zu Teil geworden ist, gerecht: Durch die
von ihm am Vorabend der Untersuchung unterschriebene Einverständniserklärung, in
der ausdrücklich auf die "Komplikationen (1 : 1000): Embolie, Herzrhythmusstörungen,
Herzkammerflimmern, Herzinfarkt, Blutung, Kontrastmittelunverträglichkeit" hinwiesen
wird, hat der Kläger bestätigt, "über die ernsthaft ins Gewicht fallenden typischen
Risiken des geplanten Eingriffs, die nicht auszuschließenden denkbaren Nebenfolgen,
..." aufgeklärt worden zu sein. Darüber hinaus hat der Beklagte zu 5) bei seiner
Parteivernehmung keinen Zweifel daran gelassen, im Rahmen seines mit dem Kläger
am 21. August 1989 geführten Aufklärungsgespräches detailliert auf mögliche
66
Komplikationen wie Embolie, Schlaganfall, Herzinfarkt und Herzrhythmusstörungen bis
hin zum Kammerflimmern eingegangen zu sein. Im übrigen zeigt die eigene Einlassung
des Klägers im Beweisaufnahmetermin, dass er bereits aufgrund der zuvor erfolgten
Unterredung mit dem Beklagten zu 2) über die mit der Herzkatheteruntersuchung
verbundenen Risiken ausreichend informiert war: Danach hatte der Beklagte zu 2) bei
seiner Beschreibung von Komplikationen auf die Möglichkeit eines Schlaganfalls oder
einer Thrombose durch sich bei der Untersuchung lösenden Plaque hingewiesen und
sogar auf einen ihm bekannten – allerdings bei einem Patienten mit erheblich
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vorgeschädigtem Herz eingetretenen – Todesfall hingewiesen. Angesichts dieser
deutlichen Darstellung kommt es auch nicht darauf an, ob dem Kläger seinerzeit
entsprechend seiner schriftlichen Bestätigung eine weitere Informationsschrift über den
geplanten Eingriff ausgehändigt worden ist.
Ohne Erfolg beanstandet der Kläger im übrigen, nicht auf die Gefahr einer teilweisen
Erblindung hingewiesen worden zu sein. Prof. Dr. G. hat nachvollziehbar dargestellt,
dass es zwar des Hinweises auf die Möglichkeit der Entstehung einer Embolie bedarf;
wegen ihrer vielschichtigen Auswirkungen ist allerdings die Darstellung der hiervon im
einzelnen betroffenen Organe und die Einzelheiten der in Frage kommenden
Beeinträchtigungen nicht erforderlich. Diese Sichtweise wird auch durch den Umstand
gerechtfertigt, dass es sich bei dem Visusverlust um eine äußerst seltene Komplikation
handelt. In dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Prof. Dr. T. wird darauf
hingewiesen, dass bei einer Nachfrage in fünf Katheterlabors mit einer Übersicht über
rund 150.000 Herzkatheteruntersuchungen keine solche Komplikation bekannt
geworden ist.
68
B.
69
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1
ZPO.
70
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
71
Die Beschwer des Klägers liegt über 20.000 €.
72