Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.03.2000

OLG Düsseldorf: internationale zuständigkeit, agb, gerichtsstandsvereinbarung, allgemeine geschäftsbedingungen, gerichtliche zuständigkeit, charakteristische leistung, örtliche zuständigkeit, eugh

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 90/99
Datum:
16.03.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-6 U 90/99
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. März 1999 verkündete
Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
geändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Anträge des Klägers, den Rechtsstreit an das Tribunal de
Commerce in Paris oder das sonst zuständige Gericht zu verweisen,
werden zurückge-wiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Hö-he von 80.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstre-ckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten
können auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland
ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der G. AG mit Sitz in Düsseldorf (im
folgenden: Gemeinschuldnerin). Diese gewährte der Beklagten, einer französischen
offenen Handelsgesellschaft (société en nom collectif), im November 1994 ein zunächst
auf drei Monate befristetes Darlehen über 20 Mio. FF. In dem in französischer Sprache
verfaßten Darlehensangebot vom 16. November 1994 und in dem englischsprachigen
Kontoeröffnungsantrag nahm sie auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im
folgenden: AGB) Bezug, die der Beklagten nicht übergeben wurden, nach einem
Hinweis im Kontoeröffnungsantrag jedoch am Bankschalter erhältlich waren. Die AGB
enthielten in der Fassung von Januar 1994 u. a. die folgenden Bestimmungen:
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"6. Maßgebliches Recht und Gerichtsstand bei kaufmännischen und öffentlich-
rechtlichen Kunden
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(1) Geltung deutschen Rechts Für die Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden
und der Bank gilt deutsches Recht.
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(2) Gerichtsstand für Inlandskunden Ist der Kunde ein Kaufmann, der nicht zu den
Minderkaufleuten gehört, und ist die streitige Geschäftsbeziehung dem Betriebe
seines Handelsgewerbes zuzurechnen, so kann die Bank diesen Kunden an dem für
die kontoführende Stelle zuständigen Gericht oder bei einem anderen zuständigen
Gericht verklagen; dasselbe gilt für eine juristische Person des öffentlichen Rechts
und für öffentlich-rechtliche Sondervermögen. Die Bank kann von diesen Kunden nur
an dem für die kontoführende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden.
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(3) Gerichtsstand für Auslandskunden Die Gerichtsstandsvereinbarung gilt auch für
Kunden, die im Ausland eine vergleichbare gewerbliche Tätigkeit ausüben, sowie für
ausländische Institutionen, die mit inländischen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts oder mit einem inländischen öffentlich-rechtlichen
Sondervermögen vergleichbar sind."
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Der Geschäftsführer der geschäftsführenden Gesellschafterin der Beklagten
unterzeichnete den Kontoeröffnungsantrag und bestätigte die Annahme des
Darlehensangebotes durch Gegenzeichnung einer mit dem Vermerk "Gelesen und
genehmigt" ("Lu et approuvé") versehenen Zweitschrift.
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In der Folge wurde die Laufzeit des Darlehens wiederholt verlängert, zuletzt bis zum 31.
März 1996. Da die Beklagte den Kredit sodann nicht zurückführte und ab Mai 1997 auch
keine Zinsen mehr zahlte, nimmt der Kläger sie nach erfolglosen außergerichtlichen
Aufforderungen nunmehr im Wege der Klage auf Zahlung des per 10. Januar 1998 auf
21.149.847,91 FF berechneten Kreditsaldos in Anspruch.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das angerufene Landgericht Düsseldorf sei
gemäß Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) in
Verbindung mit Nr. 6 Abs. 3 AGB international und örtlich zuständig. Mit der
Unterzeichnung des Darlehensangebotes und des Kontoeröffnungsantrags, die jeweils
auf die die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden AGB verwiesen, seien die
Einigung der Vertragspartner hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen und die
Formerfordernisse des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. a) EuGVÜ erfüllt. Die AGB seien auch
materiellrechtlich wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Nach dem Vertragsstatut
des Darlehensvertrages sei insoweit deutsches Recht anzuwenden, nach dem im
kaufmännischen Rechtsverkehr die Möglichkeit, unbekannte AGB anzufordern oder sich
sonst zu beschaffen, ausreiche. Davon habe die Beklagte - unstreitig - keinen Gebrauch
gemacht. Auf Verlangen wären ihr die - auch in englischer und französischer Sprache
vorgehaltenen - AGB jederzeit ausgehändigt worden.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.149.847,91 FF nebst 5 % Zinsen seit dem 11.
Januar 1998 zu zahlen.
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Die Beklagte hat die internationale Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt
und vorab beantragt,
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über die Zulässigkeit der Klage insoweit abgesondert zu verhandeln.
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Im übrigen hat sie beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung sei schon deshalb
nicht zustande gekommen, weil ihr die AGB der Gemeinschuldnerin - unstreitig - nicht
zugegangen seien. Die bloße Bezugnahme auf die AGB reiche im internationalen
Rechtsverkehr auch unter Kaufleuten weder zur Einbeziehung in den Vertrag noch zur
Wahrung der Formerfordernisse des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. a) EuGVÜ aus. Gegenüber
ausländischen Vertragspartnern seien zudem allenfalls in der Vertragssprache
abgefaßte AGB wirksam, auf deren - bestrittene - Existenz die Gemeinschuldnerin
jedenfalls nicht hingewiesen habe. Im übrigen sei unklar, was unter einem "eine
vergleichbare gewerbliche Tätigkeit" ausübenden Unternehmen im Sinne der Nr. 6 Abs.
3 AGB zu verstehen sei. Die Klage sei danach vor französischen Gerichten zu erheben.
In der Sache hat die Beklagte eingewandt, die Klägerin habe die Klageforderung an die
H. S.A. in Paris abgetreten.
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Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat eine wirksame
Gerichtsstandsvereinbarung angenommen, die seine internationale Zuständigkeit
begründe. Insoweit reiche die Bezugnahme auf die die Gerichtsstandsvereinbarung
enthaltenden AGB, die auch in französischer Sprache vorrätig gewesen seien, in dem
beiderseits unterzeichneten Darlehensangebot und dem Kontoeröffnungsantrag sowohl
zur Wahrung der Formerfordernisse des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. a) EuGVÜ als auch für
die Einbeziehung in den Darlehensvertrag aus. Die Gerichtsstandsabrede weise auch
keine Unklarheiten auf. Eine wirksame Abtretung der Klageforderung sei nicht
feststellbar, weil die nach der Abtretungserklärung dafür erforderliche Erbringung der
Gegenleistung nicht dargetan sei.
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Ihre hiergegen eingelegte Berufung hat die Beklagte in erster Linie weiterhin auf die
Rüge der internationalen Unzuständigkeit gestützt. Eine wirksame
Gerichtsstandsvereinbarung sei schon deshalb nicht zustande gekommen, weil Art. 17
EuGVÜ für Kaufleute und Nichtkaufleute gleichermaßen voraussetze, daß der
Vertragspartner des Verwenders bei normaler Sorgfalt vor dem Vertragsabschluß
Kenntnis von der in den AGB enthaltenen Gerichtsstandsklausel nehmen könne. Diese
Voraussetzung sei vorliegend mangels Aushändigung des Regelwerkes nicht erfüllt.
Die Möglichkeit einer Einsichtnahme am Bankschalter reiche schon wegen der
Entfernung zwischen Paris und Düsseldorf nicht aus. Zudem stehe nicht fest und werde
mit Nichtwissen bestritten, daß die vorgelegte Fassung der AGB zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses gültig gewesen und das Kreditkonto in Düsseldorf geführt worden
sei. Ohnehin sei die daran anknüpfende Gerichtsstandsklausel nicht hinreichend
bestimmt. Vorsorglich hat die Beklagte darüber hinaus in Abrede gestellt, daß die
Gemeinschuldnerin nach der Abtretungserklärung Inhaberin der Forderung geblieben
sei, und sich gegen die Zins- und Gebührenberechnung des Klägers gewandt.
Ergänzend hat sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.
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Die Beklagte hat zunächst den Antrag angekündigt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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In der mündlichen Verhandlung war sie nicht durch einen postulationsfähigen
Rechtsanwalt vertreten und hat keinen Antrag gestellt.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und das Versäumnisurteil gegen die Beklagte zu
erlassen,
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hilfsweise,
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den Rechtsstreit an das Tribunal de Commerce, 1, Quai de Corse, 75004 Paris,
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äußerst hilfsweise an das zuständige Gericht zu verweisen.
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Er wiederholt ebenfalls sein erstinstanzliches Vorbringen und tritt den Ausführungen der
Beklagten im einzelnen entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge
und die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den
nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung führt zur Änderung der angefochtenen Entscheidung und zur
Abweisung der Klage als unzulässig. Das vom Kläger angerufene Gericht ist
international nicht zuständig. Eine Verweisung an das zuständige französische Gericht
kommt nicht in Betracht.
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I.
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Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist auch in höheren
Rechtszügen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH NJW 1987, 3081;
Zöller/Geimer, 21. Aufl., IZPR Rdnr. 94). § 512 a ZPO betrifft nur die örtliche
Zuständigkeit und steht einer solchen Prüfung im Berufungsverfahren nicht entgegen
(vgl. BGHZ 44, 46 ff.; Zöller/Geimer, IZPR Rdnr. 94 und Zöller/Gummer, § 512 a ZPO
Rdnr. 5, jeweils m.w.N.). Fehlt es an der internationalen Zuständigkeit, darf ein
Versäumnisurteil gegen den säumigen Berufungskläger deshalb nicht erlassen werden
(§§ 542 Abs. 3, 335 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Vielmehr ist das angefochtene Urteil zu ändern
und die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH NJW 1961, 2207; Zöller/Gummer, §
542 ZPO Rdnr. 8).
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II.
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Das Landgericht Düsseldorf war - international - weder gesetzlich noch aufgrund einer
Gerichtsstandsvereinbarung oder kraft rügeloser Einlassung zuständig.
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1. Gemäß Art. 2 Abs. 1, 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ sind Gesellschaften und juristische
Personen, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vorbehaltlich
der Vorschriften des Übereinkommens vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.
Für Klagen gegen die in Paris ansässige Beklagte sind damit grundsätzlich die
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französischen Gerichte zuständig.
Eine besondere Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist im vorliegenden Fall nicht
begründet. Der Erfüllungsort im Sinne dieser Regelung ist nach dem materiellen Recht
zu bestimmen, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten
Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (vgl. BGH NJW 1994, 2699, 2700;
Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Art. 5 EuGVÜ Rdnr. 18; Zöller/
Geimer, Art. 5 EuGVÜ Rdnr. 1; alle m.w.N.). Ob zwischen der Gemeinschuldnerin und
der Beklagten wirksam die Anwendung deutschen Rechts vereinbart wurde (Art. 27 Abs.
1 EGBGB in Verbindung mit Nr. 6 Abs. 1 AGB), bedarf dabei keiner Entscheidung;
gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EGBGB führen auch die gesetzlichen
Bestimmungen zur Anwendbarkeit der deutschen Rechtsordnung, weil die für den
Darlehensvertrag charakteristische Leistung von der in Deutschland niedergelassenen
Gemeinschuldnerin als Darlehensgeberin zu erbringen war (vgl. Palandt/Heldrich, 59.
Aufl., Art. 28 EGBGB Rdnr. 12 m.w.N.). Nach § 269 Abs. 1 und 2 BGB ist der Anspruch
auf Rückzahlung des Darlehens indes am Sitz des Schuldners zu erfüllen (vgl.
BayObLG NJW-RR 1996, 956; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1145, 1146;
Plandt/Hein-richs, § 269 BGB Rdnr. 11), so daß auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ keinen
deutschen Gerichtsstand eröffnet.
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2. Zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten wurde auch keine wirksame
Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 Satz 2
EuGVÜ sind in bezug auf die Bestimmungen in Nr. 6 Abs. 2 und 3 AGB nicht erfüllt.
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a) Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EuGVÜ schließt für den Fall einer wirksamen
Gerichtsstandsvereinbarung sowohl die nach Art. 2 EuGVÜ begründete allgemeine
Zuständigkeit als auch die besonderen Zuständigkeiten der Art. 5 und 6 EuGVÜ aus.
Angesichts der möglichen Folgen einer solchen Vereinbarung für die Stellung der
Parteien im Prozeß sind die in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen für
die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln eng auszulegen. Maßgeblich ist, ob die
zuständigkeitsbegründende Klausel Gegenstand einer klar und deutlich zum Ausdruck
gekommenen Willenseinigung der Vertragspartner war; die Formerfordernisse des Art.
17 EuGVÜ sollen gewährleisten, daß diese Einigung tatsächlich feststeht. Die
Vereinbarung braucht dabei zwar nicht ausdrücklich getroffen zu werden. Vielmehr kann
eine Bezugnahme in den Formen des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ auf Allgemeine
Geschäftsbedingungen, die ihrerseits eine Gerichtsstandsklausel enthalten, ausreichen
(vgl. EuGH NJW 1977, 494; BGH NJW 1994, 2699; BGH NJW 1996, 1819), wobei es
grundsätzlich auch keines besonderen Hinweises auf diese Klausel bedarf (Kropholler,
Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 35; Wieczorek/Schütze/Hausmann, 3. Aufl., Art. 17 EuGVÜ Rdnr.
35, Zöller/Geimer, Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 8 a; alle m.w.N.). Voraussetzung ist jedoch in
jedem Fall, daß die Zustimmung der anderen Partei zu der von den allgemeinen
Grundsätzen abweichenden Zuständigkeitsregelung gewährleistet ist (vgl. EuGH NJW
1977, 494).
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Die Vereinbarung zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten bietet dafür
keine Gewähr. Zwar enthielten sowohl das beiderseits unterzeichnete
Darlehensangebot als auch der Kontoeröffnungsantrag ausdrückliche Hinweise auf die
AGB. Diese lagen der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedoch nicht vor.
Ihr Einverständnis mit der Geltung des Regelwerkes bringt deshalb nicht mit der
gebotenen, von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. a) EuGVÜ bezweckten Klarheit zum Ausdruck,
daß sich ihre Zustimmung auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung erstreckte (vgl.
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Wieczorek/Schütze/Hausmann, Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 37; Geimer in Geimer/Schütze,
Internationale Urteilsanerkennung, Band I, 1. Halbband, § 75 III. 2. b) (), S. 484). Ob die
AGB im übrigen in den Darlehensvertrag einbezogen worden sind, ist unerheblich.
Jedenfalls soweit dadurch ein anderer Gerichtsstand begründet werden sollte, finden
die strengen Formvorschriften des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ Anwendung, die aus den
dargelegten Gründen nicht gewahrt sind (vgl. Wieczorek/Schütze/Hausmann, Art. 17
EuGVÜ Rdnr. 37).
Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9.
März 1994 (NJW 1994, 2699 f.) rechtfertigt keine abweichende Betrachtung. Soweit der
Bundesgerichtshof darin im Anschluß an das Urteil des Europäischen Gerichtshofes
vom 14. Dezember 1976 - Colzani ./. Rüwa - (NJW 1977, 494) eine ausdrückliche
Bezugnahme auf die die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in den beiderseitigen Willenserklärungen oder jedenfalls in dem
sodann angenommenen Angebot gefordert hat, ging es jeweils um die Anforderungen
an die Bezugnahme, nicht jedoch um die Frage, ob die betreffenden
Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner vorliegen müssen. Insoweit hat die
Rechtsprechung wiederholt darauf abgestellt, ob der Vertragspartner bei normaler
Sorgfalt von den die Gerichtsstandsvereinbarung umfassenden Geschäftsbedingungen
Kenntnis nehmen konnte (vgl. EuGH NJW 1977, 494; BGH NJW 1996, 1819). Dabei
wurden ausdrückliche mündliche und schriftliche Vereinbarungen nicht als ausreichend
angesehen, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erst mit der schriftlichen
Auftragsbestätigung übersandt (EuGH NJW 1977, 495) oder ihr Abdruck in einem dem
Vertragspartner möglicherweise sogar vorliegenden früheren Auktionskatalog nicht
besonders mitgeteilt wurden (BGH NJW 1996, 1819 f.). Darüber hinaus entspricht es
ganz überwiegender Auffassung, daß ein schriftlicher Vertragsabschluß unter
ausdrücklicher Bezugnahme auf ein früheres Angebot, das seinerseits auf die die
Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinwies,
nur dann den Anforderungen des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. a) EuGVÜ genügt, wenn die
Geschäftsbedingungen dem anderen Vertragspartner tatsächlich zugegangen sind (vgl.
EuGH NJW 1977, 494; Kropholler, Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 33;
Wieczorek/Schütze/Hausmann, Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 37; Geimer in Geimer/Schütze, §
75 III. 2. b) () und (), S. 484, sowie § 96 I. 2. e), S. 877; Geimer, IZPR, 2. Aufl., Rdnr.
1686; Zöller/Geimer, Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 9; Gottwald in Münchener Kommentar, Art. 17
EuGVÜ Rdnr. 19). Dieses Meinungsbild schließt es aus, eine hinreichend deutliche
Zustimmung zu der Gerichtsstandsklausel bereits dann anzunehmen, wenn der
Vertragspartner des Verwenders Gelegenheit hatte, die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen anzufordern und sich dadurch über ihren Inhalt zu informieren.
Soweit Auer (in Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr,
Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 79) für den kaufmännischen Verkehr einen großzügigeren
Maßstab in Erwägung zieht, vermag der Senat dem schon deshalb nicht zu folgen, weil
Art. 17 EuGVÜ nicht zwischen Gerichtsstandsvereinbarungen von Kaufleuten und
Nichtkaufleuten unterscheidet. Für den kaufmännischen Verkehr gilt insoweit kein
Sonderrecht (vgl. BGH NJW 1996, 1819; Zöller/Geimer, Art. 17 EuGVÜ Rdnr. 13).
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b)
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Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit.
c) EuGVÜ zustande gekommen. Der Kläger hat einen internationalen Handelsbrauch,
der für den vorliegenden Rechtsstreit einen Gerichtsstand in Deutschland begründen
könnte, nicht dargetan. Die behauptete Branchenüblichkeit Allgemeiner
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Geschäftsbedingungen im grenzüberschreitenden Kreditverkehr reicht insoweit nicht
aus. Für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. c)
EuGVÜ wäre vielmehr erforderlich, daß nicht nur die Einbeziehung nicht
ausgehändigter Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag durch bloße
Bezugnahme, sondern auch die Vereinbarung eines anderen internationalen
Gerichtsstandes gerade auf diesem Wege einem internationalen Handelsbrauch
entspräche. Dafür ist indes nichts ersichtlich.
3.
43
Schließlich hat sich die Beklagte auch nicht in die internationale Zuständigkeit
deutscher Gerichte begründender Weise auf das Verfahren eingelassen. Nach Art. 18
EuGVÜ, der in seinem Anwendungsbereich die §§ 39, 40 ZPO verdrängt (vgl.
Kropholler, Art. 18 EuGVÜ Rdnr. 5), wird ein international unzuständiges Gericht nicht
dadurch zuständig, daß der Beklagte sich hilfsweise auch in der Sache verteidigt (vgl.
Kropholler, Art. 18 EuGVÜ Rdnrn. 10 ff.; Zöller/Geimer, Art. 18 EuGVÜ Rdnr. 1 a; beide
m.w.N.). Darauf hat sich die Beklagte beschränkt. Im ersten Rechtszug hat sie
ausdrücklich beantragt, vorab abgesondert über die Zulässigkeit der Klage unter dem
Gesichtspunkt der internationalen Zuständigkeit zu verhandeln. Ihre weiteren
Einwendungen hat sie ersichtlich nur für den Fall, daß das Landgericht seine
Zuständigkeit annehmen sollte, erhoben. Auch im Berufungsverfahren hat sie sich "in
erster Linie" auf die Zuständigkeitsrüge berufen und nur "vorsorglich" zur Sache
vorgetragen. Damit verbleibt es bei der internationalen Zuständigkeit der französischen
Gerichte. Die Säumnis der Beklagten vermag daran nichts zu ändern. Abgesehen von
der Frage, ob es einer Wiederholung der Zuständigkeitsrüge im zweiten Rechtszug
überhaupt bedurfte (zu § 39 Satz 1 ZPO verneinend BGH NJW 1987, 3081), ist hierin
jedenfalls keine rügelose Einlassung zur Sache zu erblicken.
44
III.
45
Die somit fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte führt zur Abweisung
der Klage als unzulässig. Die vom Kläger hilfsweise beantragte Verweisung des
Rechtsstreits an das Tribunal de Commerce in Paris kommt nicht in Betracht. Weder die
Bestimmungen des EuGVÜ noch § 281 ZPO, der nur die örtliche und sachliche, nicht
jedoch die internationale Zuständigkeit betrifft, erlauben eine grenzüberschreitende
Verweisung an ein ausländisches Gericht (vgl. OLG Köln NJW 1988, 2182, 2183;
Kropholler, Art. 19 EuGVÜ Rdnr. 2 und Art. 20 EuGVÜ Rdnr. 1; Geimer, IZPR, Rdnrn.
1010 und 1850; Zöller/ Geimer, Art. 20 EuGVÜ Rdnr. 3 und Zöller/Greger, § 281 ZPO
Rdnr. 5; Prütting in Münchener Kommentar, § 281 ZPO Rdnr. 5). Da ein international
zuständiges inländisches Gericht nicht existiert, ist auch der weiter hilfsweise gestellte
Verweisungsantrag zurückzuweisen.
46
IV.
47
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug und die Beschwer des Klägers werden auf
6.306.130,90 DM (6,55957 FF = 1,95583 DM) festgesetzt.
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