Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.03.2017

OLG Düsseldorf (ablauf der frist, gegenstand des verfahrens, zuständigkeit, internationale zuständigkeit, angemessene frist, gerichtliche zuständigkeit, geschäftsführer, vernehmung, zpo, mehrwertsteuer)

Oberlandesgericht Düsseldorf, 18 U 44/75
Datum:
20.11.1975
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 44/75
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 32/18 O 184/73 II
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 1975
teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.676,26 DM nebst 9 %
Zinsen seit dem 1. August 1972 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin betriebt ein Speditionsunternehmen, die Beklagte unterhält als Reederei
Linienschiffahrt für den Rhein-See-Verkehr mit Küstenmotorschiffen.
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Am 11. Januar 1972 schloß die Klägerin mit der Beklagten über deren
Zweigniederlassung in Duisburg einen Rahmenfrachtvertrag über die Verfrachtung von
insgesamt 4000 bis 5000 t Marmor und Schiefer aus Portugal und Spanien ab. Die
Beklagte verpflichtete sich, dieses Frachtgut zu fest vereinbarten Frachtraten nach
Düsseldorf oder, bei Niedrigwasser, nach Rotterdam zu transportieren. Die Klägerin
sollte jeweils sofort nach Eintreffen des Schiffes in Düsseldorf die Fracht bezahlen.
Unter dem 7. Februar 1972 bestätigte die Beklagte die mündlichen Vereinbarungen. Bis
Ende Mai 1972 beförderte die Beklagte gemäß dem Vertrag insgesamt 2.348 t.
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Anfang Mai 1972 gab die Klägerin der Zweigniederlassung der Beklagten in Duisburg
die Verschiffung einer Partie von 200 t Marmor ab Lissabon und einer weiteren von
insgesamt 400 t Granit und Schiefer ab Vigo in Spanien auf. Für den Transport war das
Schiff "N....." vorgesehen. Kurz vor Abfahrt des Schiffes teilte die Beklagte der Klägerin
fernschriftlich mit, daß das Schiff "N....." bereits ausgebucht sei. Sie erkläre sich
gefälligkeitshalber bereit, der Klägerin bei der Beschaffung anderen Schiffsraums
behilflich zu sein, der 20 DM pro Tonne koste, während die Parteien eine Fracht von 18
DM pro Tonne vereinbart hatten. Eine Einigung zwischen dem Geschäftsführer der
Klägerin, der sich in Portugal aufhielt, und der Beklagten kam nicht zustande. Die
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Klägerin, die die Ware nur beschränkte Zeit am Kai liegen lassen durfte, ließ die Partie
von 157.330 kg für 21 DM pro Tonne ab Lissabon und die Partie von 320.280 kg ab
Vigo für 25 DM pro Tonne wegen des Niedrigwassers nach Rotterdam transportieren.
Die Mehrfracht von 2.714 DM zuzüglich Mehrwertsteuer verlangte sie anschließend von
der Beklagten ersetzt.
Am Pfingstsonntag, dem 21. Mai 1972, trag das Schiff "S....." mit 29.290 kg Ladung für
die Klägerin in Düsseldorf ein. Am Löschtage konnte die Klägerin dafür keinen
Transportraum beschaffen. Die Partie mußte auf Lager genommen werden, wodurch
Lagerkosten in Höhe von 146,45 DM zuzüglich Mehrwertsteuer entstanden sind, die die
Klägerin ebenfalls von der Beklagten ersetzt verlangte.
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Ende Mai 1972 weigerte sich die Beklagte, weitere Transporte für die Klägerin
durchzuführen. Bis dahin war die Klägerin mit Frachtlohnforderungen von rund 20.000
DM in Rückstand geraten. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der
Klägerin ließ die Beklagte durch Schreiben ihrer Anwälte vom 31. Mai 1972 die Klägerin
zur Zahlung auffordern. Die Klägerin bat postwendend um eine Klarlegung; die Beklagte
schickte ihr einen Kontoauszug vom 6. Juni 1972 zu, dessen Saldo die Klägerin am 7.
Juni bezahlt.
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Unter dem 5. Juni 1972 stellte die Klägerin der Beklagten die Mehrfracht und die
Lagerkosten von insgesamt 3.175,10 DM einschließlich Mehrwertsteuer sowie wegen
der im Jahre 1972 nicht beförderten Menge von 1.652 t 3 DM Mehrfracht pro Tonne, also
5.501,16 DM einschließlich Mehrwertsteuer in Rechnung. Mit der am 25. Oktober 1973
zugestellten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Ersatz dieses Schadens von
insgesamt 8.676,26 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 1. August 1972 in Anspruch
genommen, nachdem sie die Beklagte mit Schreiben vom 10. Juli 1972 unter
Fristsetzung bis zum 1. August 1972 vergeblich zur Zahlung aufgefordert hatte.
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Die Klägerin hat behauptet, der bei der Zweigstelle der Beklagten angestellte Zeuge
K..... habe am 4. Mai 1972 ihrem Geschäftsführer fernmündlich die Ladebereitschaft des
Schiffes "N....." am 9./10. Mai 1972 in Lissabon und am 12. Mai 1972 in Vigo gemeldet.
Auch die Firma N....., die als Agent für die Beklagte in Lissabon tätig sei, habe ihrem
Geschäftsführer die Ladebereitschaft des Schiffes "N....." bestätigt. Das Fernschreiben
der Beklagten habe ihr Geschäftsführer erst am Abend des 9. Mai 1972 in Lissabon
erhalten; die Beklagte habe verlangt, er solle sich noch an demselben Tage zu ihrem -
für ihn unverständlichen - Vorschlag äußern.
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Hinsichtlich der nach Pfingsten in Düsseldorf entstandenen Lagerkosten hat die
Klägerin behauptet, die Beklagte habe sie nicht rechtzeitig vorher von der Ankunft des
Schiffes "S....." verständigt.
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Unwidersprochen hat die Klägerin weiter vorgetragen, für die von der Beklagten
vertragswidrig im Jahre 1972 nicht beförderten 1.652 t habe sie bei anderen Reedereien
eine höhere Frachtrate von 3 DM pro Tonne bezahlen müssen.
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Bei dem Zahlungsrückstand von rund 20.000 DM habe es sich um Frachtlohnkosten
gehandelt, die mit den eingeklagten Ansprüchen nicht in Verbindung gestanden hätten.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.676,26 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 1.
August 1972 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat auf die in § 25 ihres Konnossements enthaltene Bedingung verwiesen, nach der
Antwerpen als das Gericht ihres Wohnsitzes für Streitigkeiten aus dem Frachtvertrag
zuständig sei. Diese Konnossementsbedingungen seien Gegenstand des Vertrages mit
der Klägerin geworden, da die Klägerin - unwidersprochen - zugleich Absenderin und
Empfängerin der beförderten Ware gewesen sei.
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Sie hat bestritten, der Klägerin die Ladebereitschaft des Schiffes "N....." angezeigt zu
haben. Der Klägerin sei bekannt gewesen, daß die Dispositionen über die Schiffe von
ihrem Stammhaus in Antwerpen ausgegangen seien. Das Schiff "N....." sei bereits am 2.
Mai 1972 ausgebucht gewesen. Aus Gefälligkeit habe sie der Klägerin bei der
Beschaffung von anderem Schiffsraum behilflich sein wollen, solchen aber nur zum
Preise von 20 DM pro Tonne erhalten können. Dieses Angebot habe sie der Klägerin so
rechtzeitig unterbreitet, daß die Ware ohne weiteres hätte abgefahren werden können.
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Zu den Lagerkosten hat die Beklagte ausgeführt, sie habe das am Pfingstsonntag
einlaufende Schiff am Freitag vorher nach 16.30 Uhr angemeldet, als die Büros der
Klägerin bereits geschlossen gewesen seien.
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Weitere Beförderungen habe sie Ende Mai 1972 verweigert, da die Klägerin zu jener
Zeit die rückständigen Seefrachten von 20.000 DM trotz Mahnung nicht gezahlt habe.
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Das Landgericht hat die Klage bis auf die geltend gemachten Lagerkosten nach
Vernehmung des Zeugen K..... abgewiesen, da die Vernehmung des Zeugen K..... nicht
ergeben habe, daß die Beklagte die Ladebereitschaft des Schiffes "N....." am 9./10. Mai
1972 in Lissabon und am 12. Mai 1972 in Vigo bestätigt habe. Wegen ihres
Zahlungsrückstandes habe sich die Klägerin im übrigen nicht vertragsgetreu verhalten.
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Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wendet sich die
Klägerin, soweit es ihre Klage abgewiesen hat, mit der Berufung. Sie wiederholt und
ergänzt ihren Vortrag und spricht sich insbesondere gegen die Beweiswürdigung des
Urteils aus. Der Zeuge K..... sei nicht bei ihr, sondern bei der Beklagten angestellt. Sie
wiederholt ihren Antrag, ihren Geschäftsführer F..... gemäß § 448 ZPO als Partei zu
vernehmen. Ferner beantragt sie, den Zeugen K..... erneut und den Agenten der
Beklagten in Lissabon zusätzlich darüber zu vernehmen, daß die Beklagte die
Ladebereitschaft des Schiffes "N....." am 9./10. Mai 1972 in Lissabon und am 12. Mai
1972 in Vigo bestätigt habe.
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Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu
verurteilen, an sie weitere 8.513,70 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 1. August
1972 zu zahlen,
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h i l f s w e i s e
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ihr für den Fall des Unterliegens nachzulassen, die Zwangsvollstreckung
durch Sicherheitsleistung (auch durch Bankbürgschaft) abzuwenden.
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Die Beklagte ist trotz ordnungsgemäßer Ladung zu Händen ihrer
Prozeßbevollmächtigten erster Instanz im Verhandlungstermin am 6. November 1975
nicht vertreten gewesen. Die Klägerin hat beantragt, gegen die Beklagte durch
Versäumnisurteil zu entscheiden.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung hat Erfolg.
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Das Landgericht Düsseldorf hat seine Zuständigkeit für die mit der Klage geltend
gemachten Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung eines Frachtvertrages im
Ergebnis zu Recht bejaht. Da die Beklagte ihren Sitz in Antwerpen hat und die
Zuständigkeit der dortigen Gerichte geltend gemacht hat, handelt es sich nicht um die
Frage der örtlichen Zuständigkeit, sondern um die der internationalen Zuständigkeit, d.
h. der Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte.
§ 512 a ZPO gilt dafür nicht (BGHZ 44, 46). Vielmehr ist die internationale Zuständigkeit
von Amts wegen auch in der Berufungsinstanz zu prüfen.
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Auf die Klage, die am 25. Oktober 1973 der Beklagten zugestellt worden ist, ist das
Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(EuGÜbk) anzuwenden, da Stichtag der 1. Februar 1973 war (Art. 54 Abs. 1 EuGÜbk;
BGBl. II 1973, 60).
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Die Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf folgt aus Art. 5 dieses Übereinkommens.
Wenn danach ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des
Verfahrens bilden, kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines
Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt
werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Zur
Bestimmung des Erfüllungsortes ist hier das deutsche Recht sowohl als das Recht des
Erfüllungsortes wie auch als das von den Parteien vereinbarte heranzuziehen. Mangels
einer ausdrücklichen Absprache ergibt dies die Auslegung des Vertrages vom 7.
Februar 1972, der seinen Schwerpunkt in Deutschland hat. Er ist in Deutschland von
der deutschen Klägerin mit der deutschen Zweigniederlassung der Beklagten in
deutscher Sprache abgefaßt worden. Die Klägerin sollte die grundsätzlich in Düsseldorf
zu löschende Fracht in deutschem Geld bezahlten. Erfüllungsort beim Frachtvertrag ist
danach der in erster Linie bestimmte Ablieferungsort, also Düsseldorf.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Parteien sich auch nicht gemäß den §§
1, 25 der Konnossementsbedingungen der Beklagten auf die Zuständigkeit der
belgischen Gerichte geeinigt. Dabei kann dahinstehen, ob die
Konnossementsbedingungen der Beklagten Gegenstand des Frachtvertrages geworden
sind. Denn die Vereinbarung wäre jedenfalls nicht in der von Art. 17 Abs. 1 EuGÜbk
zwingend vorgeschriebenen Schriftform erfolgt. Da die Konnossementsbedingungen
keinerlei Erklärungen der Klägerin enthalten und die Klägerin sich auch sonst nicht
schriftlich zu den Konnossementsbedingungen geäußert hat, mangelt es an einer
formgerechten Erklärung der Klägerin. Auch eine mündliche Vereinbarung, die
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schriftlich bestätigt sein müßte, ist nicht ersichtlich.
Die von der Klägerin mit der Berufung weiter geltend gemachten
Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung des Frachtvertrages sind aus dem
Gesichtspunkt des Verzuges begründet. Wie bereits dargelegt, kommt das deutsche
Recht zur Anwendung, bei Verzug im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages also die
Vorschrift in § 326 Abs. 1 BGB. Ist danach bei einem gegenseitigen Vertrage der eine
Teil mit der ihm obliegenden Leistung im Verzuge, so kann ihm der andere Teil zur
Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er
die Abnahme der Leitung nach dem Ablauf der Frist ablehne, und kann nach Ablauf der
Frist Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die Beklagte ist mit ihrer
Verpflichtung in Verzug geraten, am 9./10. Mai 1972 in Lissabon und am 12. Mai 1972 in
Vigo Frachtraum für die von der Klägerin für diese Tage angezeigten Frachtpartien zu
stellen. Unstreitig sollte die Klägerin im Rahmen des Vertrages vom 7. Februar 1972 der
Beklagten jeweils die zu transportierenden Partien aufgeben. Die Beklagte hatte sodann
den Termin ihrer Ladebereitschaft mitzuteilen. Erkennbar war die Einhaltung der
Termine für beide Seiten von so erheblicher Bedeutung, daß es einer besonderen
Mahnung nicht mehr bedurfte, um die Beklagte in Verzug zu setzen; denn danach war
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Die Beklagte hat den
Frachtraum nicht zur Verfügung gestellt.
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Gemäß § 542 Abs. 2 ZPO ist im Rahmen des Versäumnisverfahrens auch davon
auszugehen, daß die Beklagte die Ladebereitschaft für die angegebenen Zeiten
bestätigt hat. Die Klägerin hat dies bereits in erster Instanz durch Vernehmung des
Zeugen K..... und durch Vernehmung ihres Geschäftsführers unter Beweis gestellt. Die
Bekundungen des Zeugen K..... haben nach Meinung des Senats entgegen dem
angefochtenen Urteil zumindest auch einigen Beweis für die Richtigkeit des von der
Klägerin vorgetragenen Sachverhalts ergeben. Der Senat ist auch befugt, die
Bekundungen des Zeugen ohne seine erneute Vernehmung abweichend zu beurteilen.
Einmal behauptet die Klägerin in der Berufungsinstanz, dieser Zeuge sei Angesellter
der Beklagten. Die entgegenstehende Erklärung ihres Prozeßbevollmächtigten erster
Instanz im Verhandlungstermin am 8. Januar 1975 beruhe auf einem Irrtum. Für einen
Irrtum spricht, daß der Zeugen den Rahmenfrachtvertrag für die Beklagte unterschrieben
hat. Auch ist der Zeuge K..... durch den ersuchten Richter vernommen worden, so daß
die Würdigung seiner Aussage nicht auf einem persönlichen Eindruck des Gerichts
erster Instanz beruht. Schließlich hat die Klägerin in der Berufungsinstanz die erneute
Vernehmung des Zeugen K..... und die Vernehmung des Agenten der Beklagten in
Lissabon beantragt. Es ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO anzunehmen, daß die beantragte
Beweisaufnahme das in Aussicht gestellte Ergebnis gehabt habe, der Zeuge K..... und
der Agent der Beklagten in Lissabon die Ladebereitschaft also bestätigt hätten.
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Die Beklagte hätte es gemäß §§ 285, 278 BGB zu vertreten, wenn der Zeuge K..... die
Bestätigung entgegen ihren Anweisungen aus dem Stammhause erklärt hätte.
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Einer Fristsetzung und Ablehnungsandrohung gemäß § 326 Abs. 1, Satz 1 BGB
bedurfte es nicht, da die Beklagte mit ihrem Fernschreiben eine Verfrachtung auf dem
Schiff "N....." ernsthaft und endgültig verweigerte.
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Die Beklagte hat den der Klägerin an Mehrfracht entstandenen Schaden von 2.242 DM
und 472 DM jeweils zuzüglich 11 % Mehrwertsteuer zu ersetzen.
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Daß die Klägerin bei der Entstehung des Schadens schuldhaft mitgewirkt oder es
unterlassen habe, den Schaden zu mindern (§ 254 BGB), ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO
nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils und dem als ugestanden zu
erachtenden tatsächlichen Vorbringen der Klägerin nicht anzunehmen. Danach hat
deren Geschäftsführer das Fernschreiben der Beklagten, das zudem für ihn einen
unverständlichen Vorschlag enthalten habe, erst am Abend des 9. Mai 1972 in Lissabon
erhalten. Entgegen dem Verlangen der Beklagten habe der Geschäftsführer der
Klägerin sich dazu nicht noch an demselben Tage äußern können.
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Die Beklagte muß der Klägerin weiter den Schaden ersetzen, der der Klägerin an
Mehrfracht dadurch entstanden ist, daß die Beklagte sich weigerte, im Jahre 1972
weitere Partien für die Klägerin zu befördern. Auch dabei handelt es sich um einen
Schadensersatzanspruch wegen Verzuges der Beklagten (§ 326 Abs. 1 BGB). Einem
Verzug der Beklagten steht nicht entgegen, daß die Klägerin erst am 7. Juni 1972 einen
Frachtrückstand von 20.000 DM an die Beklagte gezahlt hat. Handelte es sich
entsprechend dem Vortrag der Klägerin um Frachtrückstand aus anderen Verträgen,
könnte der Rahmenfrachtvertrag vom 7. Februar 1972 davon nicht berührt worden sein.
Rührte der Rückstand aus dem genannten Rahmenfrachtvertrag her, so ist nicht
ersichtlich, daß die Beklagte daraufhin den Rahmenfrachtvertrag beendet hat.
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Solange die Klägerin den Rückstand nicht zahlte, stand der Beklagten zwar nach § 320
BGB - wenn es sich um Rückstand aus dem Rahmenfrachtvertrag vom 7. Februar 1972 -
und nach § 273 Abs. 1 BGB - wenn der Rückstand aus anderen Verträgen herrührte -
das Recht zu, weitere Verfrachtungen bis zur Zahlung des Rückstandes zu verweigern.
Ihr Leistungsverweigerungsrecht entfiel jedoch mit der Zahlung am 7. Juni 1972. Die
Klägerin hatte nach ihrem Vortrag auch zu erkennen gegeben, daß sie an dem
Rahmenfrachtvertrag festhalten wolle. Sie hat danach auf das Mahnschreiben vom 31.
Mai 1972 umgehend um Klarstellung gebeten, die am 6. Juni 1972 erfolgt ist. Da der
Klägerin auf Grund der Vorfälle am 9. Mai 1972 und Pfingsten 1972
Schadensersatzansprüche zustanden, konnte sie insoweit auch auf eine Klärung ihrer
Zahlungsverpflichtung drängen. Sie gab dadurch zugleich zu erkennen, daß sie
grundsätzlich zur Zahlung bereit sei. Indem die Beklagte dennoch endgültig weitere
Beförderungslistungen für die Klägerin ernsthaft und endgültig ablehnte, geriet sie
spätestens bei Eingang der Zahlungen in Verzug. Einer Mahnung, Fristsetzung und
Ablehnungsandrohung gemäß §§ 284 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB bedurfte es
infolgedessen nicht.
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Die Höhe des dadurch der Klägerin an Mehrfracht entstandenen Schadens von
5.501,16 DM einschließlich Mehrwertsteuer hat die Klägern im einzelnen dargelegt und
die Beklagte nicht bestritten.
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9 % Zinsen hat die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Verzuges seit dem 1. August
1972 zu zahlen (§§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 3 ZPO.
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Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 8.513,70 DM.
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