Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.03.2007

OLG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, persönliche anhörung, hauptsache, rechtliches gehör, rechtsschutz, verfügung, gewerbesteuer, billigkeit, interessenabwägung, bestandteil

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-3 Kart 466/06 (V)
Datum:
29.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-3 Kart 466/06 (V)
Normen:
§ 76 Abs. 3 EnWG
Leitsätze:
1. Hat die Regulierungsbehörde einem Antrag auf Entgelte für den
Netzzugang gemäß § 23 a Abs. 3 EnWG nur teilweise entsprochen und
verfolgt der Antragsteller die Genehmigung eines höheren Entgeltes mit
der Beschwerde weiter, richtet sich der Eilrechtsschutz nach § 76 Abs. 3
S. 1 i.V.m. § 72 EnWG.
2. Bei den Voraussetzungen einer Anordnung nach § 76 Abs. 3 S. 1
EnWG liegt es nahe, auf die zu § 123 VwGO entwickelten Grundsätze
zurückzugreifen. Der Antragsteller muss im Rahmen der speziellen
Gesetzeswertungen des EnWG einen Anordnungsanspruch und einen
Anordnungsgrund glaubhaft machen.
Beschl. vom 29.03.2007, Az. VI - 3 Kart 466/06 (V)
Tenor:
Die Anträge der Antragstellerin vom 29.12.2006, die aufschiebende
Wirkung ihrer Beschwerde vom 6.12.2006 gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 03.11.2006 (BK 9-06/160) anzuordnen und die
Netzentgelte aus dem Preisblatt des Antrags vom 30.01.2006 bis zu
einer Entscheidung in der Hauptsache zu genehmigen, werden
zurückgewiesen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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A)
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Die Antragstellerin, ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, betreibt ein
Gasverteilernetz der Druckstufen Hoch-, Mittel- und Niederdruck in M. und Umgebung.
Mit Schreiben vom 30.1.2006 beantragte sie die Genehmigung von Entgelten für den
Netzzugang gemäß § 23 a EnWG zum 1.8.2006, jedoch nicht früher als mit einer Frist
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von 6 Wochen zum Monatsende nach Zustellung des Genehmigungsbescheids.
Mit Bescheid vom 3.11.2006, der Antragstellerin zugegangen am 8.11.2006, hat die
Antragsgegnerin Entgelte befristet bis zum 31.3.2008 genehmigt, dabei jedoch Kosten
in Höhe von ..... € nicht anerkannt. Gegen den Bescheid wendet sich die Antragstellerin
mit ihrer am 6.12.2006 beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingereichten Beschwerde.
Daneben begehrt sie einstweiligen Rechtsschutz mit den Anträgen,
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1. die aufschiebende Wirkung des angefochtenen Beschlusses anzuordnen,
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2. ihr im Wege der vorläufigen Anordnung zu genehmigen, bis zur Entscheidung in
der Hauptsache die beantragten Entgelte aus dem Preisblatt des Antrags auf
Genehmigung der Netzzugangsentgelte vom 30.1.2006 zu erheben.
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Sie trägt vor: Die Eilanträge seien nach § 77 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 4 EnWG sowie §
76 Abs. 3 i.V.m. § 72 EnWG zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid leide
an Begründungsmängeln. Zudem sei sie nicht genügend angehört worden. Ein
persönlicher Erörterungstermin sei ihr zu Unrecht verweigert worden. Eine Heilung der
Verfahrensfehler sei nicht möglich. Der Genehmigungsbescheid sei in der Sache
offensichtlich rechtswidrig. Gesicherte Erkenntnisse über das Planjahr seien zu Unrecht
nicht anerkannt worden. Die kalkulatorische Bewertung des Sachanlagevermögens sei
unzutreffend. Auch die angesetzten Abschreibungen seien zu beanstanden. Die
kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung sei fehlerhaft errechnet worden, namentlich in
Bezug auf das betriebsnotwendige Eigenkapital, das Umlaufvermögen, das
Vorratsvermögens sowie das Abzugskapital. Zu rügen sei auch der Ansatz der
kalkulatorischen Gewerbesteuer. Dauerschuldzinsen seien zu Unrecht nicht
berücksichtigt worden. Der Abzug der Gewerbesteuer bei sich selbst sei fehlerhaft
erfolgt. Der Anordnungsanspruch folge aus § 23 a Abs. 1 EnWG. Ihr stehe auch ein
Anordnungsgrund zur Seite. Ihr sei nicht zuzumuten, bis zum Ende des
Beschwerdeverfahrens nur die genehmigten Entgelte zu erheben. Eine Vorwegnahme
der Hauptsache liege nicht vor. Die Entscheidung nach § 76 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 72
EnWG habe keinen endgültigen Charakter. Jedenfalls wäre die Vorwegnahme der
Hauptsache hier zulässig. Ihr drohten nicht mehr ausgleichbare finanzielle Verluste in
einer Größenordnung von mehren Millionen Euro.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Anträge zurückzuweisen.
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Sie trägt vor: Das Genehmigungsverfahren genüge den gesetzlichen Anforderungen.
Ein Erörterungstermin habe nicht durchgeführt werden müssen. Ein Verstoß gegen die
Begründungspflicht liege nicht vor. Zudem hätten die vermeintlichen
Verfahrensverstöße die Entscheidung nicht beeinflusst. Die Rügen gegen die
Entgeltfestsetzung seien unbegründet. Weder bestehe ein Anordnungsanspruch, noch
ein Anordnungsgrund. Die begehrte vorläufige Genehmigung sei nicht erforderlich, um
schwere oder zumindest wesentliche Nachteile abzuwenden. Auch würde sie zu einer
Vorwegnahme der Hauptsache führen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf die angefochtene Verfügung nebst deren Anlagen und die
Verfahrensakte der Antragsgegnerin verwiesen.
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B)
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Die Anträge der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bleiben
ohne Erfolg. Der Eilrechtsschutz gemäß § 77 Abs. 3 S. 4 EnWG ist nicht eröffnet. Die
Voraussetzungen einer Anordnung gemäß § 76 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 72 EnWG liegen
nicht vor. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
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I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die
Entgeltgenehmigung gemäß dem Bescheid vom 3.11.2006 ist nicht statthaft. Nach § 77
Abs. 3 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 4 EnWG kann das Beschwerdegericht auf Antrag die
aufschiebende Wirkung der Beschwerde ganz oder teilweise anordnen, wenn die
Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 oder 3 erfüllt sind. Als ungeschriebene
Voraussetzung ist hierfür eine "Anfechtungslage" zu fordern. Das Hauptbegehren des
Antragstellers muss sich auf die Beseitigung eines Verwaltungsakts richten. Dies ist hier
nicht der Fall. Die Antragstellerin begehrt zwar auch die Aufhebung der bisherigen
Genehmigung. Ihr eigentliches Ziel ist jedoch die Verpflichtung der Antragsgegnerin
zum Erlass eines neuen Bescheids in Höhe der beantragten Netzentgelte.
Dementsprechend hat sie in der Hauptsache eine Verpflichtungsbeschwerde auf
Neubescheidung erhoben.
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Allerdings ist der Antragstellerin zuzugeben, dass § 77 EnwG anders als § 75 Abs. 1, 3
EnWG nicht zwischen Anfechtungs- und einer Verpflichtungslagen unterscheidet. Indes
folgt daraus nicht, dass sich der Eilrechtsschutz in beiden Fällen nach § 77 Abs. 3 S. 4
EnWG bemisst. Das EnWG sieht in § 76 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 72 die Befugnis des
Beschwerdegerichts vor, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Anordnungen zu
treffen. Dies entspricht der Befugnis des Gerichts nach § 123 Abs. 1 VwGO, eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand oder ein streitiges
Rechtsverhältnis zu treffen. Die Übertragung der hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze
auf das EnWG liegt daher nahe. Wie in § 123 Abs. 5 VwGO, wonach die einstweilige
Anordnung nicht für die (Anfechtungs-) Fälle des § 80 VwGO gilt, gibt es in § 76 Abs. 3
S. 2 EnWG eine ausdrückliche Abgrenzung zu den Fällen des § 77 EnWG. Auch dies
stützt den Schluss, dass in Verpflichtungsfällen der Rechtsschutz nur nach § 76 Abs. 3
S. 1 EnWG eröffnet ist (offen lassend: OLG Bamberg, Beschl. v. 21.2.2007, VA 5/06
(Kart); a.A.: OLG München Beschl. v. 22.2.2007, Kart 2/06, Seite 5 des Umdrucks).
Gegen eine vorläufige Entgeltgenehmigung bestehen keine grundsätzlichen Bedenken;
sie ist nach § 23 a Abs. 5 S. 2 EnWG sogar vorgesehen, wenn der Netzbetreiber den
Genehmigungsantrag nicht fristgerecht eingereicht hat (vgl. hierzu Kleinlein/von
Hammerstein, N@R 2007, 7 ff, 10).
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II. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen einer Anordnung gemäß § 76 Abs. 3
S. 1 i.V.m. § 72 EnWG nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht
glaubhaft gemacht.
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Auch bei den Voraussetzungen einer Anordnung nach § 76 Abs. 3 S. 1 EnWG liegt es
nahe, auf die zu § 123 VwGO entwickelten Grundsätze zurückzugreifen (vgl.
Säcker/Schönborn/Wolf, NVwZ 2006, 865). Dem Antragsteller muss ein
Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zustehen. In diesem Rahmen gelten
die speziellen Gesetzeswertungen des EnWG. Soweit im Bereich der
Entgeltregulierung nach dem Telekommunikationsgesetz auf das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes verzichtet wird (§ 35 Abs. 5 S. 2 TKG), handelt es sich um eine
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nicht verallgemeinerungsfähige Besonderheit des Telekommunikationsrechts (a. A.:
Kleinlein/von Hammerstein a.a.O. S. 10). Beim Anordnungsanspruch ist ferner zu
berücksichtigen, dass das EnWG nach § 77 Abs. 3 Nr. 2 einstweiligen Rechtsschutz in
Anfechtungsfällen nur bewilligt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Verfügung bestehen. Dafür genügt nicht, dass die Rechtslage offen ist;
vielmehr müssen die Rechtswidrigkeit der Verfügung und die dadurch bedingte
Betroffenheit des Antragstellers überwiegend wahrscheinlich sein (vgl. OLG München
a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.; Senat, Beschl. v. 21.7.2006, VI-3 Kart 289/06 (V), ZNER
2006, 258; Beschl. v. 20.3.2006, VI-3 Kart 150/06, RdE 2006, 162, 163). Es ist kein
Grund ersichtlich, beim Eilrechtsschutz nach § 76 Abs. 3 S. EnWG einen milderen
Maßstab anzulegen. Der Netzbetreiber muss daher mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit glaubhaft machen, dass ihm in der Hauptsache ein höheres
Netzentgelt genehmigt werden wird. Soweit er mit seinem Antrag die Vorwegnahme der
Hauptsache begehrt, widerspricht ein solches Rechtsschutzziel allerdings grundsätzlich
der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes und bedarf daher einer besonderen
Rechtfertigung. Etwas anderes muss indes im Hinblick auf das Gebot effektiven
Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gelten, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz
schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren
nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage
wäre (vgl. BVerfGE 46, 166, 179; 79; 69, 74; BVerwG, Beschluss vom 21.3.1997, Az. 11
VR 3/97).
Daran gemessen liegt ein Anordnungsgrund im Streitfall nicht vor. Die beantragte
vorläufige Entgeltgenehmigung würde die Hauptsache faktisch vorwegnehmen. Hierfür
steht der Antragstellerin ein Rechtfertigungsgrund nicht zu. Zwar macht sie geltend,
wegen der sofortigen Vollziehbarkeit des Genehmigungsbescheides mit einem
Kürzungsvolumen von insgesamt ..... € der geltend gemachten Jahreskosten bis zu
einer Hauptsacheentscheidung mit ganz erheblichen, nicht mehr ausgleichbaren
finanziellen Verlusten belastet zu sein. Auch ist für die Annahme des
Anordnungsgrundes nicht zu fordern, dass der Netzbetreiber ohne den vorläufigen
Rechtsschutz in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet ist. Vielmehr genügt es, wenn
ihm erhebliche unwiederbringliche, auch finanzielle Nachteile drohen (vgl. für eine
Genehmigung nach der BTOElt: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v.
18.8.2006, 22 CE 06.2601, S. 6 des Umdrucks - entgegen VG Gießen, Beschl. v.
13.2.2006, Az. 10 G 115/06; für § 123 VwGO: OVG NW, Beschl. v. 19.6.2002, 21 B
589/02, NVwZ-RR 2003, 800; Senat, Beschl. v. 22.11.2006, VI-3 Kart 455/06 (V), S. 5).
Solch schwere Nachteile sind hier jedoch nicht ersichtlich. Welches Gewicht die
behaupteten Einbußen für ihr Unternehmen hat, stellt die Antragstellerin nicht
nachvollziehbar dar. Insoweit bleibt für die Betrachtung nur der absolute Betrag. Dabei
fällt ins Gewicht, dass 61 % der gekürzten Kosten auf Plankosten entfallen, die - sollten
sich die Kürzungen als unzutreffend erweisen - als Ist-Kosten im Folgejahr geltend
gemacht werden könnten. Dies mindert die wirtschaftlichen Folgen der gerügten
Kürzungen erheblich. Auch kann ein Netzbetreiber zur Abwendung unwiederbringlicher
Nachteile die Nachzahlung der später rechts- bzw. bestandskräftigen Entgelte mit den
Netznutzern vereinbaren (vgl. zur Nachzahlungsklausel Senat, Beschl. v. 30.8.2006, VI-
3 Kart 295/06 (V)). Privatrechtliche Rechtsgeschäfte, die einer behördlichen
Genehmigung bedürfen, werden mit der Erteilung der Genehmigung rückwirkend
wirksam (vgl. BVerwGE 120, 54, Urt. v. 21.1.2004, 6 C 1.03; Palandt-Heinrichs, BGB,
64. Aufl., Einf. vor §§ 182, 183 Rn. 6). Auch die Entgeltgenehmigung nach § 23 a EnWG
ist rückwirkungsfähig (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.11.2006, 205 EnWG 1/06, S. 11 ff
des Umdrucks). Zwar kommt ihr eine unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung nicht zu, da
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sie nur ein Höchstentgelt zum Gegenstand hat (vgl. Senat, Beschl. vom 2.11.2006, VI-3
Kart 165/06 (V)). Diese weniger einschneidende Rechtswirkung spricht indes umso
mehr dafür, ihr auch eine Rückwirkungsfähigkeit zuzubilligen. Der gegenüber
Nachzahlungsklauseln der Netzbetreiber erhobene Einwand, diese würden den
Netznutzer dem Risiko aussetzen, dass sich seine Kalkulation im Fall der
nachträglichen Genehmigung höherer Netznutzungsentgelte als unrichtig erweist und
die von ihm vereinbarten Endkundenpreise nicht ausreichten, um die
Vorleistungskosten zu decken, steht ihrer Zulässigkeit nicht durchgreifend entgegen.
Aufgrund der ex-ante-Entgeltregulierung gelangen die Netznutzer in den Genuss
regulierter Vorleistungspreise. Dass Netzbetreiber gegen die Kürzungen der
Regulierungsbehörde Rechtsmittel erheben und höhere Genehmigungen erstreiten, ist
in einer ex-ante-Regulierung angelegt und daher ein für alle Marktteilnehmer gleich
vorhersehbares Geschehen. Angesichts der Vorzüge regulierter (und damit niedrigerer)
Vorleistungspreise erscheint es für die Netznutzer hinnehmbar, für etwaige
Nachzahlungen Rückstellungen zu bilden und Abschätzungen bei der Kalkulation
vorzunehmen. Das Abschätzen unbekannter, nicht beeinflussbarer Kalkulationsfaktoren
ist typischer Bestandteil unternehmerischer Tätigkeit. Umgekehrt widerspricht es nicht
der Billigkeit, wenn Netznutzer im Ergebnis die rechtlich zulässigen Entgelte zahlen.
Auch sonst ergibt die Interessenabwägung nicht, dass dem privaten
Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse
der Vorrang einzuräumen ist. Bei der Abwägung im Einzelfall ist ein Seitenblick auf die
Rechtslage zu werfen. Je wahrscheinlicher die Genehmigung eines höheren
Netzentgeltes ist, umso größeres Gewicht kommt dem Anordnungsinteresse des
Netzbetreibers zu. An dem Fortbestand einer offensichtlich rechtsfehlerhaften
Regulierung kann die Allgemeinheit kein Interesse haben. Im vorliegenden Fall ist
jedoch nicht feststellbar, dass die Entscheidung der Beschwerdegegnerin evident
rechtswidrig ist und ein höheres Entgelt zu genehmigen sein wird. Die von der
Antragstellerin gerügten Verfahrensfehler greifen nicht durch. Nachdem die
Antragsgegnerin mit Schreiben vom 21.2.2006 (Anlage Ast 5) den Eingang des Antrags
bestätigt hatte, forderte sie die Antragstellerin mit Schreiben vom 9.3.2006 zur
Ergänzung. Dem kam die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.3.2006 (Ast 7) nach. Mit
Schreiben vom 14.6.2006 (Ast 8) informierte die Antragsgegnerin über den Stand ihrer
Ermittlungen und gab der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu
angekündigten Kürzungen. Die Antragstellerin antwortete mit Schreiben vom 21.7.2006
(Ast 9). Mit Schreiben vom 17.8.2006 (Ast 25) lehnte die Antragsgegnerin die
Durchführung eines Erörterungstermins ab. Mit Schreiben vom 29.9.2006 (Anlage Ast
26) teilte sie der Antragstellerin mit, dass sie nur Kosten in Höhe von ..... € anerkennen
werde. Gleichzeitig forderte sie die Antragstellerin auf, ein entsprechendes Preisblatt
nebst Verprobungsrechnung und Aufteilung des anerkennungsfähigen
Netzkostenblocks auf die einzelnen Hauptkostenstellen mitzuteilen. Mit Schreiben vom
11.10.2006 (Anlage Ast 26) kam die Antragstellerin der Aufforderung nach. Ihrer
erneuten Bitte vom 25.10.2006 um einen Erörterungstermin entsprach die
Antragsgegnerin wiederum nicht, sondern gab ihr Gelegenheit, bis zum 26.10.2006
(12.00 Uhr) zu den Plankosten ergänzend vorzutragen und ihren Standpunkt am selben
Tag in einer Telefonkonferenz zu begründen. Dieser Verfahrensablauf zeigt, dass der
Antragstellerin umfassend rechtliches Gehör gewährt worden. Einen darüber
hinausgehenden Anspruch auf eine persönliche Anhörung hatte sie nicht. Sie zeigt
auch nicht auf, was eine persönliche Anhörung an dem Verfahrensergebnis geändert
hätte. Die Antragsgegnerin verteidigt ihre Kürzungen auch noch in der
Beschwerdeinstanz. Was die von der Antragstellerin aufgeworfenen materiellen
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Streitpunkte angeht, sind die von der Antragsgegnerin eingenommenen Auffassungen
zumindest vertretbar, jedenfalls aber nicht evident rechtswidrig. Eine gefestigte
Rechtssprechung zur Entgeltregulierung nach § 23 a EnWG besteht noch nicht.
Insgesamt ist daher nicht veranlasst, das allgemeine Interesse an einer möglichst
zügigen Durchführung der Regulierung wegen greifbarer Rechtsfehler zurücktreten zu
lassen.
C)
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil das Rechtsmittel nicht statthaft ist.
Gemäß § 86 Abs. 1 EnWG ist nur gegen die in der Hauptsache erlassenen Beschlüsse
des Oberlandesgerichts die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof eröffnet. Das
Anordnungsverfahren gemäß § 76 Abs. 3 S. 1 EnWG ist keine Hauptsache im Sinne
des Gesetzes, sondern ein Hilfsverfahren im Rahmen des Beschwerderechtszugs.
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Laubenstein van Rossum Winterscheidt
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