Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.03.2005

OLG Düsseldorf: index, abnahme, pauschal, preisabsprache, vertragsklausel, verrechnungspreis, ungültigkeit, teilnichtigkeit, bezahlung, prozess

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-U (Kart) 39/03
Datum:
16.03.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
VI-U (Kart) 39/03
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. November 2003
verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurück-gewiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleis-tung in Höhe
von 375.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klä-gerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leis-tet.
III. Die Beschwer der Beklagten und der Streitwert für das Be-
rufungsverfahren werden auf bis 310.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Bezahlung von
Altglasaufbereitungen in Anspruch, die sie in der Zeit zwischen März 2001 und Juni
2002 durchgeführt hat. Im Prozess streiten die Parteien über die Rechtsgültigkeit einer
am 25. November 1998 getroffenen Vereinbarung, wonach die Beklagte der Klägerin
pro aufbereiterer Tonne Altglas einen Preis von 42,50 DM (= 21,73 EUR) zu zahlen hat.
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Grundlage der Leistungsbeziehungen sind zwei zwischen den Rechtsvorgängern der
Parteien geschlossene Verträge vom 16. Januar 1992 (Anlage M 1) über die Planung,
Errichtung und Betreibung einer Altglas-Aufbereitungsanlage für die Rechtsvorgängerin
der Beklagten als Auftraggeber an den Standorten U., N. und B.. In diesem
Zusammenhang enthalten die Vertragswerke in § 02.1 gleichlautend (u.a.) folgende
Bestimmungen:
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"Ziffer 2. Mengengarantie durch den Auftraggeber
5
..... Der Auftraggeber garantiert eine Mengenabnahme von mindestens 250.000
jato und übernimmt pro Werktag aus der Altglas-Aufbereitungsanlage ...
mindestens 1.000 t aufbereitetes Altglas im Verhältnis der tatsächlich
gesammelten Altglasmengen (Ist-menge). Die Mengenabnahme gilt vorrangig vor
der Abnahme von aufbereitetem Altglas Dritter durch den Auftraggeber. ...
6
Ziffer 9. Verrechnungspreis für das ... aufbereitete Altglas
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1.Der Preis für das aufbereitete Altglas beträgt
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DM 30,-- pro t
9
zuzüglich der jeweils gültigen gesetzlichen Mehrwertsteuer.
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gilt ab 1. Mai 1992
01.05. des Jahres vereinbart.
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2.2 Für die Entsorgung der verbleibenden Reststoffe ergibt sich ein
zusätzlicher Preis von
12
DM 5,-- pro t
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aufbereitetes/angeliefertes Altglas zuzüglich der jeweils gültigen gesetzlichen
Mehrwertsteuer.
14
..........
15
Eine Anpassung erfolgt nach .... 24 Monaten auf der Basis der tatsächlich
anfallenden Entsorgungskosten und Mengen ....
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2.3 Der vorbezeichnete Preis gemäß Ziffer 9. Absatz 1 ist fest bis zum
30.04.1993
Preisgleitklausel. Der Preis gilt außerdem bei einer Mindestabnahmemenge
(aufbereitetes Glas) von 250.000 jato durch den Auftraggeber, unter
Berücksichtigung von § 02.1 Ziffer 1.
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2.4 Für den Transport des aufbereiteten Altglases .... zum Betriebsgelände ...
beim Auftraggeber ergibt sich ein zusätzlicher Preis von
18
19
DM 5,-- pro t
20
zuzüglich der jeweils gültigen gesetzlichen Mehrwertsteuer. Dieser
Verrechnungspreis wird jährlich zum jeweils 01.05. des Jahres angepasst,
erstmals zum 01.05.1993. ........
21
Preisgleitklausel
22
Es wird folgende Preisgleitklausel zwischen den Vertragspartnern vereinbart:
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P = P0/100 (33,35 + 47,85 x L1/L0 + 19,40 x Index 1/Index 0)
24
P = Preis zum Zeitpunkt der Leistungserbringung
25
P 0= Preis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Basis 5/92)
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L1= Ecklohn zum Zeitpunkt der Leistungserbringung zuzüglich der
Nebenleistungen der Tariflohnvereinbarung B./Ö.
27
L0= Ecklohn zum Zeitpunkt des tariflich festgelegten Abschlusses
zum 01.05.1992 B./Ö. .....
28
Index1= Index der Erzeugerpreise gewerblicher
Produkte/Maschinenbauerzeugnisse zum Zeitpunkt der
Leistungserbringung
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Index0= Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte/
Maschinenbauerzeugnisse zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
(1985 = 100)
30
(1991 = 118,5)
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2.6 Sollten neu entwickelte Technologien bei der Aufbereitung des Altglases
nach Abstimmung mit dem Auftraggeber zur Anwendung kommen und
hierdurch die Kostenbasis beeinflusst werden, so ist der jeweils gültige
Aufbereitungspreis anzupassen.
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Sollte die angelieferte Basismenge (250.000 jato aufbereitetes Altglas) im
Durchschnitt eines Jahres mehr als 5 % unter- bzw. überschritten werden, so
wird der Preis für die Aufbereitung im Fall der Unterschreitung entsprechend
dem Prozentsatz der Unterschreitung erhöht.
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Im Fall der Überschreitung wird der Fixkostenanteil entsprechend der
Preisgleitklausel um den entsprechenden Prozentsatz gekürzt und der Preis
dementsprechend berichtigt.
34
35
......
36
Mengenunterschreitung
Kostenentlastung im Bereich der variablen Kosten für Sortierpersonal und
Deponiegebühren möglich sein, verhandeln die Vertragspartner über eine
Preisanpassung, dies kann auch eine Preiserhöhung verursachen."
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Die Vertragsparteien führten im Laufe der Zeit immer wieder
Preisanpassungsverhandlungen, in deren Verlauf sie jeweils einen (pauschalierten)
Preis vereinbarten. Auf diese Weise einigten sich die Parteien unter anderem in einem
Telefonat am 25. November 1998 rückwirkend zum 1. November 1998 auf einen
Tonnenpreis von 42,50 DM. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten bestätigte die
Preisvereinbarung mit Schreiben vom 2. Dezember 1998 (Anlage M 7).
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Die Beklagte hält die Vergütungsabrede vom 25. November 1998 für unwirksam und
macht dazu im Wesentlichen geltend: Die Klägerin habe die streitgegenständlichen
Leistungen in Erfüllung des Vertrages vom 16. Januar 1992 erbracht. In § 02.1 Ziffer 2
Satz 2 dieses Vertrages habe sie (die Beklagte) eine Mindestabnahmemenge von
250.000 t pro Jahr zugesagt und sich damit im Ergebnis verpflichtet, ihren gesamten
jährlichen Bedarf an aufbereitetem Altglas bei der Klägerin zu decken. Diese
Abnahmegarantie verstoße gegen Art. 85 Abs. 1 EGV a.F. (= Art. 81 Abs. 1 EGV n.F.).
Denn die Klausel verhindere über die Vertragslaufzeit von 12 Jahren eine Belieferung
mit aufbereitetem Altglas durch Unternehmen aus dem benachbarten europäischen
Ausland und beeinträchtige dadurch in spürbarem Maße den zwischenstaatlichen
Handel. Die kartellrechtliche Unwirksamkeit der Abnahmegarantie beschränke sich
nicht auf die betreffende Vertragsklausel, sondern ziehe die Nichtigkeit des gesamten
Vertrages nach sich. Zumindest erstrecke sich die Unwirksamkeit aber auf die Preis-
und Preisanpassungsklauseln vom 16. Januar 1992, weil jene Vereinbarungen
untrennbar mit der Verpflichtung zur Abnahme einer Mindestmenge verbunden seien.
Mit der Ungültigkeit der Preis- und Preisanpassungsklauseln sei auch die in seiner
Folge getroffene Vereinbarung vom 25. November 1998 hinfällig.
39
Das Landgericht hat sich dem Standpunkt der Beklagten nicht angeschlossen. Es ist
von der Rechtsgültigkeit der Preisabsprache und der Preisanpassungsklausel im
Vertrag vom 16. Januar 1992 ausgegangen und hat seiner Entscheidung demgemäß
auch die Preisvereinbarung vom 25. November 1998 zugrunde gelegt. Auf dieser Basis
hat es - von einem geringen Teilbetrag abgesehen, der aus einer abweichenden
Verrechnung von Zahlungsbeträgen der Beklagten auf die Hauptforderung und auf
beanspruchte Zinsen resultiert - der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die
Beklagte zur Zahlung von 285.183,60 EUR nebst Zinsen verurteilt.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr
erstinstanzliches Vorbringen zur Kartellrechtswidrigkeit der Abnahmegarantie und der
daraus resultierenden Nichtigkeit der Preis- und Preisanpassungsvereinbarung der
Parteien.
41
Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Rechtsausführungen der Berufung im
Einzelnen entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sowie auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
47
II.
48
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
49
Das Landgericht hat der Klägerin für die zwischen März 2001 und Juni 2002
durchgeführte Altglasaufbereitung mit Recht eine restliche Vergütung in Höhe von
insgesamt 285.183,60 EUR zuerkannt und seiner Berechnung zutreffend einen Preis
von 42,50 DM je aufbereiteter Tonne Altglas zugrunde gelegt. Die gegen diesen
Tonnenpreis gerichteten Berufungsangriffe bleiben erfolglos.
50
A. Die Klägerin hat die streitbefangene Altglasaufbereitung auf vertraglicher Grundlage
erbracht und kann deren Bezahlung jeweils nach Maßgabe der Preis- und
Preisgleitklausel vom 16. Januar 1992 sowie der auf seiner Basis getroffenen
Preisvereinbarung vom 25. November 1998 verlangen.
51
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann es dabei auf sich beruhen, ob die in Rede
stehenden Aufbereitungsleistungen der Klägerin unmittelbar auf den Verträgen vom 16.
Januar 1992 beruhen, weil es sich - wie die Beklagte meint - um
Sukzessivlieferungsverträge handelt, oder ob - wie die Klägerin reklamiert und das
Landgericht angenommen hat - die genannten Verträge lediglich Rahmenverträge sind,
in deren Geltungsbereich für die einzelnen Aufbereitungsmengen jeweils gesonderte
Einzelaufträge erteilt worden sind. Selbst wenn man mit der Berufung von einem
Sukzessivlieferungsvertrag ausgeht, ist die Beklagte verpflichtet, die
Aufbereitungsleistungen der Klägerin nach Maßgabe der Verträge vom 16. Januar 1992
und der darin enthaltenen Preis- und Preisgleitklausel zu bezahlen. Entgegen der
Ansicht der Beklagten sind weder die Verträge vom 16. Januar 1992 in ihrer Gesamtheit
noch die in ihnen enthaltene Preisabsprache in § 02.1 Ziffer 9. Absätze 1 bis 2.4 und die
Preisgleitklausel in § 02.1 Ziffer 9. Absatz 2.5 (kartell-)nichtig. Das gilt auch dann, wenn
man - der Berufung folgend - annimmt, dass die in § 02.1 Ziffer 2 Satz 2 jener Verträge
vereinbarte Mindestabnahmegarantie der Beklagten gegen das kartellrechtliche Verbot
des Art. 85 Abs. 1 EGV a.F. (= Art. 81 Abs. 1 EGV n.F.) verstößt und deshalb nach Art.
85 Abs. 2 EGV a.F. (= Art. 81 Abs. 2 EGV n.F.) unwirksam ist. Denn die - etwaige -
Kartellnichtigkeit jener Vertragsklausel lässt die Gültigkeit der Preisvereinbarung und
Preisgleitklausel vom 16. Januar 1992 unberührt.
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1. Der Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 EGV a.F. (= Art. 81 Abs. 1 EGV n.F.) führt im
Ausgangspunkt nur zur Unwirksamkeit derjenigen Teile der Vereinbarung, die unter das
kartellrechliche Verbot der Wettbewerbsbeeinträchtigung fallen. Darüber
hinausgehende Teile oder gar die gesamte Vereinbarung sind nur dann gleichfalls nach
Art. 85 Abs. 2 EGV a.F. (= Art. 81 Abs. 2 EGV n.F.) nichtig, wenn sich die
verbotswidrigen Regelungen nicht von den anderen Teilen der Vereinbarung trennen
lassen. Maßgeblich ist dabei die objektive Trennbarkeit der betreffenden
Bestimmungen. Auf die Vorstellungen und den Willen der Vertragsparteien kommt es
nicht entscheidend an. Es ist deshalb nur zu prüfen, ob der übrige Vertragsinhalt auch
ohne die unwirksamen Abreden einen selbständiger Geltung fähigen Regelungsgehalt
behält. Ist dies der Fall, beurteilt sich die Auswirkung der mit Art. 85 Abs. 1 EGV a.F. (=
Art. 81 Abs. 1 EGV n.F.) unvereinbaren vertraglichen Bestimmung auf die
Rechtsgültigkeit des Vertrages im Übrigen nicht nach Gemeinschaftsrecht, sondern
ausschließlich nach nationalem Recht (vgl. zu allem nur: Bunte in Langen/Bunte,
Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Aufl., Art. 81 Rn.
209-212 m.w.N.). Ist - wie vorliegend - deutsches Recht anwendbar, richtet sich die Teil-
oder Gesamtnichtigkeit des Vertrages mithin nach § 139 BGB.
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2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen führt die - unterstellt: vorliegende - Kartellnichtigkeit
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der Mindestabnahmepflicht der Beklagten weder zur Gesamtnichtigkeit der Verträge
vom 16. Januar 1992 noch zur Ungültigkeit der in ihnen enthaltenen Preis- und
Preisgleitregelung.
a) Die Nichtigkeit gemäß Art. 85 Abs. 2 EGV a.F. (= Art. 81 Abs. 2 EGV n.F.) erfasst nur
die Mindestabnahmegarantie der Beklagten als solche und die mit ihr in
Zusammenhang stehende Preisanpassungsregelung in § 02.1 Ziffer 9 Abs. 2.6 der
Verträge vom 16. Januar 1992, soweit dort an eine Unter- oder Überschreitung der
vereinbarten Mindestabnahmemenge angeknüpft wird. Lediglich in diesem Umfang
enthalten die Vertragswerke vom 16. Januar 1992 Regelungen, die mit der (etwaig
kartellrechtswidrigen) Mindestabnahmeverpflichtung der Beklagten untrennbar
verbunden sind. Die Kartellnichtigkeit erstreckt sich nicht darüber hinaus auch auf die
Preisvereinbarung in § 02.1 Ziffer 9 Absätze 1 bis 2.4 und ebenso wenig auf die
Preisgleitklausel in § 02.1 Ziffer 9 Absatz 2.5 der Verträge vom 16. Januar 1992. Jene
Vertragsbestimmungen sind in ihrem Regelungsgehalt von der Mindestabnahmepflicht
völlig unabhängig und haben zusammen mit den sonstigen vertraglichen
Vereinbarungen vom 16. Januar 1992 auch dann einen eigenständiger Geltung fähigen
Inhalt, wenn man die Vertragsklauseln im Zusammenhang mit der
Mindestabnahmemenge hinwegdenkt. Dementsprechend bleiben die Verträge vom 16.
Januar 1992 auch ohne die Bestimmungen über die Abnahmegarantie und die im Falle
einer Unter- und Überschreitung der Garantiemenge vorzunehmende Preisanpassung
ein objektiv vollständiges, in sich geschlossenes und praktizierbares Regelungswerk.
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b) Aus § 139 BGB folgt gleichfalls nicht die Nichtigkeit der Preis- und
Preisgleitvereinbarung vom 16. Januar 1992.
56
aa) Zwar ist nach der genannten Bestimmung im Zweifel von der Gesamtnichtigkeit
auszugehen und bleiben die vom Nichtigkeitsgrund nicht unmittelbar erfassten Teil des
Rechtsgeschäfts nur dann gültig, wenn die Vertragsparteien bei Kenntnis der
Teilnichtigkeit den Rest hätten gelten lassen. Diese Voraussetzung ist dabei von
derjenigen Partei darzulegen und zu beweisen, die das teilnichtige Geschäft
aufrechterhalten will. Vorliegend kommen diese Grundsätze indes nicht zur Anwendung.
Die Verträge vom 16. Januar 1992 enthalten in § 02.1 Ziffer 13 Absatz 5 eine
salvatorische Erhaltens- und Ersetzungsklausel. Diese sieht vor, dass die
Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen die Gültigkeit des Vertrages im
Übrigen unberührt lässt, und verpflichtet die Vertragspartner überdies, unwirksame
Klauseln durch solche zu ersetzen, die rechtlich zulässig sind und dem gewünschten
wirtschaftlichen Ergebnis möglichst nahe kommen. Konsequenz einer solchen
salvatorischen Klausel ist, dass nunmehr derjenige Vertragspartner, der sich auf die
Gesamtnichtigkeit beruft, vorzutragen und nachzuweisen hat, dass der Vertrag ohne die
nichtigen Vertragsregelungen nicht abgeschlossen worden wäre. Gelingt dieser
Nachweis nicht, ist von der Teilnichtigkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen (vgl. zu
allem: BGH, WuW/E DE-R 1031, 1032 m.w.N. - Tennishallenpacht).
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bb) Im Entscheidungsfall beschränkt sich die (etwaige) Kartellnichtigkeit auf die
Abnahmegarantie in § 02.1 Ziffer 2 Satz 2 und die damit in Zusammenhang stehende
Preisanpassungsklausel in § 02.1 Ziffer 9 Absatz 2.6 des Vertrages vom 16. Januar
1992. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, dass die Vertragsparteien ohne jene
Bestimmungen das Vertragswerk als Ganzes verworfen hätten. Die insoweit
darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat hierzu schon nichts Nachvollziehbares
vorgetragen. Sie behauptet nicht schlüssig, dass - insbesondere für die Klägerin als
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Begünstigte dieser Vertragsregelungen - die Vertragspflicht zur Abnahme einer
Mindestmenge für den Vertragsschluss von derart zentraler Bedeutung gewesen ist,
dass mit dieser Regelung das gesamte Vertragswerk stehen und fallen sollte. Dagegen
spricht vielmehr, dass die Klägerin die Beklagte trotz der von Beginn an stattfindenden
Unterschreitung der Garantiemenge über viele Jahre hinweg deswegen nicht in
Anspruch genommen hat. Selbst nach dem Sachvortrag der Beklagten (Seite 51 f. des
Schriftsatzes vom 21.7.2003, GA 159 f.) hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin wegen
der Mindermengen erstmals Ende 1996 Verhandlungen über eine Neugestaltung des
Vertragsverhältnisses aufgenommen und auch nach dem Scheitern der Gespräche
Ende 1998 die Belieferung fortgesetzt. Dies spricht indiziell gerade gegen die Annahme,
nach dem Vertragswillen der Klägerin sei der Bestand des gesamten Vertragswerks
untrennbar mit der Mindestabnahmegarantie verbunden gewesen. Dass die
Vereinbarung einer Mindestabnahmemenge für die Beklagte von ausschlaggebender
Bedeutung für den Vertragsschluss gewesen ist, liegt ohnehin fern.
B. Auf der Grundlage der Preisvereinbarung (§ 02.1 Ziffer 9 Absatz 1 bis 2.4) und der
Preisgleitklausel (§ 02.1 Ziffer 9 Absatz 2.5) vom 16. Januar 1992 hat die Beklagte die
streitgegenständlichen Aufbereitungsleistungen mit einem Tonnenpreis vom 42,50 DM
zu vergüten.
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1. Nach dem Sach- und Streitstand basiert der genannte Tonnenpreis im
Ausgangspunkt auf Preisanpassungen nach der rechtsgültigen Preisgleitklausel in §
02.1 Ziffer 9 Absatz 2.5 der Verträge vom 16. Januar 1992. Eine Anwendung der - an der
(etwaigen) Kartellnichtigkeit der Mindestabnahmegarantie teilnehmenden -
Anpassungsklausel in § 02.1 Ziffer 9 Absatz 2.6 behauptet auch die Beklagte lediglich
insoweit, als sie auf schriftsätzliches Vorbringen der Klägerin im Parallelprozess vor
dem Landgericht Duisburg im Schriftsatz vom 20.3.2001 verweist, in dem es heißt:
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"Wir kommen nunmehr zurück zu der Erläuterung der 1998 erfolgten
Preisfestlegung auf 42,50 DM:
61
Durch technische Verbesserungen und aufgrund der Mindermengenprognosen
seitens der Beklagten ... war es bei der Aufbereitungsanlage N. möglich,
Personal einzusparen. Diese Personaleinsparung war dabei höher als die
Investitionen für diese technischen Aufwendungen. Daher konnte hier nach
Maßgabe von § 02.1 Ziffer 9 Punkt 2.6 (Seite 17, vorletzter Absatz) der
Vereinbarung vom 19.01.1992 (Anm.: gemeint ist der Vertrag vom 16.01.1992)
eine Preisanpassung erfolgen."
62
Daraus lassen sich indes schon im Ansatz keine für die Beklagten günstigen
Rechtsfolgen ableiten. Die Vertragsparteien haben nämlich - wie die Beklagte im
Verhandlungstermin bestätigt hat - im November 1998 aus Anlass der Mindermengen
keine Erhöhung, sondern im Gegenteil eine Reduzierung des Tonnenpreises vereinbart.
Die Anwendung der Preisanpassungsklausel nach § 02.1 Ziffer 9 Absatz 2.6 hat sich
somit gerade nicht zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt. Dann bietet jene
Preisanpassung aber auch keinen Anlass, den Tonnenpreis von 42,50 DM in Frage zu
stellen.
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2. Der genannte Preis ist - entgegen der Ansicht der Berufung - nicht nach den
Rechtsgrundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (jetzt: § 313 BGB) zu
reduzieren.
64
Die Beklagte reklamiert eine Vertragsanpassung selbst nur unter der Prämisse, dass die
erbrachten Aufbereitungsleistungen nicht auf den Verträgen vom 16. Januar 1992,
sondern auf gesondert erteilten Aufrufverträgen beruhen sollten. Für diesen Fall - so
meint sie - ziehe die Kartellnichtigkeit der (Rahmen-)Verträge vom 16. Januar 1992 auch
die Unwirksamkeit der einzelnen Abrufverträge nach sich. Ob dies zutrifft, bedarf keiner
Entscheidung. Denn der Senat unterstellt - wie bereits ausgeführt - zugunsten der
Berufung, dass die Verträge vom 16. Januar 1992 keine bloße Rahmenverträge sind,
sondern sie die Vertrags- und Leistungs
65
Die Frage kann bei dieser Ausgangslage allenfalls sein, ob die Preis- und
Preisgleitklausel vom 16. Januar 1992 wegen Unterschreitung der
Mindestabnahmemenge anzupassen ist. Das ist nicht der Fall. Bereits die
tatbestandlichen Voraussetzungen einer derartigen Vertragsanpassung sind nicht
festzustellen. Weder dem Sachvortrag der - insoweit darlegungs- und beweisbelasteten
- Beklagten noch dem sonstigen Sach- und Streitstand ist nachvollziehbar zu
entnehmen, dass die Nichtabnahme der vereinbarten Mindestmenge die Grundlagen
der Preis- und Preisgleitklausel vom 16. Januar 1992 derart schwerwiegend erschüttert
hat, dass der Beklagten ein Festhalten am Vertrag redlicherweise nicht zugemutet
werden kann. Es fehlt jedweder Sachvortrag der Beklagten, inwieweit die
Preisvereinbarung vom 16. Januar 1992 und die sich in der Folgezeit unter Anwendung
der Preisgleitklausel ergebenden Erhöhungsbeträge durch die Garantiemengenzusage
der Beklagten beeinflusst gewesen sein sollen und welcher Tonnenpreis sich bei
Berücksichtigung der tatsächlichen Abnahmemenge der Beklagten gebildet hätte. Dabei
ist es schon offen, ob sich die Anknüpfung des vereinbarten Preises an eine
Mindestabnahmemenge überhaupt zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hat.
Immerhin hat die Klägerin nämlich - wie dargestellt - im Rahmen der Preisanpassung
vom 25. November 1998 die Unterschreitung der Garantiemenge gerade zum Anlass
genommen, die damit verbundene Personalkosteneinsparung an die Beklagte
weiterzugeben und den vereinbarten Tonnenpreis entsprechend abzusenken.
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C. Ob die Beklagte von der Klägerin wegen der - unterstellt: kartellnichtigen -
Mindestabnahmegarantie Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 85 Abs. 1
EGV a.F. (= Art 81 Abs. 1 EGV n.F.) beanspruchen kann, muss im vorliegenden
Rechtsstreit nicht entschieden werden. Einen solchen Ersatzanspruch macht die
Beklagte im Prozess nämlich schon nicht schlüssig geltend. Ihr bloßer Hinweis im
Senatstermin, dass sie ohne die Mindestabnahmevereinbarung Teilmengen zu
günstigeren Preisen bei Drittanbietern bezogen haben würde, ist ohne jede Substanz
und lässt nicht im Ansatz erkennen, in welcher Höhe der Beklagten aufgrund der
Mindestabnahmeverpflichtung ein finanzieller Schaden entstanden sein soll.
67
III.
68
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
69
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
70
IV.
71
Es besteht kein Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Es handelt
72
sich um eine Einzelfallentscheidung ohne rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die der
Senat auf der Grundlage höchstrichterlicher Judikatur getroffen hat.
V.
73
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2005 gibt keine
Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
74
a. Dr. M.
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76