Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.06.2008
OLG Düsseldorf: streitverkündung, verjährungsfrist, vernehmung von zeugen, zugehör, kontradiktorisches verfahren, anhörung, hauptsache, zustellung, gespräch, geschäftsführer
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-21 U 91/07
Datum:
24.06.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-21 U 91/07
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.05.2007 verkündete Urteil
der 7. Zi-vilkammer des Landgerichts Düsseldorf (7 O 05/06) wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufungsinstanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Die Klägerin nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht der I. GmbH auf
Schadensersatz als Gesamtschuldner wegen einer Pflichtverletzung aus dem
Anwaltsvertrag in Anspruch. Die I. GmbH, deren Geschäftsführer der Ehemann der
Klägerin, der Zeuge S., ist, hatte den Beklagten zu 1.) damit beauftragt, eine
Werklohnforderung gegen einen Herrn E. im Verfahren Landgericht Krefeld 4 O 398/00
einzuklagen. Nachdem das Landgericht der I. GmbH die Klageforderung zugesprochen
hatte, legte der Beklagte E. Berufung ein. Der Beklagte zu 2.) vertrat die
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Klägerin im Berufungsverfahren. Den Beklagten zu 1.) beauftragte die Klägerin als
Korrespondenzanwalt. Mit Urteil vom 12.04.2002 wies das Oberlandesgericht
Düsseldorf unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage ab (22 U 85/01).
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Zur Prozessgeschichte und zum Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug wird
gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des
angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat nach Durchführung einer
Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen durch Urteil vom 16.05.2007 die
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Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte
zu 2.) seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag dadurch verletzt habe, dass er die
Sachverhaltsaufklärung nachlässig betrieben und weitere Nachfragen beim Zeugen S.
unterlassen habe. Zwar habe der Zeuge S. ausgesagt, der Beklagte zu 2.) habe die von
ihm überreichten Unterlagen zu den von der Firma I. erbrachten Zusatzleistungen mit
ihm weder besprochen, geschweige denn auf deren Unzulänglichkeit hingewiesen. Er
sei aber durchaus in der Lage gewesen, zu den näheren Umständen der mündlichen
Beauftragung der Zusatzarbeiten jedenfalls bis zum 14.12.2001 Stellung zu nehmen.
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Der Aussage des Zeugen S. stünden aber die nicht minder glaubhaften Angaben des
Beklagten zu 2.) bei seiner persönlichen Anhörung entgegen, der erklärt habe, am
29.11.2002 habe eine persönliche Besprechung mit dem Zeugen S. stattgefunden.
Danach habe der Zeuge S. die Frage, ob er noch weitere Informationen liefern könne,
mit denen die Zusatzaufträge nach Ort, Zeit und Umständen konkretisiert werden
könnten, ausdrücklich verneint.
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Aufgrund des Umstandes, dass der Zeuge S. als Geschäftsführer der vormaligen
Mandantin wirtschaftlich eigentlich Partei des Rechtsstreits sei und nur durch den
Formalakt der Abtretung die Zeugenstellung erlangt habe, könne dessen Angaben, so
das
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Landgericht, nicht per se ein höheres Maß an Überzeugungskraft zugemessen werden
als den Angaben des Beklagten zu 2.) bei seiner persönlichen Anhörung. Darüber
hinaus spreche für die Richtigkeit der Bekundungen des Beklagten zu 2.) der im Termin
vorgelegte Gesprächsvermerk über das Gespräch am 29.11.2001. Damit sei die
Aussage des Zeugen S. in einem wesentlichen Punkt erschüttert, weil dieser bekundet
habe, dass die überreichten Unterlagen überhaupt nicht mehr besprochen worden
seien. Der Umstand, dass der vom Beklagten zu 2.) bekundete Inhalt der Besprechung
sich in dem Vermerk nur teilweise wiederfände, spreche nicht gegen die Glaubhaftigkeit
seiner Angaben. Eine solche Dokumentation habe sich, so das Landgericht, zwingend
nur dann angeboten, wenn der Vermerk vorausschauend für den Fall gefertigt worden
wäre, dass es später zu einer Auseinandersetzung über den Inhalt des Gespräches
komme. Das Gericht habe sich indes bei der persönlichen Anhörung des Beklagten zu
2.) einen Eindruck davon verschaffen können, dass eine solche generell absichernd,
misstrauische Grundhaltung nicht dessen Naturell entspreche.
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Die Aussage des Zeugen S. sei letztlich nicht ergiebig, weil der Zeuge zur Übergabe
der Unterlagen nur Angaben vom Hörensagen habe machen können, ohne diese im
übrigen zeitlich präzisieren zu können. Schließlich spreche auch der Umstand, dass der
Zeuge S. nunmehr in diesem Prozess mit Schriftsatz vom 04.12.2006 die
Konkretisierung und Zuordnung der Angaben in weiten Teilen habe herstellen können,
nicht für die höhere Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen S.. Der Zeuge habe
nämlich bei seiner Vernehmung ausdrücklich erklärt, er habe die Daten wegen des
Zeitdrucks nicht zusammenstellen können. Daher erscheine es nicht abwegig, dass er
zum damaligen Zeitpunkt dem Beklagten zu 2.) eine abschlägige Auskunft erteilt habe.
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Nach der unmissverständlich abschlägigen Antwort des Zeugen S. sei der Beklagte zu
2.) nicht verpflichtet gewesen, die Tagesberichte im einzelnen weiter durchzuarbeiten,
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weil er auf die Richtigkeit der Angaben seines in besonderem Maße informierten und
sachkundigen Mandanten habe vertrauen dürfen. Daher sei er auch nicht gehalten
gewesen, sich weitergehende Informationen aus den Anlagen aus einem
Parallelprozess zu erarbeiten. Im Hinblick auf die besondere Sachkunde seines
Mandanten könne dem Beklagten zu 2.) keine schuldhafte Verletzung seiner
Risikohinweis-
pflicht vorgeworfen werden. Dem Zeugen S. sei vollständig klar gewesen, was er
eigentlich an Informationen hätte liefern müssen, um die Auflagen des
Oberlandesgerichtes im Vorprozess zu erfüllen.
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Die Haftung des Beklagten zu 1.) scheide schon deshalb aus, weil dieser nach der
ausdrücklichen Bekundung des Zeugen S. von der Informationsweiterleitung an den
Beklagten zu 2.) ausgenommen worden sei. Damit treffe den Beklagten zu 1.) als
Korrespondenzanwalt ausnahmsweise keine Pflicht zur Mitwirkung bei der
Informationsaufbereitung und –weiterleitung an den Prozessanwalt. Wegen der
Einreichung einer unschlüssigen Klage hafte der Beklagte zu 1.) deshalb nicht, weil der
Zurechnungszusammenhang unterbrochen worden sei, nachdem nicht festgestellt
werden könne, dass die erforderliche Nachbesserung in der Berufungsinstanz an einer
Pflichtverletzung des Beklagten zu 2.) gescheitert sei.
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Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese
fristgerecht begründet.
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Die Klägerin ist der Auffassung, das Landgericht habe die zugrundeliegenden
Tatsachen fehlerhaft gewürdigt und geltendes Recht fehlerhaft angewandt.
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Sie vertritt die Ansicht, die Beklagten hätten bereits auf der Grundlage der ihnen
überreichten Unterlagen HA 1-11 , vor allem der Anlage HA 3, eine schlüssige Klage
erstellen können. Der jeweilige Sachverhalt ergebe sich unmittelbar aus der
umfangreichen Darstellung der Bauarbeiten, allenfalls wären kurze Nachfragen beim
Zeugen S. erforderlich gewesen. Dabei sei die Situation im Vorprozess besonders
günstig gewesen, weil sämtliche Beauftragungen, Ausführungen und
Abrechnungsvereinbarungen durch das Zeugnis des bauleitenden Architekten K. hätten
belegt werden können, was dem Beklagten zu 2.) ausweislich der – angeblichen -
Aktennotiz vom 29.11.2001 bekannt gewesen sei. Dem Beklagten zu 1.) sei die
Tätigkeit des Architekten K. ebenfalls bekannt gewesen, wie er selbst in der
Klageerwiderung ausführe.
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Das Landgericht gehe zudem fehlerhaft davon aus, dass der Zeuge S. in
ausreichendem Maße über die Risiken der Prozessführung aufgeklärt worden sei.
Schon der Umstand, dass die Aktennotiz vom 29.11.2001 keinen entsprechenden
Risikohinweis dokumentiere, zeige, dass tatsächlich kein solcher Hinweis erfolgt sei.
Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung durch das Landgericht insoweit fehlerhaft,
weil die Aussage des Zeugen S. nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Aus dem
Inhalt der Aussage ergebe sich eindeutig, dass der Zeuge S. seinem Sohn dem Zeugen
S. nichts über einen Risikohinweis des Beklagten zu 2.) mitgeteilt habe. Darüber hinaus
folge aus der Aussage eindeutig, dass die vom Beklagten zu 2.) behauptete
Besprechung am 29.11.2001 nicht stattgefunden habe.
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Soweit das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung ausführe, es sei vorstellbar,
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dass der Zeuge S. angesichts der Komplexität des Sachverhalts eine abschlägige
Auskunft erteilt habe, weil dieser die Daten wegen des Zeitdrucks nicht mehr habe
zusammenstellen können, verkenne das Eingangsgericht den Inhalt der
Zeugenaussage.
Die Aussage des Beklagten zu 2.) sei darüber hinaus schon deshalb nicht glaubhaft,
weil dieser bekundet habe, bei der Besprechung am 29.11.2001 die Anlagen HA 1-11
überflogen und den Zeugen S. nach weiteren Informationen hierzu befragt zu haben.
Angesichts des Umfangs der Anlagen sei es indes nicht denkbar, dass der Zeuge beim
Überfliegen der 300 Seiten habe feststellen können, ob sich in den Unterlagen
ausreichende Angaben über die Zusatzaufträge befinden.
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Schließlich sei die Wertung des Landgerichts nicht haltbar, wonach es sich bei dem
Zeugen S. um einen in besonderem Maße informierten und sachkundigen Mandanten
handele. Gerade der Umstand, dass der Zeuge S. davon ausgehe, dass der
Zusatzauftrag exakt zeitlich habe bestimmt werden müssen sowie seine Ansicht, es
bestehe eine zwingende Mehrkostenankündigungspflicht, belegten die fehlende
Sachkunde des Zeugen.
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Darüber hinaus überspanne das Landgericht die Anforderungen an einen schlüssigen
Klagevortrag im Vorprozess. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei es gerade
nicht zwingend erforderlich gewesen anzugeben, wann die Zusatzaufträge jeweils erteilt
worden seien. Damit korrespondiere auch der Hinweisbeschluss des Oberlandesge-
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richts Düsseldorf vom 26.10.2001 im Vorprozess. Entsprechend liege eine
Pflichtverletzung der Beklagten darin, dass sie den Zeugen S. unzutreffend über den
notwendigen Klagevortrag beraten hätten. Weder sei eine zeitliche Bestimmung der
einzelnen Zusatzaufträge erforderlich, noch für jeden Zusatzauftrag eine Erklärung zu
den entstehenden Mehrkosten notwendig. Vielmehr habe der Beklagte zu 2.)
unproblematisch Ausführungen zu allen Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Nr. 6
VOB/B machen können. Er habe ausführen können, dass bei jeder der jeweiligen
Beauftragungen über eine Vergütung gesprochen worden und das
Ankündigungserfordernis somit erfüllt worden sei. Für diese Behauptung habe der
Architekt K. als Zeuge zur Verfügung gestanden. Er habe weiter ausführen können, dass
der Bauherr durch den Architekten K. sachverständig vertreten worden sei und damit ein
Ausnahmetatbestand vom Erfordernis der Ankündigung von Mehrkosten vorgelegen
habe. Hilfsweise habe der Beklagte zu 2.) auf § 2 Nr. 8 VOB/B hinweisen können, weil
eine unverzügliche Mitteilung durch die regelmäßigen Baubesprechungen gewährleistet
gewesen sei und die Arbeiten technisch erforderlich gewesen seien. Schließlich habe
der Beklagte zu 2.) übersehen, dass ein Anspruch auf Mehrvergütung gemäß § 2 Nr. 6
VOB/B gerechtfertigt gewesen sein könnte.
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Das Landgericht verkenne überdies die nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes an die Risikoaufklärung zu stellenden Anforderungen. Der
Beklagte zu 2.) habe den Zeugen S. schon nach seinen eigenen Bekundungen nicht
hinreichend auf die Unzulänglichkeit der überreichten Unterlagen und die sich daraus
ergebende Konsequenz der Klageabweisung hingewiesen. Darüber hinaus sei der
Risikohinweis, wonach die überreichten Unterlagen dürftig gewesen sein, falsch
gewesen.
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Letztlich habe das Landgericht verkannt, welche Partei die Beweislast dafür trage, dass
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das nach der Behauptung des Beklagten zu 2.) am 29.11.2001 geführte Gespräch
tatsächlich stattgefunden habe. Der Beklagte zu 2.) habe beweisen müssen, dass
tatsächlich ein Gespräch geführt worden sei. Dies sei ihm indes nicht gelungen.
Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom
16.05.2007 – 7 O 5/06 – die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an sie 54.810,78 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte zu 1.) beruft sich auf die bereits erstinstanzlich erhobene Einrede der
Verjährung.
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Er ist weiterhin der Ansicht, seine Haftung scheide, wie das Landgericht zu Recht
erkannt habe, allein deshalb aus, weil die Klägerin ihn ausdrücklich ab November 2001
nicht mehr in die weitere Prozessführung und Schriftsatzgestaltung einbezogen habe.
Überdies seien die Unterlagen HA 1 – 11 nur dem Beklagten zu 2.) übergeben worden,
was in erster Instanz unstreitig gestellt worden sei. Er habe von Anfang an auf die
Notwendigkeit hingewiesen, die Werklohnansprüche nach Kündigung des Bauvertrages
prüfbar abzurechnen. Der Zeuge S. sei von Anfang an auf die fehlenden schriftlichen
Nachträge hingewiesen worden. Gleichwohl habe er, der Beklagte zu 1.), Klage
erheben sollen.
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Der Beklagte zu 2.) wiederholt ebenfalls die bereits in erster Instanz erhobene Einrede
der Verjährung.
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Er vertritt darüber hinaus die Ansicht, die Entscheidung des 22. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12.04.2002 sei grob fehlerhaft gewesen. Mit einer
solchen Entscheidung habe er nicht zu rechnen brauchen und sie deshalb auch nicht zu
verantworten. Der 22. Zivilsenat habe aufgrund des zweitinstanzlichen Vorbringens
Beweis erheben, wenn nicht gar die Berufung des früheren Beklagten zurückweisen
müssen.
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Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen.
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Der Senat hat die Akte Landgericht Krefeld 4 O 398/00 = OLG Düsseldorf 22 U 85/01
beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
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36
II.
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Die Berufung ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie
hat indes keine Aussicht auf Erfolg.
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1.)
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Schadensersatzansprüchen der Klägerin gegen den Beklagten zu 1.) wegen der
Verletzung von Pflichten aus dem Anwaltsvertrag aus abgetretenem Recht der Firma I.
GmbH steht die vom Beklagten zu 1.) erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§
214 Abs. 1 BGB).
40
a)
41
Grundsätzlich sind die Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 1.) wegen der
Verletzung anwaltlicher Pflichten nach den §§ 611, 675 BGB a. F zu beurteilen.
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Soweit das Leistungsstörungsrecht durch das Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts geändert worden ist, gilt die Neuregelung nur für Schuldverhältnisse, die
seit dem 01.01.2002 geschlossen worden sind (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 des
Modernisierungsgesetzes). Der Beklagte zu 1.) ist im Jahr 2000 mandatiert worden.
Deshalb ist das alte Leistungsstörungsrecht anzuwenden, auch wenn jedenfalls ein
Schaden erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Die Anknüpfung an das alte Recht
erstreckt sich auf das gesamte Schuldverhältnis, also auf dessen Entstehung, den Inhalt
und die Abwicklung (Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der
Anwaltshaftung, 2. Aufl., 2006, RN 1098).
43
b)
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Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1.) im Rahmen seiner Tätigkeit als
Korrespondenzanwalt im Berufungsverfahren scheidet, wie das Landgericht im
Ergebnis zu Recht erkannt hat, aus. Der Zeuge S. hat ausdrücklich bekundet, der
Beklagte zu 2.) habe ihm die Überlegungen erläutert, die dem Hinweis- und
Auflagenbeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26.10.2001 zugrunde
lagen. Ein Kontakt mit dem Beklagten zu 1.) nach dem Erlass des Hinweis- und
Auflagenbeschlusses habe nur insoweit stattgefunden, als es um die Frage gegangen
sei, ob dieser einen Gesprächstermin mit dem Beklagten zu 2.) vermittele oder er sich
direkt mit diesem in Verbindung setzen wolle. Der Zeuge hat weiter bekundet, er habe
sich wegen der Kürze der Zeit selbst mit dem Beklagten zu 2.) in Verbindung gesetzt
und diesem dann die Informationen übermittelt, mit denen er den im Beschluss des 22.
Zivilsenates vom 26.10.2001 formulierten Auflagen nachkommen wollte. Dem Beklagten
zu 2.) oblag damit allein die Aufbereitung und Weiterleitung der Informationen an das
Gericht. Zwar hat der Beklagte zu 1.) selbst bei seiner persönlichen Anhörung erklärt,
auch er habe dem Zeugen S. den Hinweisbeschluss im Wortlaut erläutert. Dieses
Gespräch ist aber vor dem Hintergrund der Bekundungen des Zeugen S. lediglich von
untergeordneter Bedeutung gewesen. Insbesondere war der Beklagte zu 2.) von der
Aufbereitung und Weiterleitung der zusätzlichen Informationen an das Gericht
ausgeschlossen.
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Damit war der Beklagte zu 1.) nicht verpflichtet, selbst zu überprüfen, inwieweit die vom
Beklagten zu 2.) dann schließlich mit dem Schriftsatz vom 13.12.2001 dargelegten
Erläuterungen der Schlussrechnung den Auflagen des Oberlandesgerichts genügten.
46
c)
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Es spricht aber vieles dafür, dass der Beklagte zu 1.) seine Pflichten aus dem
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Anwaltsvertrag verletzt hat, indem er eine unschlüssige Klage erhoben hat. Die nach
Klageänderung erhobene Klage aus der von der Firma I. GmbH gestellten
Schlussrechnung vom 12.11.2000 in dem Verfahren Landgericht Krefeld, Aktenzeichen
4 O 398/00 war nicht schlüssig.
aa) Diese Pflichtverletzung des Beklagten zu 1.) ist von der Klägerin erstinstanzlich in
das Verfahren eingeführt worden. Zwar hat die Klägerin ihre Klage zunächst nur darauf
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gestützt, dass die Beklagten es pflichtwidrig unterlassen haben, die I. GmbH zu
veranlassen, die zur Erfüllung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
26.10.2001 benötigten Auskünfte zu erteilen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom
12.01.2007, dessen Inhalt das Gericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat, hat die
Klägerin dann aber auch die Einreichung einer unschlüssigen Klage durch den
Beklagten zu 1.) im Vorprozess zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht.
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bb) Jedenfalls nachdem der Beklagte zu 1.) mit dem Schriftsatz vom 01.12.2000 die
Klage umgestellt und statt aus der letzten Abschlagsrechnung vorzugehen, die Zahlung
aus der Schlussrechnung vom 12.11.2000 in Höhe von 76.834,16 DM geltend gemacht
hat, hätte es weiterer Darlegungen hinsichtlich der Titel 15 und 16 der Schlussrechnung
bedurft. Der Beklagte zu 1.) hat im Vorprozess lediglich darauf abgestellt, dass die
Parteien einen Einheitspreisvertrag abgeschlossen haben. Auf dieser Grundlage hat er
darauf verwiesen, dass die abgerechneten Massen und Stundenlohnarbeiten durch die
Massenermittlung und Stundenzettel belegt seien. Er hat weiter erklärt, dass
typischerweise der tatsächliche Bedarf bei Abbruch- und Umbauarbeiten nicht
abgeschätzt werden könne. Alle Leistungen seien auf der Grundlage des "erteilten
Einheitspreisvertrages auf der Basis des Angebotes vom 4.12.1999 (Anlage K 1) und
30.3.2000 (Anlage K 4)" erbracht worden. Weiterhin seien, so der Beklagte zu 1.) im
Vorprozess, die Leistungen von der I. GmbH ordnungsgemäß und mangelfrei erbracht
worden. Damit hat der Beklagte zu 1.) verkannt, dass die I. GmbH mit den Titeln 15 und
16 – mittlerweile unstreitig – jedenfalls ganz überwiegend zusätzliche Leistungen
abgerechnet hat. Der Beklagte des Vorprozesses E. hat entsprechend auch
vorgetragen, weitergehende Aufträge nicht erteilt zu haben. Dem Beklagten zu 1.) hätte
es daher zunächst oblegen, den klägerischen Vortrag auf der Grundlage der ihm
vorliegenden Unterlagen aufzubereiten. Wie sich aus der Gerichtsakte des Vorprozess
ergibt, standen dem Beklagten zu 1.) – entgegen seinem Vortrag im hiesigen Verfahren -
die Stundenlohnzettel sowie die Tagesberichte zur Verfügung (vgl. Anlagen zum
Schriftsatz des Beklagten zu 1.) im Vorprozess vom 01.12.2000; Anlagenkonvolut). Der
Rechtsanwalt ist grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst
erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet (vgl. BGH, NJW 2007, 2485
(2486)). Der Beklagte zu 1.) musste erkennen und hat nach seinem eigenen Vortrag
auch erkannt, dass die I. GmbH mit den Titeln 15.) und 16.) zusätzliche Leistungen
abgerechnet hat. Er
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trägt nämlich selbst in der Berufungserwiderung vor, der Zeuge S. als Geschäftsführer
der I. GmbH, sei im Vorprozess auf die fehlenden schriftlichen Nachträge hingewiesen
worden. Damit war der Beklagte zu 1.) aber nicht der Pflicht enthoben, den Zeugen S.
dazu zu befragen, in welcher Weise die Zusatzaufträge mündlich erteilt worden sind und
den Sachverhalt auch zu den weiteren Voraussetzungen des § 2 Nr. 6 VOB/B zu
ermitteln.
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Soweit der Beklagte zu 1.) im Vorprozess darüber hinaus für die I. GmbH die Auffassung
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vertreten hat, der Nachweis, dass diese die abgerechneten Werkleistungen erbracht hat,
könne durch den Prüfvermerk des Architekten K. auf der Schlussrechnung geführt
werden, ist dies verfehlt. Nach ganz herrschender Auffassung kann der Unternehmer
aus dem Prüfvermerk des Architekten in der Regel nichts herleiten, weil dieser mit der
Rechnungsprüfung eine Aufgabe erfüllt, die ihm gegenüber dem Bauherrn obliegt. Dies
gilt auch dann, wenn der Auftraggeber die geprüfte und abgezeichnete
Schlussrechnung an den Auftragnehmer weiterleitet (Werner/Pastor, Der Bauprozess,
12. Aufl. 2008, RN 2032).
cc) Entgegen der Auffassung des Eingangsgerichts steht der Haftung des Beklagten zu
1.) nicht schon der Umstand entgegen, dass der Zurechnungszusammenhang dadurch
unterbrochen wurde, dass Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2.) in der
Berufungsinstanz in Rede stehen.
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Zwar hat das Landgericht Krefeld im Vorprozess der Klage stattgegeben, obwohl diese
unschlüssig war. Wäre auf Veranlassung des Beklagten zu 1.) aber ergänzender
Vortrag zu den einzelnen Aufträgen in den Prozess eingeführt worden, hätte dies zur
Folge haben können, dass die Klage in der Berufungsinstanz nicht als unschlüssig
abgewiesen worden wäre. Zwar war der Beklagte zu 2.) nach dem wechselseitigen
Parteivorbringen und der Aussage des Zeugen S. dafür zuständig, die von diesem auf
den Hinweis- und Auflagenbeschluss erteilten Informationen aufzubereiten und an das
Gericht weiterzuleiten wie das Landgericht zu Recht erkannt hat. Der
Zurechnungszusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigen Handeln eines Anwalts
und dem entstandenen Schaden wird aber nicht dadurch unterbrochen, dass ein zweiter
Anwalt mit der Sache befasst worden ist, der noch in der Lage gewesen wäre, den
Schadenseintritt zu
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verhindern, wenn er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht beachtet hätte (BGH, NJW
2007, 2485 (2487); OLG Düsseldorf <9. ZS>, MDR 1998, 994 (995); Fischer in
Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee-Fischer, a. a. O., RN 1021). Eine Unterbrechung des
Ursachenzusammenhang kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn ein Dritter
in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingreift
und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt (BGH, NJW
2002, 1117 (1120)). Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
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dd) Es kann indes dahinstehen, ob bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten zu 1.)
im erstinstanzlichen Verfahren die Firma I. GmbH vor dem Oberlandesgericht
Düsseldorf obsiegt hätte oder jedenfalls der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts
Düsseldorf in eine Beweisaufnahme hätte eintreten müssen.
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Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen der Erhebung
einer unschlüssigen Klage im Vorprozess ist seit dem 13.04.2005 gemäß § 51 b BRAO
verjährt. Die Klage ist aber erst nach Eintritt der Verjährung am 02.01.2006 bei Gericht
eingegangen. Der Beklagte zu 1.) kann der Klägerin als neuer Gläubigerin die zum
Zeitpunkt der Abtretung am 13.12.2005 bereits bestehende Einrede der Verjährung
entgegen halten. Der in der Vorschrift des § 404 BGB verwandte Begriff der
"Einwendungen" ist im weitesten Sinn zu verstehen. Er umfasst auch die Einrede der
Verjährung (Palandt-Grüneberg, 67. Aufl., 2008, § 404, RN 2).
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(1) Die Vorschrift des § 51 b BRAO, die für die Verjährung von
Schadensersatzansprüchen aus der anwaltlichen Berufsausübung gilt, ist im
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vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar. Durch das Gesetz vom 09.12.2004 zur
Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts wurden die besonderen Verjährungsvorschriften für vertragliche
Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwälte mit Ablauf des 14.12.2004
aufgehoben. Seit dem 15.12.2004 gilt für vertragliche Regressansprüche gegen
Rechtsberater das neue Verjährungsrecht der §§ 194 ff., 634 a BGB. Nach Art. 229 § 12
Abs. 1 EGBGB, eingeführt durch Art. 6 des Gesetzes zur Anpassung von
Verjährungsvorschriften vom 09.12.2004, ist als Überleitungsvorschrift zum
Verjährungsrecht grundsätzlich Art. 229 § 6 EGBGB anzuwenden. An die Stelle des dort
genannten Stichtages 01.01.2002 tritt der 15.12.2004, an die Stelle des dort
genannten Stichtages 31.12.2001 der 14.12.2004. Danach ist für den Beginn der
nunmehr grundsätzlich maßgeblichen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195
BGB, die hinsichtlich der Dauer mit der zuvor geltenden Verjährungsvorschrift für die
Haftung von Rechtsanwälten übereinstimmt, für den Zeitraum vor dem 15.12.2004 das
damals geltende Recht entsprechend Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgeblich. Im
zu entscheidenden Fall richtet sich also der Beginn der Verjährungsfrist nach § 51 b
BRAO, wenn die Verjährung am 15.12.2004 bereits angelaufen war (vgl. zum
Geltungsbereich des alten und des neuen Verjährungsrechts auch Zugehör in
Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a. a. O., RN 1260 ff.). Diese Voraussetzung ist vorliegend
erfüllt, weil die Verjährungsfrist mit Erlass des Urteils des Oberlandesgerichts
Düsseldorf zu laufen begonnen hat (siehe unten bb). Hinsichtlich der Dauer der
Verjährungsfrist ist ein Vergleich zwischen der alt- und neurechtlichen Verjährungsfrist
vorzunehmen, der nach der Sachlage des konkreten Einzelfalles zum 15.12.2004
vorzunehmen ist (Art. 229 § 12 Abs. 1 mit Art. 229 § 6 Abs. 3, 4, EGBGB). Insoweit
ergeben sich vorliegend keine Unterschiede, weil die regelmäßige Verjährungsfrist des
§ 195 BGB von drei Jahren einschlägig ist, die der Frist des § 51 b BRAO entspricht.
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(2) Nach § 51 b BRAO verjährt der gegen einen Rechtsanwalt gerichtete
Schadensersatzanspruch in drei Jahren nach der Entstehung des Anspruchs,
spätestens jedoch in drei Jahren nach der Beendigung des Mandats. Dieser Zeitpunkt
ist mit der Verkündung des Urteils des 22. Zivilsenates des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vom 12.04.2002, mit dem auf die Berufung des Beklagten E. die Klage der I.
GmbH abgewiesen wurde, anzusetzen.
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Ein Schadensersatzanspruch ist dann entstanden, wenn aus der Pflichtverletzung ein
Schaden entstanden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes tritt ein
durch einen Fehler des Rechtsberaters bei der Führung eines Prozesses verursachter
Schaden mit Erlass der ersten daraufhin ergehenden, für den Mandanten nachteiligen
gerichtlichen Entscheidung ein. Dabei ist ausschlaggebend für die Anknüpfung an
diesen Zeitpunkt, dass sich damit die Vermögenslage des Betroffenen objektiv spürbar
verschlechtert hat und es unsicher ist, ob diese Vermögensverschlechterung durch eine
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spätere Aufhebung der Entscheidung wieder wegfällt (BGH, NJW 2002, 1414 (1415) m.
w. N. zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes).
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(3) Die Verjährung des Anspruches ist nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB n. F. durch
die Zustellung der Streitverkündung im Vorprozess gehemmt worden.
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Ab dem 01.01.2002 sind die §§ 203 – 213 BGB n. F. auch auf vor diesem Stichtag
entstandene Ansprüche anzuwenden (Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB), so dass § 204 BGB
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grundsätzlich Anwendung findet. Damit ist die Regelung des § 215 Abs. 2 BGB a. F.,
wonach die Unterbrechungswirkung dann entfiel, wenn nicht innerhalb einer
Ausschlussfrist von sechs Monaten nach der Beendigung des Prozesses der Anspruch
eingeklagt wird, ersatzlos weggefallen (vgl. Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.
a. O., RN 1428, 1517).
Es kann insoweit zunächst dahinstehen, ob eine im Rahmen der Erhebung der
Nichtzulassungsbeschwerde erklärte Streitverkündung grundsätzlich geeignet ist, die
Verjährung zu unterbrechen. Die gegenüber dem Beklagten zu 1.) mit Schriftsatz vom
06.06.2002, diesem zugestellt am 11.06.2002, erklärte Streitverkündung, nennt als
Grund der Streitverkündung ausdrücklich allein Pflichtverletzungen des Beklagten zu 1.)
im Berufungsverfahren E. ./. I. GmbH. Damit konnte die Verjährung des
Regressanspruches wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten im erstinstanzlichen
Verfahren durch die Zustellung der Streitverkündungsschrift nicht gemäß § 204 Abs. 1
Nr. 6 BGB unterbrochen werden.
66
Nach § 73 ZPO ist der Grund der Streitverkündung in der Streitverkündungsschrift zu
bezeichnen. Damit ist das Rechtsverhältnis gemeint, aus dem sich Rückgriffsansprüche
gegen den Dritten ergeben sollen. Dieses Rechtsverhältnis ist unter Angabe der
tatsächlichen Grundlagen so genau anzugeben, dass der Streitverkündungsempfänger
prüfen kann, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten (BGH, BauR
2008, 711 (714); BGH, NJW 2002, 1414 (1416)).
67
Die I. GmbH hat in der Streitverkündungsschrift ausgeführt, der Beklagte zu 1.)
68
habe die Aufgabe gehabt, dafür Sorge zu tragen, dass dem Berufungsgericht in der
Berufungsinstanz ein schlüssiger Vortrag unterbreitet werde. Da dies unterblieben sei,
hafte der Beklagte zu 1.) mit dem Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren -
insbesondere vor dem Hintergrund der mit Hinweis- und Auflagenbeschluss des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26.10.2001 erteilten Hinweise -
gesamtschuldnerisch. Damit ist eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1.) im Rahmen
seines Prozessvortrages im erstinstanzlichen Verfahren gerade nicht als Grund der
Streitverkündung gemäß § 73 Satz 1 ZPO genannt worden. Zwar ist es im Rahmen der
Angabe des Grundes der Streitverkündung regelmäßig nicht erforderlich, den
Regressanspruch, dessen Verjährung gehemmt werden soll, in einer den
Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Weise näher zu
bezeichnen, er muss sich nur in gegenständlich zuzuordnender Weise ergeben
(Staudinger-Peters, Neubearbeitung 2004, § 204, RN 77). Hat der Gläubiger aber den
Grund der Streitverkündung in der hier geschehenen Art und Weise eindeutig
eingegrenzt, so muss er sich hieran festhalten lassen. Der Beklagte zu 1.), der auf der
Grundlage der Streitverkündungsschrift in die Prüfung eintreten musste, ob es für ihn
angebracht ist, dem Verfahren beizutreten, konnte dies nur im Hinblick auf die Frage, ob
er im Rahmen des Berufungsverfahrens anwaltliche Pflichtverletzungen begangen hat,
tun. Er durfte davon ausgehen, dass die I. GmbH sich keiner Ansprüche gegen ihn
wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens
berühmt.
69
Voraussetzung für die Unterbrechungswirkung der Streitverkündung ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch nach der Neufassung der Vorschrift des
§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB, die die Hemmung der Verjährung durch die Zustellung der
Streitverkündung bestimmt, die Zulässigkeit der Streitverkündung im Sinne der §§ 72,
70
73 ZPO. Dies ergibt sich schon aus der amtlichen Begründung des Gesetzes. Der
Vergleich mit den anderen Hemmungstatbeständen des § 204 Abs. 1 BGB steht dem
nicht entgegen. Zwar kommt es etwa für die Hemmung der Verjährung durch Erhebung
einer Klage nicht auf deren Zulässigkeit an. Ebenso verlangt das Gesetz nicht, dass der
Kläger eine für ihn günstige Sachentscheidung erstreitet. Die Streitverkündung
unterscheidet sich aber wesentlich von den übrigen in § 204 Abs. 1 BGB genannten
Verfahrensanträgen, weil über die Wirkungen der Streitverkündung erst im
Folgeprozess entschie-
den wird. Darüber hinaus stellt die Streitverkündung gegenüber einem Dritten lediglich
dessen förmliche Benachrichtigung dar, dass zwischen anderen Prozessparteien ein
Rechtsstreit anhängig ist. Der Streitverkünder erhebt keinen sachlich-rechtlichen oder
prozessualen Anspruch gegen den Streitverkündeten. Die Rechtsverfolgung als solche
hat noch nicht begonnen. Sinn und Zweck der Streitverkündung, die den Gläubiger der
Notwendigkeit entheben sollen, mehrere Prozesse gegen verschiedene in Betracht
kommende Anspruchsgegner gleichzeitig anstrengen zu müssen, sprechen gegen die
Ausdehnung des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB auf alle Fälle einer unzulässigen
Streitverkündung (BGH, BauR 2008, 711).
71
Bezogen auf die verjährungsunterbrechende Wirkung liegt der Zweck der Vorschrift des
§ 73 ZPO darin sicherzustellen, dass der Streitverkündungsempfänger mit Zustellung
der Streitverkündungsschrift Kenntnis davon erlangt, welchen Anspruchs sich der
Streitverkündende gegen ihn berühmt. Fehlen die erforderlichen Mindestangaben wird
die Verjährung nicht gehemmt (BGH, BauR 2008, 711 (712 ff.)).
72
(4) Entgegen der von der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.05.2008
geäußerten Rechtsansicht, ist die unzureichende Angabe des Grundes für die
Streitverkündung hier nicht nur ein Verfahrensfehler, der durch rügelose Einlassung (§
295 ZPO) in der nächsten auf den Beitritt folgenden mündlichen Verhandlung geheilt
worden wäre.
73
Die Heilungsvorschriften finden nur dann Anwendung, wenn der unvollständige
Streitverkündungsschriftsatz den Klageanspruch und die Regressmöglichkeit gegen
den Streitverkündungsempfänger insoweit erkennen lässt, dass dieser sich
gegebenenfalls durch Akteneinsicht die erforderliche Klarheit für seinen Entschluss
verschaffen kann, ob er dem Rechtsstreit beitreten soll (BGH, BauR 2008, 711 (715);
BGH, NJW 1975, 292 (293)). Eine solche Situation ist im vorliegenden Fall indes gerade
nicht gegeben, weil der Beklagte zu 1.) ausweislich der Streitverkündungsschrift nur
wegen seiner Tätigkeit in der zweiten Instanz in Anspruch genommen werden sollte.
74
Darüber hinaus kommt eine Heilung von Verfahrensmängeln nach allgemeinen
Grundsätzen überhaupt nur dann in Betracht, wenn die betroffene Partei den Mangel
kannte oder kennen musste (§ 295 Abs. 1 ZPO). Der Beklagte zu 1.) wurde von der
Klägerin aber im hiesigen Verfahren zunächst wiederum nur wegen Pflichtverletzungen
im Rahmen seiner Tätigkeit als Korrespondenzanwalt im Berufungsverfahren in
Anspruch genommen. Erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht
nachgelassenem Schriftsatz vom 12.01.2007 hat die Klägerin auch Pflichtverletzungen
des Beklagten zu 1.) im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Landgericht
Krefeld zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Damit kommt eine Heilung nach
75
§ 295 Abs. 1 ZPO auch aus diesem Grund nicht in Betracht.
76
(5) Der Beklagte zu 1.) darf sich auf die im April 2005 eingetretene Verjährung berufen.
77
Der Gläubiger eines aus Verletzung des Mandatsvertrages haftenden Anwalts erlangt
gegen diesen einen sogenannten Sekundäranspruch darauf, dass die Einrede der
Verjährung nicht erhoben wird, wenn der Anwalt ein während des Laufs der
Verjährungsfrist bestehendes Mandatsverhältnis erneut dadurch schuldhaft verletzt,
dass er trotz gegebenen Anlasses nicht auf seine Verpflichtung, dem Auftraggeber
Schadensersatz zu leisten, hinweist und diesen nicht über die Verjährung des
Schadensersatzanspruches zutreffend belehrt. Auf dieser erneuten Pflichtverletzung
muss der Eintritt der Verjährung beruhen; andernfalls entsteht der
Schadensersatzanspruch auf Unterlassung der Einrede nicht (BGH, NJW 1987, 326, zu
§ 51 BRAO a. F.).
78
Der fruchtlose Ablauf der Verjährungsfrist ist jedoch wegen solcher entgegenstehender
Umstände dann nicht durch die pflichtwidrige Versäumung der Belehrung während des
Mandatsverhältnisses verursacht worden, wenn der Mandant nach dem Ende des
Anwaltsvertrages, aber noch so rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist des § 51 b
BRAO von seinem Anspruch und dem Zeitpunkt der Verjährung erfahren hat, dass er
bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Verjährung durch gerichtliche
Geltendmachung hätte unterbrechen können (BGH, NJW 1987, 326 (327)). Wird der
Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist in der Regressfrage anwaltlich
beraten, so entfällt die sekundäre Hinweispflicht des Rechtsanwalts. In diesen Fällen
bedarf der Mandant keiner entsprechenden Aufklärung durch den haftpflichtigen
Rechtsanwalt.
79
Die primäre vertragliche Beratungspflicht des neuen Rechtsanwalts tritt an die Stelle der
sekundären Hinweispflicht des haftpflichtigen Rechtsberaters, wenn das Mandat auch
die Aufgabe umfasst, einen Regressanspruch gegen diesen zu prüfen (vgl. BGH, WM
2006, 927 (932)).
80
Der Umstand, dass die Rechtsanwälte B. für die I. GmbH im Rahmen der
Nichtzulassungsbeschwerde dem Beklagten zu 1.) den Streit verkündet und in der
Streitverkündungsschrift ausgeführt haben, dieser habe seine anwaltlichen Pflichten im
Rahmen des Berufungsverfahrens verletzt, zeigt, dass diese mit der Prüfung von
Regressansprüchen gegen diesen befasst waren. Zwar haben die "neuen"
Rechtsanwälte der I. GmbH dem Beklagten zu 1.) nur den Streit wegen anwaltlicher
Pflichtverletzungen im Rahmen des Berufungsverfahrens verkündet. Dennoch ist davon
auszugehen, dass die Rechtsanwälte sich umfassend mit der Frage befasst haben oder
jedenfalls hätten befassen müssen, ob der Beklagte zu 1.) wegen Anwaltsverschuldens
haftet. Der Rechtsanwalt ist grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst
erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet (vgl. BGH, NJW 2007, 2485
(2486)).
81
82
2.)
83
Es kann ebenso letztlich dahinstehen, ob Schadensersatzansprüche der Klägerin
gegen den Beklagten zu 2.) gemäß den §§ 611, 675 BGB a. F., § 398 BGB aus dem
Anwaltsvertrag bestehen, weil diese jedenfalls verjährt sind.
84
a)
85
Eine Haftung des Beklagten zu 2.) wegen Pflichtverletzungen im Rahmen des
Berufungsverfahrens kommt grundsätzlich insbesondere unter den im folgenden
aufgeführten Gesichtspunkten in Betracht.
86
aa)
87
Der Beklagte zu 2.) könnte seine Pflicht verletzt haben, die ihm vom Zeugen S. zur
Verfügung gestellten Unterlagen in der gebotenen Weise schriftsätzlich aufzubereiten.
88
Der Anwalt ist im Rahmen der Prozessführung verpflichtet, den Versuch zu
unternehmen, die zur Entscheidung berufene Stelle davon zu überzeugen, dass seine
Auffassung richtig ist. Möglichen Fehlern des Gerichts muss der Rechtsanwalt
entgegenwirken und diese zu verhindern suchen. Der Anwalt ist verpflichtet, dafür
einzutreten, dass die zugunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen
Umstände und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei
der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden. Zwar weist das Gesetz die
Entscheidung und damit die rechtliche Beurteilung des Streitfalles dem Gericht zu. Es
widerspricht jedoch der tatsächlichen und rechtlichen Stellung des
Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen, dessen Aufgaben allein in der
Beibringung des Tatsachenmaterials zu sehen. Die Möglichkeit, auf die rechtliche
Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen, entspricht im Verhältnis zum Mandanten,
der Pflicht diese Möglichkeit zu nutzen (Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a. a. O.,
RN 674, 675 mit vielen Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes). Hat
der Anwalt die ihm übertragene Aufgabe nicht in der gebotenen Art und Weise erledigt
und dadurch tatsächliche oder rechtliche Risiken und Schwierigkeiten hervorgerufen, so
handelt es sich dabei um ihm zuzurechnende Wirkungen. Folglich haftet im Grundsatz
auch der Anwalt für den Schaden aus der gerichtlichen Fehlentscheidung, sofern diese
maßgeblich auf Problemen beruht,
89
deren Auftreten der Anwalt durch sachgerechtes Arbeiten gerade hätte vermeiden
müssen (BGH, NJW 1996, 48 (51)).
90
Der Beklagte zu 2.) durfte, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf mit dem
Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 26.10.2001 deutlich gemacht hatte, dass es
weiteren Vortrag dazu erwartet, dass die mit den Titeln 15 und 16 der Schlussrechnung
abgerechneten Leistungen nicht von dem gemäß den Angeboten der I. GmbH vom
04.12.1999 sowie vom 30.03.2000 erteilten Auftrag umfasst waren, sondern zusätzliche
Leistungen im Sinne von § 2 Nr. 6 VOB/B darstellten, nicht darauf vertrauen, dass die
bereits zur Akte gereichten Tagesberichte im Zusammenhang mit den dann noch
überreichten Erläuterungen hierzu sowie weiteren Zeichnungen über
Leistungsänderungen ausreichen würden. Ihm musste vielmehr klar sein, dass der 22.
Zivilsenat hohe Anforderungen an die gebotene Darlegung der Voraussetzungen des §
2 Nr. 6 VOB/B stellt. Ihm oblag es daher, die vom Geschäftsführer der I. GmbH, dem
Zeugen
91
S., überreichten umfangreichen Unterlagen mit diesem im einzelnen durchzugehen und
auf dieser Grundlage zu den einzelnen Positionen detailliert vorzutragen und den
Sachverhalt weiter aufzubereiten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung
92
des Beklagten zu 2.) zutrifft, wonach er bei einem am 29.11.2001 mit dem Zeugen S.
geführten Gespräch die Tagesberichte überflogen und diesen gefragt hat, ob es noch
weitere Informationen zu Zusatzaufträgen gibt. Der Beklagte zu 2.) konnte bereits auf der
Grundlage der ihm vorliegenden Unterlagen den Vortrag aufbereiten. Es bestehen aber
erhebliche Zweifel daran, ob sein auf den Hinweis- und Auflagenbeschluss ergangener
Schriftsatz vom 15.10.2001, der lediglich drei Seiten Text umfasst, den zu stellenden
Anforderungen an die Darlegung der Zusatzaufträge genügt hat.
bb)
93
Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2.) kommt darüber hinaus insoweit in Betracht,
als dieser nicht schriftsätzlich vorgetragen hat, dass die I. GmbH durch den Zeugen S.
vorab auf die Vergütungspflicht der Zusatzaufträge hingewiesen hat. Der Beklagte zu 2.)
hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt, der Zeuge S. sei darauf
hingewiesen worden, dass hinsichtlich der Zusatzaufträge vorab auf die
Vergütungspflicht hingewiesen werden müsse. Damit korrespondiert die Aussage des
Zeugen S., der erklärt hat, ihm sei klar gewesen, dass vor Erteilung eines
94
Zusatzauftrages darauf hingewiesen werden müsse, dass hiermit eine Zusatzvergütung
verbunden sei. Der Beklagte zu 2.) hat weiter erklärt, der Zeuge S. habe ihm auf
Nachfrage erklärt, er könne die Ankündigung der Zusatzvergütung nicht näher nach Zeit,
Ort und Umständen eingrenzen. Diese Ankündigungen seien während der mehrmals
wöchentlich stattfindenden Baubesprechungen erfolgt. Nach dem Inhalt von Ziffer 11
des vom Beklagten zu 2.) über das von ihm behauptete Gespräch gefertigten Vermerks
konnte der Inhalt der Baubesprechungen durch das Zeugnis des Architekten K. unter
Beweis gestellt werden. Der Beklagte zu 2.) hat diese von ihm behauptete Erklärung
des Zeugen S. aber gerade nicht schriftsätzlich vorgetragen. Er hat vielmehr zu der
Ankündigung der Mehrvergütung gar keine Ausführungen gemacht. Ein entsprechender
Hinweis findet sich auch in dem vom Beklagten zu 2.) gefertigten Schriftsatz vom
13.12.2001 nicht. Darüber hinaus hat der Beklagte zu 2.) es versäumt, den
Geschäftsführer der I. GmbH darauf hinzuweisen, dass eine Ankün-
95
digung von Mehrkosten nicht in jedem Fall erforderlich ist. Hätte er den Zeugen S. über
die Ausnahmen von der Ankündigungspflicht hingewiesen, hätte dieser ihm
gegebenenfalls weitere Informationen dazu geben können, ob die Voraussetzungen
vorlagen.
96
cc)
97
Soweit die unter dem Titel 15 mit den Positionen 15.01.001 sowie 15.01.002 der
Schlussrechnung abgerechneten Stundenlohnarbeiten betroffen sind, wäre der
Beklagte zu 2.) verpflichtet gewesen, die I. GmbH darauf hinzuweisen, dass sie
darlegen muss, wann Vereinbarungen dazu getroffen worden sind, welche Arbeiten im
Stundenlohn zu vergüten sind. Er hätte weiter darüber aufklären müssen, dass die
Leistungen gegebenenfalls bei Fehlen von Stundenlohnvereinbarungen nach
Einheitspreisen zu vergüten sind. Der Rechtsanwalt ist zur zutreffenden Beurteilung der
Rechtslage verpflichtet. Im Rahmen der vom Beklagten zu 2.) übernommenen
Bearbeitung eines baurechtlichen Mandats war daher die Kenntnis der Vorschrift des §
2 Nr. 10 VOB/B vorauszusetzen. Einen solchen Hinweis auf die Vorschrift des § 2 Nr. 10
VOB/B hat der Beklagte zu 2.) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nicht
behauptet. Er hat lediglich allgemein ausgeführt, der Zeuge S. habe erklärt, über die
98
Tagelohnzettel hinaus nichts weiter bekunden zu können.
b)
99
Schadensersatzansprüchen der Klägerin aus abgetretenem Recht wegen
Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2.) im Rahmen der anwaltlichen Beratung der I.
GmbH im Berufungsverfahren steht aber die vom Beklagten zu 2.) auch im
Berufungsverfahrens erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
Schadensersatzansprüche sind seit April 2005 verjährt. Die Klage ist erst nach Eintritt
der Verjährung am 02.01.2006 bei Gericht eingegangen. Der Beklagte zu 2.) kann der
Klägerin als neuer Gläubigerin die zum Zeitpunkt der Abtretung im Dezember 2005
bestehende Einrede der Verjährung entgegen halten (§ 404 BGB).
100
a)
101
Die Vorschrift des § 51 b BRAO ist einschlägig. Der Lauf der Verjährungsfrist begann
wegen der in Rede stehenden Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2.) ebenfalls mit
dem Erlass des Urteils des 22. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Düsseldorf am
12.04.2002 als der ersten auf die Pflichtverletzung ergehenden nachteiligen
gerichtlichen Entscheidung,
102
b)
103
Die Verjährung ist nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB durch die Zustellung der
Streitverkündungsschrift an den Beklagten zu 2.) im Rahmen der beim
Bundesgerichtshof erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde am 10.06.2002 gehemmt
worden. Eine Hemmung der Verjährung durch diese Streitverkündung hätte allerdings
zur Folge, dass die Verjährung nicht eingetreten wäre. Nach § 209 BGB n. F. wird der
Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt worden ist, in die Verjährungsfrist
nicht einberechnet. Die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 BGB endet
sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung des eingeleiteten Verfahrens (§
204 Abs. 2 BGB). Das durch die Nichtzulassungsbeschwerde der I. GmbH eingeleitete
Verfahren fand seine Beendigung am 27.03.2003 durch die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes, mit der die Beschwerde der I. GmbH gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12.04.2002
zurückgewiesen wurde. Wäre der Zeitraum von rund fünfzehn Monaten in die
Verjährungsfrist nicht einzuberechnen, so wäre die im April 2002 angelaufene
Verjährungsfrist von drei Jahren bei Klageerhebung im vorliegenden Verfahren am
02.01.2006 noch nicht abgelaufen gewesen.
104
c)
105
In der Streitverkündungsschrift der I. GmbH vom 06.06.2002 gegenüber dem Beklagten
zu 2.) wird als Grund der Streitverkündung dessen Anwaltsverschulden im Rahmen der
Prozessvertretung im Berufungsverfahren genannt. Damit genügt die Streitverkündung
den Anforderungen des § 73 ZPO.
106
d)
107
Allerdings ist eine im Rahmen der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beim
Bundesgerichthof erklärte Streitverkündung grundsätzlich nicht geeignet, die Verjährung
108
gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB zu hemmen. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn
die Nichtzulassungsbeschwerde als Zulassungsgrund der Revision die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geltend macht, wie
dies vorliegend der Fall ist.
109
Die Hemmung der Verjährung setzt eine den Anforderungen der §§ 72, 73 ZPO
entsprechende Streitverkündung voraus (BGH, BauR 2008, 711 (715)). Gemäß § 72
Abs. 1 ZPO ist die Streitverkündung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des
Rechtsstreits möglich. Der Rechtsstreit muss anhängig geworden und noch nicht
endgültig entschieden worden sein. Nach allgemeiner Auffassung ist die
Streitverkündung auch in der Rechtsmittelinstanz zulässig (BGH, NJW 1999, 2046,
(2047) zur Zulässigkeit der Nebenintervention im Revisionsverfahren; Zöller-
Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., 2007, § 66, RN 15; Musielak-Weth,
Kommentar zur Zivilprozessordnung, 5. Aufl., 2007, § 66, RN 2; MüKo-Schultes
Zivilprozessordnung, 3. Aufl., 2007, § 66, RN 24; Stein/Jonas-Bork,
Zivilprozessordnung, 22. Aufl., 2004, § 72, Rn 10 a).
110
Die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO stellt aber kein
Rechtsmittel in Bezug auf die Hauptsache dar.
111
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ein spezieller Rechtsbehelf, der in erster Linie dem
Zweck dient, die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht einer
Überprüfung durch das Revisionsgericht zuzuführen und dort die Zulassung der
Revision zu erreichen (Musielak-Ball, a. a. O., § 544, RN 2). Im Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde geht es allein um die Überprüfung einer
Nebenentscheidung des Berufungsurteils, die nicht erfolgte Zulassung der Revision.
Erst mit der Zulassung der Revision
112
wird die volle Überprüfung des Berufungsurteils eröffnet. Darin unterscheidet sich das
Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von dem früheren Annahmeverfahren, bei
dem die Entscheidung über die Annahme auch die eingelegte Revision gegen die
Hauptsacheentscheidung zum Gegenstand hatte (BGH, NJW 2004, 1048 (1049)). Die
Nichtzulassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel in Bezug auf die Hauptsache. Ihre
Einlegung hemmt zwar gemäß § 544 Abs. 5 Satz 1 ZPO den Eintritt der Rechtskraft des
Berufungsurteils, ihr fehlt jedoch hinsichtlich der Hauptsache der Devolutiveffekt (BGH,
NJW-RR 2006, 1508). Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wird allein die negative Zu-
113
lassungsentscheidung des Berufungsgerichts einer rechtlichen Nachprüfung
unterzogen, nicht aber dessen Sachentscheidung (Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911
(912)).
114
Zwar wird das Beschwerdeverfahren im Falle der Zulassung der Revision durch das
Revisionsgericht als Revisionsverfahrens fortgesetzt. In diesen Fällen gilt die form- und
fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision.
Die Revisionsbegründungsfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung (§ 544 Abs.
6 ZPO). Wird der Nichtzulassungsbeschwerde aber wie im zu entscheidenden Fall nicht
stattgegeben, so ist die Hauptsache in der Revisionsinstanz nicht angefallen.
115
Aus dem Umstand, dass die Hauptsache im Verfahren über die Entscheidung der
Nichtzulassungsbeschwerde nicht angefallen ist, folgt, dass eine direkte Anwendung
116
des § 72 ZPO ausscheidet. Zwar ist das Urteil bis zur Entscheidung über die
Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht rechtskräftig geworden. Der Rechtsstreit, für
den Fall dessen ungünstigen Ausgangs, die I. GmbH einen Anspruch auf
Schadloshaltung gegen den Beklagten zu 2.) erheben zu können geglaubt hat, ist aber
nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde geworden.
Gegen die Zulässigkeit der Streitverkündung im Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde spricht, dass der Streitverkündungsempfänger im Rahmen
der Nichtzulassungsbeschwerde keinen Einfluss auf die Entscheidung nehmen kann.
117
Der Bundesgerichtshof hat die im Jahr 1986 entschiedene analoge Anwendung der
Vorschriften über die Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren mit deren
Zweck begründet. Dieser liegt darin, einem Dritten die Einflussnahme auf einen zwi-
schen anderen Parteien anhängigen Prozess durch Unterstützung einer Partei zu
ermöglichen, wenn sich die Entscheidung des Verfahrens auf seine Rechtsstellung
auswirken kann. Die Regelungen der §§ 66 ff. ZPO gewährleisten zunächst das
rechtliche Gehör, dienen aber auch der Vermeidung widersprüchlicher
Prozessergebnisse und der Verringerung der Zahl der Prozesse. Diese Gesichtspunkte
seien für das selbständige Beweisverfahren genauso von Bedeutung wie für den
Hauptprozess. Darüber hinaus sei das selbständige Beweisverfahren in der Regel ein
kontradiktorisches Verfahren zwischen Antragsteller und Antragsgegner (BGHZ 134,
190 ( 193f.)).
118
Überträgt man diese Überlegungen auf die Nichtzulassungsbeschwerde so ist eine
Anwendung der Vorschriften über die Streitverkündung nicht geboten.
119
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs prüft das Revisionsgericht auf der
Grundlage des Beschwerdevorbringens und von Amts wegen, ob die Voraussetzungen
der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO erfüllt sind (BGH, NJW-RR 2004,
712 (713)). Dabei sind nur Zulassungsgründe zu prüfen, die in der
Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt worden sind (BGHZ 152,
7 (8f.); BGHZ 153, 254 (255); NJW-RR 2006, 142, Zöller-Gummer, a. a. O., § 544, RN
12; a. A.: Musielak-Ball, 5. Aufl. 2007, § 544, RN 22 a). Maßgeblich sind die
Zulassungsgründe, auf die der Beschwerdeführer sich berufen oder die er der Sache
nach geltend gemacht hat (BGH, NJW 2003, 754 f.) Rechtsfragen von grundsätzlicher
Bedeutung sollen nur dann zur Zulassung nötigen, wenn der Rechtsmittelführer sich zu
ihnen geäußert hat (BGH, NJW 2004, 71 (72)), eine Divergenz nur dann beachtlich sein,
wenn der Beschwerdeführer sie geltend macht (BGH, NJW 2003, 2319 (2320)).
120
Da allein der Beschwerdeführer es in der Hand hat, den Prüfungsumfang des
Revisionsgerichts im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde zu bestimmen, steht
dem Dritten nicht die Möglichkeit der Einflussnahme auf das Verfahren offen. Der
Beklagte zu 2.) konnte im Falle eines Beitritts im Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde allenfalls Rechtsausführungen machen. Diese wären vom
Bundesgerichtshof aber überhaupt nur dann zu beachten gewesen, wenn sie sich in
dem von der I. GmbH als Beschwerdeführerin gesteckten Rahmen der dargelegten
Zulassungsgründe gehalten hätten. Diese Möglichkeit der Einflussnahme auf das
Verfahren ist zu gering zu veranschlagen, als dass eine Anwendung der Vorschriften
über die Streitverkündung gerechtfertigt werden könnte.
121
Auch der Gesichtspunkt der Vermeidung widersprechender Prozessergebnisse, der
122
vom Bundesgerichtshof in der angeführten Entscheidung in Bezug genommen worden
ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes im
Rahmen der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde würde in einem
Folgeprozess jedenfalls keine Wirkung entfalten. Dem Beklagten zu 2.) stünde nämlich
im
Folgeprozess die Einrede nach §§ 68 Halbsatz 2, 74 Abs. 3 ZPO zu, weil ihm ein Beitritt
nicht mehr zuzumuten gewesen wäre. Besteht für den Dritten nicht die Möglichkeit, den
Prozess angemessen zu führen, so steht ihm diese Einrede zu (vgl. Stein/Jonas-Bork, a.
a. O., § 72, RN 10a, § 74, RN 4; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 68, Rn 12, vgl. auch Urteil
des Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 27.07.2006, Aktenzeichen 5 U 134/05,
zitiert nach juris, RN 36). Der Beklagte zu 2.) aber konnte aus den dargestellten
Erwägungen keinen Einfluss auf das von der Firma I. GmbH geführte Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde nehmen.
123
Schließlich ist eine Zulässigkeit der Streitverkündung im Rahmen der
Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht deshalb geboten, weil dadurch der Gläubiger
der Notwendigkeit enthoben würde, zur Hemmung der Verjährung mehrere Prozesse
gegen verschiedene in Betracht kommende Anspruchsgegner gleichzeitig anstrengen
zu müssen, von denen er allenfalls einen gewinnen kann (vgl. BGH, BauR 2008, 711
(714)). Da im Rahmen der Zulassungsentscheidung die Erfolgsaussicht der Revision in
der Hauptsache nicht geprüft wird (vgl. Zöller-Gummer, a. a. O., § 544, RN 12) könnte
ein Folgeprozess gegen den Beklagten zu 2.) auch dann notwendig werden, wenn der
Bundesgerichtshof die Revision zugelassen hätte.
124
Da die Vorschrift des § 72 ZPO mit derjenigen des § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB in einem
korrespondierenden Verhältnis steht, hat die fehlende Anwendung der Vorschriften über
die Streitverkündung zugleich zur Folge, dass § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB keine
Anwendung findet (vgl. BGHZ 134, 190 (194)).
125
e)
126
Der Beklagte zu 2.) darf sich ebenso wie der Beklagte zu 1.) auf die Einrede der
Verjährung berufen (vgl. die Ausführungen zu 1.) c) cc) (5)) .
127
3.)
128
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
129
4.)
130
Die Revision wird zugelassen. Die Beantwortung der Frage, ob der Streitverkündung im
Rahmen der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
verjährungshemmende Wirkung zukommt, hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von
§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
131
5.)
132
Streitwert für die Berufungsinstanz: 54.810,78 €
133