Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.12.2004

OLG Düsseldorf: aufwand, zumutbarkeit, vertreter, entsendung, abreise, arbeitskraft, laden, beruf, abgabe, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-4 W 68/04
14.12.2004
Oberlandesgericht Düsseldorf
4. Zivilsenat
Beschluss
I-4 W 68/04
Auf die sofortige Beschwerde des Vorstandsvorsitzenden der Klägerin
wird der Ordnungsgeldbeschluss des Landge-richts Wuppertal vom
05.11.2004 aufgehoben.
G r ü n d e
Die sofortige Beschwerde des Vorstandsvorsitzenden der Klägerin, Dr. B..., ist nach § 380
Abs. 3 ZPO in entsprechender Anwendung statthaft.
Sie ist auch begründet. Das Landgericht hätte im vorliegenden Fall von der Verhängung
eines Ordnungsgeldes in Höhe von 150 € absehen müssen.
Dahinstehen kann die streitige Frage, ob bei beteiligten juristischen Personen ein
Ordnungsgeld überhaupt gegen deren gesetzlichen Vertreter verhängt werden kann (so
Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 141 Rdz 14; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 141 Rdz
33) oder aber nur gegen diese selbst (so LAG Hamm, MDR 1999, S. 825;
Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 141 Rdz 30; Musielak/Stadler, ZPO, 4.
Aufl., § 141 Rdz 12).
Nicht auszuschließen ist ein die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses begründender
Verfahrensfehler bereits deshalb, weil die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß §§
278 Abs. 3 S. 2, 141 Abs. 3 S. 1 ZPO wegen unentschuldigten Ausbleibens des
Vorstandsvorsitzenden im Termin gemäß § 141 Abs. 3 S. 3 ZPO nur hätte erfolgen dürfen,
wenn dieser zuvor auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden wäre
(Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 278 Rdz 29; § 141 Rdz. 52 f.; Musielak/Stadler,
a.a.O., § 141 Rdz 9, 12; Zöller/Greger, a.a.O., § 141 Rdz 10). Dass ein solcher Hinweis
ergangen ist, ist nicht ersichtlich, insbesondere der Ladungsverfügung (Bl. 50 f. d. GA) nicht
zu entnehmen.
Darüber hinaus beruht das Verhängen eines Ordnungsgeldes im vorliegenden Fall auf
fehlerhafter Ermessensausübung, und zwar selbst dann, wenn der im Termin als
Unterbevollmächtigter erschienene Rechtsanwalt H... nicht umfassend zur Abgabe der
gebotenen Erklärungen im Sinne des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO, insbesondere zu einem
Vergleichsabschluss, bevollmächtigt war. Nach § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO steht das
Verhängen eines Ordnungsgeldes gegen eine nicht zum Termin erschienene Partei
ausdrücklich im Ermessen des Gerichts. Dabei erweist sich die Verhängung eines
Ordnungsgeldes jedenfalls dann als ermessensfehlerhaft, wenn bereits das Anordnen des
persönlichen Erscheinens ermessenfehlerhaft war. So liegt der Fall hier:
7
8
Die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei zur Güteverhandlung ist gemäß
§ 278 Abs. 3 S. 1 ZPO nicht zwingend ("soll angeordnet werden"). Gemäß §§ 278 Abs. 3 S.
2, 141 Abs. 1 S. 2 ZPO ist von der Anordnung des Erscheinens dann abzusehen, wenn
dies dem Betroffenen wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grunde
unzumutbar ist. Erforderlich ist mithin eine Abwägung unter Berücksichtigung der
Umstände des Einzelfalles (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 141 Rdz 18;
Musielak/Stadler, a.a.O., § 141 Rdz 4; MünchKomm-ZPO/Prütting, 2. Aufl.,
Aktualisierungsband, § 278 Rdz 23). Diese Abwägung ergibt vorliegend, dass dem
Vorstandsvorsitzenden der Klägerin als der geladenen und damit für die Frage der
Zumutbarkeit maßgeblichen Person das persönliche Erscheinen unzumutbar war. Dafür
dürfte bereits der in § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO ausdrücklich erwähnte Grund der großen
Entfernung sprechen. Die Klägerin hat ihren Sitz in Stuttgart, über 400 km entfernt vom
Verhandlungsort Wuppertal. Aber auch alle sonstigen, die Abwägung beeinflussenden
Umstände wie die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits, der Beruf des Geladenen,
dessen mit der Terminswahrnehmung verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand und
die Fähigkeit und Eignung des Geladenen zur Sachaufklärung machen das persönliche
Erscheinen des Vorstandsvorsitzenden vorliegend unzumutbar. Der Streitwert von 5.484,21
€ ist, insbesondere für ein großes Wirtschaftsunternehmen wie das der Klägerin, äußerst
gering, der Rechtsstreit mithin wirtschaftlich unbedeutend. In keinem Verhältnis dazu steht
der zeitliche Verlust mindestens eines vollen Arbeitstages eines Vorstandsvorsitzenden
durch An- und Abreise von und nach Stuttgart. Neben dem zeitlichen Aufwand steht der
durch Entsendung des Vorstandsvorsitzenden zum Termin entstehende Aufwand
angesichts dessen zu vermutenden Einkommens und der Erwägung, dass seine
Arbeitskraft am Terminstage nicht anderweitig genutzt werden kann, in keinem vertretbaren
Verhältnis zur Bedeutung seiner Anwesenheit im Termin. Dabei ist weiter zu
berücksichtigen, dass das Landgericht, wie der Zusatz in der Ladungsverfügung vom
23.08.2004 (Bl. 50 d. GA: "sinnvoll dürfte insbesondere die Teilnahme des zuständigen
Sachbearbeiters an der Verhandlung sein") ausweist, selbst nicht davon ausging, der
Beschwerdeführer könne wesentlich zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. Damit
stand gemessen an Rechtsstreitigkeiten mit natürlichen Personen oder kleineren
Wirtschaftsunternehmen, bei denen mit Sachverhaltskenntnis der Partei oder deren
Vertreters gerechnet werden kann, vorliegend nur ein geringfügigeres, auf Durchführung
von Vergleichsgesprächen reduziertes Interesse am persönlichen Erscheinen. Schließlich
ist für die Frage der Zumutbarkeit des persönlichen Erscheinens von Bedeutung, dass es
sich bei der Klägerin um ein Versicherungsunternehmen handelt, das eine Vielzahl von
Prozessen führt. Auch dieser Umstand lässt das persönliche Erscheinen des
Vorstandsvorsitzenden in Fällen geringer Bedeutung und ohne seine persönliche
Beteiligung am streitgegenständlichen Sachverhalt in der Regel unzumutbar erscheinen
(vgl. MünchKomm-ZPO/Prütting, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 278 Rdz 23).
Unerheblich für die Frage der Zumutbarkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens
und damit für das ermessensfehlerfreie Verhängen eines Ordnungsgeldes ist der Umstand,
dass das Landgericht die Klägerin auf die Möglichkeit zur Entsendung eines umfassend
bevollmächtigten Vertreters, insbesondere des zuständigen Sachbearbeiters, hingewiesen
hat. Im Nichtabhilfebeschluss vom 24.11.2004 (Bl. 115 d. GA) führt das Landgericht zu
Recht aus, es sei gesetzlich nicht vorgesehen, den Sachbearbeiter als Vertreter zu laden.
Die in § 141 Abs. 3 S. 3 ZPO erwähnte Möglichkeit, einen zur Aufklärung des Tatbestandes
befähigten und im übrigen umfassend bevollmächtigten Vertreter zu entsenden, hat allein
den Zweck, das Verhängen eines Ordnungsgeldes zu vermeiden. Die gemäß § 141 Abs. 1
ZPO zu treffende Ermessensentscheidung, ob das persönliche Erscheinen der geladenen
Person selbst zumutbar ist, ist davon gänzlich unbeeinflusst.
9
10
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die Kosten der erfolgreichen
Beschwerde als Auslagen in die Kosten des Rechtsstreits einfließen (Zöller/Greger, a.a.O.,
§ 380 Rdz 10, § 141 Rdz 15).
Dr. R... Dr. W... H...