Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.06.2005

OLG Düsseldorf: markt, herausgabe, europäische kommission, joint venture, lizenznehmer, fusionskontrolle, lizenzvertrag, anfang, marke, beendigung

Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 24/04 (V)
Datum:
15.06.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VI-Kart 24/04 (V)
Tenor:
I.
Auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1. - 4. wird der Be-
schluss des Bundeskartellamtes vom 2. August 2004 (Az.: B6 - 026/04)
aufgehoben.
II.
Das Bundeskartellamt hat die im Beschwerdeverfahren angefallenen
Gerichtskosten sowie die den Beteiligten zu 1. - 4. zur zweckentspre-
chenden Rechtsverteidigung entstandenen außergerichtlichen Ausla-
gen zu tragen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30 Mio. EUR festgesetzt.
Gründe:
1
A.
2
Anfang März 1999 schloss die Beteiligte zu 4. mit den Beteiligten zu 1. und 3. als
gemeinschaftliche Lizenznehmer mit Wirkung zum 1. Februar 1999 für die Dauer von
zehn Jahren einen Lizenzvertrag über die erstmalige Herausgabe des
deutschsprachigen Magazins "N. G.". Der Lizenzvertrag gestattet die Nutzung der Marke
"N. G.", sowie der Urheberrechte, die der Beteiligten zu 4. am Inhalt des Magazins
zustehen, insbesondere die Rechte, die für die Übersetzung aller Magazinbeiträge in
die deutsche Sprache notwendig sind.
3
Eine vorherige Anmeldung dieses Vertragsschlusses beim Bundeskartellamt ist nicht
erfolgt.
4
Herausgeber des seit September 1999 erscheinenden deutschsprachigen Magazins ist
das paritätische Gemeinschaftsunternehmen G. GmbH & Co. KG, H., an dem die
Beteiligte zu 1. und die R. G. GmbH - hierbei handelt es sich um eine 100 %ige Tochter
der Beteiligten zu 2. - jeweils einen Anteil von 50 % halten.
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Nachdem das Bundeskartellamt im Zusammenhang mit der von der Beteiligten zu 1.
angemeldeten Übernahme des von R. G. GmbH gehaltenen Anteils von 50 % an dem
Gemeinschaftsunternehmen G. GmbH & Co. KG, H., Kenntnis vom Abschluss des
Lizenzvertrages erlangt hatte, leitete es wegen dieses Vorgangs ein
Verwaltungsverfahren ein.
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Mit Beschluss vom 2. August 2004 untersagte das Bundeskartellamt den
Zusammenschluss
7
"durch den Erwerb der Lizenz für die Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe
der Zeitschrift "N. G." durch die G. + J. AG & Co. KG, H., aufgrund der Verträge
zwischen der N. G. S., G. & J. AG & Co. KG und R. P. I., S.A., unterzeichnet Anfang
März 1999 mit Wirkung zum 01. Februar 1999 (sog. "Germany-Magazine
Agreement" und "Master Agreement")".
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Nach Ansicht des Bundeskartellamtes handelt es sich bei dem in Rede stehenden
Lizenzvertrag um einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1
Nr. 2 a) GWB, der zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der
Beteiligten zu 1. auf dem Lesermarkt für populäre Wissensmagazine geführt habe und
deshalb gemäss § 36 GWB zu untersagen sei. Die Lizenz sei ein "wesentlicher
Vermögensteil" im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB, da sie tragende Grundlage der
Stellung der Beteiligten zu 4. auf dem relevanten Markt in Deutschland sei. Dass zum
Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch kein Umsatz mit der deutschsprachigen Ausgabe
der Zeitschrift erzielt worden sei, sei unerheblich. Der bereits vor dem Lizenzerwerb
bestehende hohe Bekanntheitsgrad der Marke "N. G." habe es der Beteiligten zu 1.
ermöglicht, hieran unmittelbar anzuknüpfen und das Käuferpotential bereits mit der
ersten Ausgabe des Magazins zu erschließen. Die Beteiligte zu 1. habe letztlich keinen
neuen, unbekannten Titel in den Markt einführen müssen. Dies erkläre auch ihre
ansonsten kaufmännisch nicht nachvollziehbare Bereitschaft, sich über zehn Jahre zur
Zahlung vergleichsweise hoher Lizenzgebühren zu verpflichten.
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Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1. - 4. jeweils mit der sofortigen
Beschwerde. Ihrer Meinung nach liegt schon kein Zusammenschlusstatbestand vor. Die
Lizenz zur Herausgabe der Zeitschrift "N. G." in deutscher Sprache sei kein
wesentlicher Vermögensbestandteil im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB, da ihr zum
Übergangszeitpunkt keine Umsätze hätten zugerechnet werden können und die
Beteiligte zu 4. daher keine übernahmefähige Marktstellung habe vermitteln können.
Darüber hinaus scheitere ein Kontrollerwerb gemäss § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB aber auch
daran, dass die Beteiligten zu 1. und 3. nach dem Inhalt des Lizenzvertrages nicht die
Kontrolle über die Nutzung der Titel- und Herausgaberechte erhielten und auch die
weiteren Voraussetzungen des § 36 GWB nicht erfüllt seien. Hilfsweise berufen sich die
Beschwerdeführerinnen auf eine Freigabefiktion gemäss § 40 GWB analog.
10
Die Beteiligten zu 1. - 4. beantragen,
11
den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 2. August 2004 (Az.: B6 - 026/04)
aufzuheben.
12
Das Bundeskartellamt beantragt,
13
die Beschwerden zurückzuweisen.
14
Das Bundeskartellamt verteidigt seinen Beschluss und tritt dem Beschwerdevorbringen
im einzelnen entgegen.
15
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatbestandlichen
Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss, auf die Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen sowie auf den Inhalt der Amtsakte Bezug genommen.
16
B.
17
Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1. - 4. gegen die Untersagungsverfügung
des Bundeskartellamtes vom 2. August 2004 ist begründet. Das Bundeskartellamt hat zu
Unrecht den Erwerb der Lizenz für die Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der
Zeitschrift "N. G." auf der Grundlage des sog. "Germany-Magazine Agreement" und
"Master Agreement" zwischen den Beteiligten zu 1. und 3. und der Beteiligten zu 4. aus
März 1999 untersagt.
18
Der Erwerb der Lizenz für die erstmalige Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe
der Zeitschrift "N. G." durch die Beteiligten zu 1. und 3. unterliegt nicht der
Zusammenschlusskontrolle des § 36 Abs. 1 GWB. Es fehlt an einem
Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 GWB, ohne den eine Fusionskontrolle
nicht stattfindet.
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Nach § 37 Abs. 1 GWB liegt ein Zusammenschluss vor, wenn ein Unternehmen
entweder das Vermögen eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem
wesentlichen Teil (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) oder die Kontrolle über die Gesamtheit oder
Teile eines anderen Unternehmens erwirbt (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Die Mittel der
Kontrolle werden in § 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 GWB definiert. Die Kontrolle wird danach
durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter
Berücksichtigung aller Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden
Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch
Eigentums- und Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens
des Unternehmens (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 a) GWB).
20
Keiner der beiden Zusammenschlusstatbestände ist durch den Erwerb der Nutzung der
Titel- und Herausgaberechte für die deutschsprachige Ausgabe der Zeitschrift "N. G."
erfüllt.
21
1.
22
Die hier zu beurteilenden Lizenzverträge begründen keinen Vermögenserwerb im Sinne
von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
23
Der Erwerbsbegriff setzt voraus, dass das erwerbende Unternehmen Eigentümer der
Sachen oder Inhaber der Rechte werden muss, die das Vermögen oder einen
wesentlichen Teil desselben bilden. Vermögenserwerb bedeute Übergang des
Vollrechts. Der Erwerb lediglich von Verwertungs- und Nutzungsrechten genügt nicht
(Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 37 Rn. 15; Ruppelt in
Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 37
Rn. 12; Schütz in Gem.Ktr., 5. Aufl., § 37 Rn. 19; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 37 Rn. 4).
24
Durch die Lizenzverträge werden die den Titel- und Herausgaberechten zu Grunde
liegenden Urheber-, Marken- und andere gewerblichen Schutzrechte nicht auf die
Beteiligten zu 1. und 3. übertragen. Sie erhalten lediglich die Befugnis, diese bei der
Beteiligten zu 4. verbleibenden Rechte während der Vertragslaufzeit zur Herausgabe
der deutschsprachigen Ausgabe von "N. G." zu nutzen. Ein Vollrechtserwerb scheidet
daher aus.
25
2.
26
Durch die Einräumung der Nutzung der Titel- und Herausgaberechte für die
deutschsprachige Ausgabe von "N. G." erwerben die Beteiligten zu 1. und 3. entgegen
den Ausführungen des Bundeskartellamtes auch nicht die Kontrolle über die Beteiligte
zu 4. oder einen Teil ihres Unternehmens. Das lizenzierte Recht zur Herausgabe der
deutschsprachigen Ausgabe von "N. G." ist kein wesentlicher Vermögensteil im Sinne
von § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB.
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Der Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB knüpft an Eigentums- und
Nutzungsrechte am Vermögen eines anderen Unternehmens an. Damit besteht
weitgehend Übereinstimmung mit dem Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
Zwar fehlt nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB die Beschränkung auf einen
"wesentlichen" Teil des Vermögens. Es besteht jedoch Einigkeit, dass für den Begriff
des Vermögensteils nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB der gleiche Maßstab wie bei § 37
Abs. 1 Nr. 1 GWB anzulegen ist und sich daher der Erwerb auf wesentliche Teile des
Vermögens beziehen muss (Ruppelt in Langen/Bunte, aaO., § 37 Rn. 17).
28
Zum Vermögen eines Unternehmens gehört die Gesamtheit aller geldwerten Güter und
Rechte des Unternehmens. Hierzu zählen obligatorische Nutzungsrechte (KG WuW/E
OLG 3591, 3594 - Coop Schleswig-Holstein/Deutscher Supermarkt) sowie
Kundenbeziehungen und ähnliche Geschäftschancen, soweit dafür ein Entgelt gezahlt
wird. Auch die Überlassung der ausschließlichen Nutzung von Herausgeber- und
Titelrechten ohne Übertragung der Rechte selbst stellt ein geldwertes Gut dar (KG
WuW/E OLG 4095, 4102 - W+ i Verlag/Weiss-Druck). Wesentliche Teile eines
Unternehmensvermögens sind dem gesamten Vermögen hinsichtlich der
Zusammenschlussdefinition gleichgestellt, ohne dass der Gesetzgeber das
Tatbestandsmerkmal "zu einem wesentlichen Teil" näher präzisiert hat. Ob ein
Vermögensteil im Sinne dieser Vorschrift als wesentlich anzusehen ist, muss daher
nach der Zielsetzung der Zusammenschlusskontrolle bestimmt werden. Diese soll eine
Unternehmenskonzentration verhindern, die die strukturellen Wettbewerbsbedingungen
auf dem Markt derart verändert, dass die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs nicht
gewährleistet ist oder von einer bestimmten Schwelle ab der Wettbewerb noch mehr
eingeschränkt wird (BGH WuW/E BGH 1501 - Kfz-Kupplungen; BGH WuW/E BGH 1711
- Mannesmann/Brueninghaus). Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Teil eines
Unternehmens wesentlich sein, wenn der erworbene Teil im Verhältnis zum
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Gesamtvermögen des Veräußerers quantitativ ausreichend hoch ist oder wenn er
unabhängig davon qualitativ von Bedeutung ist, insbesondere, weil es sich bei ihm um
eine wirtschaftliche Funktionseinheit für ein spezielles Produktions- oder Vertriebsziel
handelt, durch das die Stellung des Veräußerers auf dem betreffenden Markt begründet
wurde (BGH WuW/E BGH 1379 - Zementmahlanlage I -; BGHZ 74, 172, 178 -
Kettenstichnähmaschinen -; BGH WuW/E 2783, 2785 - Warenzeichenerwerb -; Paschke
in FK, Kartellrecht, § 23 Rn. 41). Bei der qualitativen Beurteilung kommt es nicht auf die
Marktstellung dessen an, der im konkreten Fall den Vermögensteil erwirbt, sondern auf
die abstrakte Eignung des Vermögensteils, die Stellung eines Erwerbers, der bereits auf
dem relevanten Markt tätig ist, zu verändern (BGH WuW/E 2783, 2785 -
Warenzeichenerwerb). Eine solche Eignung ist zu bejahen, wenn der Vermögensteil
tragende Grundlage der Stellung des Veräußerers auf dem für die
Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt ist und dem Erwerber die Möglichkeit
bietet, in dessen Marktstellung einzutreten und dadurch die Stellung des Erwerbers auf
dem relevanten Markt spürbar zu stärken (BGH WuW/E BGH 2783, 2786 f. -
Warenzeichenerwerb).
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Titel- und Herausgaberechte für die
deutschsprachige Ausgabe von "N. G." kein wesentlicher Vermögensteil der Beteiligten
zu 4., über den die Beteiligten zu 1. und 3. aufgrund der Lizenzverträge Kontrolle
ausüben könnten.
30
a.
31
Eine quantitative Abgrenzung kommt nicht in Betracht. Das Bundeskartellamt hat keine
Feststellungen dazu getroffen, in welchem Verhältnis die Titel- und Herausgaberechte
für die deutsche Ausgabe im Verhältnis zum Gesamtvermögen der Beteiligten zu 4.
stehen. Dass es sich bei den genannten Rechten in quantitativer Hinsicht um einen
wesentlichen Unternehmenswert handelt, ist auch sonst nicht zu erkennen.
32
b.
33
Auch nach dem qualitativen Ansatz ist ein wesentlicher Vermögensteil zu verneinen.
Die der Beteiligten zu 4. zustehenden Verwertungsrechte, die die Beteiligten zu 1. und
3. auf der Grundlage der Lizenzverträge zeitlich begrenzt zur Herausgabe der
deutschsprachigen Ausgabe von "N. G." nutzen dürfen, sind nicht geeignet, eine
Marktstellung der Beteiligten zu 4. auf diesem Markt zu übertragen und dadurch die
Stellung der Beteiligten zu 1. und 3. auf dem relevanten Markt spürbar zu stärken. Die
Beteiligten zu 1. und 3. erhalten durch die Lizenzverträge vielmehr nur die
Möglichkeit/Chance, durch die erstmalige Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe
der Zeitschrift eine Markstellung zu gewinnen.
34
Die Titel- und Herausgaberechte sind nicht tragende Grundlage einer bereits
vorhandenen Marktstellung der Beteiligten zu 4. auf dem für das
Zusammenschlussvorhaben relevanten Markt, denn die Beteiligte zu 4. hat bis zum
Abschluss der Lizenzverträge Anfang März 1999 von ihrem Recht zur Herausgabe der
deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift "N. G." keinen Gebrauch gemacht. Sie hat
es unternehmerisch nicht genutzt. Sie selbst und auch kein anderer Lizenznehmer hat
bis dahin die Zeitschrift in deutscher Sprache herausgegeben. Die Ausgabe des
englischsprachigen Magazins "N. G." ist dem relevanten Markt aufgrund der
unterschiedlichen Sprache nicht zuzurechnen. Zutreffend hat das Bundeskartellamt
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ausgeführt, dass die beiden Magazine verschiedenen Märkten zuzuordnen und keine
Substitute sind, wie sich auch insbesondere dadurch gezeigt hat, dass nach Erscheinen
der ersten deutschsprachigen Ausgabe die Leserzahl der englischsprachigen nahezu
unverändert bei etwa 50.000 geblieben ist.
Soweit das Bundeskartellamt die Ansicht vertritt, es sei im Hinblick auf die Bekanntheit
und das Renommée der Marke "N. G." unerheblich, dass im Zeitpunkt des
Lizenzerwerbs noch keine Umsätze mit der deutschsprachigen Ausgabe erzielt worden
seien, weil sich die Beteiligten zu 1. und 3. für die deutschsprachige Ausgabe von
Anfang an die Marktgeltung der Marke "N. G." habe zunutze machen und neue Leser
und Anzeigenkunden gewinnen können, vermag der Senat diese Ansicht nicht zu teilen.
Folgende Erwägungen sprechen dafür, dass allein die potentielle Marktrelevanz eines
bisher - auch unternehmensintern - nicht genutzten Vermögensteils nicht ausreichend
ist, um einen der Zusammenschlusskontrolle unterliegenden Vermögensgegenstand im
Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB anzunehmen.
36
aa.
37
Die Entscheidung "Warenzeichenerwerb" ( BGH WuW/E BGH 2783, 2787) stützt die
Ansicht des Bundeskartellamts nicht.
38
Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung einen wesentlichen
Vermögensteil des Veräußerers im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB a.F. (= § 37 Abs. 1
Nr. 1 GWB n.F.) nicht (allein) deshalb bejaht, weil das ohne einen produzierenden
Geschäftsbetrieb übertragene Warenzeichen einen bestimmten Bekanntheitsgrad hatte.
Er hat vielmehr maßgebend darauf abgestellt, "ob der betreffende Vermögensteil" - hier
also das Warenzeichen - "tragende Grundlage der Stellung des Veräußerers gerade auf
dem für den Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt ist und geeignet, diese auf
den Erwerber zu übertragen". Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich klargestellt, dass
nicht jeder Vermögenserwerb von der Fusionskontrolle erfasst wird, sondern nur solche
Vorgänge, mit denen - in gleicher Weise wie bei einem Vermögenserwerb im Ganzen -
die Gelegenheit verbunden ist, in die Marktstellung des Veräußerers einzutreten. Dies
setzt aber denknotwendig voraus, dass der Veräußerer auf dem für die
Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt überhaupt tätig ist und der zur
Veräußerung stehende Vermögensteil tragende Grundlage seiner Marktstellung ist, so
dass der Erwerb geeignet ist, die Marktstellung des Ver-äußerers auf den Erwerber zu
übertragen. Werden hingegen Sachen oder Rechte erworben, die in der Hand des
Veräußerers keinen Bezug zum Marktgeschehen haben, findet keine Übertragung von
Markteinfluss auf den Erwerber statt und es liegt keine einen Konzentrationsvorgang
kennzeichnende "Addition von Markteinfluss" vor, die eine Zurechnung
unternehmerisch genutzten Vermögens zu Lasten des Erwerbers für die
Fusionskontrolle erlaubt (vgl. Paschke in FK, aaO., § 23 Rn. 24).
39
Ausgehend von diesem Grundgedanken bedeutet dies für den Kontrollerwerb nach § 37
Abs. 1 Nr. 2 a) GWB als Minus zum Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB,
dass von dem Zusammenschlusstatbestand nur dann der Abschluss eines
Lizenzvertrages erfasst wird, wenn die lizenzierten Rechte tragende Grundlage der
Stellung des Lizenzgebers auf dem für die Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt
sind und der Lizenzvertrag dem Erwerber die Möglichkeit eröffnet, in diese Marktstellung
durch steuernden unternehmerischen Einfluss einzutreten.
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Der Einwand des Bundeskartellamtes, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei
auf die vorliegende Fallkonstellation nicht in vollem Umfang zu übertragen, weil
zusätzlich zu der Lizenz ein Bündel weiterer Rechte übertragen worden sei und
insbesondere der Zugriff auf Ressourcen der Beteiligten zu 4. (Archiv mit Bildern,
Berichten und Illustrationen) gestattet werde, kann in diesem Zusammenhang nicht
überzeugen. Abgesehen davon, dass die zusätzlichen Rechte die Beteiligten zu 1. und
3. gerade in die Lage versetzen sollen, die deutsche Ausgabe des Magazins "N. G."
nach den Vorgaben der Beteiligten zu 4. herauszugeben, ändert die Einräumung dieser
Rechte nichts daran, dass die Beteiligte zu 4. bei Abschluss der Lizenzverträge auf dem
relevanten Markt für populäre deutschsprachige Wissenszeitschriften keine
Marktstellung inne hatte.
41
bb.
42
Der Auffassung des Bundeskartellamtes steht zudem der Praxis der Europäischen
Kommission entgegen.
43
§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 b) der Verordnung (EWG) Nr.
4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vom
21.12.1989 (nachfolgend: FKVO) konzipiert und in das GWB eingeführt worden. Die
beispielhaften Erläuterungen zum Kontrollbegriff in Nr. 2 Satz 2 entsprechen wortgenau
Art. 3 Abs. 3 FKVO. Bei richtlinienkonformer Auslegung des Kontrollbegriffs kann
deshalb die Auslegungspraxis der EG-Kommission (vgl. auch Reg.Begr. 1997, BT-
Drucks. 13/9720, S. 43) nicht unberücksichtigt bleiben. Zutreffend verweist die Beteiligte
zu 3. deshalb in diesem Zusammenhang auf die Mitteilung der Europäischen
Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses der FKVO (Nr. 11) und die
Mitteilung der Europäischen Kommission über den Begriff der beteiligten Unternehmen
(Nr. 14). Dort heißt es ausdrücklich, dass sich die Kontrolle auch auf Marken und
Lizenzen als Teil des Vermögens eines Unternehmens beziehen kann, wenn diese
Vermögenswerte ein Geschäft bilden, "dem sich eindeutig ein Marktumsatz zuweisen
lässt" bzw. "dem ein Umsatz auf dem Markt eindeutig zugeordnet werden kann". Auch
die europäische Kommission geht somit davon aus, dass den lizenzierten Rechten vor
Abschluss des Lizenzvertrages eindeutig ein Marktumsatz zugewiesen werden muss,
sie also bereits auf dem relevanten Markt unternehmerisch genutzt worden sein müssen.
44
Nichts anderes ergibt sich aus der in deutscher Übersetzung zu den Akten gereichten
Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20.04.1999 in Sachen G. + J./F. T./J.
(Fall Nr. IV/M. 1455). Gegenstand dieses Verfahrens war die Anmeldung eines Joint-
Venture-Vorhabens zwischen der F. T. Group Limited und der G. + J. AG & Co., mit dem
Ziel der Entwicklung und Herausgabe einer neuen deutschsprachigen Wirtschafts- und
Finanztageszeitung mit Vertrieb in D., Ö. und der S.. In der vom Bundeskartellamt
angeführten Randnote 11 der Entscheidung stellt die Kommission bei der Prüfung von
Art. 3 Abs. 1 b) FKVO fest, dass die volle Funktionsfähigkeit des Unternehmenszwecks
nicht deshalb in Frage gestellt ist, weil die neue Zeitung durch die etablierten
Schutzmarken der "F." und "F. T." begünstigt ist. Für die hier zu entscheidende Frage,
ob der Abschluss eines Lizenzvertrages bereits bei potentieller Marktrelevanz der
eingeräumten Nutzungsrechte der Fusionskontrolle unterliegt, enthält die Entscheidung
keine Aussage.
45
cc.
46
Auch das Argument des Bundeskartellamtes, die Fusionskontrolle könne leicht
umgangen werden, wenn eine Marktstellung des Lizenzgebers auf dem relevanten
Markt gefordert werde, da der Lizenzgeber die lizenzierten Rechte nicht selbst zu nutzen
brauche, sondern nach Beendigung des Lizenzvertrages jeweils einen neuen Vertrag
mit anderen Lizenznehmern abschließen könne, ist nicht stichhaltig. Entgegen den
Ausführungen des Bundeskartellamtes kann der nach Beendigung des ersten
Lizenzvertrages geschlossene neue Lizenzvertrag mit einem anderen Lizenznehmer
durchaus den Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfüllen, auch
wenn der Lizenzgeber selbst auf dem relevanten Markt nicht tätig ist. Die lizenzierten
Urheber-, Marken- und weiteren gewerblichen Schutzrechte können ein wesentlicher
Vermögensteil des Lizenzgebers sein, wenn dem neuen Lizenznehmer die Möglichkeit
eröffnet wird, in die auf die Nutzung dieser Rechte gegründete Marktstellung auf dem für
die Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt einzutreten und dadurch seine
Stellung auf dem relevanten Markt spürbar gestärkt wird. Dabei macht es für die
Zusammenschlusskontrolle keinen Unterschied, ob der Lizenzgeber bis zum Abschluss
des Lizenzvertrages selbst auf dem relevanten Markt von seinen Rechten Gebrauch
gemacht hat oder ein von ihm autorisierter Dritter. Entscheidend ist, dass die Lizenz
Grundlage einer Marktstellung auf dem relevanten Markt ist und der Lizenzerwerb die
Möglichkeit eröffnet, in diese Marktstellung einzutreten. Hiervon ist bei der genannten
Konstellation auszugehen, weil der bisherige Lizenznehmer nach Beendigung des
Lizenzvertrages die lizenzierten Rechte nicht mehr nutzen kann und seine hierauf
gegründete Markstellung verliert. Der neue Lizenznehmer kann hieran anknüpfen und
hat die Möglichkeit, in die Marktstellung seines Vorgängers einzutreten.
47
C.
48
Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB. Das Bundeskartellamt hat als im
Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen. Es hat darüber
hinaus aus Gründen der Billigkeit den obsiegenden Beschwerdeführerinnen die ihnen
in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
49
Gemäss § 12 a Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO bemisst sich im Verfahren über
Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörde der Gegenstandswert nach dem
wirtschaftlichen Interesse, welches die beschwerdeführende Partei mit ihrem
Rechtsmittel verfolgt. Dieses Interesse haben die Verfahrensbeteiligten in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Hinweis auf die bei Untersagung und
Rückabwicklung des Lizenzvertrages vergeblich aufgewandten Werbungskosten und
die in den vergangenen Jahren eingetretenen Anlaufverluste mit insgesamt 30 Mio.
EUR angegeben.
50
Rechtsmittelbelehrung:
51
Diese Beschwerdeentscheidung kann mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim
Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist
beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist
durch einen beim Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht
(Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen.
Diese Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag des
Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der
Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die
52
Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt
wird. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die
Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Die
Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen durch einen
bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
a. Dr. M.
53
54