Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.08.2002
OLG Düsseldorf: paket, unverzüglich, gestatten, bekanntmachung, name, versendung, anschrift, kenntnisnahme, abgabe, sanierung
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 39/02
21.08.2002
Oberlandesgericht Düsseldorf
Vergabesenat
Beschluss
VII-Verg 39/02
I. Auf Antrag des Antragsgegners werden der Fortgang des
Vergabeverfah-rens für das Rheinische Landesmuseum B. zum
Bauvorhaben „Erweiterung, Umbau, Sanierung“, Bauleistung
„Gebäudeautomation“, und der Zuschlag hierzu gestattet.
II. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, einen erfolgten Zuschlag dem
Senat mitzuteilen und Belege über die Auftragserteilung im
Verhandlungstermin vom 4. September 2002 bereitzuhalten.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
Der Antrag des Antragsgegners, ihm im Wege der Eilentscheidung vorab zu gestatten, das
Vergabeverfahren fortzusetzen und den Zuschlag zu erteilen, hat Erfolg.
I. Auf Antrag des Auftraggebers kann das Gericht den weiteren Fortgang des
Vergabeverfahrens erlauben und dem öffentlichen Auftraggeber auf seinen Antrag hin
schon vor einer Entscheidung über die Beschwerde gestatten, den Zuschlag zu erteilen (§
121 Abs. 1 GWB). Bei seiner Entscheidung hat das Gericht in erster Linie die
Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen, und den Zuschlag auch dann
zuzulassen, wenn die Erfolgsaussicht ungewiss ist, aber unter Abwägung der
möglicherweise betroffenen Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem
raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der
Vergabe bis zur Beschwerdeentscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen
Vorteile überwiegen.
Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist die Beschwerde des Antragsgegners, mit
der er sich gegen den dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgebenden
Beschluss der Vergabekammer der Bezirksregierung Köln vom 18.7.2002 wendet,
begründet. Zu Unrecht hat die Vergabekammer dem Antragsgegner aufgegeben, das
Angebot der Beigeladenen auszuschließen und den Zuschlag (nur) nach Wertung der
Angebote der übrigen Bieter zu erteilen. Der Ausschluss der Beigeladenen nach § 25 Nr. 1
Abs. 1 Buchstabe a VOB/A ist nicht gerechtfertigt, weil das Angebot der Beigeladenen vor
Ablauf der Angebotsfrist dem Antragsgegner zugegangen ist und dem Verhandlungsleiter
bei Öffnung des erstes Angebotes nur aus von der Beigeladenen nicht zu vertretenden
Gründen nicht vorgelegen hat. (§ 22 Nr. 6 Abs. 1 VOB/A).
Die – verlängerte - Angebotsfrist endete am 16.5.2002, 11.20 Uhr. Um 9.40 Uhr desselben
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Die – verlängerte - Angebotsfrist endete am 16.5.2002, 11.20 Uhr. Um 9.40 Uhr desselben
Tages war das Paket mit dem Angebot der Beigeladenen auf der Poststelle des
Antragsgegners dem Mitarbeiter F. durch die Transportfirma U. übergeben worden. Dass es
von dort mit der Hauspost des Antragsgegners nicht bestimmungsgemäß unmittelbar zum
Raum B 303 gelangte, sondern auf das Büro des Mitarbeiters S., der es erst am 17.5.2002
vorfand und an die zuständigen Personen weiterleitete, hat die Beigeladene nicht zu
vertreten.
Der Antragsgegner hatte in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes als
Zustellungsanschrift "K., Landeshaus, Zimmer B 303" (VKA 13) angegeben. In dieser
Weise hat die Beigeladene ihr Angebot adressiert und das Paket zusätzlich mit dem von
dem Antragsgegner vorgesehenen gelben Aufkleber ("Ungeöffnet an Zimmer B 303 im
Landeshaus") versehen. Damit hatte sie die Erfordernisse ordnungsgemäß erfüllt. Das gilt
im Ergebnis auch für die Angaben der beauftragten Firma U. auf der anderen Paketseite.
Auch dort war die Anschrift mit der richtigen Zimmernummer "B 303" adressiert. Dass
zusätzlich der Name "S." vermerkt war, schadet nicht. Unstreitig sind die Mitarbeiter der
Poststelle des Antragsgegners strikt angewiesen, eingehende Postsendungen, die
Angebote zu einem Ausschreibungsverfahren enthalten, unverzüglich persönlich der
Submissionsstelle zu überbringen. Die Angebote wurden im Zimmer B 303 (zumindest)
gesammelt ("Submissionszimmer", so auch die Antragstellerin im Schriftsatz vom
17.7.2002, VKA 70), was den Mitarbeitern der Poststelle des Antragsgegners ebenfalls
bekannt war. Zudem wussten sie, dass S. sein Büro nicht auf Zimmer B 303 hatte. Dies
hätte daher den Mitarbeiter F. bei der Entgegennahme des Paketes auch bei alleiniger
Kenntnisnahme des U.-Aufklebers ohne Weiteres veranlassen müssen, das Paket nicht in
den allgemeinen Postgang zu geben, sondern es weisungsgemäß unverzüglich auf das
Zimmer B 303 zu bringen. Zumindest gab die deutliche Adressierung "Raum B 303" –
neben der Nennung des S. - Anlass zur sorgfältigen Prüfung. Dass all dies unterblieb, fällt
in den alleinigen Verantwortungsbereich des Antragsgegners und kann mithin nicht, auch
nicht teilweise, der Beigeladenen angelastet werden.
Der Antragsgegner hat auch die Eilbedürftigkeit der Vorabgestattung glaubhaft gemacht. Er
hat plausibel dargetan, dass von der Fertigstellung der ausgeschriebenen
Gebäudeautomation zahlreiche andere Gewerke abhängen, die sich entsprechend
verschieben und die Fertigstellung des Bauvorhabens beträchtlich verzögern können. Dass
die Zuschlagsfrist erst am 31.8.2002 endet, hindert die Eilbedürftigkeit nicht, weil der
Antragsgegner nicht gehalten ist, die Frist auszuschöpfen. Auch der bereits auf den
4.9.2002 anberaumte Verhandlungstermin vor dem Senats steht der Eilbedürftigkeit der
Vorabgestattung nicht entgegen. Es ist offen, ob bereits am Sitzungstag eine Entscheidung
verkündet werden wird. Auch der Umstand, dass seit der Bekanntmachung des offenen
Verfahrens bis zur Versendung der Vergabeunterlagen 2 ½ Jahre vergangen sind, lässt die
Eilbedürftigkeit nicht entfallen; denn die Bekanntmachung betraf das Bauvorhaben in
seiner Gesamtheit. Je wahrscheinlicher ein Vergabeverstoß und der Erfolg der
Beschwerde im Übrigen sind, desto geringere Anforderungen sind an die Eilbedürftigkeit
zu stellen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Bei den Kosten des Verfahrens nach § 121
Abs. 1 GWB handelt es sich um Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die im Rahmen
der Endentscheidung nach Maßgabe des § 128 GWB zu befinden ist.
J. K. W.