Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.04.2010
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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 166/09
Datum:
27.04.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 166/09
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Abänderung des am
09. September 2009 verkündeten Urteils der 12. Zivilkammer des Land-
gerichts Düsseldorf und unter Aufhebung des Beschlusses vom 9. Juni
2009 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe:
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A.
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1. Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die
tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Die
Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Unterlassung, die Filme "An
American Crime", "My name is Bruce", "The Fall", "Eagle vs. Shark", "Unter der Sonne
Australiens" und "Insomnia" zugänglich zu machen.
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Die Antragsgegnerin ist eine in S. ansässige Aktiengesellschaft, welche Speicherplatz
im Internet (Webspace) zur Verfügung stellt. Hierzu wählt der Nutzer aus seinem
eigenen Dateibestand auf dem heimischen Computer die Datei aus, welche auf dem
Speicherplatz im Internet abgelegt werden soll. Die entsprechende Datei wird dann mit
einem einzigen Klick auf die Seite www.r.com hochgeladen. Die Antragsgegnerin
übermittelt dem Nutzer daraufhin einen Download-Link, mit dem dieser die abgelegte
Datei jederzeit über seinen Browser abrufen kann. Durch Weitergabe des
entsprechenden Links hat der Nutzer die Möglichkeit, die hochgeladene Datei auch
Dritten zugänglich zu machen. Da ein Erraten der Adresse ohne Kenntnis des
Download-Links nahezu unmöglich ist, ist das Abrufen der Datei ohne Kenntnis des
Links nicht realistisch. Im Übrigen fehlen beim Dienst der Antragsgegnerin
entsprechende Inhaltsverzeichnisse über vorhandene Dateien ebenso wie
Suchfunktionalitäten.
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In der Vergangenheit wurden von Nutzern des klägerischen Dienstes mehrfach Dateien
mit urheberrechtlich geschütztem Material hochgeladen. Dabei handelt es sich unter
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anderem um digitalisierte Filme, bezüglich derer die Nutzungsrechte auf die
Antragstellerin übertragen worden waren. Die Download-Links wurden im Internet an
verschiedenen Stellen öffentlich bekannt gegeben. Auf so genannten Link-Resources
finden sich umfangreiche Sammlungen von links, mit denen unter anderem auch unter
"R.S." gespeicherte Werke aufgefunden werden können.
Das Landgericht Düsseldorf hat unter weitgehender Bestätigung einer
Beschlussverfügung vom 9. Juni 2009 die Antragsgegnerin mit Urteil vom 09.
September 2009 verurteilt, es zu unterlassen, die Filme "An American Crime", "My name
is Bruce", "The Fall", "Eagle vs. Shark", "Unter der Sonne Australiens" (Originaltitel
"Romulus, my Father”) und "Insomnia" im Internet, insbesondere über von der
Antragsgegnerin betriebenen Server für das Internetangebot www.R.com vervielfältigen
zu lassen oder öffentlich zugänglich zu machen oder diese Handlung durch Dritte
vornehmen zu lassen, jedoch nur
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a. soweit die Filmdateien mit einem Dateinamen, welche den Titel des Films enthält,
auf den Servern der Antragsgegnerin gespeichert sind, oder
b. soweit bei Eingabe des Filmtitels in der Suchanfrage in den Linksammlungen
www.r.org, www.r.com, www.r.-s.com, a.com oder o.tv Hyperlinks ausgeworfen
werden, die auf die Filmdateien verweisen, welche auf den Servern der
Antragsgegnerin gespeichert sind, oder
c. soweit bei Eingabe des Filmtitels in die Suchmaschine Google Hyperlinks
ausgeworfen werden, die auf die Filmdateien verweisen, welche auf den Servern
der Antragsgegnerin gespeichert sind.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Antragsgegnerin. Die
Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Abänderung des am 09.
September 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf – Aktenzeichen
12 O 221/09 – zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin erklärte in der mündlichen Verhandlung,
dass im einleitenden Teil seines Antrags das Wort "insbesondere" hinter dem Wort
"Server" erscheinen solle.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zweiter Instanz wird auf die dort
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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B.
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Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da es der Antragstellerin
nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass ihr ein Unterlassungsanspruch gem. § 97
Abs. 1 Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 19a UrhG gegen die Antragsgegnerin zusteht.
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a. Grundsätzlich trifft die Darlegungs- und Beweislast für alle
anspruchsbegründenden Merkmale in § 97 Abs. 1 UrhG den Anspruchssteller (von
Wolff, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auf., § 97 Rn. 2), hier also die
Antragstellerin. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die
Antragstellerin ihre Aktivlegitimation durch Vorlage der eidesstattlichen
Versicherung des Geschäftsführer der Antragstellerin (Anlage Ast 19) glaubhaft
gemacht hat. Die Antragstellerin hat auch eine Rechtsverletzung im Sinne des §
97 UrhG glaubhaft gemacht, da unstreitig über den Internetdienst der
Antragsgegnerin illegal Kopien der streitgegenständlichen Filme zum Download
angeboten werden. Dadurch, dass dies durch die Zur-Verfügung-Stellung der
technischen Voraussetzungen für einen schnellen Internetzugang durch die
Verfügungsbeklagte geschieht, ist sie jedenfalls an dieser Rechtsverletzung
beteiligt.
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b. Wie schon das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 21.09.2007 – 6U 86/07,
GRUR-RR 2008, 35 = MMR 2007, 786) zur Antragstellerin herausgearbeitet hat,
ist die Antragsgegnerin nicht als Täterin oder Teilnehmerin der in Rede stehenden
Urheberrechtsverletzungen anzusehen (anders Oberlandesgericht Hamburg,
Urteil vom 2.Juli 2008 – 5U 73/07, NJOZ 2008, 4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil
vom 30.09.2009 - 5 U 111/08, MMR 2010, 51). Indem sie die Nutzung ihres
Dienstspeicherplatzes zum Hochladen beliebiger Dateien zur Verfügung stellt und
den Hochladern durch Mitteilung des Download-Links die Möglichkeit gibt, auch
anderen Nutzern Zugriff auf die gespeicherten Daten zu verschaffen, nimmt sie
selbst keine Veröffentlichungen des Inhaltes vor, so dass ein täterschaftlicher
Urheberrechtsverstoß ausscheidet. Über die Bekanntgabe des Download-Links
und damit über das öffentliche Zugänglichmachen der Datei und ihres Inhaltes
entscheidet nicht die Antragsgegnerin, sondern der Nutzer selbst. Etwas anderes
könnte nur dann gelten, wenn die Antragsgegnerin selbst ein Verzeichnis mit
Download-Links zu den auf ihren Servern gespeicherten Daten bereithalten
würde. Auch eine Haftung als Teilnehmerin an Urheberrechtsverletzungen der
Nutzer kommt nicht in Betracht. Die Teilnehmerhaftung setzt zumindest einen
bedingten Vorsatz in Bezug auf die jeweils konkrete Haupttat voraus, der das
Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGHZ 148, 13,17 = GRUR
2001, 1038 – Ambiente.de). Von einem solchen Vorsatz kann im vorliegenden Fall
nicht ausgegangen werden. Es ist dem Geschäftskonzept der Antragsgegnerin
inhärent, dass sie von dem Inhalt der gespeicherten Daten weder vorher noch zu
einem späteren Zeitpunkt bis zu der vom Nutzer veranlassten Bekanntgabe der
Download-Links an Dritte Kenntnis hat. Die Hinweise, dass die Antragsgegnerin
es darauf anlege, die Raubkopierszene zur Nutzung ihres Dienstes einzuladen,
entspricht einem Generalverdacht gegen Sharehoster-Dienste und ihre Nutzer, der
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so nicht zu rechtfertigen ist. Solange daher die illegalen Nutzungszwecke nicht
überwiegen oder von der Antragsgegnerin beworben werden und sich besonders
das Inkaufnehmen durch die Antragsgegnerin, wie hier, nicht nachweisen lässt, ist
ein Gehilfenvorsatz nicht anzunehmen.
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Wie das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 21.09.2007 – 6 U 86/07) zu Recht
feststellt, sind legale Nutzungsmöglichkeiten des Dienstes, für die ein
beträchtliches technisches und wirtschaftliches Bedürfnis besteht, in großer Zahl
vorhanden und üblich (anderer Ansicht ohne nähere Begründung
Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 2.Juli 2008 – 5U 73/07, NJOZ 2008, 4927
= GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom 30.09.2009 - 5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP
2010, 155 mit der Redeweise von dem "von der Rechtsordnung nicht gebilligtem
Geschäftsmodell", da ihm die Gefahr innewohne, für eine (massenhafte) Begehung
von Urheberrechtsverletzungen genutzt zu werden). In der Literatur wird daher
nahezu einhellig betont, daß die Dienste der Antragsgegnerin in weiten Teilen
legal sind und es sich insofern um ein von der Rechtsordnung durchaus gebilligtes
Geschäftsmodell handelt (so etwa Rössel, ITRB 2008, 6, 7; Raitz von
Frentz/Masch, ZUM 2007, 930, 931; Klinger, jurisPR-ITR 3/2008 Anm. 4; Breyer,
MMR 2009, 14) Denn hierbei kommt der Schutz eines für sich betrachtet neutralen
Angebots zum Tragen. Auch wenn die Weitergabe von Informationen zwangsläufig
die abstrakte Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen enthält, so ist nicht
festgestellt, zu welchem konkreten Anteil die Nutzung von Speicherdiensten illegal
erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass die weit überwiegende Zahl von Nutzern
die Speicherdienste zu legalen Zwecken einsetzen und die Zahl der
missbräuchlichen Nutzer in der absoluten Minderheit ist. Soweit das Angebot
daher legal genutzt werden kann, genügt es nicht, dass der Anbieter mögliche
Urheberrechtsverletzungen mit der Eröffnung seines Angebots allgemein in Kauf
nimmt.
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Ebensowenig wird durch den Begriff "R." die Rechtswidrigkeit des Dienstes
indiziert, wie das Landgericht meint. Der Wortbestandteil "S." verweist darauf, daß
"R." zu den sog. Sharehostern zählt. Mit diesem technischen Begriff werden
Dienste bezeichnet, die zur Übertragung größerer Dateien an bestimmte Personen
genutzt werden können. Auf diese Weise können vielfältige legale Funktionalitäten
eingeführt werden, wie die Verbreitung von Softwareupdates an Kunden oder der
Zugriff auf umfangreiche Kanzleidaten innerhalb einer Anwaltssozietät.
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Insofern kommt nur eine Inanspruchnahme der Antragsgegnerin als Störerin in
Betracht. Der Bundesgerichtshof bejaht eine Störerhaftung bei
Urheberrechtsverletzungen für diejenigen, die ohne selbst Täter oder Teilnehmer
zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des
geschützten Gutes beitragen (BGHZ 148,13,17 – Ambiente.de; BGH WRP 2002,
532 = GRUR 2002,618, 619 – Meißner Dekor). Ist das Verhalten des
vermeintlichen Störers in irgendeiner Weise mitursächlich für die Rechtsverletzung
geworden, richtet sich die Beurteilung der Adäquanz danach, ob der
Verursachungsbeitrag allgemein und nicht nur unter besonders eigenartigen,
unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht
zu lassenden Umstände geeignet ist, den konkreten Erfolg herbeizuführen. Werden
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im Internet fremde, die Rechte Dritter verletzende Inhalte durch einzelnde Anbieter
auf vorhandenen Internetplattformen verbreitet oder zugänglich gemacht, so kann
in der Zurverfügungstellung von Speicherplatz und eines bestimmten Rahmens, in
dem die Inhalte präsentiert werden, ein adäquat-kausaler Beitrag des Betreibers
dieser Internetplattform gesehen werden. Eine Störerhaftung ist dann grundsätzlich
in Betracht zu ziehen (Ensthaler, WRP 2010, 309). Hinsichtlich der Einstufung der
Antragsgegnerin als Mitstörerin ist seit der Entscheidung "Internetversteigerung I"
und der Entscheidung "Internetversteigerung II" des Bundesgerichtshofs (BGHZ
158, 236 = GRUR 2004, 860 = CR 2004, 763 m. Anm. Volkmann = MMR 2004, 668
m. Anm. Hoeren; BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708) davon auszugehen, dass die
Haftungsprivilegierungen der §§ 7 – 10 TMG nicht auf den allgemeinen
verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch anzuwenden sind. Vielmehr
gilt für den Unterlassungsanspruch die allgemeine Störerhaftung (§§ 823, 1004
BGB analog).
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Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen, setzt eine solche
Verantwortlichkeit die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich
nach allgemeinen Zumutbarkeitsüberlegungen richtet. Eine erhöhte Prüfungspflicht
besteht insbesondere dann, wenn der Störer vom Rechteinhaber auf eine klare
Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall muss er nicht nur
den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus
zumutbare Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen
Rechtsverletzungen kommt (siehe BGHZ 158, 26236, 251 f. – Internetversteigerung
I; BGH GRUR 2007, 708, 712 – Internetversteigerung II).
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c. Allerdings hat die Antragstellerin im Streitfall die Anspruchsvoraussetzungen der
allgemeinen Störerhaftung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Haftung der
Antragsgegnerin hängt entscheidend davon ab, ob sie nach Kenntnis der
Rechtsverletzungen das ihr Zumutbare zur Vermeidung ähnlich gelagerter
Rechtsverletzungen vorgenommen hat. Dies setzt eine umfangreiche Prüfung der
technischen Möglichkeiten zur Sperrung ähnlicher Fälle voraus. Insbesondere ist
zu fragen, inwieweit tatsächlich effektive Möglichkeiten der Vorbeugung,
Verhinderung und nachträglichen Beseitigung inklusive Verhinderung einer
Wiederholung der Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material bei
"Rapidshare" bestehen. Soweit das Geschäftsmodell selbst nicht auf der Nutzung
der Rechtswidrigkeit eingestellter Inhalte beruht, ist dem Provider nicht zuzumuten,
auf Grund der Prüfpflichten sein gesamtes Geschäftsmodell in Frage zu stellen
(Willmer, NJW 2008, 1845).
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1. In Bezug auf die zu untersagenden Benutzungshandlungen bestehen
Unklarheiten. Die Antragsgegnerin selbst nimmt keine "Vervielfältigungen" von
Filmen vor; dies macht der Nutzer. Dessen Beitrag wird im Antrag aber nicht fixiert.
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Die Antragsgegnerin selbst macht auch kein Filmmaterial öffentlich zugänglich.
Ein öffentliches Zugänglichmachen liegt vor, wenn Internetdienste Daten zum
Download anbieten, die nach ihrer Bestimmung öffentlich zugänglich sind
(Wandtke/Bullinger, § 19a Rn. 23.). Zur Öffentlichkeit nach § 15 UrhG gehört
danach jeder, "der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit anderen
Personen, mit denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder
zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist"
(Wandtke/Bullinger, § 15 Rn. 14.). Bedient man sich des Intranets zu einem
Vergleich, so lässt sich feststellen, dass Daten eines Intranets (wie
Firmenintranet), nur dann "öffentlich zugänglich" gemacht werden, wenn die Daten
"Außenstehenden" bestimmungsgemäß zugänglich sind (Wandtke/Bullinger, §
19a Rn. 25.) Da die Antragsgegnerin ihrem Geschäftsmodell zufolge gerade auf
die Vertraulichkeit der gespeicherten Daten setzt und nicht eine Verbreitung der
Daten durch systematische Ermöglichung des Zugangs bewirbt, fehlt es am
Merkmal der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit (so allgemein zu
Sharehostern auch Willmer, NJW 2008, 1845, 1847.). Vielmehr ist zu beachten,
dass bei der besonderen Konstellation von "R." nur der Nutzer, der das Material in
Wege des Upload auf den Rechner gebracht hat, einen nur ihm bekannten Link
mit den Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt bekommt. Eine
Linksammlung auf der Seite von der Antragsgegnerin existiert nicht. Aus der Sicht
der Antragsgegnerin besteht nur ein internes, vertragliches Verhältnis zum
jeweiligen Nutzer, nicht aber zur Internetöffentlichkeit. Die Öffentlichkeit kommt nur
dadurch ins Spiel, dass der Nutzer seinerseits die entsprechenden Linkreferenzen
ins Netz stellt und öffentlich zugänglich macht. Diese Handlungen werden zwar
vom dritten Tatbestand scheinbar umfasst ("diese Handlung durch Dritte
vornehmen zu lassen"). Die Antragsgegnerin "lässt" aber nicht – wie im
Unterlassungsantrag geltend gemacht - Urheberrechtsverletzungen vornehmen
(so auch Breyer, MMR 2009, 14, 18). Vielmehr ist es die eigene und von der
Antragsgegnerin nicht gesteuerte Entscheidung jedes Nutzers, seine Linkreferenz
ins Netz zu stellen. Es gibt keine Form der Mitteilung über die Inhalte der
gespeicherten Daten durch den Provider an Dritte. Alleine der Kunde bestimmt, an
wen er den Link zu den Dateien weiterleitet. Insofern kann von einer öffentlichen
Wiedergabe durch den Provider nicht gesprochen werden, da diese im
Verantwortungsbereich des Nutzers liegt, der sowohl über Dateiname, als auch
über Dateiinhalte und Dateilinks exklusiv verfügt. Da bei Systemen wie dem der
Antragsgegnerin keine Listing-Möglichkeiten angeboten werden, hängt es alleine
von der Initiative der speichernden Kunden ab, ob und wie leicht Dritte auf den
Servern der Provider gespeicherte Inhalte abrufen können. Welche Daten vom
Kunden des Systems eingegeben werden, entzieht sich der Kenntnis des
Anbieters, da vom Kunden keinerlei zutreffende Qualifikation der Dateien erfolgen
muss. Denn es bleibt dem Nutzer überlassen, welchen Titel er seiner Datei gibt, in
welchem Format sie gespeichert wird und wem er sie durch Weitergabe des Links
wieder zugänglich macht. Die Antragsgegnerin selbst hat keinen freien Zugriff und
keine generelle Einsichtnahmemöglichkeit in die bei ihm gespeicherten Dateien
(Willmer, NJW 2008, 1845).
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Das bloße "Zulassen" eines Verhaltens Dritter, dessen Merkmale im Antrag im
Übrigen nicht mehr bestimmt werden, kann der Antragsgegnerin nicht untersagt
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werden.
Im Übrigen soll es - nach dem Unterlassungsantrag - verboten sein, Filmdateien
mit einem Dateinamen, welcher den Titel des Films enthält, auf den Servern der
Antragsgegnerin zu speichern. Der Kernvorwurf bei den hier
streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen liegt aber nicht darin, dass
Filmtitel als solche gespeichert werden. Der Titel des Films ist als solcher kein
Gegenstand des Urheberrechts und damit auch als Name einer Datei rechtmäßig
speicherbar. Ein Wortfilter funktioniert im übrigen nur bei Dateien, bei denen schon
im Dateinamen Hinweise auf einen urheberrechtlich geschützten Inhalt existieren.
Hier erweisen sich die streitgegenständlichen Filmtitel als im wesentlich zu banal
und damit ungeeignet für eine Wortfilterung. "The Fall" ist der englische Ausdruck
für den Herbst, für einen Wasserfall oder allgemein einen Sturz. Der Begriff
entspricht dem englischen Titel einer Novelle von Albert Camus ebenso wie Titel
zahlreicher Musikstücke, wie ein Blick in das Internet-Lexikon Wikipedia zeigt.
"Insomnia" ist der englische Begriff für "Schlaflosigkeit", der Titel zahlreicher
Musikstücke und eines weiteres Remake-Films aus den USA. Ähnlich generisch
sind Titel wie "Unter der Sonne Australiens" oder "An American Crime".
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Gerade geschütztes Material wird ferner oft unter "falschem" Namen eingestellt, um
die Wortfilter zu umgehen (so ausführlich Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom
2.Juli 2008 – 5U 73/07, NJOZ 2008, 4927 = GRUR-RR 2009, 95; Urteil vom
30.09.2009 - 5 U 111/08, MMR 2010, 51 = WRP 2010, 155). Dazu kommt, dass ein
Textfilter auch mit ausreichend vielen Schlüsselwörtern versehen sein muss, damit
möglichst viele geschützte Werke erkannt werden können. Eine fehlerhafte
Erkennung kann übrigens auch dann stattfinden, wenn eine nicht-urheberrechtlich
geschützte Datei ein oder mehrere Schlüsselworte des Filters enthält.
Beispielsweise könnte die Datei "Mein_Office_2007_Erfahrungsbericht.txt"
aufgrund der Schlüsselwörter "Office" und "2007" als geschütztes Material erkannt
und gelöscht werden, obwohl nur ein persönlicher Erfahrungsbericht vorläge (
Breyer, MMR 2009, 14.) Daher schränkt die Sperrung ganzer Begriffe auch die
Meinungsfreiheit unangemessen ein. Der Text-Filter für Dateinamen ist also für
einen effektiven Ausschluss von geschütztem Material ungeeignet.
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Eine Sperrung bestimmter Dateinamen erscheint ungeeignet. Denn Dateinamen
sind jederzeit veränderbar. Aus diesem Grund scheidet auch eine Sperrung aller
Dateinamen, die bestimmte Begriffe enthalten, aus. Im Übrigen sind die Nutzer
selbst nicht auf den Dateinamen zum Auffinden der gesuchten Datei angewiesen,
da sie die Datei über einen externen Link abrufen, welcher auf einer anderen
Internetseite mit dem entsprechenden Begriff versehen und dadurch auffindbar ist.
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Die Forderung nach einer menschlichen, gezielten Überprüfung von Inhalten, bei
denen eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit für Rechtverletzungen besteht, lässt
sich wegen des damit verbundenen Personalaufwands in der Praxis regelmäßig
nicht realisieren. Sie führt lediglich dazu, dass die zu prüfenden Dateien oder
Nutzerkonten ohne menschliche Überprüfung automatisiert gelöscht werden. Als
Anknüpfungspunkt dienen nur bestimmte Schlüsselwörter im Dateinamen.
Angesichts der Vielzahl der Dateien und der Mehrdeutigkeit der einzelnen Begriffe,
sowie der leichten Umgehbarkeit steht eine manuelle Überprüfung nicht im
Verhältnis zum Erfolg.
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Eine Anknüpfung an IP-Adressen ist abzulehnen, da eine IP-Adresse regelmäßig
von so vielen verschiedenen Personen genutzt wird, dass die Wahrscheinlichkeit,
eine weitere Rechtsverletzung festzustellen, unverhältnismäßig gering ist. Aus
diesem Grund ist auch eine Sperrung von IP-Adressen nicht wirkungsvoll.
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Zu beachten ist, daß man im Internet einer Filmdatei nicht ansehen kann, daß sie
eine Filmdatei ist. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert, daß für ihn die Verwendung
einer Endkennung ".rar" ein wichtiges Indiz für eine Filmdatei sei. Dies ist
unzutreffend. RAR ist ein allgemeines Dateiformat zur Datenkompression, um den
Speicherbedarf von Dateien für die Archivierung und Übertragung zu verringern.
Mit Filmdateien hat das unmittelbar nichts zu tun.
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Wie Gerhard Schneider aus technischer Sicht beschrieben hat (Schneider: Sperren
und Filtern im Internet, MMR 2004, 18 ff.), kann selbst der Betreiber eines Rechners
(z.B. ein Content-Provider) nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, welche
Information sich hinter einer Bitfolge verbirgt, die ein Benutzer auf diesem Rechner
abgelegt hat. Dies gilt selbst dann, wenn man filmspezifische Suffixe verwendet
(wie zB .mov, .avi, .mpeg, .divx). So kann in Microsoft-Betriebssystemen
problemlos durch den Benutzer eingestellt werden, dass .jpg-Dateien mit dem
ASCII-Editor, .txt-Dateien jedoch mit einer Bildbetrachtungssoftware zu öffnen sind.
Es besteht für den Nutzer folglich kein Zwang, überhaupt ein Suffix zu benutzen,
oder sich an diese Bequemlichkeitsstandards zu halten.
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Ferner ist auch eine inhaltliche Kontrolle der auf den Servern der Antragsgegnerin
gespeicherten Daten in der Regel ausgeschlossen. Urheberrechtlich geschützte
Inhalte werden von Nutzern vor dem Upload meist verschlüsselt, so dass der Inhalt
für den Serverbetreiber ohne den Schlüssel nicht mehr erkennbar ist. Wie in der
Literatur beschrieben, sind Daten, die mit modernen Verschlüsselungsprogramme
verschlüsselt wurden, mit heutigen Entschlüsselungstechniken nicht zu "knacken"
(Gercke: Die Bekämpfung der Internetkriminalität als Herausforderung für die
Strafverfolgungsbehörden, MMR 2008, 291 ff,).
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2. Über die Einschränkung des Antragsteils b) verliert der Unterlassungsantrag
weiter an Zumutbarkeit. Auch die Variante b) des Unterlassungsantrags ist zu
unbestimmt. Hiernach soll unterbunden werden, dass die Antragsgegnerin eine
Suchanfrage in verschiedenen Linksammlungen ermögliche. Diese
Linksammlungen haben aber nichts mit der Antragsgegnerin zu tun, sondern sind
externe, auch sachlich selbständig organisierte Dienstleistungen. Insofern ist es
der Antragsgegnerin unmöglich, die externen Linksammlungen und deren
Konfiguration zu beeinflussen. Pflichten eines Sharehosters fremde Inhalte auf
Rechtsverletzungen zu überprüfen, Inhalte zu durchsuchen oder sonst vorsätzliche
Rechtsverletzungen Dritter, von denen der Anbieter keine positive Kenntnis hat,
scheiden aus (Breyer, MMR 2009, 14, 19.) Die Links zu den von der
Antragstellerin genannten Filmdateien auf den Servern der Antragsgegnerin
werden in der Regel über sogenannte Linksammlungen oder Link-Resourcen
verbreitet. Ohne eine Geschäftsbeziehung zwischen Sharehoster und den
Linkservern , bei denen der Sharehoster an den Erfolgen Letzterer beteiligt ist,
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kann eine manuelle Suche nicht verlangt werden (Willmer, NJW 2008, 1845). Das
Oberlandesgericht Köln stellte aber bereits fest (Urteil vom 21.09.2007 - MMR
2007, 786), dass die regelmäßige Kontrolle einer dreistelligen Zahl von Link-
Resourcen im Internet die einem Dienstanbieter zumutbaren
Überprüfungsmöglichkeiten übersteigt. Lediglich für eine kleine Anzahl
einschlägiger Link-Resourcen sei es zumutbar, eine Überprüfung bezüglich
genannter Werke durchzuführen.
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3. Ähnliches gilt für den Antragsteil c), wo es um den Verantwortlichkeitsbereich im
Hinblick auf die Eingabe des Filmtitels in die Suchmaschine Google geht. Letztlich
kann der Antragsgegnerin nur verboten werden, dass Nutzer des Dienstes der
Antragsgegnerin das streitgegenständliche Filmmaterial auf deren Servern
speichern. Allerdings kommt man dann in weitere Schwierigkeiten, da das
Abspeichern von Filmmaterial durch die Nutzer der streitgegenständlichen Dienste
durchaus den Bereich der Privatkopierfreiheit berühren kann. Nach § 53 Absatz 1
Urheberrechtsgesetz ist es niemandem verwehrt, einer rechtmäßig erworbenen
Filmkopie auf externen Servern zu privaten Zwecken zu speichern. Er darf dann
aber seinerseits nicht den entsprechenden "Standort" in der Öffentlichkeit
preisgeben. Diese Entscheidung wird aber seinerseits nicht von der
Antragsgegnerin beeinflusst oder gesteuert.
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Die Kosten des Verfahrensstreits sind der Antragstellerin gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO
aufzuerlegen. Gegen Berufungsurteile im einstweiligen Rechtsschutz findet gemäß 542
Abs. 2 ZPO eine Revision nicht statt. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist
mithin nicht veranlasst.
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