Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.07.2004
OLG Düsseldorf: grobe fahrlässigkeit, leichte fahrlässigkeit, wohnung, sorgfalt, brand, verkehr, meinung, subjektiv, auflage, verschulden
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 225/03
Datum:
19.07.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 225/03
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 19 O 226/03
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10. September 2003
verkün-dete Urteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des
Landgerichts Wup-pertal geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des bei-zutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Voll-streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e :
1
I.
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Wegen des Sachvortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Inhalt des
angefochtenen Urteils verwiesen.
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Der Beklagte verfolgt in der Berufung nach wie vor sein Ziel der Klageabweisung. Er ist
der Auffassung, dass er nur bei grober Fahrlässigkeit seinerseits hafte, die jedoch nicht
gegeben sei. Er behauptet, er habe die Heizdecke, für deren fehlerhaftes Funktionieren
es vorher keinerlei Anzeichen gegeben habe, bei Verlassen der Wohnung auf ein Sofa
gelegt, bei dem es sich um eine ebenerdige, einteilig ausgeführte Couch handele.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie vertritt die Auffassung, dem Beklagten falle grobe Fahrlässigkeit zur Last. Diese
ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte die Heizdecke auf einer Couch abgelegt
habe, obwohl in der Gebrauchsanweisung ausdrücklich darauf hingewiesen werde,
dass ein solches Ablegen mit einem hohen Brandrisiko verbunden sei, das durch ein zu
starkes Knicken der Heizdecke bedingt sei.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Akten sowie der
Beiakten verwiesen.
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II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Landgericht hat der Klage zu
Unrecht Statt gegeben.
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1.
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Das Landgericht hat übersehen, dass Versicherungsschutz für die Mietsache durch eine
Gebäudeversicherung bestand und dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung
die ergänzende Vertragsauslegung des Gebäudeversicherungsvertrages einen
konkludenten Regressverzicht des Versicherers für die Fälle ergibt, in denen der
Wohnungsmieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat,
wobei nicht danach zu unterscheiden ist, ob der Mieter die Versicherungskosten ganz
oder teilweise zu tragen hat (vgl. BGH NJW 2001, 1353 und VersR 2001, 856 sowie
Senat in ZMR 2003, 734). Dieser Grundsatz gilt auch hier, weil die Eigentümerin
unstreitig bei der Klägerin eine sogenannte verbundene Wohngebäudeversicherung
abgeschlossen hat.
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2.
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Folglich kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob dem Beklagten
hier grobe Fahrlässigkeit anzulasten ist. Das ist zu verneinen; denn ein solches über
leichte Fahrlässigkeit hinausgehendes Verschulden kann der Senat nach dem
unstreitigen Sachverhalt nicht zugrunde legen, und die insoweit beweispflichtige
Klägerin (vgl. BGH a. a. O.) hat auch keine Tatsachen unter Beweis gestellt, aus denen
der Schluss auf grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten gerechtfertigt ist.
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a)
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Grob fahrlässig ist ein Verhalten, wenn ein Schadensverursacher die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht lässt und das nicht beachtet, was unter den
gegebenen Umständen jedem einleuchten musste; sein Verhalten muss auch subjektiv
unentschuldbar sein (vgl. BGHZ 119, 149; BGH NJW 2003, 1118; 2001, 2092, jeweils
m. w. N.). Sie setzt in der Regel das Bewusstsein der Gefährlichkeit voraus, kann aber
auch zu bejahen sein, wenn der Handelnde die Gefährlichkeit seines Tuns leichtfertig
nicht erkennt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Auflage, § 277 Rdnr. 5).
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b)
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Gemessen an diesen Kriterien kann im konkreten Falle das Verlassen der Wohnung bei
eingeschalteter Heizdecke nicht als grob fahrlässig angesehen werden.
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Allerdings kann nicht zugunsten des Beklagten zugrunde gelegt werden, dass er die
den Brand auslösende Heizdecke bereits einige Zeit beanstandungsfrei benutzt hat;
denn gemäß dem zutreffenden Hinweis der Klägerin, dem der Beklagte nicht
widersprochen hat, handelte es sich nach dem Inhalt der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsakten (431 UJS 783/02 StA Wuppertal) um eine neue Heizdecke.
Andererseits war - ebenfalls nach dem Inhalt dieser Ermittlungsakten - Ursache des
Brandes ein Kurzschluss in der Heizdecke. Mit einem solchen technischen Fehler eines
Gegenstandes muss ein Benutzer aber regelmäßig nicht rechnen, falls nicht weitere,
besondere Umstände vorliegen, für die hier nichts ersichtlich ist, z. B. angeschmorte
Kabeleingänge oder ähnliches. Auch wenn, wovon die
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Parteien übereinstimmend ausgehen, der in die Heizdecke eingebaute
Überhitzungsschutz durch Ausfall der Thermostate versagt hat, kann dem Beklagten
keine grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. Er musste nicht damit rechnen, dass
diese technische Einrichtung der Heizdecke nicht funktionieren würde, sondern durfte
auf deren Funktionsfähigkeit vertrauen.
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c)
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Dem Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, dass er die Heizdecke nicht vorschriftsmäßig
benutzt oder sie beschädigt hätte. Die Klägerin hat das damit behauptet, dass die
Heizdecke nur habe überhitzen können, wenn sie falsch benutzt oder beschädigt
worden wäre. Dem steht jedoch entgegen, dass bei einem technischen Gerät stets auch
die Gefahr eines Kurzschlusses besteht, z. B. aufgrund eines Produktions- oder
Materialfehlers.
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Ein Fehlverhalten des Beklagten lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass er die
Heizdecke auf eine Couch gelegt hat. Entgegen der Meinung der Klägerin kann der
Senat nicht erkennen, dass bereits hiermit eine erhebliche Knickgefahr und folglich ein
hohes Risiko verbunden wäre; denn eine Couch hat im allgemeinen eine flache Sitz-
oder Liegefläche, und dass dies hier anders gewesen wäre, hat die Klägerin nicht
behauptet, auch nicht, nachdem der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen hat, bei
dem durch den Brand zerstörten Sofa habe es sich um eine ebenerdig, einteilig
ausgeführte Couch gehandelt (GA 148). Auch ein anderes konkretes Fehlverhalten des
Beklagten ist nicht behauptet oder sonst ersichtlich.
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Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht zugrunde legen, dass der Beklagte mit dem
Verlassen der Wohnung für etwa eine Stunde bei eingeschalteter Heizdecke die in
Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich außer Acht gelassen hätte.
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III.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, §
543 Abs. 2 ZPO.
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Streitwert für die Berufungsinstanz: 25.701,30 EUR.
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a. E T
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