Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.04.2008
OLG Düsseldorf: öffentliche ausschreibung, einrede des nichterfüllten vertrages, beitrittserklärung, interessenkollision, vergütung, anbieter, vertretung, geschäftsführer, kaufmann
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 108/07
Datum:
10.04.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 108/07
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 10 O 439/06
Tenor:
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Klage hin-sichtlich
der auf den Teilbetrag von 5.618,00 € (Schadenser-satz) geforderten
Zinsen unschlüssig ist, soweit Zinsen in Höhe von mehr als 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz eingeklagt sind. Die Klägerin
wird anheimgestellt, die Klage insoweit zurückzunehmen. Der Beklagte
mag sich einer sol-chen Teilklagerücknahme zur Vermeidung unnötiger
Kosten - nämlich der Terminsgebühren - anschließen. Erklärungsfrist für
beide Parteien: 2 Wochen.
2. Für den Fall der Teilklagerücknahme (wie Ziff. 1.) beabsichtigt der
Senat, die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO im
Beschlussverfahren zurückzuweisen. Die Beklagte erhält Gelegenheit,
zu den Gründen binnen einer Frist von 2 Wo-chen schriftsätzlich
Stellung zu nehmen.
3. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass
einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kosten-rechtlich privilegiert
ist.
G r ü n d e
1
I.
2
Auf die Berufung der Beklagten ist die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich des
Zinssatzes zu korrigieren. Zwar kann der Gläubiger bei Zahlungsverzug des Schuldners
gemäß § 288 Abs. 2 BGB Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz beanspruchen. Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut aber nur für
"Entgeltforderungen". Für Schadensersatzforderungen - wie hier für den Teilbetrag von
5.618,00 € - bleibt es bei dem Zinssatz des § 288 Abs. 1 BGB in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
3
II.
4
Die Berufung der Beklagten hat im übrigen aber keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und
mit zutreffenden Erwägungen, auf die verwiesen wird, hat das Landgericht die Beklagte
zur Zahlung von 6.872,00 € nebst Zinsen - mit vorstehender Einschränkung - verurteilt.
Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine für die Beklagte günstigere
Entscheidung zu rechtfertigen:
5
1.
6
Die Auffassung der Beklagten, zwischen ihr und der Klägerin sei ein Vertragsverhältnis
nicht begründet worden, geht fehl. Die "Beitrittserklärung" der Beklagten vom
10.08.2004 (Bl. 8 GA) ist nach ihrem Inhalt auf den Abschluss eines Vertrages mit dem
dort im Einzelnen niedergelegten Inhalt gerichtet. Unter Ziff. 1. heißt es ausdrücklich, die
Beklagte "beauftragt die X GmbH". In Ziff. 8. ist unter der Überschrift "Vertrag" nochmals
klargestellt, dass ein Vertrag selbst bei Ungültigkeit einzelner Bestimmungen
geschlossen sein soll. Das in der Übersendung der "Beitrittserklärung" liegende
Vertragsangebot hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.08.2004 (Bl. 9 GA)
angenommen. Einer Vernehmung der von der Beklagten als Zeugin für eine behauptete
"mündliche Zusatzvereinbarung" benannten Frau X bedarf es nicht, da diese angebliche
Zusatzvereinbarung sich mit den Bestimmungen zu Höhe und Fälligkeit der an die
Klägerin zu zahlenden Vergütung - Ziff. 7. der "Beitrittserklärung" - deckt. Soweit die
Beklagte aus der von ihr behaupteten Zusatzvereinbarung den Schluss zieht, es sei
schon nicht zu einem Vertragsschluss gekommen (Berufungsbegründung Seite 12, Bl.
252 GA), verkennt dies die Reichweite der von der Beklagten schon mit Schriftsatz vom
20.04.2007 (dort Seite 2 vorletzter Absatz, Bl. 141 GA) behaupteten Fälligkeitsabrede.
7
2.
8
Die Vergütung in Höhe von 1.254,00 € ist entstanden und fällig. Denn die Klägerin hat
im Namen und mit Vollmacht der Beklagten unter dem 20.08.2004 mit der X GmbH
Verträge über die Belieferung der drei Liegenschaften der Beklagten mit elektrischer
Energie (Bl. 10 ff. GA) geschlossen. Aus diesen Verträgen lassen sich durch Vergleich
mit den von der Beklagten der Klägerin übermittelten Verbrauchsdaten des Jahres 2003
(Bl. 105 f. GA) und dem ebenfalls von ihr der Klägerin vorgelegten Angebot der
Stadtwerke X (Bl. 107 GA) die durch die Einschaltung der Klägerin erzielten
Einsparungen errechnen, wofür nach Ziff. 7 des Vertrags das Abnahmeverhalten des
Vorjahres maßgeblich ist. Konkrete Einwendungen gegen die von der Klägerin mit
3.344,00 € errechnete Höhe der Einsparungen hat die Beklagte mit ihrer Berufung nicht
erhoben.
9
3.
10
Gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin steht der Beklagten im Hinblick darauf,
dass die Klägerin keine öffentliche Ausschreibung der Stromlieferungsverträge
vorgenommen hat, die Einrede des nichterfüllten Vertrages - § 320 BGB - nicht zu. Eine
solche öffentliche Ausschreibung war nicht geschuldet. Die Klägerin hatte der
Beklagten, verbunden mit der Garantie einer Einsparung von 1.000,00 € (Bl. 98 GA),
lediglich eine "fundierte und professionell durchgeführte" Ausschreibung "bei
Energieversorgern" zugesagt. Eine Abrede dazu, in welcher Breite diese Ausschreibung
durchzuführen sei, ist zwischen den Parteien nicht getroffen worden. Die Begriffe
"fundiert" und "professionell" sind, wie für jeden Kaufmann und damit auch für die
11
Beklagte erkennbar, Marketingbegriffe ohne Regelungsgehalt. Erwarten durfte die
Beklagte nach dem Inhalt des Vertrages lediglich eine Ausschreibung unter
Verwendung ihrer Verbrauchsdaten unter mehreren in Betracht kommenden Anbietern.
Durch Einholen der Angebote von drei konkurrierenden Versorgungsunternehmen
(außer X GmbH: Angebote der X GmbH und der X GmbH - Bl. 109, 110 GA) ist dem
Genüge getan.
4.
12
Dem Zahlungsanspruch der Klägerin steht § 654 BGB nicht entgegen. Die Parteien
haben keinen Maklervertrag, sondern - wie in der angefochtenen Entscheidung unter
Hinweis auf OLG Köln OLGR 1994, 129 zutreffend festgestellt - einen
Geschäftsbesorgungsvertrag, § 675 BGB, geschlossen. Zwar kann auch ein
Geschäftsbesorgungsvertrag im Einzelfall als Maklervertrag einzuordnen sein, und zwar
selbst dann, wenn der Geschäftsführer jenseits des für einen Makler vertragstypischen
Pflichtenkreises die Vertretung des Kunden beim Abschluss des Hauptvertrages
übernommen hat (so für Baubetreuerverträge: BGH WM 1977, 762; WM 1980, 1431;
Münchner Kommentar/Roth, BGB, 4. Aufl., § 652 Rn. 30; Staudinger/Reuter, BGB, 2003,
Vorbemerkung zu §§ 652 ff. Rn. 19). Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag
unterscheidet sich von einem Maklervertrag aber in einem weiteren und jeder analogen
Anwendung der §§ 652 BGB entgegenstehenden Merkmal: Zu dem gesetzlichen
Leitbild des Maklervertrages gehört es (unter anderem), dass der Auftraggeber frei ist, ob
er das nachgewiesene Geschäft abschließen will oder nicht (BGH NJW-RR 2003, 699;
Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., Einf. v. § 652 Rn. 1). Diese für den Maklervertrag
kennzeichnende Entschließungsfreiheit des Kunden ist der Beklagten im Vertrag der
Parteien ausdrücklich genommen. Sie hat vielmehr für den im Vertrag festgelegten Zeit
von zunächst zwei Jahren die Auswahl des künftigen Energielieferanten wie auch den
Abschluss des Versorgungsvertrags vollständig und ohne Eingriffsmöglichkeit der
Klägerin übertragen. Die Aufgaben der Klägerin mögen Rechtsbesorgungscharakter
gehabt haben (vgl. Senat NJW-RR 2004, 489 zu einem Energieberatungsunternehmen),
sind aber nicht maklerähnlich.
13
5. Auf andere als maklerähnliche Rechtsverhältnisse ist § 654 BGB regelmäßig nicht
analog anwendbar (vgl. Palandt a.a.O. § 654 Rn. 8). Der Auffassung des
Reichsgerichts, das in § 654 BGB die Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens
erblickt hatte (RGZ 113, 264, 269), ist der Bundesgerichtshof in dieser Allgemeinheit
nicht gefolgt (vgl. BGH NJW 1981, 1211 f.); selbst für einen Rechtsanwalt führt der
Rechtsgedanke des § 654 BGB nur dann zum Verlust seines Gebührenanspruchs,
wenn die Voraussetzungen eines vorsätzlichen Parteiverrats vorliegen. Die Beklagte
hat zwar mit Recht ausgeführt, die Vergütungsstruktur der Klägerin könne grundsätzlich
zu einer Interessenkollision führen. Denn der für den Kunden preisgünstigste Anbieter
könne in seinem der Klägerin gegebenen Provisionsversprechen durchaus hinter einem
für den Kunden ungünstigeren Anbieter zurückbleiben, da jenes Provisionsversprechen
von der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis des Lieferanten abhängt. Die
bloße Möglichkeit einer solchen Interessenkollision reicht aber nicht aus, eine
Verwirkung des Vergütungsanspruchs der Klägerin anzunehmen. Die Beklagte hat auch
nicht etwa dargetan, dass in ihrem Fall tatsächlich von der Klägerin ein günstigeres
Angebot ausgeschlagen worden sei, weil das Provisionsversprechen der X GmbH für
die Klägerin einträglicher gewesen sei. Die Äußerung eines nicht konkret begründeten,
sondern lediglich auf die allgemeine Möglichkeit eines solchen Interessenkonflikts
abstellenden "Verdachts" reicht hierzu nicht aus.
14
6.
15
Die Klägerin schuldet der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB ferner Schadensersatz in
Höhe von 5.618,00 €. Die Klägerin kann Ersatz des ihr entgangenen Gewinns (§ 252
BGB) verlangen. Denn die von ihr namens der Beklagten mit der X GmbH
geschlossenen Verträge konnten nicht umgesetzt und die von der X GmbH erwartete
Provision nicht erzielt werden, nachdem die Beklagte mit den Stadtwerken X unter
Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten einen neuen Energielieferungsvertrag
geschlossen und sich mit Schreiben vom 09.09.2004 und 06.10.2004 von dem mit der
Klägerin geschlossenen Vertrag losgesagt hatte. Einwendungen gegen die Berechnung
der Forderung hat die Beklagte mit der Berufung nicht erhoben.
16
II.
17
Auch die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen der
Berufungszurückweisung im Beschlussverfahren liegen vor.
18