Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.09.2005

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-8 U 10/05
Datum:
29.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-8 U 10/05
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.12.2004 ver-kündete
Schlussurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - 6 O 129/00
- wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Kläger begehrt von der Beklagten, deren Haftung dem Grunde nach aufgrund des
Senatsurteils vom 10.04.2003 (I - 8 U 38/02) rechtskräftig feststeht, in zweiter Instanz
allein noch Ersatz der Kosten für die Anschaffung neuer Kleidung mit der Begründung,
er sei wegen des Behandlungsfehlers auf den Rollstuhl angewiesen und habe infolge
der mangelnden Bewegung erheblich an Gewicht zugenommen. Das Landgericht hat
dem Kläger lediglich 10 % der geltend gemachten Anschaffungskosten zugesprochen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen in der landgerichtlichen
Entscheidung vom 21. Dezember 2004 verwiesen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er geltend macht, ein
Abzug des Vorteils "neu für alt" sei nicht vorzunehmen, da er sich die größere Kleidung
ohne den Behandlungsfehler unter keinen Umständen angeschafft hätte und diese
zudem noch einem höheren Verschleiß unterliege. Daher sei die Kleidung wie ein
medizinisches Hilfsmittel voll zu ersetzen.
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Der Kläger beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des am 21.12.2004 verkündeten Urteils des
Landgerichts Duisburg die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere EUR
1.277,43 nebst 4 % Zinsen seit dem 26.10.1999 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den
ersatzfähigen Schaden des Klägers zutreffend auf maximal 10 % des
Anschaffungspreises der neuen Kleidung geschätzt.
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Die grundsätzliche Schadensersatzpflicht der Beklagten ergibt sich aus § 831 Abs. 1
BGB und den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (pVV). Nach § 249 S. 2
BGB (a.F.) kann der Geschädigte bei der Verletzung einer Person den zur Herstellung
des ohne das Schadensereignis bestehenden Zustandes erforderlichen Geldbetrag
verlangen. Vermehrte Bedürfnisse eines Geschädigten, die auf Dauer, d.h. auch noch
über die Beendigung medizinisch möglicher Heilbehandlung hinaus bestehen, sind
gemäß § 843 BGB grundsätzlich durch Zahlung einer Rente abzugelten (vgl. BGH, NJW
1982, 757). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es sich um dauernde und
regelmäßige Mehraufwendungen handelt. Einmalige Aufwendungen, mit denen ein
ständiger Mehrbedarf gedeckt werden soll, können dagegen aus dem rechtlichen
Gesichtspunkt der §§ 249, 251 BGB ersetzt verlangt werden (BGH, a.a.O.).
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Die Anschaffung neuer Kleidung wegen einer Gewichtszunahme von 25 kg ist nach den
nicht angefochtenen Feststellungen des Landgerichts durch ein verletzungsbedingtes
vermehrtes Bedürfnis des Klägers veranlasst. Aufgrund der Aussage der Ehefrau des
Klägers ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Zeugin beschriebene
kontinuierliche Erhöhung des Gewichts von 110 kg auf 135 kg nicht auf einer -
gegenüber dem Essverhalten vor dem Behandlungsfehler der Beklagten - erhöhten
Kalorienzufuhr beruht, sondern (jedenfalls auch) durch den Bewegungsmangel
verursacht worden ist. Da die Anschaffung entsprechend größerer Kleidung den
Mehrbedarf des Klägers zumindest für eine geraume Zeit vollständig abdeckt, besteht
insoweit grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der Anschaffungskosten.
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Der Höhe nach geht der Anspruch indessen nicht über den Betrag hinaus, den das
Landgericht dem Kläger zuerkannt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte einem
weitergehenden Anspruch des Klägers entgegen halten könnte, diesen treffe ein
Mitverschulden, weil er seine Nahrungsaufnahme nicht den veränderten körperlichen
Verhältnissen angepasst habe und nicht die auch für einen Rollstuhlfahrer gegebenen
Bewegungsmöglichkeiten genutzt habe. Denn das Landgericht hat jedenfalls mit Recht
berücksichtigt, dass durch die nunmehr angeschaffte Kleidung gleichzeitig ein für
jedermann allgemein bestehendes Bedürfnis nach Kleidung mit abgedeckt wird, dessen
Befriedigung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gehört und dessen Kosten
dem Schädiger nicht auferlegt werden können (vgl. ebenso BGH, NJW 1982, 757, 758).
Die Anschaffung von Kleidung ist nicht, wie der Kläger meint, mit der Anschaffung von
medizinischen Hilfsmitteln wie z.B. Rollstuhl, Krücke, etc. zu vergleichen, denn letztere
werden - anders als Kleidung - von einem Gesunden nicht benötigt. Es geht hier nicht
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um einen "Abzug neu für alt"; der Kläger muss sich vielmehr den Vorteil anrechnen
lassen, der ihm dadurch entsteht, dass er Aufwendungen für die Anschaffung anderer
Kleidung erspart hat. Auch wenn sich der Kläger ohne das Schadensereignis nicht zum
gleichen Zeitpunkt neue Kleidung angeschafft hätte, wäre eine solche
Ersatzanschaffung früher oder später erforderlich geworden. Da der Kläger trotz eines
entsprechenden Hinweises der Kammer nicht vorgetragen hat, wie alt seine Kleidung
zum Zeitpunkt der Neuanschaffung war, konnte das Landgericht zu seinen Lasten von
der Darstellung der Beklagten ausgehen, wonach die Kleidung im Zweifel schon einige
Jahre alt war und ohnehin bald ersetzt werden musste, so dass der Mehrbedarf gemäß §
287 ZPO jedenfalls nicht höher als auf 10 % des Anschaffungspreises der neuen
Kleidung zu schätzen war. Dass die Kleidung aufgrund der Rollstuhlnutzung schneller
verschleißt, wurde in erster Instanz überhaupt nicht geltend gemacht; auch jetzt fehlt es
hierzu an einer nachvollziehbaren Begründung, weshalb das Vorbringen unsubstantiiert
und unbeachtlich ist.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst.
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Die Beschwer des Klägers liegt unter EUR 20.000.
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Streitwert: EUR 1.277,43.
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