Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.05.2009

OLG Düsseldorf: zeitlich befristeten, im Anschluss an einen entsprechenden rechtlichen Hinweis des Senats im Verhandlungstermin, wettbewerber, formelle beschwer

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 9/08 (V)
Datum:
27.05.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 9/08 (V)
Tenor:
I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. bis 3. gegen den Be-schluss
des Bundeskartellamtes vom 30. Juni 2008 (B 2 – 333/07) werden
verworfen.
II. Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben die gerichtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen sowie dem Bundeskartellamt die zur
zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen
Auslagen zu erstatten.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20 Mio. Euro fest-
gesetzt.
Gründe
1
I.
2
Der Beteiligten zu 1. (nachfolgend: E.) obliegt die geschäftspolitische und strategische
Führung sowie die zentrale Warenbeschaffung der gesamten E.-Gruppe. Zu dieser - im
Bereich des Lebensmitteleinzelhandels tätigen - Unternehmensgruppe gehören sieben
Regionalgesellschaften, die im Wesentlichen das operative Geschäft innerhalb der E.-
Gruppe betreiben, sowie neun regionale E.-Genossenschaften mit rund 4.800
Einzelhändlern und mehr als 6.600 Märkten im Lebensmitteleinzelhandel.
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Die Beteiligte zu 2. (nachfolgend: T.) betreibt im Lebensmitteleinzelhandel über die K. T.
AG, Viersen, nach wie vor das Supermarktgeschäft, und betrieb über die Beteiligte zu 3.
(nachfolgend: P.), bei der es sich ursprünglich um ein 100%-iges Tochterunternehmen
der T. gehandelt hat, Discountmärkte.
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E. und T. beabsichtigten, ihre jeweiligen inländischen Lebensmitteldiscount-Aktivitäten
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in einem Gemeinschaftsunternehmen, der neu zu errichtenden N. M.-D. AG & Co. KG
(nachfolgend: N.), zusammenzuführen. Hierzu war beabsichtigt, dass
E. .. % des Stammkapitals der P. erwerben, während die restlichen .. % des
Stammkapitals der P. bei T. verbleiben sollte,
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an der neu zu errichtenden N. die P. eine Vermögens-, Ertrags- und
Stimmrechtsbeteiligung in Höhe von .. % und die E. unmittelbar .. % erhalten
sollten, so dass unter Berücksichtigung der Beteiligungsverhältnisse an P.
"durchgerechnet" die E. .. % und die T. .. % an der N. halten sollten,
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die T. ihr wesentliches operatives deutsches Discountgeschäft (P.-Geschäft) und
die E. ihr operatives Geschäft der N. M.-D. GmbH & Co. OHG, Maxhütte-Haidhof,
mit seinerzeit mehr als 1000 Filialen im Lebensmitteleinzelhandel in die N.
einbringen sollten,
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und das Gemeinschaftsunternehmen N. von E. und T. gemeinsam kontrolliert wird.
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Des Weiteren war eine Kooperation von E. und T. beim Einkauf für das
Supermarktgeschäft beabsichtigt.
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Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundeskartellamt das
Zusammenschlussvorhaben nur unter umfangreichen Nebenbestimmungen
freigegeben, denen die Fusionsbeteiligten unter Aufrechterhaltung ihres Standpunkts,
dass der Zusammenschluss richtigerweise uneingeschränkt freizugeben sei,
zugestimmt haben.
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Mit der Begründung, die Fusion lasse die Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung der E. auf zahlreichen Regionalmärkten erwarten, hat das Amt den
Zusammenschluss zunächst unter die folgenden aufschiebenden Bedingungen gestellt:
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a. [Ziffer I. 1. a) des Beschlusses]
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18
Innerhalb von 6 (höchstens 9) Monaten nach Zustellung der Freigabeverfügung
veräußert E. sämtliche P.-Standorte, die in näher bezeichneten und zu sieben
"Clustern" zusammengefassten geographischen Bereichen belegen sind, an
Dritte und schließt unveräußerliche Standorte.
19
b. [Ziffer I. 1. b) des Beschlusses]
20
21
E. und T. dürfen bis zum Bedingungseintritt weder geschlossene Standorte als
Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft wiedereröffnen noch in unmittelbarer Nähe
eines zu verkaufenden oder geschlossenen Standortes solche neu eröffnen.
22
c. [Ziffer I. 1. c) des Beschlusses]
23
24
Die in den Clustern an Dritte zu veräußernden Standorte müssen als
wirtschaftlich sinnvolle Pakete verkauft werden.
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d. [Ziffer I. 1. d) des Beschlusses]
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27
E. und T. einschließlich der mit ihnen jeweils verflochtenen Unternehmen dürfen
keine Einkaufs- oder sonstige Kooperation eingehen, ebenso wenig darf die
Beschaffung für die K. T. AG zusammen mit E. oder einem in irgendeiner Weise
mit E. verflochtenen Unternehmen erfolgen.
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e. [Ziffer I. 1. e) des Beschlusses]
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30
Am Gemeinschaftsunternehmen N. werden die E. mit durchgerechnet .. % und
die T. mit durchgerechnet .. % beteiligt, indem E. einen Geschäftsanteil von .. %
und T. einen solchen von .. % an der P. halten und am
Gemeinschaftsunternehmen N. die P. mit .. % und E. mit .. % beteiligt werden.
31
32
f. [Ziffer I. 1. f) des Beschlusses]
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34
In den gesellschaftsrechtlichen Regelungen der P. und des
Gemeinschaftsunternehmens N. ist eine gemeinsame Kontrolle dieser
Unternehmen durch E. und T. auszuschließen, indem P. allein von T. und das
Gemeinschaftsunternehmen N. alleine von E. kontrolliert werden darf und die
hierzu dem Bundeskartellamt am 18.06.2008 vorgelegten Gesellschaftsverträge
nur mit Zustimmung des Amtes geändert werden dürfen.
35
36
g. [Ziffer I. 1. g) des Beschlusses]
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T. darf keinen Einblick in die Beschaffungskonditionen der E. erhalten.
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Zur Erhaltung der durch die vorgenannten aufschiebenden Bedingungen gestalteten
Strukturkriterien hat das Amt seine Freigabeentscheidung darüber hinaus mit den
nachfolgenden - zeitlich befristeten - Auflagen versehen:
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a. [Ziffer I. 2. a) des Beschlusses]
41
42
Für den Zeitraum von 2 Jahren nach Zustellung des Beschusses dürfen E. und
T. in den bezeichneten sieben Clustern weder geschlossene P.-Standorte
wiedereröffnen (wozu auch der Rückkauf von Standorten zählen würde) noch in
unmittelbarer Nähe zu den an Dritte veräußerten P.-Standorten eigene
Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte neu eröffnen.
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b. [Ziffer I. 2. b)]
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45
Für die Dauer von 5 Jahren nach Zustellung des Beschlusses ist E. und T.
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ein gemeinsamer Einkauf der K. T. AG mit der E.
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und ferner die gemeinsame Kontrolle des Gemeinschaftsunternehmens N.
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50
untersagt. Änderungen der Gesellschaftsverträge bedürfen der Zustimmung des
Bundeskartellamtes.
51
Darüber hinaus ist T. für dieselbe Dauer der Einblick in die
Beschaffungskonditionen der E. untersagt.
52
Die Zusammenschlussbeteiligten haben die mit der Freigabeverfügung verbundenen
aufschiebenden Bedingungen fristgerecht erfüllt und das Fusionsvorhaben sodann
vollzogen. Über die vom Amt für die P. und das Gemeinschaftsunternehmen N.
vorgegebenen Beteiligungsverhältnisse hinaus hat dabei
53
E. die P. zu .. % erworben
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55
sowie E. an der N. eine "durchgerechnete" Beteiligung in Höhe von .. % und T. nur
eine solche in Höhe von .. % übernommen.
56
57
Mit ihren form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden wenden sich E., T. und P.
gegen einige der verfügten Nebenbestimmungen, wobei sämtliche Rechtsmittel die
Feststellung der Rechtswidrigkeit des Veräußerungsgebots [aufschiebende Bedingung
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zu Ziffer I. 1. a)] erstreben, T. und P. darüber hinaus die Feststellung der
Rechtswidrigkeit des Verbots begehren, ein gemeinsam kontrolliertes
Gemeinschaftsunternehmen zu bilden [aufschiebende Bedingungen zu Ziffer I. 1. e) und
f)], und die E. schließlich mit der Anfechtungsbeschwerde das Verbot einer
Wiedereröffnung geschlossener P.-Standorte bzw. einer Neueröffnung in unmittelbarer
Nähe zu veräußerten P.-Standorten [Auflage zu Ziffer I. 2. a)] angreift.
E., T. und P. halten ihre Beschwerden für zulässig und begründet. Im Hinblick auf die
Statthaftigkeit ihrer Fortsetzungsfeststellungsanträge befürworten sie eine weite
Auslegung der BGH-Entscheidung "Springer/ProSieben" und tragen hierzu sowie - im
Anschluss an einen entsprechenden rechtlichen Hinweis des Senats im
Verhandlungstermin - zu etwaigen künftigen Zusammenschlussmöglichkeiten auf dem
Lebensmitteleinzelhandelssektor näher vor.
59
Die Beteiligte zu 1. (E.) beantragt,
60
1. festzustellen, dass die Nebenbestimmungen zu dem Beschluss des
Bundeskartellamtes (Gesch.-Z.: B 2 – 333/07) vom 30. Juni 2008, das am 28.
Dezember 2007 angemeldete Zusammenschlussvorhaben freizugeben, insoweit
unbegründet waren, als sie die T. im Absatz I. 1. a) des Beschlusstenors
verpflichten, sämtliche in den sogenannten "Clustern" gelegenen P.-Standorte zu
veräußern und die Freigabe nur unter der aufschiebenden Bedingung dieser
Veräußerung erfolgte,
61
62
2. die Nebenbestimmungen zu dem vorgenannten Beschluss des
Bundeskartellamtes insoweit aufzuheben, als ihr selbst und der Beteiligten zu 2.
(T.) im Absatz I. 2. a) des Beschlusses auferlegt wird, für den Zeitraum von zwei
Jahren nach Zustellung des Beschlusses keine in den vorbezeichneten
Regionalmärkten gelegenen P.-Standorte wiederzueröffnen, die zwischen der
Anmeldung des Zusammenschlusses und dem Eintritt der dem Beschluss
beigefügten aufschiebenden Bedingungen geschlossen worden waren, und in
diesen Regionalmärkten keine Märkte des Lebensmitteleinzelhandels in
unmittelbarer Nähe zu einem verkauften oder geschlossenen P.-Standort neu zu
eröffnen.
63
64
Die Beteiligten zu 2. (T.) und zu 3. (P.) beantragen,
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festzustellen, dass der Beschluss des Bundeskartellamtes vom 30. Juni 2008 nicht
mit folgenden aufschiebenden Bedingungen hätte verbunden werden dürfen:
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a. Die Beteiligte zu 2. (T.) veräußert vor Vollzug des Zusammenschlusses in den
Clustern Magdeburg, Leisnig, Straubing, Wittingen, Freiburg, Fritzlar und Herford
sämtliche, zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses bestehenden P.-
Standorte an einen oder höchstens drei Dritte oder schließt solche Standorte, für
die sich nachweislich keine Käufer finden lassen.
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68
b. Die Beteiligte zu 2. (T.) hält an der N. M.-D. & Co. KG (auch N.C.) - d.h. der
Gesellschaft, in die das P.-Geschäft und das operative Geschäft der n. M.-D.
GmbH & Co. OHG eingebracht werden sollen - eine Beteiligung von
durchgerechnet .. %. Dies bedeutet, dass die T. .. % und die E. .. % an der
Beteiligten zu 3. halten werden, während die P. .. % und die E. unmittelbar .. % an
der N. M.-D. AG & Co. KG halten werden.
69
70
c. Die Gesellschaftsverträge, die die Rechte der Beteiligten zu 1. (E.) und der
Beteiligten zu 2. (T.) sowohl an der Beteiligten zu 3. (P.) als auch an der N. M.-D.
AG & Co. KG (N.) regeln, sind so zu gestalten, dass keine gemeinsame Kontrolle
durch die Beteiligte zu 1. (E.) und die Beteiligte zu 2. (T.) vorliegt. Die Beteiligte zu
3. (P.) wird nach Einbringung der P.-Geschäfte in die N. M.-D. AG & Co. KG allein
durch die Beteiligte zu 2. (T.) kontrolliert, während die N. M.-D. AG & Co. KG allein
durch die Beteiligte zu 1. (E.) kontrolliert wird. Die Fiktion eines
Gemeinschaftsunternehmens gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 GWB wird durch die
Beteiligte zu 1. (E.) und die Beteiligte zu 2. (T.) weder in Bezug auf ihre
Beteiligung an der Beteiligten zu 3. (P.) noch auf ihre Beteiligung an der N. M.-D.
AG & Co. KG erfüllt.
71
72
Das Bundeskartellamt beantragt,
73
die Beschwerden zu verwerfen.
74
Es tritt den Ausführungen der Beschwerde im Einzelnen entgegen und macht die
Unzulässigkeit der eingelegten Rechtsmittel geltend.
75
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des
angefochtenen Beschlusses sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
76
II.
77
Die Beschwerden sind unzulässig.
78
A.
79
Die als (Fortsetzungs-)Feststellungsanträge im Sinne des § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB zu
wertenden Feststellungsbegehren sind unzulässig, weil weder der E. noch T. und P. ein
berechtigtes Interesse zur Seite steht, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen (erledigten)
Freigabebedingungen gerichtlich klären zu lassen.
80
1.
81
Mit den zur Entscheidung gestellten Feststellungsanträgen wendet sich die
Beschwerde gegen einzelne Freigabebedingungen, nämlich zum einen gegen die in
Ziffer I. 1. a) des angefochtenen Beschlusses verfügte aufschiebende Bedingung der
Veräußerung oder Schließung näher bezeichneter P.-Standorte sowie zum anderen
gegen die in den Ziffern 1. e) und f) der Freigabeentscheidung enthaltene
aufschiebende Bedingung, dass an dem Gemeinschaftsunternehmen N. die E. mit
durchgerechnet .. % und T. mit durchgerechnet .. % beteiligt sein dürfen und eine
gemeinsame Kontrolle dieser Unternehmen über die N. oder P. ausgeschlossen sein
muss.
82
a)
83
Zu Recht steht zwischen den Verfahrenbeteiligten außer Streit, dass sich die
angefochtenen Freigabebedingungen erledigt haben.
84
Eine Erledigung der Hauptsache tritt ein, wenn die angefochtene Verfügung keine
rechtlichen Wirkungen mehr entfaltet und deshalb gegenstandslos geworden ist, so
dass infolgedessen auch die Beschwer der beschwerdeführenden Partei fortgefallen ist
(vgl. BGH WRP 2006, 1030, 1031 - Agrana/Atys; WuW/E BGH 2211, 2213 - Morris-
Rothmans; KG WuW/E OLG 3213, 3214 - Zum bösen Wolf; WuW/E OLG 5497, 5501 -
Fortsetzungsfeststellungsinteresse; Senat, WuW/E DE-R 781, 782 - Wal-Mart; WuW/E
DE-R 1435, 1436 - Agrana/Atys; Beschl. v. 2.11.2005 – VI-Kart 30/04 (V), insoweit nicht
abgedruckt in WuW/E DE-R 1625 ff. – Rethmann/GfA Köthen; WuW/E DE-R 1654, 1655
– RUAG/MEN; zuletzt: WuW/E DE-R 2462, 2473 - Kupferstranggussformate).
85
Vorliegend ist eine Erledigung dadurch eingetreten, dass die
Zusammenschlussbeteiligten zwecks Inanspruchnahme der vom Bundeskartellamt
ausgesprochenen Fusionsfreigabe die verfügten Bedingungen erfüllt, d.h. die P.-
Standorte veräußert oder geschlossen sowie die Beteiligungsverhältnisse im
Gemeinschaftsunternehmen N. und bei der P. bedingungsgemäß gestaltet haben.
86
b)
87
Aufgrund der eingetretenen Erledigung kann die Beschwerde nur noch auf die
gerichtliche Feststellung gerichtet werden, dass die angegriffenen Bedingungen
rechtswidrig gewesen sind. Dem haben die Beschwerdeführer Rechnung getragen,
indem sie dahingehende (Fortsetzungs-)Feststellungsanträge gestellt haben.
88
2.
89
Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB hängt die Zulässigkeit dieser Feststellungsanträge
davon ab, dass E., T. und P. jeweils ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen
Überprüfung der erledigten Bedingungen haben. Ein solches
Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich indes für keine der beschwerdeführenden
Parteien feststellen.
90
a)
91
Für das nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderliche Feststellungsinteresse genügt
grundsätzlich jedes nach den Umständen des Falles anzuerkennende schutzwürdige
Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BGHZ 151, 260, 268 –
Stellenmarkt für Deutschland; WuW/E DE-R 2221, 2222/2223 – Springer/ProSieben).
92
aa)
93
Dieses Interesse kann zum einen durch Wiederholungsgefahr, zum anderen damit
begründet sein, dass die Klärung der durch die erledigte Entscheidung der
Kartellbehörde aufgeworfenen unklaren Rechtslage für den Beschwerdeführer im
Hinblick auf sein künftiges Verhalten von Interesse ist. Die Feststellung muss geeignet
sein, dem Beschwerdeführer eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für künftige
Entscheidungen zu verschaffen. Dazu ist nicht erforderlich, dass derselbe Sachverhalt
mit demselben Begehren erneut zur Entscheidung der Kartellbehörde gestellt werden
wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob zukünftig gleiche tatsächliche Verhältnisse herrschen,
ob gleiche Tatbestandsvoraussetzungen gelten werden und ob es um dieselben
Personen gehen wird. Dies setzt eine Bewertung danach voraus, ob die Unterschiede,
die zwischen dem früheren und dem zukünftigen Sachverhalt bestehen, für die Behörde
vermutlich eine unterschiedliche Beurteilung nahe legen werden. Ist zu erwarten, dass
die Behörde den zukünftigen Fall nach denselben Kriterien und mit demselben Ergebnis
beurteilen wird wie den Sachverhalt, der dem ursprünglichen Freistellungsantrag
zugrunde lag, ist das besondere Feststellungsinteresse zu bejahen (BGH, WuW/E DE-R
2221, 2222/2223 – Springer/ProSieben).
94
Ein Feststellungsinteresse fehlt dementsprechend, wenn sich der Beschwerdeführer im
Zeitpunkt der Verhandlung nicht auf ein konkretes Vorhaben berufen kann, hinsichtlich
dessen die Klärung der Rechtsfragen unerlässlich erscheint, die durch die angefochtene
Untersagungsverfügung aufgeworfen worden sind (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2221, 2223
– Springer/ProSieben). In diesem Fall lässt sich schon nicht feststellen, dass künftig
gleiche tatsächliche Verhältnisse herrschen, gleiche Tatbestandsvoraussetzungen
gelten werden, es um dieselben Personen gehen wird und daher die Kartellbehörde den
zukünftigen Fall nach denselben Kriterien und mit demselben Ergebnis beurteilen wird.
So liegt der Fall hier:
95
(1)
96
Dies gilt zunächst, soweit sich E., T. und P. gegen die aufschiebende
Veräußerungsbedingung in Ziffer I. 1. a) der Freigabeverfügung wenden. Weder für E.
noch für T. und P. ist derzeit ein konkretes Zusammenschlussvorhaben abzusehen, das
nach seiner Größe und wettbewerblichen Relevanz mit der streitbefangenen Fusion
auch nur annähernd vergleichbar wäre und streitentscheidend die mit der angegriffenen
Veräußerungsbedingung aufgeworfenen Rechtsfragen berührt. Vielmehr ist es derzeit
völlig offen, ob und gegebenenfalls wann sich für eine der genannten Unternehmen die
97
Gelegenheit bietet, einen Konkurrenten zu erwerben und ob sich hierbei dieselben oder
ähnliche Rechtsfragen wie im streitbefangenen Fusionskontrollverfahren stellen
werden.
(1.1) Eine präjudizielle Wirkung könnte der angegriffenen (erledigten) Veräußerungs-
und Schließungsbedingung im Fall eines (Rück-)Erwerbes der 359 verkauften oder der
geschlossenen P.-Standorte durch die E. zukommen. In diesem Fall würde der durch
die angegriffene Bedingung untersagte Fusionserfolg nachträglich herbeigeführt,
weshalb sich für den Rückerwerb die gleichen kartellrechtlichen Fragen und Probleme
stellen würden wie in dem streitbefangenen Fusionsvorhaben.
98
Ein solcher (Rück-)Erwerb stellt sich indessen weder nach dem Vorbringen der E. noch
sonst als konkret bevorstehend dar, nachdem die Beigeladene zu 1. (nachfolgend: R.)
die 313 P.-Standorte unstreitig aus einem langfristigen strategischen Interesse
übernommen hat und auch die weiteren 46 P.-Standorte an Wettbewerber des
Lebensmitteleinzelhandels veräußert worden sind. Nichts deutet aus heutiger Sicht
darauf hin, dass die 359 Standorte im Prognosezeitraum wieder zum Verkauf stehen
werden. Dementsprechend geht auch der geschäftsführende Gesellschafter der T. K.-E.
H. davon aus, dass der Verkauf der P.-Standorte nicht rückgängig gemacht werden
kann. In einem am 10.03.2009 in der "W. O." veröffentlichten Interview heißt es dazu:
99
H.
100
W. O.:
kann auch nicht mehr zurückgedreht werden.
101
H.:
102
(1.2) Auch ein von T. und P. in den Raum gestellter Erwerb des Vollsortimenter-
Geschäfts der K. T. AG durch E. ist derzeit nicht konkret absehbar. T. und P. tragen
hierzu selbst lediglich vor, dass es "nicht völlig abwegig" bzw. "nicht ausgeschlossen"
sei, dass E. an der Vollsortimentsparte der T. "interessiert" sei (Schriftsatz vom
11.03.2009, dort Seite 5, GA 608). Ein konkret in Betracht kommendes
Fusionsvorhaben ist damit weder behauptet noch nachvollziehbar dargelegt.
103
(1.3) Soweit T. in diesem Zusammenhang ferner pauschal vorträgt, bei künftigen
Transaktionen im Lebensmitteleinzelhandel eine potentielle Erwerberin zu sein, fehlt es
auch insoweit an der Darlegung eines konkreten künftigen Fusionsvorhabens, für
welches die Frage einer präjudiziellen Wirkung vernünftigerweise gestellt werden
könnte. Der angegriffenen Amtsentscheidung kann für eine solche Fallkonstellation von
vornherein schon deshalb keine präjudizielle Wirkung zukommen, weil T. im
streitbefangenen Fusionsvorhaben als Inhaber des Zielunternehmens P. auf
Veräußererseite beteiligt war, während es künftig um den umgekehrten Fall ginge, dass
T. ein anderes Unternehmen der Branche erwirbt. Schon im Ansatz kann die
angefochtene Amtsentscheidung, dass E. fusionsbedingt eine marktbeherrschende
Stellung begründen würde, keine vorgreiflichen Rechtswirkungen in Bezug auf einen
Erwerb durch T. entfalten.
104
(1.4) Soweit das Bundeskartellamt in seiner (angegriffenen) Verfügung selbst die
Möglichkeit nicht für ausgeschlossen hält, dass sich die M.-Gruppe in Zukunft von ihrem
Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft trennt und die "r."- und K.-Standorte zum Verkauf
105
anbietet, ergibt sich daraus gleichfalls kein konkretes künftiges Vorhaben unter
Beteiligung von E., T. oder P.. Keines dieser Unternehmen behauptet diesbezüglich
konkrete Erwerbsabsichten. E. reklamiert in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom
27.03.2009 im Gegenteil lediglich die nicht auszuschließende Möglichkeit eines
solchen Erwerbs, ohne eigene konkrete Erwerbspläne zu behaupten. Darin fügt sich
ein, dass offenbar weder E. noch T. bislang Interesse an einem Erwerb gezeigt haben.
Denn die M.-Gruppe sucht - von einzelnen Standorte abgesehen - seit 2007 vergeblich
einen Paketkäufer und bereitet - gerichtsbekannt - derzeit sogar die Schließung
einzelner K.-standorte (z.B. in Krefeld) vor.
(2)
106
Soweit sich T. und P. gegen die aufschiebenden Bedingungen zu den
Beteiligungsverhältnissen im Gemeinschaftsunternehmen N. und die in diesem Kontext
kartellbehördlich untersagte gemeinsame Kontrolle des Gemeinschaftsunternehmens
und der P. wenden, ist ebenfalls kein konkretes künftiges Vorhaben ersichtlich, für
welches die angefochtene Amtsentscheidung präjudizielle Wirkung haben könnte. T.
und P. tragen hierzu nur vor, es sei "nicht grundsätzlich ausgeschlossen", dass die
Zusammenschlussbeteiligten eine gemeinsame Kontrolle über die N. vereinbaren,
nachdem der Senat festgestellt habe, dass die Freigabeverfügung nicht mit den
Nebenbestimmungen hätte verbunden werden dürfen. Ein konkretes dahingehendes
Vorhaben ist damit nicht behauptet, zumal die Zusammenschlussbeteiligten bei der
Ausgestaltung der in Rede stehenden Beteiligungsverhältnisse sogar deutlich über die
kartellbehördlichen Vorgaben hinausgegangen sind, indem P. vollständig von E.
übernommen worden ist und T. an dem Gemeinschaftsunternehmen N. lediglich eine
Finanzbeteiligung von .. % hält.
107
In dieselbe Richtung weisen auch die Äußerungen des geschäftsführenden
Gesellschafters der T. K.-E. H. im Interview mit der "W. O." vom 10.03.2009. Hiernach
will die T.-Gruppe am Wachstum des Discount-Bereichs vermöge ihrer derzeitigen
Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen N. teilnehmen und ist mit ihrer jetzigen
Unternehmensstruktur sehr zufrieden.
108
Schließlich liegt eine Umstrukturierung der Beteiligungsverhältnisse auch aus
rechtlichen Erwägungen fern. T., P. und E. haben die Freigabeentscheidung des
Bundeskartellamtes hinsichtlich der verfügten Auflagen zu den
Beteiligungsverhältnissen und einer gemeinsamen Unternehmenskontrolle in
Bestandskraft erwachsen lassen, so dass ihnen die nunmehr in den Raum gestellte
nachträgliche Umstrukturierung für die Dauer von fünf Jahren untersagt ist. Eine
Zuwiderhandlung gegen diese Auflagen würde das Bundeskartellamt nach § 40 Abs. 3a
GWB zum Widerruf der Freigabeverfügung und daran anschließend gemäß § 41 Abs. 3
GWB zur Entflechtung des vollzogenen Zusammenschlusses berechtigen. Nichts
spricht dafür, dass T. und P. dieses Risiko eingehen werden.
109
bb)
110
Ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse von E., T. und P. ergibt sich auch nicht auf
der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (WuW/E DE-R 2221,
2222/ 2223 – Springer/ProSieben), die für den Bereich der Zusammenschlusskontrolle
einen großzügigeren Maßstab zur Feststellung eines
Fortsetzungsfeststellungsinteresse befürwortet.
111
(1)
112
Den vom Bundesgerichtshof für den Bereich der Fusionskontrolle gewährten
Erleichterungen für das Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt der Gedanke zugrunde,
den Beteiligten, die ihr Zusammenschlussvorhaben infolge der Untersagungsverfügung
aufgegeben haben, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (BGH, WuW/E DE-R 2221,
2222/2223 – Springer/ProSieben). Unternehmenszusammenschlüsse stehen aus
naheliegenden wirtschaftlichen Gründen unter besonderem Zeitdruck, dem das Gesetz
in § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GWB für das kartellamtliche Verfahren Rechnung
trägt. Demgegenüber steht den Fusionsbeteiligten im Fall einer Untersagung des
Zusammenschlusses gerichtlicher Rechtsschutz durch ein Beschwerde- und
gegebenenfalls ein anschließendes Rechtsbeschwerdeverfahren nicht in ähnlich kurzer
Frist zur Verfügung. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit führt häufig dazu, dass
die Zusammenschlussbeteiligten ihr Vorhaben im Falle einer kartellbehördlichen
Untersagung aufgeben, ohne eine gerichtliche Klärung abzuwarten. Die mangels einer
gerichtlichen Klärung verbleibende Rechtsunsicherheit kann aber auch zukünftige,
wiederum unter denselben wirtschaftlichen und zeitlichen Zwängen stehende
Akquisitionsgelegenheiten des gescheiterten Käufers beeinflussen: er muss damit
rechnen, dass seinen künftigen Erwerbsvorhaben die Argumente aus der Verfügung
entgegengehalten werden, mit der das frühere Zusammenschlussvorhaben untersagt
worden war; ein künftiger Unternehmensverkäufer wird ihn wegen des Risikos, mit einer
entsprechenden Entscheidung wie der früheren Untersagungsverfügung rechnen zu
müssen, wohlmöglich als Kaufinteressenten nicht in Betracht ziehen (vgl. BGH, WuW/E
DE-R 2221, 2222/2223 – Springer/ProSieben). Der gebotene Rechtsschutz ist den
Fusionsbeteiligten deshalb dadurch zu gewähren, dass im Rahmen der
Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB ein großzügigerer
Maßstab an das Feststellungsinteresse angelegt wird (BGH, WuW/E DE-R 2221,
2222/2223 Rn. 16 – Springer/ProSieben). Ausnahmsweise ist ein
Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB im Verfahren der
Zusammenschlusskontrolle schon dann zu bejahen, wenn die Beteiligten darlegen
können, dass sie an der Klärung der durch die Verfügung aufgeworfenen Fragen ein
besonderes berechtigtes Interesse haben, das sich aus der Präjudizierung eines
entsprechenden, wenn auch derzeit noch nicht absehbaren
Zusammenschlussvorhabens ergeben kann (BGH, WuW/E DE-R 2221, 2222/2223 Rn.
20– Springer/ProSieben). Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof das
Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht, wenn das Zielunternehmen jederzeit wieder
zum Verkauf angeboten werden kann und die Untersagungsverfügung insoweit die
Erwerbschancen des Beschwerdeführers schmälern würde, weil mit einer erneuten
Untersagung des Zusammenschlusses durch die Kartellbehörde zu rechnen wäre
(BGH, WuW/E DE-R 2221, 2222/2223 Rn. 20 – Springer/ProSieben). Offen gelassen
hat der Bundesgerichtshof hingegen, ob zur Begründung des besonderen
Feststellungsinteresses alleine der Hinweis reicht, dass die erledigte und gerichtlich
nicht mehr nachprüfbare Untersagungsverfügung generell Akquisitionsbemühungen
des Beschwerdeführers im betroffenen Marktbereich erschwert (BGH, WuW/E DE-R
2221, 2222/2223 – Springer/ProSie-ben).
113
(1.1) Für den Bereich der fusionskontrollrechtlichen Entscheidungen haben damit die
Anforderungen, die an das künftige Fusionsvorhaben zu stellen sind, eine deutliche
Erleichterung erfahren. Ein bereits konkret absehbares Vorhaben ist nicht erforderlich;
es genügt vielmehr, dass ein bestimmtes zukünftiges Fusionsvorhaben möglich
114
erscheint (beispielsweise weil das Zielunternehmen jederzeit wieder zum Verkauf
stehen kann).
(a) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein in diesem Sinne künftiges Vorhaben
festgestellt werden kann, beantwortet sich aus dem Sinn und Zweck der
Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde. Auch unter den erleichterten Bedingungen für
das Fusionskontrollrecht muss sich das Interesse der beschwerdeführenden Partei an
einer gerichtlichen Klärung unter dem Maßstab des § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB als
besonderes berechtigtes Interesse darstellen, welches ausnahmsweise den
prozessualen Weg zur nachträglichen Kontrolle einer erledigten und daher den
Beschwerdeführer nicht mehr belastenden kartellbehördlichen Verfügung eröffnet (vgl.
BGH, WuW/E DE-R 2221, 2222/2223 – Springer/ProSieben a.a.O.); die
höchstrichterliche Rechtsprechung ist erklärtermaßen lediglich auf eine Annäherung an
das weitergehende europäische Recht ausgerichtet (BGH, WuW/E DE-R 2221,
2222/2223 Rn. 21 – Springer/ProSieben).
115
Sinn und Zweck der Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde ist es, die Rechtsmäßigkeit
einer erledigten Fusionskontrollentscheidung gerichtlich zu überprüfen, damit die
Rechtslage für künftige Zusammenschlussvorhaben geklärt wird. Dem Rechtsschutzziel
des Beschwerdeführers ist es daher immanent, durch die gerichtliche Klärung der in der
angefochtenen kartellbehördlichen Entscheidung behandelten Rechtsfragen eine
Richtschnur für sein zukünftiges Verhalten zu erlangen. Das besondere Interesse ist
deshalb jedenfalls dann zu verneinen, wenn die geltend gemachte Möglichkeit eines
künftigen Vorhabens ausgeschlossen werden kann. Es ist ferner abzulehnen, wenn
alleine die theoretisch nicht auszuschließende Möglichkeit eines künftigen Vorhabens
besteht (beispielsweise die bloß theoretische und ansonsten durch keinerlei
tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Möglichkeit des Sinneswandels eines
strategischen Investors zum Verkauf seines (künftigen Ziel-)Unternehmens). Soll das
Zulässigkeitserfordernis des Feststellungsinteresses nicht konturen- und funktionslos
werden, ist ein nicht nur theoretisch denkbares, sondern zugleich auch tatsächlich in
Betracht kommendes künftiges Zusammenschlussvorhaben zu fordern.
116
(b) Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, wobei nur
solche künftigen Zusammenschlussvorhaben ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse
begründen können, die in dem - der angefochtenen fusionskontrollrechtlichen
Entscheidung zugrunde liegenden - Prognosezeitraum in Frage kommen. Dieser
Prognosezeitraum ist vorliegend - wie außer Streit steht - auf drei bis maximal fünf Jahre
zu veranschlagen.
117
(c) Die so verstandene Möglichkeit eines künftigen Vorhabens muss von der
beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen dargelegt
werden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2221, 2222/2223 Rn. 20 – Springer/ProSieben).
Insbesondere die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen sind aufgrund ihrer Markt-
und Branchenkenntnis hierzu im Allgemeinen in der Lage. Dem kann nicht mit Erfolg
entgegen gehalten werden, dass es sich bei zukünftigen Expansions- oder
Veräußerungsabsichten um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse handele. Der
Einwand geht schon deshalb fehl, weil es im vorliegenden Zusammenhang alleine auf
in Betracht kommende - und nicht auf schon konkret absehbare oder beabsichtigte -
Fusionsmöglichkeiten ankommt. Das macht im Allgemeinen - und so auch hier - die
Offenlegung von vertraulichen Unternehmensstrategien nicht erforderlich.
118
(1.2) Unverändert erforderlich ist eine hinreichende präjudizielle Wirkung der
angefochtenen kartellbehördlichen Entscheidung in Bezug auf künftige
Zusammenschlussfälle.
119
(a) Sie ist zum einen dann zu bejahen, wenn die beschwerdeführende Partei an ihrer
durch die Amtsentscheidung vereitelten Erwerbsabsicht festhält und das
Zielunternehmen jederzeit wieder zum Kauf angeboten werden kann (BGH, WuW/E
DE-R 2221, 2222/2223 – Springer/ProSieben). "Jederzeit" meint dabei den in der
angegriffenen kartellbehördlichen Verfügung zugrunde gelegten Prognosezeitraum, für
den die Amtsentscheidung und ihre gerichtliche Überprüfung von vornherein nur
Geltung beanspruchen können.
120
(b) Die präjudizierende Wirkung ist zum anderen für ein künftiges "entsprechendes"
Fusionsvorhaben anzunehmen.
121
Den Begriff des "entsprechenden" Vorhabens hat der Bundesgerichtshof nicht näher
erläutert. Sein Inhalt erschließt sich aus dem Sinn und Zweck der
Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde, die Rechtmäßigkeit einer erledigten
Fusionskontrollentscheidung gerichtlich zu überprüfen, um die Rechtslage für künftig
möglich erscheinende Zusammenschlussvorhaben zu klären. Dementsprechend sind
zwischen dem zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Streitfall und dem in Betracht
kommenden künftigen Fusionsfall so viele fusionskontrollrechtlich relevante Parallelen
zu verlangen, dass die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde dem Beschwerdeführer
hinreichende Klarheit über die kartellrechtliche Zulässigkeit eines - zwar noch nicht
konkreten, aber zumindest möglichen - künftigen Fusionsvorhaben verschaffen kann.
Nur unter dieser Voraussetzung kann ein schützenswertes Interesse an einer
gerichtlichen Klärung bestehen und lässt sich mit Hilfe der
Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde der Gefahr vorbeugen, dass dem gescheiterten
Käufer bei zukünftigen Akquisitionsgelegenheiten die Argumente aus der erledigten
Verfügung entgegengehalten werden.
122
Maßstab für die festzustellende präjudizielle Wirkung ist dabei die erledigte
Amtsverfügung in derjenigen Gestalt und mit demjenigen (Begründungs-)Inhalt, wie sie
tatsächlich ergangen ist. Denn für die Zulässigkeit der
Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde kommt es ausschließlich darauf an, ob von der
kartellbehördlichen Entscheidung beeinträchtigende Wirkungen für künftige
Fusionsfälle ausgehen. Unerheblich ist folglich, ob die angefochtene Amtsentscheidung
auch mit anderen Gründen hätte ergehen können. Ohne Belang ist ebenso, ob
sämtliche Begründungselemente der streitgegenständlichen Amtsentscheidung zur
Rechtfertigung der ausgesprochenen Entscheidung zwingend erforderlich gewesen
wären. Erforderlich ist vielmehr, dass das künftige Fusionsvorhaben alle
Begründungselemente aufweist, die das Amt in der angefochtenen Entscheidung als
entscheidungsrelevant gekennzeichnet hat (quantitative Identität) und der künftige
Fusionsfall zudem in Bezug auf seine wettbewerblichen Wirkungen auf diese
Begründungselemente hinreichend vergleichbar ist (qualitative Vergleichbarkeit).
123
(2)
124
Nach diesen Rechtsgrundsätzen kann weder für E. noch für T. und P. ein
Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne des § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB festgestellt
werden.
125
(2.1) Für eine Vielzahl der von der Beschwerde in den Raum gestellten
Erwerbsmöglichkeiten ist bereits nicht dargetan oder sonst festzustellen, dass sie im
Prognosezeitraum (3 bis maximal 5 Jahre) in Betracht kommen.
126
(a) Ein Rückerwerb der bedingungsgemäß veräußerten P.-Standorte durch E. ist nach
Lage der Dinge ausgeschlossen. R. hat 313 der insgesamt 359 veräußerten P.-
Standorte - unstreitig - aus einem langfristigen unternehmensstrategischen Interesse
erworben und diese Standorte mittlerweile in das eigene Soft-Discount-Vertriebskonzept
eingegliedert. Ein langfristiges unternehmensstrategisches Interesse behauptet das
Bundeskartellamt unwidersprochen auch für die Erwerber der weiteren 46 P.-Standorte.
Nichts spricht aus der - alleine maßgeblichen - heutigen Sicht für die Annahme, dass die
P.-Standorte im Prognosezeitraum wieder zum Verkauf stehen könnten. Auch die
Beschwerde mag hierzu Konkretes nicht vorzutragen oder aufzuzeigen. Alleine ihr
Hinweis, ein Sinneswandel der Standort-Erwerber lasse sich nie ausschließen, vermag
ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht zu begründen, weil insoweit nur ein bloß
theoretischer, tatsächlich aber nicht in Betracht kommender Rückerwerb in Rede stehen
kann.
127
(b) Aus denselben Erwägungen ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse auch nicht
mit der Behauptung dargelegt, es sei nicht ausgeschlossen, dass im Prognosezeitraum
128
das "f."- und "M."-Geschäft der B.-L. GmbH&Co KG,
129
130
131
die "T."- und "T.-City"-Verbrauchermärkte ,
132
133
das "N. S."-Discount-Geschäft der OHG N. Supermarkt GmbH & Co
134
135
und das "N."-Discountgeschäft der N. Lebensmittelfilialbetrieb GmbH & Co KG
136
137
zum Verkauf stehen können. Es gebe - so macht die Beschwerde hierzu geltend - weder
Äußerungen der jeweiligen geschäftsführenden Personen noch sonstige Gründe, die
diese Unternehmensverkäufe im Prognosezeitraum ausschließen; zudem sei denkbar,
dass die aktuelle Wirtschaftskrise den einen oder anderen Wettbewerber zu einem
Verkauf von Standorten veranlasse.
138
Für sämtliche genannten Wettbewerbsunternehmen lässt sich nur die bloß theoretisch
nicht auszuschließende Möglichkeit eines künftigen Verkaufs feststellen. Nichts spricht
nach derzeitiger Sachlage darüber hinaus für eine im Prognosezeitraum auch
tatsächlich in Betracht kommende Veräußerungsabsicht der betreffenden
Unternehmensinhaber. Mit Ausnahme der OHG N. Supermarkt GmbH & Co handelt es
sich um familiengeführte Unternehmen, die - davon kann mangels entgegenstehender
Anhaltspunkte ausgegangen werden - ihr Unternehmen mit einem langfristigen
marktstrategischen Interesse führen. Hinsichtlich der OHG N. Supermarkt GmbH & Co
behauptet die Beschwerde selbst das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte dafür, dass sich
der Hauptinvestor - eine international operierende dänische Supermarkt-Gruppe - aus
Deutschland zurückziehen und auf sein regionales LEH-Kerngeschäft konzentrieren
wolle. Ob die gegenwärtige Wirtschaftskrise zu Unternehmensverkäufen in der
Lebensmitteleinzelhandelsbranche führen wird, ist zur Zeit völlig offen und rein
spekulativ.
139
(c) Dass E., R. oder die S.-Gruppe innerhalb des Prognosezeitraums das
Supermarktgeschäft der K. T. AG erwerben könnten, ist gleichfalls nicht festzustellen.
140
Dagegen sprechen die - insoweit eindeutigen - Interviewäußerungen des
geschäftsführenden Gesellschafters der T. K.-E. H. in einem Interview mit der W.-O. vom
10. März 2009. Darin heißt es wörtlich:
141
W. O.:
142
H.:
machen sie uns nicht sonderlich viel Kopfzerbrechen, deshalb sind sie
unverkäuflich. Mit der Unternehmensstruktur, wie wir sie jetzt haben, sind wir
sehr zu frieden.
143
…………….
144
W. O.:
zu E. und R. viel zu klein.
145
H.:
mit einem Teil des Erlöses aus dem P.-Verkauf renovieren.
146
Diese - an die Öffentlichkeit gerichteten - Verlautbarungen stehen in einem diametralen
Gegensatz zu dem anderslautenden Sachvortrag in dem vorliegenden
Beschwerdeverfahren, den die Beschwerdeführer auch auf einen entsprechenden
Hinweis des Senats im Verhandlungstermin nicht aufgelöst haben. Die Behauptung,
Verkaufs- bzw. Fusionserwägungen würden üblicherweise nicht in der Presse
bekanntgegeben, ist in diesem Zusammenhang offensichtlich unzureichend. Sie lässt
schon offen, welche der beiden Darstellungen - der im Beschwerdeverfahren
präsentierte Sachvortrag oder die Interviewäußerungen des Gesellschafters H. - nicht
147
den Tatsachen entsprechen sollen. Sie ist überdies nicht plausibel, soweit damit die
Aussagekraft des Interviews abgeschwächt werden soll. Denn der Gesellschafter H.
hätte das Interview mühelos auch mit einem Inhalt führen können, bei dem die
Öffentlichkeit nicht über etwaige Überlegungen von T. in Bezug auf das K.-Geschäft
getäuscht worden wäre.
(2.2) Soweit sich T. und P. gegen die aufschiebenden Bedingungen zu den
Beteiligungsverhältnissen bei P. und beim Gemeinschaftsunternehmen N. sowie zur
gemeinsamen Kontrolle wenden, fehlt es gleichfalls bereits an der Möglichkeit eines
künftigen diesbezüglichen Vorhabens.
148
(a) T. macht hierzu lediglich geltend, es sei nicht ausgeschlossen, dass man zukünftig
die vom Bundeskartellamt verweigerten Beteiligungsverhältnisse anstreben wolle.
Berücksichtigt man, dass die Zusammenschlussbeteiligten bei der Ausgestaltung der
Beteiligungsverhältnisse sogar über die kartellbehördlichen Vorgaben hinausgegangen
sind, bestehen schon insoweit durchgreifende Zweifel, ob es sich bei dem behaupteten
Vorhaben um eine im Prognosezeitraum tatsächlich in Betracht zu ziehende Option der
Fusionsbeteiligten handelt. Es kommt hinzu, dass die in Ziffer I. 2. b) der
Freigabeentscheidung verfügte Auflage den Zusammenschlussbeteiligten die
nachträgliche Umstrukturierung und gemeinsame Kontrolle des
Gemeinschaftsunternehmens N. für den Zeitraum von fünf Jahren nach Zustellung der
Verfügung bestandskräftig untersagt. Sollten E., T. und P. - wie nunmehr reklamiert -
gegen diese Auflage verstoßen, kann dies nach § 40 Abs. 3a Satz 1 3. Alt. GWB zum
Widerruf der Freigabeentscheidung und sodann zur Entflechtung des vollzogenen
Zusammenschlusses nach § 41 Abs. 3 GWB führen. Dass die
Zusammenschlussbeteiligten dieses Risiko tatsächlich in Kauf nehmen werden, ist bei
verständiger Betrachtung auszuschließen.
149
(b) Soweit es P. betrifft, kann von vornherein weder in Bezug auf die angegriffene
Veräußerungsbedingung noch hinsichtlich der angefochtenen Bedingungen zur
Gestaltung der Beteiligungsverhältnisse und gemeinsamen Kontrolle beim
Gemeinschaftsunternehmen N. ein künftig in Betracht zu ziehendes Vorhaben
aufgezeigt werden, für das die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde ihr hinreichend
Klarheit über die kartellrechtliche Zulässigkeit verschaffen kann.
150
P. ist im streitbefangenen Zusammenschlussvorhaben das übernommene
Zielunternehmen gewesen. Ihre ehemaligen P.-Filialen sind in die N. eingebracht
worden. An der K. T. AG besteht keine Beteiligung. Aus diesem Grund kommt P. im
Prognosezeitraum weder als Erwerber noch als Veräußerer von Unternehmen im
Lebensmitteleinzelhandel in Betracht.
151
Hinsichtlich einer Nachholung der ursprünglich beabsichtigten Beteiligungsverhältnisse
und Kontrolle der N. durch E. und T. gilt das insoweit vorstehend zu T. Ausgeführte
entsprechend.
152
(2.3) Für eine Vielzahl der von der Beschwerde angeführten
Zusammenschlussmöglichkeiten entfaltet die angefochtene Freigabeverfügung
überdies keine hinreichend präjudizielle Wirkung.
153
(a) Soweit sich T. und P. gegen die aufschiebende Veräußerungsbedingung wenden,
kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse von vornherein nicht auf Fälle gestützt
154
werden, in denen jene Unternehmen künftig ein potentieller Erwerber von Standorten
des Lebensmitteleinzelhandels sind. Im streitbefangenen Zusammenschluss war T. der
Inhaber des Zielunternehmens und P. das Zielunternehmen, und das Bundeskartellamt
hat die Untersagungsvoraussetzung der Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung ausschließlich für den Erwerber E. bejaht. Schon denklogisch kann dieser
Amtsentscheidung keine präjudizielle Wirkung für den umgekehrten Fall zukommen,
dass T. oder P. ein Zielunternehmen erwerben und dementsprechend deren eigene
fusionsbedingt entstehende Marktstellung zu beurteilen ist.
(b) Dieselben Erwägungen greifen durch, soweit es um den reklamierten möglichen
Verkauf von K. T. an R. oder die S.-Gruppe geht. Da das Bundeskartellamt in der
angefochtenen Freigabeentscheidung die Untersagungsvoraussetzungen aus der
fusionsbedingt entstehenden marktbeherrschenden Stellung von E. abgeleitet hat und in
diesem Zusammenhang keine Feststellungen oder Entscheidungen getroffen hat, die für
einen Erwerb durch R. oder die S.-Gruppe präjudiziell sein könnten, kann für einen
Verkauf von Lebensmittelstandorten an R. oder die S.-Gruppe schon im Ansatz kein
Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Anspruch genommen werden. Gleiches gilt,
soweit andere Wettbewerber der E. als Erwerber in Rede stehen könnten.
155
(c) Auch für die reklamierten künftigen Zusammenschlussmöglichkeiten, bei denen E.
als Erwerber beteiligt wäre, ist die erforderliche Präjudizwirkung der angegriffenen
Veräußerungs- und Stilllegungsbedingung nicht festzustellen.
156
(aa) Maßstab für die präjudizielle Wirkung ist - wie vorstehend bereits dargelegt -
ausschließlich die angefochtene Amtsentscheidung mit demjenigen Begründungsinhalt,
den ihr das Bundeskartellamt gegeben hat.
157
Vorliegend hat das Amt die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB
bejaht, weil das Zusammenschlussvorhaben der E. auf zahlreichen Regionalmärkten,
die wiederum zu 7 "Clustern" zusammengefasst worden sind, eine marktbeherrschende
Stellung verschaffe. Dabei hat das Bundeskartellamt an vielen Stellen seiner
Entscheidung (vgl. nur Seiten 33, 34, 47, 49, 70 ff.) klargestellt, dass es die Entstehung
einer marktbeherrschenden Stellung der E. aus einer Gesamtbetrachtung aller den
Lebensmitteleinzelhandel auf regionaler und auf bundesweiter Ebene prägenden
Strukturkriterien und deren fusionsbedingten Veränderungen ableitet. Diese
untersagungsrelevanten Strukturkriterien hat es in Abschnitt C. seiner Verfügung (dort
Seite 33 bis 128) im Einzelnen benannt und erörtert (Seite 33 unten: "Hierfür (lies: für die
Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung) sind die folgenden Kriterien
maßgeblich."). An keiner Stelle ist der Entscheidungsbegründung zu entnehmen, dass
gleichwohl einzelne der aufgeführten Marktkriterien nicht entscheidungsrelevant
gewesen sind.
158
Im Ausgangspunkt hat das Bundeskartellamt eine Vielzahl benachbarter
Regionalabsatzmärkte des Lebensmitteleinzelhandels zu insgesamt 7 "Clustern"
zusammengefasst. Zu einem "Cluster" verbunden worden sind dabei regionale Märkte,
159
auf denen sich die Marktanteile zusammenschlussbedingt auf über 33 % addieren,
160
161
bei denen der Marktanteilszuwachs infolge des Zusammenschlusses mindestens
2 % beträgt
162
163
und bei denen zugleich die Marktanteilsabstände zu den nächsten Wettbewerbern
zwischen 10 bis 40 % liegen würde,
164
165
wobei diese Regionalmärkte wiederum in unmittelbarer Nachbarschaft zu
Regionalmärkten mit gleichen Strukturvorteilen der E. lägen
166
167
und fast ausnahmslos von weiteren Regionalmärkten umgeben wären, auf denen
E. allein bzw. gemeinsam mit den Fusionsbeteiligten ebenfalls über sehr hohe
Marktanteile von mindestens .. % verfügen würde, so dass die dortigen
Marktverhältnisse den fusionsbedingten Strukturvorteil der E. auf
Regionalabsatzmärkten mit mehr als einem Drittel Marktanteil auch nicht
relativieren könnten.
168
169
Für die so definierten "Cluster"-Märkte hat das Amt die Entstehung einer
marktbeherrschenden Stellung nicht alleine aus den dort fusionsbedingt zu erwartenden
hohen Marktanteilen zwischen 35 % und 60 % abgeleitet. Es hat vielmehr weitere
regionale wie auch übergreifende bundesweite markt- und unternehmensbezogene
Strukturkriterien gewürdigt, um die wettbewerbliche Stellung der bundesweit tätigen E.
sowie den ihr zukommenden Ressourcenzuwachs zu erfassen. In diesem
Zusammenhang hat das Amt vor allem die vertriebs- und marktstrategische Bedeutung
des Übernahmekandidaten P. und der damit verbundene Marktanteilszugewinn für E. in
Rechnung gestellt und für die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung
angeführt, dass
170
E. auf allen deutschen LEH-Regionalmärkten bereits Marktführer mit einer
flächendeckenden Marktabdeckung sei, wobei das Unternehmen durch
171
differenzierte Vertriebskonzepte die im engen Wettbewerbsverhältnis stehenden
Marktsegmente "Vollsortimenter" und "Soft-Discounter" abdecke und damit unter
hoher Marktpräsenz zwei der drei festzustellenden Verbrauchergruppen erreiche,
172
E. mit der Übernahme von bundesweit 2.900 P.-Standorten, von denen 2.600 in
das "Soft-Discount"-Vertriebskonzept der E. eingegliedert werden sollen, nach der
Fusion über rund 4.000 Filialen im "Soft-Discount"-Bereich verfügen, während der
nächste Wettbewerber R. lediglich 2.000 Standorte halte würde,
173
174
weshalb das für E. hinzuzugewinnende unternehmerische Potential vor allem in
der erheblichen Verdichtung und Erweiterung ihres Standortnetzes bestehen
würde, wofür wiederum die Gesamtverkaufsfläche und die Anzahl der zu
übernehmenden Standorte des Zielunternehmens prägend seien,
175
176
E. zudem regional und bundesweit einen im Hinblick auf das
Vertriebsschienenkonzept engen Wettbewerber übernehme, mit dessen Fortfall
aus dem Wettbewerb ein hoch konzentrierter bundesweiter Markt für
Lebensmitteleinzelhandel entstehen würde, bei dem etwa 90 % des Marktes durch
lediglich noch fünf Unternehmensgruppen repräsentiert würden,
177
178
der Zusammenschluss bundesweit betrachtet für E. zu Marktanteilszuwächsen von
7 bis 8 % und einem bundesweiten Marktanteil von über 33 % führen würde mit
einem zugleich gegenüber den nächsten Mitwettbewerbern A. bzw. R. 1,5- bis 2-
fach höheren Gesamtumsatz,
179
180
sich der Umsatzzuwachs auf 8 bis 9 Mrd. Euro belaufe,
181
182
im "Soft-Discount"-Bereich ein Zuwachs an Verkaufsfläche von mehr als 1,5 Mio.
Quadratmetern stattfinde mit einer gegenüber dem nächsten Mitwettbewerber R.
dann doppelt so großen Gesamtverkaufsfläche der E.,
183
184
sich der Anteil der Herstellermarken für E. von ca. 45 % auf rund 70 % erhöhen
würde.
185
186
E. würde - so hat das Amt weiter ausgeführt - infolge der vorgenannten fusionsbedingten
Veränderungen seinen ohnehin schon herausragenden Zugang zu den Absatz- und
Beschaffungsmärkten weiter ausbauen. Zusammenschlussbedingt erhöhe sich das
Beschaffungsvolumen je nach Produkt im Durchschnitt auf 30 % bis über 50 %, woraus
erhebliche Mengenvorteile beim Einkauf gegenüber den Mitbewerbern erzielt werden
könnten und ferner eine größere Abhängigkeit der Lieferanten von E. entstehe. Über
Spiraleffekte wirkten sich diese Beschaffungsvorteile, insbesondere niedrigere
Einkaufspreise, zugleich verstärkend auf die Wettbewerbsposition der E. beim Absatz
aus. Aufgrund der strukturellen Vorteile sei der im "Soft-Discount"-Bereich verbleibende
enge Wettbewerber R. nach dem Zusammenschluss zu schwach, um E. wirkungsvoll
angreifen zu können. Auch würden sich die strukturellen Zutrittsschranken für potentielle
Wettbewerber, die insbesondere durch ein Vertriebskonzept mit flächendeckender und
wohnortnaher Versorgung konkurrenzfähig sein könnten, durch die Fusion signifikant
verstärken.
187
Seine Entscheidung, den Zusammenschlussbeteiligten trotz der bundesweiten
Fusionswirkungen lediglich die Veräußerung bzw. Schließung der in den 7 "Clustern"
gelegenen P.-Standorte aufzugeben, hat das Amt mit der Erwägung gerechtfertigt, dass
für diejenigen Regionalmärkte, auf denen E. die 33 %-Marktanteilsschwelle nicht
erreiche und alleine die sonstigen Strukturkriterien (bundesweite Auswirkungen,
verbesserter Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten) wirksam würden, eine
marktbeherrschende Stellung der E. nicht bejaht werden könne.
188
Nach der angefochtenen Freigabeentscheidung ist das Erreichen oder Überschreiten
der 33 %-Marktanteilsschwelle demnach zwar zwingende - aber nicht alleinige -
Voraussetzung für die angenommene marktbeherrschende Position der E.. Dies
bedeutet, dass bei künftigen Fusionsfällen alleine ein Marktanteilszuwachs auf
mindestens 33 % nicht ausreicht, um eine präjudizielle Wirkung der angefochtenen
Amtsentscheidung anzunehmen. Erforderlich für die Präjudizwirkung ist vielmehr, dass
das künftige Fusionsvorhaben sämtliche Begründungselemente, die das Amt als
entscheidungserheblich ausgewiesen hat, aufweist und der künftige Fusionsfall
überdies von seinen wettbewerblichen Auswirkungen auf jene Begründungselemente
hinreichend vergleichbar ist.
189
(bb) Gemessen an diesen Anforderungen entfaltet die angefochtene Verfügung für
keines der in den Raum gestellten künftigen Zusammenschlussmöglichkeiten eine
hinreichende Präjudizwirkung.
190
(aaa) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für E. lässt sich nicht mit dem Argument
begründen, dass nach der angefochtenen Amtsentscheidung jegliche Expansion in den
Clustermärkten die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfülle. Dies
ergibt sich unmittelbar aus den vorstehenden Ausführungen. Dem Amt hat alleine der
Marktanteilszuwachs, der zu einem fusionsbedingten Marktanteil von über einem Drittel
führt, für die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der E. nicht ausgereicht.
Es hat seine Entscheidung im Gegenteil auf das dargestellte umfassende
Begründungsbündel aus regionalen und bundesweit wirksamen Marktstrukturkriterien
gestützt und ausweislich der gegebenen Begründung sämtliche Aspekte für
entscheidungserheblich erachtet. Deshalb verfehlt es die Begründung der
angefochtenen Amtsentscheidung, wenn die Beschwerde lediglich auf einen
Marktanteilszuwachs über 33 % abstellt.
191
Dass die vom Bundeskartellamt verfügten Veräußerungs- und Stilllegungsbedingungen
nur knapp 400 der insgesamt 2.900 fusionsbefangenen P.-Standorte betreffen, so dass
die vom Amt erörterten bundesweiten Marktstrukturverschlechterungen im Übrigen - und
damit zu einem erheblichen Teil - eingetreten sind, ist in diesem Zusammenhang nicht
ausschlaggebend. Ungeachtet dieser Tatsache ist nämlich durch die streitbefangene
Freigabeverfügung in keiner Weise vorentschieden, dass E. in den "Cluster"-Märkten
jedweder Hinzuerwerb untersagt würde. Es hängt vielmehr von der Größe und
Marktbedeutung des Zusammenschlussvorhabens sowie dem betroffenen "Cluster" ab
und bedarf der eigenständigen kartellbehördlichen Prüfung und Beurteilung, ob und
gegebenenfalls welcher Standorterwerb nach dem vom Amt herangezogenen
Begründungsbündel zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der E. führen
würde.
192
(bbb) Im Ergebnis Gleiches gilt für einen möglichen Erwerb der r.- und K.-Standorte der
M. durch E..
193
Allerdings würde - wie sich den Marktanteilstabellen in der angefochtenen Verfügung
(dort Seiten 52, 56, 62/63, 66, 69) entnehmen lässt - der Erwerb von r.- oder K.-filialen in
einigen "Cluster"-Märkten zu vergleichbaren oder sogar darüber hinaus gehenden
Marktanteilsadditionen wie die streitbefangene Fusion führen. Außerdem ist zu
beachten, dass E. im Zuge der streitgegenständlichen Fusion den Großteil der P.-
Standorte übernehmen und dadurch seine Marktposition ausbauen konnte. Dies könnte
darauf hindeuten, dass trotz der gegenüber den veräußerten 359 P.-Standorten deutlich
geringeren Anzahl der r.-Standorte eine noch hinreichend vergleichbare (quantitative)
Wirkung der künftigen Fusion vorliegt. Letztlich braucht dieser Frage aber nicht
nachgegangen zu werden. Denn eine präjudizielle Wirkung scheidet jedenfalls aus
einem anderen Grund aus. Ausweislich der Beschlussbegründung (dort Seiten 46/47,
129, 130) hat das Bundeskartellamt die Entstehung einer marktbeherrschenden
Stellung der E. ganz maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass die
Zusammenschlussbeteiligten in den Marktsegmenten "Vollsortimenter" und "Soft-
Discounter" tätig sind und zwischen diesen beiden Segmenten ein enges
Wettbewerbsverhältnis besteht, und dass ferner mit dem Verkauf des P.-Geschäfts an E.
lediglich R. als ein enger Wettbewerber der E. verbliebe, der jedoch angesichts seiner
deutlich schwächeren Ressourcen die fusionsbedingt entstehende starke Marktstellung
194
der E. nicht wirksam angreifen könne. Gerade dieser zentrale Begründungsaspekt in
der angefochtenen Verfügung wäre bei einem Erwerb der r.- und K.-Standorte durch E.
nicht erfüllt. Denn nach den Feststellungen des Amtes betätigen sich beide
Unternehmen in verschiedenen Marktsegmenten. Bei den K.-filialen handelt es sich um
"Warenhäuser" und bei den r.-Märkten um großflächige "SB-Waren-häuser", während
E. auch nach der Fusion ausschließlich als "Vollsortimenter" und "Soft-Discounter" tätig
ist. Stellt man in Rechnung, dass das Amt in der angegriffenen Amtsentscheidung
zwischen "SB-Warenhäusern" einerseits und "Vollsortimentern" sowie "Soft-
Discountern" andererseits ein stark abgestuftes Wettbewerbsverhältnis angenommen
hat, ist die kartellrechtliche Unzulässigkeit eines Erwerbs von r.- oder K.-standorten
durch E. in keiner Weise vorentschieden. Die sich bei einer künftigen Fusion zwischen
E. und der Lebensmittelsparte der M. ergebende fusionskontrollrechtliche Lage wäre
vielmehr vom Amt eigenständig mit einem derzeit offenen Ergebnis zu untersuchen.
Darin fügt sich ein, dass das Bundeskartellamt E. zwischenzeitlich eine Übernahme von
zwei r.-Standorten in Clustergebieten gestattet hat.
Ob - was die Beschwerde in Frage stellt - die Segmentunterteilung und die
wettbewerbliche Bewertung der einzelnen Marktsegmente in der angegriffenen
Verfügung zutreffend erfolgt ist, spielt für die präjudizierende Wirkung der
angefochtenen Entscheidung keine Rolle, sondern betrifft ausschließlich die
Begründetheit der Beschwerde.
195
(ccc) Keine Präjudizwirkung besteht ebenso für einen Erwerb der B.-L.-Standorte ("F."-
und "M."-Märkte) durch E..
196
Zwar käme es in den Regionalmärkten Buchholz und Leisnig des Clusters Wittingen
jeweils zu relevanten Marktanteilszuwächsen. B.-L. mag mit einem .. %igen Anteil an
Herstellermarken auch ein enger Wettbewerber der E. aus dem Marktsegment
"Vollsortimenter" sein. Gleichwohl ist eine Präjudizwirkung zu verneinen. E. würde - wie
die Beschwerde vorträgt - im Regionalmarkt Buchholz sieben Standorte und - wie sich
aus Tabelle 8 der angefochtenen Verfügung (dort Seite 60) ergibt - im Regionalmarkt
Leisnig vier Standorte übernehmen. Die Frage, ob die damit verbundene
Marktanteilsaddition zur Begründung einer marktbeherrschenden Stellung der E. auf
den beiden Regionalmärkten führen würde, ist auch vor dem Hintergrund der
angefochtenen Amtsentscheidung offen. Das Bundeskartellamt hat in der
streitbefangenen Entscheidung die Untersagungsvoraussetzungen für die von den
Nebenbestimmungen betroffenen Regionalmärkte nicht alleine mit den dort
fusionsbedingt eintretenden Marktanteilszuwächsen auf über 33 % begründet, sondern
sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auf alle den Lebensmittelhandel auf
regionaler und bundesweiter Ebene prägenden Strukturkriterien gestützt. Die
Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung der E. hat es in diesem
Zusammenhang maßgeblich mit der Erwägung begründet, dass nach einer Übernahme
der P.-Geschäfte durch E. lediglich R. (und mit Einschränkungen die S.-Gruppe) als
wesentliche Wettbewerber im "Soft-Discount" und "Vollsortiment" verbleiben würde und
R. vor allem im "Soft-Discount" aufgrund seiner deutlich niedrigeren Marktanteile und
der geringeren unternehmerischen Ressourcen zu schwach sei, um nach dem
Zusammenschluss die strukturellen Vorteile der E. wirkungsvoll angreifen zu können
(Seite 130 der angefochtenen Verfügung). Ob vor dem Hintergrund dieser Begründung
ein Hinzuerwerb von lediglich 11 Standorten zur Annahme einer marktbeherrschenden
Stellung der E. führen würde, nachdem insgesamt 359 P.-Standorte im Zuge der
verfügten Nebenbestimmungen an Wettbewerber der E. veräußert worden sind, wäre
197
eine vom Bundeskartellamt neu zu prüfende Frage, die durch die angefochtene
Fusionskontrollentscheidung nicht vorentschieden ist.
Soweit sich ein Erwerb von B.-L.-Standorten darüber hinaus auch auf Regionalmärkte
außerhalb der von den Nebenbestimmungen betroffenen "Cluster" auswirken würde,
kommt der angegriffenen Amtsentscheidung schon in Ansatz eine präjudizielle Wirkung
zum Nachteil der Beschwerdeführer nicht zu. Denn das Bundeskartellamt hat für jene
Regionalmärkte die Untersagungsvoraussetzungen gerade nicht festgestellt.
198
(ddd) Soweit E. die Möglichkeit eines Erwerbes der K. T.-Standorte in den Raum stellt,
fehlt es aus den vorstehend zu einem Erwerb von B.-L.-Standorten dargelegten
Erwägungen ebenfalls an einer präjudiziellen Wirkung. Wie die Beschwerde selbst
vorträgt, käme es lediglich im "Cluster" Straubing durch den Hinzuerwerb von insgesamt
8 Standorten zu einem kartellrechtlich relevanten Marktanteilszuwachs. Ob der damit
verbundene Ressourcenzuwachs zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung
auf dem betroffenen Regionalmarkt führen würde, ist durch die angefochtene
Fusionskontrollentscheidung nicht vorentschieden und müsste vom Bundeskartellamt
geprüft werden.
199
(eee) Für einen möglichen Erwerb von T.-Standorten fehlt es gleichfalls an einer
hinreichend präjudiziellen Wirkung. Das gilt schon deshalb, weil T. Verbrauchermärkte
betreibt und folglich kein enger Wettbewerber der E. ist. Legt man die Begründung der
angefochtenen Fusionskontrollentscheidung zugrunde, die für die Feststellung der
Untersagungsvoraussetzungen entscheidend auf das zwischen den Fusionsbeteiligten
bestehende enge Wettbewerbsverhältnis und die sich daraus ergebenden
Zusammenschlusswirkungen auf den "Soft-Discount"-Bereich abstellt, ist die
kartellrechtliche Beurteilung eines möglichen T.-Erwerbs durch die streitbefangene
Amtsentscheidung nicht vorweggenommen.
200
(fff) Gleiches gilt für einen Erwerb der N., die nach den Feststellungen des Amtes (Seite
16 der Amtsverfügung) ein "Hard-Discount"-Geschäft betreibt und somit ebenfalls kein
enger Wettbewerber der E. ist. Ob - wie die Beschwerde meint - die vom
Bundeskartellamt vorgenommene Einstufung des potentiellen Zielunternehmens als
"Hard-Discounter" und die daraus abgeleitete Schlussfolgerung auf ein stark
abgestuftes Wettbewerbsverhältnis zu E. sachlich nicht gerechtfertigt sind, ist für die
Frage einer Präjudizwirkung ohne Bedeutung und wäre alleine im Rahmen der
Begründetheitsprüfung von Interesse.
201
(ggg) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse lässt sich gleichermaßen nicht mit einem
Erwerb der N.-S.-Standorte begründen. E. hält an N.-S. bereits eine
Minderheitsbeteiligung, aufgrund derer das Bundeskartellamt die Marktanteile dieses
Soft-Discounters der E. bereits in der streitbefangenen Fusionskontrollentscheidung
zugerechnet (Seite 24 der Amtsverfügung) und den damit verbundenen
Marktanteilsanstieg der E. für fusionskontrollrechtlich unbedenklich gehalten hat. Sollte
E. zukünftig seine Minderheitsbeteiligung ausbauen und N.-S. übernehmen, kann sich
fusionskontrollrechtlich alleine noch die Frage stellen, ob der damit entstehende
kontrollierende Einfluss der E. auf N.-S. zur Begründung einer marktbeherrschenden
Stellung führen würde. Diese kartellrechtliche Frage ist durch die streitbefangene
Verfügung in keiner Weise vorentschieden.
202
(hhh) Was den Erwerb von Standorten anderer großer Wettbewerber wie z.B. A., R., L.
203
oder K. durch E. betrifft, ist eine hinreichende Vergleichbarkeit dieser Fusionsvorhaben
mit dem streitbefangenen Zusammenschluss weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
(iii) Gleiches gilt für einen in den Raum gestellten Verkauf der K. T. AG an R., A. oder
andere Wettbewerber im Lebensmitteleinzelhandel. Das Bundeskartellamt hat die
Untersagungsvoraussetzungen aus der fusionsbedingt entstehenden Marktstellung von
E. abgeleitet. Irgendwelche Feststellungen oder Entscheidungen, die präjudiziell für R.
oder die S.-Gruppe als Erwerberin sein könnten, enthält die angefochtene Verfügung
nicht. Schon aus diesem Grund fehlt es an einer Präjudizwirkung. Es kommt hinzu, dass
die "Cluster" Berlin, Ruhrgebiet und Frankfurt, für welche die Beschwerde eine
Vorentscheidung annimmt, ohnehin außerhalb der von den Nebenbestimmungen
betroffenen Cluster liegen, für welche das Amt das Vorliegen der
Untersagungsvoraussetzungen bejaht hat.
204
(3) Die Beschwerde leitet ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse schließlich daraus her,
dass die in der angegriffenen Verfügung angewendeten Rechtsgrundsätze und
kartellrechtlichen Bewertungen - namentlich die angenommenen stark abgestuften
Wettbewerbsverhältnisse zwischen einzelnen Segmenten des
Lebensmitteleinzelhandelsmarktes, die durchgeführte Clusterbildung oder die Relevanz
der Gesamtverkaufsfläche als Marktstrukturkriterium - bei zukünftigen
Zusammenschlussvorhaben ebenfalls Bedeutung erlangen können und deshalb bereits
im Streitfall einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen seien. Dem vermag sich der
Senat nicht anzuschließen. Die Beschwerde kann sich in diesem Zusammenhang
alleine darauf berufen, dass die eine oder andere in der angefochtenen
Amtsentscheidung behandelte Rechtsfrage künftige Akquisitionsbemühungen der
Beschwerdeführer stören und eine - wie auch immer geartete - Relevanz erlangen
könnte. Derartige Beeinträchtigungen begründen indes kein berechtigtes Interesse an
der gerichtlichen Überprüfung einer erledigten Amtsentscheidung (offen gelassen in
BGH, WuW/E DE-R 2221, 2223 – Springer/ProSieben). Andernfalls würde nämlich das
Feststellungsinteresse als Zulässigkeitserfordernis weitgehend funktionslos und liefe
die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde letztlich auf eine gutachterliche Nachprüfung
erledigter Amtsentscheidungen hinaus.
205
B.
206
Die Beschwerde der E. ist darüber hinaus unzulässig, soweit mit ihr die Aufhebung der
in Ziffer 2. a) verfügten Auflage begehrt wird, wonach für die Dauer von zwei Jahren
keine geschlossenen P.-Standorte wiedereröffnet und keine neuen Standorte in
unmittelbarer Nähe verkaufter oder geschlossener P.-Filialen eröffnet werden dürfen.
207
1.
208
E. ist durch die angefochtene Nebenbestimmung formell beschwert, weil ihrem
Freigabebegehren nur teilweise, nämlich (u.a.) unter der genannten einschränkenden
Auflage, entsprochen worden ist.
209
Die formelle Beschwer ist nicht deshalb entfallen, weil sich E. im Verlaufe des
Verwaltungsverfahrens mit dem Bundeskartellamt auf die verfügten
Nebenbestimmungen verständigt hat. Denn E. hat ihr ursprünglich auf uneingeschränkte
Freigabe des Zusammenschlussvorhabens gerichtetes Begehren nicht aufgegeben.
210
Erklären die Zusammenschlussbeteiligten der Kartellbehörde gegenüber ihr
Einverständnis mit den Nebenbestimmungen einer beabsichtigten Fusionsfreigabe,
kann die daraufhin ergangene Freigabeentscheidung mangels Beschwer nicht mit der
Beschwerde angegriffen werden, wenn die Zusammenschlussbeteiligten mit ihrer
Zustimmung zugleich ihr ursprüngliches Begehren auf uneingeschränkte Freigabe
aufgegeben haben. Allerdings muss sich der Wille, das ursprünglich auf eine
unbedingte Freigabe gerichtete Verfahrensbegehren nicht mehr weiterverfolgen zu
wollen, mit der gebotenen Eindeutigkeit ergeben (BGH WuW/E DE-R 1681, 1684 – DB
Regio/üstra; Senat WuW/E DE-R 1397, 1399 – ÖPNV Hannover). Dies ist hier nicht der
Fall. Sowohl E. als auch T. haben im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck gebracht,
sich lediglich zur Erlangung einer kartellbehördlichen Freigabeentscheidung mit den
vom Amt geforderten Nebenbestimmungen einverstanden zu erklären und im Übrigen
an ihrem Verlangen einer unbeschränkten Fusionsfreigabe festzuhalten.
211
2.
212
E. ist durch die angegriffene Auflage jedoch nicht materiell beschwert.
213
Die materielle Beschwer setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch die
angefochtene Verfügung der Kartellbehörde in seinen wirtschaftlichen und
unternehmerischen Interessen unmittelbar und individuell betroffen ist (BGH WuW/E
DE-R 2138 – Anteilsveräußerung). Diese Betroffenheit muss sich auf einen rechtlich
und tatsächlich in Betracht kommenden Verhaltensspielraum beziehen. Rechtswidriges
unternehmerisches Verhalten oder ein bloß theoretisch denkbarer, aber tatsächlich nicht
in Betracht kommender Handlungsspielraum können eine materielle Beschwer nicht
begründen.
214
Im Entscheidungsfall ist eine Betroffenheit der E. unter mehreren Aspekten zu
verneinen:
215
a)
216
Das gilt zunächst für die Auflage, geschlossene Filialstandorte nicht wiederzueröffnen.
217
Eine Wiedereröffnung geschlossener P.-Standorte ist schon unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten ausgeschlossen. Wie das Bundeskartellamt unwidersprochen
vorgetragen hat, sind ausschließlich solche P.-Standorte geschlossen worden, die
aufgrund ihrer schlechten Lage unverkäuflich waren. Es fehlt jedweder Anhaltspunkt für
die Annahme, dass E. gleichwohl in Erwägung zieht, diese Filialen innerhalb des
Zweijahreszeitraums erneut zu eröffnen. Auch die Beschwerde trägt dazu
nachvollziehbar und substantiiert Nichts vor.
218
Es kommt hinzu, dass E. mit dem Widerruf der Freigabeentscheidung rechnen müsste,
wenn es sich tatsächlich eine Wiedereröffnung geschlossener Standorte im
Auflagenzeitraum vorbehalten hätte. Standortschließung im Sinne der verfügten
Nebenbestimmungen bedeutet bei verständiger Auslegung die endgültige Aufgabe des
Standorts während des angeordneten Auflagenzeitraums. Nur durch eine dahingehende
Nebenbestimmung konnte das vom Bundeskartellamt erklärtermaßen verfolgte Ziel,
jedweden fusionsbedingten Marktanteilszuwachs in den betroffenen Regionalmärkten
zu verhindern, eintreten. Nach den Maßstäben eines redlichen Verhaltens war mithin
auch das Angebot der Zusammenschlussbeteiligten zu den verfügten
219
Nebenbestimmungen in diesem Sinne zu verstehen. Sollte sich E. - wie es im
Beschwerdeverfahren den Eindruck zu erwecken versucht - gleichwohl eine
Wiedereröffnung geschlossener Standorte vorbehalten haben, hätte es die
Freigabeverfügung durch unzutreffende Angaben erwirkt. Dies würde gemäß § 40 Abs.
3a Satz 1 1. Alt. GWB den Widerruf der Freigabeentscheidung rechtfertigen. Dass E.
dieses Risiko tatsächlich in Kauf nehmen will, ist nicht anzunehmen und wird auch von
der Beschwerde nicht behauptet. Sie trägt lediglich vor, ihre Überlegungen zur
Eröffnung neuer Standorte in unmittelbarer Nähe veräußerter oder geschlossener P.-
Filialen nicht aufgegeben zu haben.
b)
220
Keine materielle Beschwer für E. resultiert ebenso aus der Auflage, für die Dauer von 2
Jahren ab Zustellung der Freigabeverfügung - mithin bis zum 30.6.2010 - keine Filialen
in unmittelbarer Nähe zu veräußerten oder geschlossenen P.-Standorten zu eröffnen.
Nach dem Sach- und Streitstand scheidet eine solche Geschäftseröffnung im
Auflagenzeitraum schon mit Rücksicht auf die Dauer eines dafür zu durchlaufenden
Genehmigungsverfahrens aus.
221
Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass das für den Bau und
Betrieb eines Lebensmitteleinzelhandelgeschäfts erforderliche Genehmigungsverfah-
ren selbst in ländlichen Gebieten regelmäßig 2 Jahre in Anspruch nimmt und sich in
Ballungsgebieten sogar über 3 bis 6 Jahre erstrecken kann. Dies hat das
Bundeskartellamt auf der Grundlage seiner im Zuge des Fusionskontrollverfahrens
durchgeführten Befragung zahlreicher Lebensmitteleinzelhandels-Unternehmen
festgestellt und daraus folgerichtig die Behauptung abgeleitet, dass E. bis zum Ablauf
der restlichen Auflagenzeitraums von knapp 1 1/4 Jahren eine Standort-Eröffnung nicht
möglich ist. Die Beschwerde ist diesem Befund nicht erheblich entgegen getreten.
Obschon E. aufgrund eigener diesbezüglicher Aktivitäten über hinreichende
Erfahrungen verfügt, hat es die Richtigkeit der vom Amt getroffenen Feststellungen zur
Dauer eines Genehmigungsverfahrens lediglich pauschal bestritten. Auch auf den - im
Senatstermin erteilten - Hinweis, dass die beschwerdeführende Partei im Rahmen des
Möglichen und Zumutbaren an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken muss und
ohne einen solchen Sachvortrag kein Anlass für gerichtliche Aufklärungsmaßnahmen
besteht, hat sich E. in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 27.03.2009 auf ein bloßes
Bestreiten der vom Amt ermittelten Genehmigungsdauer beschränkt. Den gebotenen
Sachvortrag, welches konkrete Neueröffnungsprojekt noch im restlichen
Auflagenzeitraum realisierbar sein soll, weil entweder das betreffende
Genehmigungsverfahren bereits in der Vergangenheit betrieben worden ist oder aus
besonderen Gründen mit einer kürzeren Genehmigungsdauer zu rechnen sein soll, hat
E. weiterhin unterlassen. Das von der Beschwerde in diesem Kontext vorgebrachte
Argument, bei laufenden oder geplanten Expansionsprojekten handele es sich um
Geschäftsgeheimnisse, die nicht offenbart werden müssten, geht ersichtlich fehl. Es
verkennt, dass gegenüber dem Gericht und dem Bundeskartellamt ein Geheimnisschutz
von vornherein nicht in Betracht kommen kann und sich etwaige Geschäftsgeheimnisse
gegenüber den Beigeladenen durch die Einräumung eines nur eingeschränkten
Akteneinsichtsrechts wahren lassen (§ 72 Abs. 2 und 3 GWB). Vor diesem Hintergrund
kann dahin stehen, ob ein hinreichend substantiierter Sachvortrag ohnehin auch ohne
eine Aufdeckung etwaiger wettbewerbsrelevanter Details zum Neueröffnungsprojekt
möglich gewesen wäre, indem beispielsweise der geplante Standort nur ungefähr
mitgeteilt wird. Substanzlos - und mithin unerheblich - ist ebenso die Behauptung von
222
E., aufgrund der Auflage Neueröffnungsprojekte, die aufgrund ihrer Realisierungsreife
"selbst bei einem längeren Genehmigungsverfahren während der Zweijahresfrist
relevant" geworden wären, eingestellt zu haben.
c)
223
Ein (Rück-)Kauf der von T. bedingungsgemäß veräußerten P.-Standorte durch E. wäre
eine Umgehung der Veräußerungsbedingung und würde den Widerruf der
Freigabeentscheidung nach § 40 Abs. 3a Satz 1 1. Alt. GWB rechtfertigen. Es ist nicht
anzunehmen und wird auch von der Beschwerde nicht behauptet, dass E. einen
solchen Rückkauf in Erwägung zieht.
224
III.
225
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB.
226
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Streitsache in Bezug auf die
Frage, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne von § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB
alleine aus dem Umstand hergeleitet werden kann, dass sich die eine oder andere in
der angefochtenen Verfügung behandelte Rechtsfrage auch bei künftigen
Aquisitionsbemühungen der beschwerdeführenden Partei stellen kann,
rechtsgrundsätzliche Bedeutung hat (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB).
227
IV.
228
Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 GKG nach
dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerinnen an der begehrten
Feststellung und der Aufhebung der angegriffenen Auflage bemessen.
229
Dr. J. Kühnen Dr. Maimann Breiler
230
Rechtsmittelbelehrung:
231
Die Entscheidung kann mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Die
Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist
durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht
(Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen zwei Monaten zu begründen.
Diese Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Verfügung und kann auf
Antrag des Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die
Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die
Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt
wird. Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen
durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet
sein.
232