Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.06.2007

OLG Düsseldorf: allgemeine geschäftsbedingungen, einstweilige verfügung, mitbewerber, unternehmen, erlass, abgabe, abmahnung, hauptsache, wiedereröffnung, abrede

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 176/06
Datum:
05.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 176/06
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 22. August 2006
verkün-dete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Duisburg abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
G r ü n d e
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I.
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Der Antragsteller vertrieb über das Internet unter der Adresse www.s....de Notebooks,
Computerkomponenten und Computerzubehör. Am 17.09.2006 übertrug er das bisher
als Einzelkaufmann geführte Unternehmen auf die am 29.12.2005 von ihm gegründete
S. C. GmbH. Die Antragsgegnerin betreibt ebenfalls über das Internet unter der Adresse
www.n....de einen Einzelhandel mit Notebooks, Computern und Computerkomponenten.
Der Antragsteller hat bestimmte in ihrem Internetauftritt am 23.02.2006 abrufbare
allgemeine Geschäftsbedingungen als unzulässig beanstandet. Nach Abmahnung der
Antragsgegnerin durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten hat er mit am
07.03.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die Untersagung der Verwendung
der beanstandeten allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern im
Wege der einstweiligen Verfügung beantragt. Das Landgericht hat die mündliche
Verhandlung angeordnet und Termin für den 28.03.2006 bestimmt. Wegen Erkrankung
der Vorsitzenden Richterin ist der Termin mit Verfügung vom 20.03.2006 aufgehoben
worden. Mit Verfügung vom 06.04.2006 ist ein neuer Termin für den 13.06.2006
bestimmt worden, der wegen fortbestehender Erkrankung der Vorsitzenden Richterin
aufgehoben worden ist. Mit dem schließlich auf die mündliche Verhandlung am
22.08.2006 am Schluss der Sitzung verkündeten Urteil hat das Landgericht den Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung abgewiesen, es fehle dem
seit mehreren Monaten unbeschiedenen Antrag inzwischen an der Dringlichkeit. Der
Antragsteller hätte die durch die Erkrankung der regulären Vorsitzenden begründete
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Antragsteller hätte die durch die Erkrankung der regulären Vorsitzenden begründete
Verzögerung nicht hinnehmen dürfen, sondern eine Entscheidung durch den Vertreter
fordern müssen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Nachdem das Landgericht bei der Erörterung der Sache in der dem Urteil
vorausgehenden mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben hatte, dass es den im
Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Unterlassungsanspruch des
Antragstellers materiell-rechtlich für begründet halte, hat die Antragsgegnerin mit einem
per Fax nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber noch vor Verkündung des am
selben Tag ergangenen Urteils bei dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers
eingegangenen Schriftsatz eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung
betreffend die Verwendung der von dem Antragsteller beanstandeten allgemeinen
Geschäftsbedingungen abgegeben.
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Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründete Berufung beantragt der
Antragsteller nunmehr
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festzustellen, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie meint, die Berufung sei mangels Beschwer und wegen fehlenden
Rechtsschutzinteresses unzulässig. Sie macht ferner – wie bereits erstinstanzlich –
geltend, die Rechtsverfolgung des Antragstellers sei, wie sich aus der Vielzahl der in
seinem Namen durch seinen Prozessbevollmächtigten ausgesprochenen
Abmahnungen, die in einem Missverhältnis zu seiner nur geringen Geschäftstätigkeit
stehe, rechtsmissbräuchlich. Dies folge auch daraus, dass die Internetrecherche, die
zum Auffinden der beanstandeten allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Antragsgegnerin geführt habe, bereits am 23.02.2006 durch den Referendar des
Prozessbevollmächtigten des Antragstellers erfolgt sei, die Anwaltsvollmacht von dem
Antragsteller aber erst am 24.02.2006 unterschrieben worden sei. Das lasse darauf
schließen, dass der Prozessbevollmächtigte das "Abmahngeschäft in eigener Regie"
betreibe.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf
die zwischen ihnen in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet.
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1.
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Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Antragsteller, dessen Antrag auf
Erlass der einstweiligen Verfügung mit dem angefochtenen Urteil zurückgewiesen
worden ist, durch dieses Urteil beschwert. Der Berufung fehlt es auch nicht am
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Rechtsschutzbedürfnis.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine vertragsstrafebewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung, durch welche die Wiederholungsgefahr entfallen
ist, erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz, aber vor
Verkündung des Urteils abgegeben wurde. Der Antragsteller, dessen Verfügungsantrag
durch Urteil zurückgewiesen worden ist, kann Berufung mit dem Ziel einlegen, das
Verfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Der Antragsteller war nicht
verpflichtet, der Unterlassungsverpflichtungserklärung, die erst nach Schluss der
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht abgegeben worden ist, durch einen
Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung mit dem Ziel einer
Antragsänderung, wie sie jetzt in der Berufungsinstanz vorgenommen worden ist,
Rechnung zu tragen. Das Urteil ist noch am Tag der mündlichen Verhandlung verkündet
worden. Die Antragsgegnerin hat bereits nicht konkret dargelegt, dass der
Prozessbevollmächtigte zwischen Schluss der mündlichen Verhandlung und
Urteilsverkündung von dem zwischenzeitlichen Eingang der
Unterlassungsverpflichtungserklärung in seiner Kanzlei Kenntnis nehmen konnte.
Unklar ist auch, ob ein Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wegen
der nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei dem Antragstellervertreter
eingegangenen Unterlassungsverpflichtungserklärung das Gericht überhaupt noch vor
Urteilsverkündung – laut Protokoll "am Schluss der Sitzung" – erreichen würde. Ein
Antrag auf Wiedereröffnung musste dem Antragsteller mit Blick auf die in der
mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsauffassung des Landgerichts, dass bereits
vor Eintritt des erledigenden Ereignisses mangels Vorliegen des Verfügungsgrundes
eine Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht (mehr) bestand, sinnlos
erscheinen. Infolge des erledigenden Ereignisses nach Schluss der letzten mündlichen
Verhandlung in der ersten Instanz konnte der Antragsteller daher nur im Wege der
Berufung eine Prüfung der ursprünglichen Zulässigkeit und Begründetheit des geltend
gemachten Anspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung und seiner Erledigung
sowie eine Kostenentscheidung für die erste Instanz zu seinen Gunsten erreichen
(ebenso OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.01.2000, 2 U 151/99; OLG Frankfurt
NJW-RR 1992, 493, zur Zulässigkeit der Beschwerde).
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2.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war bis zur Abgabe der
strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung durch die Antragsgegnerin
zulässig und begründet.
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Dringlichkeitsvermutung (§ 12 Abs. 2
UWG) nicht widerlegt. Die Verzögerung zwischen Einreichung des Antrags auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung – dieser ist alsbald nach Kenntniserlangung von dem
beanstandeten Wettbewerbsverstoß bei Gericht eingegangen – und der mündlichen
Verhandlung über die einstweilige Verfügung hatte ihren Grund nicht in einem Verhalten
des Antragstellers, sondern lag allein in der Sphäre des Gerichts. Die anberaumten
Verhandlungstermine sind wegen Erkrankung der Vorsitzenden zweimal wieder
aufgehoben worden. Ein nachdrückliches Bestehen auf sofortige Terminierung der
Sache oder gar ein Vorgehen im Wege einer Dienstaufsichtsbeschwerde wegen
Nichtterminierung ist einer Partei und ihrem anwaltlichem Vertreter nicht zuzumuten.
Angesichts der bekannten Belastung der erstinstanzlichen Zivilgerichte erscheint ein
solches Vorgehen auch wenig erfolgversprechend. Dass die Antragsgegnerin die
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beanstandeten allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Erhalt der Abmahnung
geändert hatte, führt ebenfalls nicht zu einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung.
Denn ohne vertragsstrafebewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ist eine
Wiederholung der beanstandeten Verstöße jederzeit möglich (vgl. Ahrens-Schmukle,
Der Wettbewerbsprozess, 5.Aufl., Kapitel 45, Rdnr. 15 m.w.N.).
Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im Wege der einstweiligen
Verfügung ist auch nicht als missbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG anzusehen.
Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG (ist ebenso wie bei der
Missbrauchsklausel des § 13 Abs. 5 UWG a.F). auszugehen, wenn das beherrschende
Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs
sachfremde Ziele sind (BGH GRUR 2006, 243 –MEGASALE). Diese müssen allerdings
nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, es genügt, dass die sachfremden Ziele
überwiegen (BGH, a.a.O.). Wie der Bundesgerichtshof in dem Urteil "Vielfachabmahner"
zu § 13 Abs. 5 UWG a.F. ausgeführt hat, bezweckt diese Vorschrift unter anderem,
Missbräuche abzustellen, die sich daraus ergeben, dass Mitbewerber ohne wesentliche
andere Eigeninteressen als den finanziellen Anreizen, die sich aus der
Rechtsverfolgung ergeben können, massenhaft – häufig aufgrund eines systematischen
Durchforstens von gewerblichen Anzeigen in Druckmedien – Wettbewerbsverstöße
abmahnen können (BGH GRUR 2001, 260).
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Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung liegen im Streitfall jedoch keine
hinreichenden Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch vor. Allein die Tatsache, dass
der Antragsteller eine Vielzahl von Internet-Händlern hat abmahnen lassen, spricht nicht
für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Der Markt wird in diesem Sektor durch eine
Vielzahl kleinerer Händler geprägt. Ein Vorgehen des Antragstellers nur gegen wenige
wettbewerbsrechtlich unlauter handelnde Unternehmen würde ihm im Ergebnis keinen
Vorteil bringen. Würde man bei kleinen Unternehmen allein aus dem Vorgehen gegen
viele Mitbewerber den Schluss auf rechtsmissbräuchliches Verhalten ziehen, zwänge
man sie entweder zu unsinnigem Verhalten – zu der Beschränkung, nur gegen wenige
Mitbewerber vorzugehen – oder zur Hinnahme des wettbewerbswidrigen Verhaltens
insgesamt; damit nähme man ihnen praktisch von vorn herein die Antragsbefugnis
(Senat, Urteil vom 11.04.2005, 20 U 216/05).
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Aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten "Abmahnliste" ergibt sich auch nicht, dass
die Zahl der Abmahnungen ersichtlich außer Verhältnis zu dem Umfang der
Geschäftstätigkeit des Antragstellers stand. Es kann dahinstehen, ob das Unternehmen
des Antragstellers in jüngerer Zeit noch die Umsatzzahlen der Jahre 2003 und 2004
(jeweils über 7 Mio. €, wie die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt hat) erreicht hat.
Es ist nicht zu missbilligen, dass auch ein weniger umsatzstarkes Unternehmen gegen
seine Mitbewerber vorgeht, damit diese durch Missachtung
verbraucherschutzrechtlicher Vorschriften keinen wettbewerbsrechtlichen Vorsprung vor
dem eigenen Unternehmen erlangen. Die Antragsgegnerin hat nicht in Abrede gestellt,
dass der Antragsteller bis zur Abgabe der vertragsstrafebewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung im Internet mit Computerprodukten gehandelt hat.
Gegenteiliges ergibt sich insbesondere nicht aus ihrem Vortrag, dass der Antragsteller
von einem "kostenpflichtigen" zu einem "kostenfreien Shopsystem" gewechselt sei.
Dass er über das letztgenannte System weiterhin Computerartikel im Internet angeboten
hat, steht außer Streit. Der Vortrag der Antragsgegnerin, einige "Topangebote" für den
Monat Mai 2006 seien nicht verfügbar gewesen, hat der Antragsteller bestritten und
insoweit dargetan, infolge einer falschen Verlinkung sei man zu einem bestimmten
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Zeitpunkt nicht von der Startseite zu dem dort angebotenen Produkt gelangt. In seinem
Internetshop seien jedoch alle beworbenen Artikel aufrufbar und verfügbar gewesen.
Die Antragsgegnerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass dieser Vortrag nicht zutreffend
war und insbesondere nicht, dass man während eines längeren Zeitraums aus dem
Internetangebot des Antragstellers keinerlei Produkte erwerben konnte. Im Übrigen
stehen kurzfristige Unterbrechungen einer gewerblichen Betätigung nicht entgegen (vgl.
Senat, a.a.O.).
Dass der Antragsteller vorübergehend ebenfalls unzulässige allgemeine
Geschäftsbedingungen verwendet hat, die er nach seinem unwidersprochenen
gebliebenen Vortrag auf einen entsprechenden Hinweis unverzüglich abgeändert und
im Falle einer Abmahnung einer entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung
abgegeben hat, lässt die Antragsbefugnis nicht entfallen (vgl. BGH WRP 2005, 735 –
Vitamin-Zell-Komplex).
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Entscheidend gegen ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Antragstellers spricht
insbesondere der Umstand, dass er – wie auch das vorliegende Verfahren zeigt – für
den Fall, dass abgemahnte Mitbewerber nicht die geforderte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben, finanzielle Risiken eingeht, indem er
die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gerichtlich verfolgt. Selbst wenn er die
gerichtliche Rechtsverfolgung auf seiner Ansicht nach klare Verstöße beschränkt, muss
er damit rechnen, einen Teil der Kosten, sei es infolge eines Unterliegens im Einzelfall,
sei es weil Kostenerstattungsansprüche nicht zu realisieren sind, selbst zu tragen hat.
Der Missbrauchsvorwurf erschiene daher nur bei einem kollusiven Zusammenwirken
zwischen dem Antragsteller und seinem Prozessbevollmächtigten begründet, wenn
dieser den Antragsteller von den Kostenrisiken vollständig oder zu einem großen Teil
freistellte. Dann wäre allerdings von einem missbräuchlichen Vorgehen auszugehen, da
in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden könnte, dass der Antragsteller
ernsthafte Interessen am Schutz gegen unlauteren Wettbewerb verfolgt, sondern
lediglich als Strohmann diente, um seinem Anwalt eine Gebühreneinnahmequelle zu
verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2006, 6 U 129/06). Ein derartiges
kollusives Zusammenwirken zwischen dem Antragsteller und seinem
Prozessbevollmächtigten kann hier indes nicht festgestellt werden. Allein der Umstand,
dass der Antragsteller in zwei Verfahren vor dem Landgericht Bochum betreffend
Abmahnkosten die jeweiligen Beklagten nicht auf Erstattung, sondern auf Freistellung
von seiner Verbindlichkeit gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten in Anspruch
genommen hat, in den zugrundeliegenden Fällen der Antragsteller also zuvor keine
Honorarzahlungen an seinen Anwalt geleistet hatte, lässt nicht den Schluss darauf zu,
dass der Prozessbevollmächtigte den Antragsteller generell von Kostenrisiken freistellt.
Dies hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage ausdrücklich in Abrede gestellt und erklärt,
dass er seinem Mandanten etwa im Fall des Unterliegens die angefallenen
Anwaltsgebühren selbstverständlich in Rechnung stelle. Dem ist die Antragsgegnerin
nicht mehr entgegengetreten. Das gleiche gilt für den Vorwurf, der
Prozessbevollmächtigte recherchiere Wettbewerbsverstöße von Konkurrenten des
Antragstellers selbst und lasse sich erst im nachhinein einen entsprechenden Auftrag
erteilen. Auch insoweit hat der Prozessbevollmächtigte erklärt, im Streitfall sei ebenso
wie in anderen Fällen der Anstoß zu einer Überprüfung der allgemeinen
Geschäftsbedingungen, deren Zulässigkeit dem Antragsteller zweifelhaft erschienen,
von diesem ausgegangen. Er habe ihm die AGB zur Überprüfung vorgelegt und nach
Feststellung der Unzulässigkeit den Auftrag zur Geltendmachung der
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Unterlassungsansprüche erteilt. Etwas Gegenteiliges hat die Antragsgegnerin nicht
glaubhaft gemacht.
Schließlich lässt sich aus der auch aus Sicht des Senats überhöhten Streitwertangabe
des Antragstellers nicht der Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen ziehen. In
wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten ist die Festsetzung hoher Streitwerte durch
Gerichte keineswegs unüblich. Dass der Antragsteller, wie nachstehend noch
auszuführen sein wird, den Streitwert in seiner Abmahnung ebenso wie in anderen
Verfahren zu hoch angesetzt hat, ist daher kein Indiz für eine missbräuchliche
Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen.
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Dem Antragsteller stand bis zur Abgabe der strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung der Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch
aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 4 Nr. 11, § 3 UWG zu.
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Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Abgabe der vertragsstrafebewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung noch Mitbewerber der Antragsgegnerin. Nach
seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag hat er sein bis dahin
einzelkaufmännisches Unternehmen erst am 17.09.2006 auf die die S. GmbH
übertragen. Er hat in seiner Antragsschrift mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass
die von ihm im Antrag im einzelnen aufgeführten allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Antragsgegnerin, die sie durch die auf ihrer Internetseite aufgeführten allgemeinen
Geschäftsbedingungen, die auch für mit Verbrauchern abzuschließenden Verträge
gelten sollten, gegen § 309 Nrn. 5, 7a), 8b) bb) und ee) BGB sowie gegen die
zwingenden Vorschriften des § 474 Abs. 2, § 475 Abs. 1 und 2 sowie § 312 d), §§ 355
und 356 BGB verstoßen. Dies hat die Antragsgegnerin zu Recht nicht in Frage gestellt,
so dass eine weitere Begründung entbehrlich ist.
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Hierin liegt zugleich ein Verstoß gegen Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr.
11 UWG. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG insbesondere,
wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im
Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Marktverhalten ist jede
Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die unmittelbar oder mittelbar der Förderung des
Absatzes eines Unternehmens dient; dazu gehören das Angebot und die Nachfrage von
Waren einschließlich der Werbung (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25. Aufl.,
§ 4, Rndr. 11.34).
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Bei den Bestimmungen des BGB betreffend die Gestaltung rechtsgeschäftlicher
Schuldverhältnisse durch allgemeine Geschäftsbedingungen handelt es sich um das
Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer regelnde Vorschriften. Denn nach der
gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG gehören zu den Marktteilnehmern auch
die Verbraucher, deren Schutz die genannten Bestimmungen des BGB bezwecken. Die
Anwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG auf Verstöße gegen das Recht der allgemeinen
Geschäftsbedingungen wird auch nicht durch das Unterlassungsklagegesetz
ausgeschlossen. Denn dieses stellt keine vorrangige abschließende Regelung dar
(Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 UWG, Rdnr. 11.17; Kammergericht
Berlin, Beschluss vom 04.02.2005, 5 W 13/05; Senat, Urteil vom 11.04.2005, 20 U
216/05).
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Der Senat folgt nicht der von dem Hanseatischen Oberlandesgericht in seinem
Beschluss vom 13.11.2006 (5 W 162/06) vertretenen Auffassung, wonach es sich bei
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den §§ 307 ff. BGB deshalb nicht um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr.
11 UWG handele, weil diese Bestimmungen allein darauf gerichtet seien, das
individuelle Verhältnis der Vertragsparteien zueinander zu regeln. Jedenfalls die nach
den §§ 307 ff. unzulässigen allgemeinen Geschäftsbedingungen, die erst nach
Vertragsschluss bei der Abwicklung des Vertrages zum Tragen kämen und deren
etwaige Unzulässigkeit sich aus der Einschränkung der Rechte des Kunden bei
Leistungsstörungen ergebe, seien nicht dazu bestimmt, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Nach § 4 Nr. 11 UWG könnten nur solche
allgemeinen Geschäftsbedingungen verboten werden, deren Verwendung sich bei der
Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Vertragsschlusses auswirkten
(OLG Hamburg a.a.O., Rdnr. 25-27).
Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Wenn wie im Streitfall allgemeine
Geschäftsbedingungen, die Verbraucherrechte – auch im Stadium der
Vertragsabwicklung oder Gewährleistung – unzulässig ausschließen, systematisch in
Verträge mit Verbrauchern einbezogen werden, zielt der Verwender von vorn herein auf
eine Schlechterstellung seiner Kunden ab, indem er sie über die ihnen zustehenden
Rechte täuscht. Eine derartige gezielte und planmäßig wiederholte Einschränkung von
Verbraucherrechten in der Hoffnung, Verbraucher von der Geltendmachung berechtigter
Ansprüche oder Ausübung von Rechten abzuhalten und sich hierdurch Vorteile im
Wettbewerb zu verschaffen, stellt zugleich ein Handeln zur Förderung des eigenen
Wettbewerbs zu Lasten der Mitbewerber dar (vgl. BGH GRUR 1987, 180 – Ausschank
unter Eichstrich II).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren beträgt 1200 €. Angesichts der Vielzahl
der Anbieter in der hier in Frage stehenden Branche wirkt sich der Wettbewerbsverstoß
der Antragstellerin nur gering auf den Umsatz des Antragstellers aus. Dies führt dazu,
den Streitwert an der unteren Grenze anzusetzen. Hierauf ist der Antragsteller im Termin
zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen worden. Er hat jedoch keine
Umstände dargelegt, die eine höhere Bewertung seines Interesses an der Unterbindung
des Verhaltens der Antragsgegnerin begründen könnten. Der Streitwert für die
Berufungsinstanz entspricht der Höhe der außergerichtlichen Kosten erster Instanz.
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B. Dr. M. D.
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