Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.10.2004
OLG Düsseldorf: öffentliche gewalt, beiladung, öffentliches recht, fusion, unternehmenszusammenschluss, verfügung, rechtfertigung, rechtsweggarantie, beschwerdeinstanz, anfechtung
Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 3/04 (V)
Datum:
07.10.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 3/04 (V)
Tenor:
I. Die - auf Aufhebung der Verfügung des Bundeskartellamts vom 23.
Dezember 2003 gerichtete - sofortige Beschwerde der Antragstellerin
wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfah-rens
einschließlich der notwendigen Auslagen zu tragen, die dem
Bundeskartellamt und den Beteiligten zu 1. und zu 4. in der
Beschwerdeinstanz entstanden sind.
III. Der Beschwerdewert wird vorläufig auf 250.000 EUR festge-setzt.
G r ü n d e
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I.
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Mit (Telefax-)Schreiben vom 9. Dezember 2003 haben die Beteiligten zu 1. bis zu 3.
dem Bundeskartellamt ein näher bezeichnetes Zusammenschlussvorhaben angezeigt.
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Die Antragstellerin hat unter dem 19. Dezember 2003 ihre Beiladung zu jenem
Fusionskontrollverfahren begehrt.
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Am 23. Dezember 2003 hat das Bundeskartellamt im Vorprüfverfahren nach § 40 Abs. 1
GWB beschlossen, den angemeldeten Unternehmenszusammenschluss nicht zu
untersagen. Es hat angenommen, dass der Unternehmenszusammenschluss zwar zur
Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führe, diese wettbewerbsschädlichen
Wirkungen indes durch eine fusionsbedingt zu erwartende Verbesserung der
Wettbewerbsverhältnisse auf anderen Märkten überwogen werden. Seine Entscheidung
hat das Bundeskartellamt den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mit
Telefax vom selben Tag (Anlage zur Beschwerdeschrift, GA 8 f.) mitgeteilt. In dem
Schreiben heißt es dazu:
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"... das angemeldete Zusammenschlussvorhaben erfüllt nicht die
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Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB. Es kann vollzogen
werden. Der Vollzug ist dem Bundeskartellamt unverzüglich anzuzeigen (§ 39
Abs. 6 GWB)."
Zugleich hat das Bundeskartellamt auch die Antragstellerin entsprechend unterrichtet
und ihr die Gründe seiner Entscheidung erläutert.
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Mit Beschluss vom 8. Januar 2004 (Anlage BF 13, GA 21 ff.) hat das Bundeskartellamt
den Beiladungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass das Fusionskontrollverfahren mit der Freigabeentscheidung vom 23.
Dezember 2003 innerhalb der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB abgeschlossen
worden und die Beiladung zu einem bereits beendeten kartellbehördlichen Verfahren
nicht möglich sei. Hilfsweise hat es sein Entscheidungsermessen nach § 54 Abs. 2 Nr. 3
GWB dahin ausgeübt, dass von einer Beiladung der Antragstellerin abgesehen werde.
Zur Rechtfertigung hat das Bundeskartellamt darauf hingewiesen, dass es die von dem
beabsichtigten Zusammenschluss ausgehenden wettbewerblichen Auswirkungen
anhand der in Vorgesprächen mit den fusionswilligen Unternehmen erhaltenen
Informationen und ihren eigenen umfangreichen Erfahrungen aus anderen
Fusionskontrollverfahren auf dem in Rede stehenden Markt aus eigener Sachkunde
beurteilen könne und dass eine Beiladung der Antragstellerin keinen zusätzlichen
Erkenntnisgewinn erwarten lasse.
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Die Antragstellerin hat sich mit der Beschwerde sowohl gegen die Ablehnung ihres
Beiladungsgesuchs als auch gegen die Freigabeverfügung des Bundeskartellamts vom
23. Dezember 2003 gewandt. Zur Rechtfertigung ihrer (beiden) Rechtsmittel hat sie im
Wesentlichen geltend gemacht:
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Das Fusionskontrollverfahren sei nicht mit der Freigabeentscheidung vom 23.
Dezember 2003 beendet gewesen. Das Bundeskartellamt habe das
Zusammenschlussvorhaben zu Unrecht im Vorprüfverfahren nach § 40 Abs. 1 GWB
freigegeben. Nach der gesetzlichen Konzeption diene das Vorprüfverfahren lediglich
der Erledigung einfach gelagerter und wettbewerbsrechtlich offensichtlich
unbedenklicher Zusammenschlüsse. Um einen derartigen Fall gehe es vorliegend indes
nicht. Auch nach der Einschätzung des Bundeskartellamts rechtfertige sich die Freigabe
der in Rede stehenden Fusion ausschließlich auf der Grundlage der - tendenziell
schwierigen - Abwägung zwischen der Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung des erwerbenden Unternehmens einerseits und einer fusionsbedingt zu
erwartenden Verbesserung von Wettbewerbsverhältnissen andererseits.
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Im Übrigen - so meint die Beschwerde - habe das Bundeskartellamt in Anbetracht der
Vorgespräche mit den Zusammenschlussbeteiligten der Sache nach auch ein
"Hauptprüfverfahren" durchgeführt. Jenes habe es nur formal als Vorprüfverfahren
deklariert, um sich die Freigabefiktion des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB zunutze zu machen.
Jedenfalls für einen solchen Fall sei mit Rücksicht auf die Rechtsweggarantie des Art.
19 Abs. 4 GG die Vorschrift des § 40 GWB verfassungskonform dahin auszulegen, dass
die im Rahmen eines Vorprüfverfahrens erfolgte Fusionsfreigabe angefochten und vom
Beschwerdegericht in entsprechender Anwendung der §§ 71 Abs. 2 Satz 1, 40 Abs. 6
GWB aufgehoben werden könne.
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Die Anfechtungsmöglichkeit einer Freigabe im Vorprüfverfahren ergebe sich überdies
aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung. Danach stehe dasjenige Rechtsmittel zur
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Verfügung, das eröffnet wäre, wenn die anzufechtende Entscheidung in der an sich
gebotenen, richtigen Form - hier: in der Form einer Freigabeverfügung im
Hauptprüfverfahren - ergangen wäre.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2004 (VI - Kart 4/04 (V)) hat der Senat die gegen die
Ablehnung ihres Beiladungsantrags gerichtete Beschwerde der Antragstellerin
zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen diese Entscheidung
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, über die - soweit ersichtlich - noch nicht
entschieden ist.
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In dem vorliegenden Verfahren steht noch das Rechtsmittel der Antragstellerin gegen
die Freigabeverfügung vom 23. Dezember 2003 zur Entscheidung.
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Die Antragstellerin beantragt insoweit,
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die Verfügung des Bundeskartellamts vom 23. Dezember 2003 aufzuheben.
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Der Antragsgegner sowie die Beteiligten zu 1. und zu 4. beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und treten den Ausführungen der
Antragstellerin im Einzelnen entgegen.
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II.
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Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Das Rechtsmittel ist zu verwerfen. Die Antragstellerin ist zur Einlegung der Beschwerde
schon nicht befugt. Das Rechtsmittel richtet sich darüber hinaus gegen eine gerichtlich
nicht anfechtbare Entscheidung der Kartellbehörde und ist auch aus diesem Grund
unstatthaft. Über die Unzulässigkeit der Beschwerde kann der Senat ohne mündliche
Verhandlung entscheiden (vgl. Senat, WuW/E DE-R 1291, 1292; Karsten Schmidt in
Immenga/ Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 69 Rn. 1 m.w.N.; Kollmorgen in Langen/Bunte,
Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Aufl., § 69 Rn. 2
m.w.N.). Der Anregung der Antragstellerin, das Beschwerdeverfahren bis zur
Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde in dem Verfahren VI - Kart 4/04 (V)
ruhen zu lassen, haben sowohl das Bundeskartellamt als auch die Beteiligten zu 1. und
zu 4. widersprochen. Der Senat ist ihr deshalb nicht gefolgt.
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A. Das Rechtsmittel ist schon mangels Beschwerdeberechtigung der Antragstellerin
unzulässig.
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1. Die Beschwerde gegen Verfügungen der Kartellbehörde steht gemäß § 63 Abs. 2
GWB denjenigen zu, die im Sinne von § 54 Abs. 2 und 3 GWB am Verfahren vor der
Kartellbehörde beteiligt sind. Unternehmen, deren wirtschaftliche Interessen durch die
kartellbehördliche Entscheidung berührt werden, gehören gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3
GWB nur dann zu den Beteiligten des kartellbehördlichen Verfahrens, wenn die
Kartellbehörde sie auf ihren Antrag hin zum Verfahren beigeladen hat. Ist eine
Beiladung nicht begehrt worden oder ist die Beiladung abgelehnt worden, steht dem
betreffenden Unternehmen ein Beschwerderecht nach § 63 Abs. 2 GWB nicht zu (vgl.
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Senat, a.a.O.; Karsten Schmidt in Immenga/Mest-mäcker, a.a.O. § 63 Rn. 21, 23;
Kollmorgen, a.a.O., § 63 Rn. 19, 20; Bechtold, Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen, 3. Aufl., § 63 Rn. 4; Kapp/Meßmer, WuW 9/2004 Seite
917, 918 m.w.N.).
2. Im Streitfall führt diese Rechtslage zur Unzulässigkeit der Beschwerde. Das
Bundeskartellamt hat eine Beiladung der Beschwerdeführerin abgelehnt; der Senat hat
die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin ist
folglich nicht Beteiligte des kartellbehördlichen Fusionskontrollverfahrens im Sinne von
§§ 63 Abs. 2, 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB und somit auch nicht beschwerdeberechtigt.
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Die Antragstellerin kann ihre Beschwerdebefugnis nicht ausnahmsweise aus Art. 19
Abs. 4 GG herleiten. Nach der genannten Vorschrift steht jedem, der durch die
öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist, der Rechtsweg offen. Zwar ist mit
Rücksicht auf diese verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsweggarantie derjenige, der
durch die kartellbehördliche Entscheidung in seinen Rechten verletzt wird, auch dann
beschwerdebefugt, wenn er nicht von der Kartellbehörde beigeladenen worden ist (vgl.
Senat, a.a.O.; Karsten Schmidt, a.a.O. § 63 Rn. 22, 23 m.w.N.; Kollmorgen, a.a.O. § 63
Rn. 20; Bechtold, a.a.O., § 63 Rn. 4; Kapp/Meßmer, a.a.O. Seite 919). Hierauf kann sich
die Antragstellerin indes nicht berufen. Durch die vom Bundeskartellamt freigegebene
Fusion wird sie nicht in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt. Ihr steht insbesondere
kein subjektives öffentliches Recht auf Untersagung des streitbefangenen
Unternehmenszusammenschlusses (vgl. dazu BGH, a.a.O.) zu. Betroffen sind vielmehr
nur ihre wirtschaftlichen Interessen als Konkurrentin der Zusammenschlussbeteiligten.
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B. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zudem deshalb unzulässig, weil die
angegriffene Fusion bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung kraft Gesetzes
unumkehrbar freigegeben war.
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Nachdem das Bundeskartellamt den Zusammenschlussbeteiligten nicht innerhalb eines
Monats nach Eingang der Fusionsanmeldung am 9. Dezember 2003 die Einleitung
eines Hauptprüfverfahrens mitgeteilt hat, ist der in Rede stehende
Unternehmenszusammenschluss kraft Gesetzes freigegeben und eine Untersagung der
Fusion nicht mehr möglich. Das hat der Senat bereits im Beschwerdeverfahren über
eine Beiladung der Antragstellerin (VI - Kart 4/04 (V)) mit Beschluss vom 30. Juni 2004
entschieden (vgl. auch den Senatsbeschluss in einem gleichgelagerten Fall: WuW/E
DE-R 1293, 1294 ff. - tv kofler). Er hat im Einzelnen dargelegt, dass eine Untersagung
des Zusammenschlusses verboten ist und die angemeldete Fusion kraft Gesetzes als
freigegeben gilt, wenn das Bundeskartellamt - wie vorliegend - den anmeldenden
Unternehmen nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der vollständigen Anmeldung
den Eintritt in das Hauptprüfverfahren des § 40 Abs. 2 GWB mitteilt. Der Senat hat in
diesem Zusammenhang auch entschieden, dass es für den Eintritt dieser
Rechtswirkungen ohne Bedeutung ist, ob das Bundeskartellamt zu Recht von der
Durchführung eines Hauptverfahrens abgesehen hat, und dass es ebenso wenig darauf
ankommt, ob das Bundeskartellamt bewusst, rechtmäßig oder rechtswidrig nicht tätig
geworden ist. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den genannten
Beschluss, an dem der Senat uneingeschränkt festhält, verwiesen.
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Im Entscheidungsfall ist die Freigabefiktion des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB mit Ablauf des
9. Januar 2004 eingetreten. Seither ist eine Untersagung des angemeldeten
Zusammenschlusses gesetzlich verboten und gilt die Fusion kraft Gesetzes als
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freigegeben. Hierdurch hat das kartellbehördliche Fusionskontrollverfahren sein
unumkehrbares Ende gefunden; zugleich ist damit eine gerichtliche Anfechtung der
Fusionsfreigabe ausgeschlossen.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB.
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Die Antragstellerin hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die
Gerichtskosten zu tragen sowie dem obsiegenden Bundeskartellamt die ihm in der
Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten (Satz 2). Ihr fallen
aus Gründen der Billigkeit zudem die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1.
und zu 4. zur Last, die einen eigenen (erfolgreichen) Sachantrag gestellt sowie sich
durch umfangreichen schriftsätzlichen Vortrag am Beschwerdebegehren beteiligt haben
(Satz 1).
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IV.
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Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 74 Abs. 2 GWB).
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Rechtsmittelbelehrung:
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Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann durch Nichtzulassungsbeschwerde
angefochten werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem
Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Die Frist beginnt mit
der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist
schriftlich zu begründen, und die Begründung ist entweder beim Oberlandesgericht
Düsseldorf oder bei dem Rechtsbeschwerdegericht, dem Bundesgerichtshof in
Karlsruhe, einzureichen. Die Frist für die Einreichung der Begründung beträgt einen
Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und kann auf
Antrag vom Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die
Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung
angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die
Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und die -begründung müssen durch einen bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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a. Dr. M.
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