Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.05.2004
OLG Düsseldorf: allgemeine geschäftsbedingungen, strafbare handlung, provision, zwangsvollstreckung, arrestgrund, steuerberater, entziehen, sparkasse, pfändung, erlass
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-5 U 133/03
Datum:
27.05.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-5 U 133/03
Tenor:
Auf die Berufung der Arrestbeklagten wird das am 16. Juli 2003 ver-
kündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts
Düsseldorf geändert.
Der Antrag auf Anordnung des dinglichen Arrestes vom 09. Mai 2003
wird unter Aufhebung des Arrestbefehles der 11. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf vom 15. Mai 2003 zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Arrestklägerin.
Das Urteil ist vollstreckbar.
Die Arrestklägerin (im folgenden: Klägerin) hat wegen (Schadenersatz-) Ansprüchen in
Höhe von 610.984,95 EUR den dinglichen Arrest in das Vermögen der Arrestbeklagten
(im folgenden: Beklagten) und zur Vollziehung die Pfändung von Ansprüchen der
Beklagten gegen ihre Hausbank beantragt.
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Die Beklagte reichte am 12. Februar 2003 zwei - gefälschte - Schecks bei der
Sparkasse D... ein. Die Schecks waren angeblich am 06. Februar 2003 von der Klägerin
ausgestellt.
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Der Vorstandsvorsitzende der Beklagen hatte die Schecks erhalten von seiner
Steuerberatungsgesellschaft (deren einer Gesellschafter zugleich
Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten ist). Die Steuerberater hatten dem Vorsitzenden
ein Transaktionsgeschäft angeboten und dazu erläutert: ein neuer Mandant - der nicht
auffindbare Zeuge S... - habe vorgesprochen und angefragt, ob die Steuerberater die
Buchführung machen könnten; er sei tätig in der Betreuung von Bau- und
Montagekolonnen. S... wolle Schecks über einen Dritten in bar einlösen. Das sei nicht
ungewöhnlich, weil Kolonnen häufig bar bezahlt würden.
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Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten erklärte sich gegen eine Provision von 3 %
netto einverstanden. Er erhielt zwei Schecks und reichte sie am 12. Februar 2003 seiner
Sparkasse ein. Die Sparkasse legte die Schecks der Geschäftsbank der Klägerin vor,
die die Beträge einlöste. Das Geld wurde am 21. Februar 2003 dem Konto der
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Beklagten gutgeschrieben.
Noch am Freitag, dem 21. Februar 2003, hob der Vorstandsvorsitzende 50.000 EUR in
bar ab, weil S.... - hiervon unterrichtet - mitgeteilt habe, er benötige noch vor dem
Wochenende zur Barauszahlung 306.000 EUR. Weitere 256.000 EUR konnte die
Sparkasse erst am folgenden Tag zur Verfügung stellen. Der Vorstandsvorsitzende hob
das Geld ab und gab es auch an die Steuerberater bar weiter. Am 25. Februar 2003
überwies er an sie sodann 284.000 EUR - unter Abzug der Provision. Für die Provision
stellte er am 25. Febr. 2003 dem Zeugen S.... 21.262,27 EUR in Rechnung.
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Die Schecks der Klägerin werden mit Unterschriften-Faksimiles ausgefertigt. Deshalb
hatte die Klägerin am 03. März 1999 ihrer Bank bestätigt, sie stelle sie von jeder Haftung
frei, die sich aus missbräuchlicher Benutzung des Faksimilestempels ergebe.
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Im Mai 2003 fiel bei der Klägerin auf, dass die Schecks zu Unrecht eingelöst worden
waren. Sie nahm die Beklagte im vorliegenden Arrestverfahren in Anspruch.
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Die Beklagte hat eingewandt, ihr Vorstandsvorsitzender sei unverschuldet in diese
Situation geraten. Die Fälschungen seien nicht zu erkennen gewesen. Die
Bareinlösung von Schecks sei ein normales Geschäft, dass sie im Vertrauen auf die
Steuerberatungsgesellschaft übernommen habe. Zuvor habe sie anwaltlichen Rat
eingeholt. Im übrigen hätte sowohl die Klägerin als auch deren Bank ihre
Sorgfaltspflichten verletzt.
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Das Landgericht hat den beantragten Arrest erlassen und durch Pfändung vollzogen.
Den Widerspruch der Beklagten hat es durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen
und den Arrest aufrechterhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen
Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die rügt, das Landgericht
habe nicht auf die Kenntnis des Vorstandsvorsitzenden, sondern der Steuerberater
abgestellt. Niemand, der mit Fälschungen rechne, würde sich so verhalten, wie ihr
Vorstandsvorsitzender. Beweisbelastet sei die Klägerin. Der Nachweis schuldhaften
Verhaltens sei nicht gelungen. Im übrigen sei die Beklagte entreichert. Der Klägerin sei
auch kein Schaden entstanden. Denn deren Geschäftsbank habe wegen der Fälschung
der Schecks keinen Aufwendungsersatzanspruch. Die Freistellungserklärung der
Klägerin gegenüber ihrer Geschäftsbank sei nicht wirksam.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern, den Arrestbefehl aufzuheben und den Antrag
auf Erlass des Arrestes zurückzuweisen.
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Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung.
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II.
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Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern und
der Arrestbefehl aufzuheben, weil die Klägerin einen Arrestgrund nicht dargetan hat.
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Für die Berufung gelten die vom 01. Januar 2002 an maßgebenden Vorschriften der
ZPO, weil die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist,
nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen worden ist, § 26 Nr. 5 EGZPO.
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Danach kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer
Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht oder dass nach § 529 ZPO zugrunde
zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO.
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Es kann dahinstehen, ob das Landgericht in der angefochtene Entscheidung zu Recht
einen Arrestanspruch bejaht hat, es fehlt jedenfalls an einem Arrestgrund.
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Hinsichtlich des Arrestanspruches hat das Landgericht nach Auffassung der Beklagten
die Beweislast verkannt und zu Unrecht angenommen, deren unredliches bzw.
betrügerisches Verhalten sei glaubhaft gemacht.
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Der Senat darf die Würdigung des Landgerichts nicht in vollem Umfang, sondern nur
darauf prüfen, ob sie widersprüchlich ist oder den Denkgesetzen oder allgemeinen
Erfahrungssätzen widerspricht (vgl. Zöller/Gummer, § 546, 12). Das macht die Berufung
selbst nicht geltend. Ihr Angriff, das Landgericht habe nicht auf die Kenntnis des
Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, sondern auf die Kenntnis der Zeugen R.... und
S.... abgestellt, ist unzutreffend. Das Landgericht hat in seiner Urteilsbegründung
eingehend und ausführlich dargestellt, aus welchen Gründen es nicht von einer
Gutgläubigkeit des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten ausgegangen ist. Richtig ist,
dass es sich darüber hinaus auch mit den Aussagen der Zeugen R... und S.... befasst
hat, dies aber deshalb, weil die Beklagte sich hierauf zur Entlastung ihres
Vorstandsvorsitzenden bezogen hatte.
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Im übrigen sprechen verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass der Vorstandsvorsitzende
der Beklagten zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt haben dürfte.
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Der Vortrag hinsichtlich der Verwendung des Geldes ist nicht ganz widerspruchsfrei.
Von den insgesamt gutgeschriebenen 610.984, 95 EUR sind abgehoben oder
überwiesen worden 590.000 EUR. Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten hat
eidesstattlich versichert, 284.000 EUR hätten unter vorherigem Abzug der Provision
überwiesen werden sollen. Überwiesen hat er dennoch 284.000 EUR ohne Abzug. Die
Provision ist berechnet mit 21.262,27 EUR. Die Differenz zwischen 610.984,95 DM und
590.000 EUR beträgt allerdings nur 20.984,95 EUR. Selbst diesen Betrag hat die
Beklagte bis heute der Klägerin nicht erstattet.
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Schwer nachvollziehbar ist weiter, warum der Vorstandsvorsitzende der Beklagen vor
Übernahme der Schecks seinen Rechtsanwalt gefragt haben will, jedoch offenbar nicht
auf die - naheliegende - Idee gekommen ist, sich bei der Klägerin als Ausstellerin der
Schecks zu erkundigen, ob die Angelegenheit unbedenklich sei. Auch eine plausible
Erklärung für die Einziehung der Schecks über ein fremdes Konto gibt der
Vorstandsvorsitzende der Beklagen nicht.
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Mitverschulden der Klägerin kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen. Ob und
inwieweit Mitarbeiter der Klägerin an den Fälschungen beteiligt waren, hat sie nicht
hinreichend dargetan.
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Soweit die Beklagte erstmals in der Berufung geltend macht, die Geschäftsbank der
Klägerin könne sich nicht auf die Verpflichtungserklärung der Klägerin berufen, weil sie
als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sei, kann sie hiermit nicht durchdringen.
Zum einen hätte sie in erster Instanz bereits geltend machen müssen, dass es sich um
Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Im übrigen lässt sich die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes (ZIP 1997, 838) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn
sie betrifft eine Klausel, mit der das Risikos des Missbrauches für alle Missbrauchsfälle
auf den Kunden verlagert werden sollte. Die hier vorliegende Risikoverlagerung bei der
Verwendung von Faksimile Unterschriften ist damit nicht vergleichbar.
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Auf die Entreicherung der Beklagten kommt es nicht an.
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Der Arrest ist aber aufzuheben, weil ein Arrestgrund nicht dargetan ist.
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Gem. § 917 Abs. 1 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass
ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des später zu titulierenden
Arrestanspruches vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Der Arrest soll vor
unlauterem Verhalten des Schuldners bei der Vollstreckung schützen. Sein Erlass setzt
voraus, dass konkrete Anhaltspunkte gegeben sind, die erheblich nachteilige
Einwirkungen auf das der künftigen Zwangsvollstreckung offenstehende Vermögen des
Schuldners befürchten lassen. Ob ein Arrestgrund vorliegt, bemisst sich nach dem
objektiven Standpunkt eines verständigen, gewissenhaft prüfenden Menschen (vgl.
Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 917, 4,5 m.N.).
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Soweit angenommen wird, wer eine strafbare Handlung gegen das Gläubigervermögen
begehe, werde im Regelfall auch die drohende Zwangsvollstreckung mit unlauteren
Mitteln vereiteln oder wesentlich erschweren (vgl. OLG Dresden MDR 1998, 795),
schließt sich der Senat dem nicht an. Vielmehr sind auch in solchen Fällen - zusätzlich
zu der bereits begangenen Straftat - konkrete Anhaltpunkte für die Besorgnis
erforderlich, der Schuldner werde darüber hinaus auch sein Vermögen dem drohenden
Zugriff des Gläubigers entziehen (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2000, 69; OLG Saarbrücken,
NJW-RR 1999, 143, 144; OLG Düsseldorf, 22. Zivilsenat, NJW-RR 1999, 1592; 4.
Zivilsenat, NJW-RR 1986, 1192; VersR 1980, 50.; OLG Koblenz, ZIP 1986, 1559, 1562;
OLG Schleswig, MDR 1983, 141). Einen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach der Täter
einer strafbaren Handlung regelmäßig versuchen wird, bei Entdeckung der Tat sich
selbst oder wenigstens sein Vermögen, das er aus den Straftaten erlangt hat, zulasten
seines Gläubigers in Sicherheit zu bringen, gibt es nicht (vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG
Düsseldorf, a.a.O., OLG Saarbrücken; OLG Koblenz, a.a.O.). Denn mit Aufdecken der
Straftaten tritt für den Schuldner eine neue Situation ein. Es ist nicht ohne weiteres zu
erwarten, dass der Schuldner trotz der nun drohenden strafrechtlichen Konsequenzen
mit derselben - unverminderten - kriminellen Energie auch noch danach trachtet, eine
Vollstreckung des Gläubigers wegen dessen Ersatzforderung in sein Vermögen zu
vereiteln oder zu erschweren (vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG Düsseldorf, VersR 1980, 50).
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Konkrete Anhaltspunkte für die Besorgnis, die Beklagte werde eine
Zwangsvollstreckung vereiteln oder wesentlich erschweren, hat das Landgericht nicht
festgestellt, noch hat die Klägerin sie dargetan.
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Weder Art und Umstände im Zusammenhang mit der Einlösung der Schecks durch die
Beklagten bzw. deren Vorstandsvorsitzenden, noch das anschließende Verhalten
rechtfertigen die Annahme, die Beklagte werde versuchen, sich auf unredliche Weise
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der Zwangsvollstreckung zu entziehen.
Alleine die Tatsache, dass der Vorstandsvorsitzende der Beklagten die Schecks
angenommen, sie über das Konto der Beklagten eingelöst, anschließend die
gutgeschriebenen Beträge abgehoben und weiter gegeben hat, lässt nicht befürchten,
sie werde sich der Zwangsvollstreckung entziehen. Denn der vorstehende Hergang
entspricht dem von Anfang an besprochenen Ablauf bei Einlösen der Schecks, auf den
sich der Vorstandsvorsitzende der Beklagten eingelassen hat, ohne sich - wie er im
Senatstermin geschildert hat - überhaupt Gedanken darüber zu machen, dass mit den
Schecks etwas nicht in Ordnung sein könnte. Selbst wenn man bedingt vorsätzliches
Handeln des Vorstandsvorsitzenden aufgrund dieser Einlassung nicht ausschließen
wollte, könnte daraus nicht hergeleitet werden, dass er künftig weiterhin unredlich Geld
und Vermögen beiseite schaffen werde.
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Auch der von der Klägerin angeführten Geschäfte der Beklagten in P.... kann einen
Arrestgrund nicht rechtfertigen. Dieser Umstand belegt nur, dass die Beklagte
Auslandskontakte hat. Das alleine lässt aber nicht besorgen, sie werde diese Kontakte
auch missbrauchen, um sich der Vollstreckung zu entziehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6 ZPO.
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Die Revision findet nicht statt, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
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Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren: 203.661,65 EUR
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(1/3 der Hauptsache)
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J..... G.... B....
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