Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.06.2006

OLG Düsseldorf: fristlose kündigung, verbotene eigenmacht, erfüllung, ermessen, rechtshängigkeit, hauptsache, beweislast, herausgabeklage, saldo, verfahrenskosten

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-10 W 102/06
Datum:
26.06.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-10 W 102/06
Leitsätze:
BGB §§ 362, 546, 858
1. Den Mieter trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Erfül-lung der
geschuldeten Miete.
2. Ist das Mietverhältnis durch fristlose Kündigung des Vermie-ters
beendet, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die Räu-mungs- und
Herausgabeklage nicht bereits deshalb, weil sich der Vermieter im
Wege verbotener Eigenmacht den Besitz an den Mieträumen verschafft
hat.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der
Einzel-richterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26.
Juli 2006 abgeändert:
Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits und die
Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Die gemäß §§ 91 a Abs. 2, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache
Erfolg. Das Landgericht hat die Kosten des Räumungsrechtsstreits zu Unrecht der
Klägerin auferlegt. Diese sind vielmehr insgesamt von der Beklagten zu tragen, weil die
Räumungsklage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet
war.
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Haben die Parteien - wie hier - den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, ist
gemäß § 91 a durch Beschluss über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen der
Ermessensentscheidung sind nach allgemeiner Meinung die Grundgedanken des
Kostenrechts heranzuziehen, die sich aus den §§ 91 ff ZPO ergeben. Bei der
Kostenentscheidung ist daher wesentlich mit darauf abzustellen, ob das Begehren in
der Hauptsache ohne das erledigende Ereignis Erfolg gehabt hätte oder nicht. Folglich
sind regelmäßig demjenigen die Kosten aufzuerlegen, der bei Fortführung des
Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre. Gemessen an diesen Grundsätzen sind die
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Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte war bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses gemäß § 546 Abs. 1
BGB im in der Klageschrift beantragten Umfang zur Räumung und Herausgabe des
streitgegenständlichen Ladenlokals an die Klägerin verpflichtet. Das Mietverhältnis der
Parteien ist durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 12.2.2006 mit sofortiger
Wirkung beendet worden, da die Beklagte sich i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 3 b BGB mit der
Mietzahlung in Verzug befand. Nach dem insoweit maßgeblichen Klägervorbringen
bestand im Zeitpunkt der Kündigung per Saldo 31.12.2005 ein Zahlungsrückstand der
Beklagten in Höhe von mindestens 3.714,24 €. Dies entspricht einem Betrag von mehr
als zwei Monatsmieten. Die Beklagte ist der ihr gemäß § 362 Abs. 1 BGB für die
Erfüllung der geschuldeten Miete obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht
nachgekommen. Ihr Bestreiten des dargelegten Mietrückstands ist substanzlos.
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Das Rechtsschutzbedürfnis für die Räumungsklage ist auch nicht durch die angebliche
verbotene Eigenmacht der Klägerin entfallen. Die gegen den Willen der Beklagten
erfolgte Inbesitznahme des Ladenlokals durch die Klägerin ließ das
Rechtsschutzbedürfnis für die von der Klägerin erhobene Räumungs- und
Herausgabeklage nicht entfallen. Weder liegt in der Besitzentziehung durch verbotene
Eigenmacht eine Erfüllung des Räumungsanspruchs noch hatte die Beklagte vor Eintritt
der Rechtshängigkeit auf ihren Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes
verzichtet. Dass die Beklagte das streitgegenständliche Ladenlokal bereits vor
Anhängigkeit der Klage geräumt und an die Klägerin herausgegeben hat, behauptet sie
selbst nicht.
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Die Beklagte hat vielmehr bei der gebotenen verständigen Auslegung ihrer
Klageerwiderung erstmals nach Rechtshängigkeit der Klage auf etwaige
Besitzschutzansprüche verzichtet und ihrerseits konkludent die Auffassung vertreten, in
der Inbesitznahme durch die Klägerin liege eine das Rechtsschutzbedürfnis der Klage
entfallen lassende Erfüllung des geltend gemachten Räumungs- und
Herausgabeanspruchs. Bei dieser Sachlage entspricht es unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, der Beklagten die
Verfahrenskosten aufzuerlegen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Streitwert: bis 3.000,00 Euro
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