Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.04.2003

OLG Düsseldorf: lege artis, zahnärztliche behandlung, leichte fahrlässigkeit, widerklage, zustellung, anschlussberufung, einzahlung, schmerzensgeld, rückzahlung, versicherung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-8 U 53/02
Datum:
25.04.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-8 U 53/02
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.03.2002 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert
und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers und die An-schlussberufung
der Beklagten werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger zu 44
% und die Beklagte zu 56 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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I.
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Der Kläger, niedergelassener Zahnarzt in D., fordert von der Beklagten aufgrund einer
Rechnung vom 28.12.1994 € 6.399,89 (= DM 12.517,10) restliches Honorar für
zahnärztliche und zahnprothetische Leistungen in den Jahren 1992/1993. Die Beklagte
hat die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, die Leistungen des
Klägers seien unbrauchbar gewesen; widerklagend hat sie Rückzahlung eines
Vorschusses von € 2.556,46 (= DM 5,000), Ersatz anderweitig aufgewendeter
Behandlungskosten in Höhe von € 2.646,86 (= DM 5,176,80) und Gutachterkosten in
Höhe von € 308,05 (= DM 602,50) sowie Zahlung eines angemessenen
Schmerzensgeldes begehrt. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung
abgewiesen und der Widerklage nach Beweisaufnahme teilweise stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, der Gebührenanspruch des Klägers sei am 31.12.1996
verjährt, da die Zustellung des Mahnbescheids aufgrund einer vom Kläger zu
vertretenden Nachlässigkeit um mehr als zwei Wochen verzögert worden sei. Die
Beklagte könne von dem Kläger DM 602,50 Gutachterkosten als Schadensersatz und
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ein Schmerzensgeld in Höhe von € 800,00 verlangen, weil die vom Kläger hergestellte
Unterkieferprothese unbrauchbar gewesen sei; die Oberkieferprothese sei dagegen
nach den Feststellungen des Sachverständigen lege artis angefertigt, weshalb eine
Rückzahlung des gezahlten Vorschusses nicht in Betracht komme. Die Kosten für die
Erneuerung des Zahnersatzes durch Dr. B. seien nicht ersatzfähig, da der Schaden in
der Weise zu berechnen sei, dass dem Kläger für die unbrauchbare Leistung keine
Vergütung zustehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen in dem
angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er rügt, das Landgericht habe
ihn unzutreffend für beweisfällig hinsichtlich der fehlenden Vorwerfbarkeit der
Zustellungsverzögerung des Mahnbescheides angesehen, weil es fehlerhaft von seiner
Parteivernehmung abgesehen habe. Bezüglich der Mangelhaftigkeit der
Unterkieferprothese habe das Landgericht seinen Beweisantritt dafür übergangen, dass
die Beklagte im Verlauf der Behandlung ständig medizinisch nicht vertretbare
Änderungswünsche gehabt und sich seinen Behandlungsvorschlägen widersetzt habe.
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Der Kläger beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des am 14.03.2002 verkündeten Urteils der
3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.399,89 nebst 4 % Zinsen hieraus
seit dem 11.01.1996 zu zahlen;
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2. die Widerklage vollen Umfangs abzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,
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unter Abänderung des am 14.03.2002 verkündeten Urteils der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf
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(1. die Klage abzuweisen;)
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2. widerklagend den Kläger zu verurteilen, an sie € 5.511,37 (=
DM 10.779,30) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB
seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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3. den Kläger zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, das
in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Sie verteidigt das klageabweisende Urteil und macht geltend, ihr stehe ein Anspruch auf
Rückzahlung des gezahlten Vorschusses zu, da auch die Behandlung des Oberkiefers
durch den Kläger mangelhaft gewesen sei. Bei den Kosten für die Weiterbehandlung
durch Dr. B. handele es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht um
Sowieso-Kosten, da sie bei einer Behandlung im Ursprungszustand nicht angefallen
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wären. Schließlich sei aufgrund der erlittenen Beeinträchtigungen ein deutlich höheres
Schmerzensgeld zuzusprechen gewesen.
Der Kläger tritt dem entgegen und beantragt ,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A. N..
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II.
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1. Berufung des Klägers
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Die zulässige Berufung hat insoweit Erfolg, als sie zur vollständigen Abweisung der
Widerklage führt; im übrigen bleibt sie erfolglos.
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a) Den Anspruch des Klägers auf Zahlung restlichen Honorars für zahnärztliche
Behandlung (§§ 611, 612 BGB, 3 ff. GOZ) hat das Landgericht zu Recht wegen der von
der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede abgewiesen.
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Zahnärztliche Honorarforderungen verjähren gemäß den §§ 196 Abs. 1 Nr. 14, 198, 201
BGB (a.F.) binnen zwei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch
entstanden ist. Die Entstehung des Anspruchs setzt die Erteilung einer nachprüfbaren
Rechnung voraus (vgl. Senat, Urt. v. 09.07.1992, VersR 1993, 970). Hier endete die
Verjährungsfrist am 31.12.1996, denn der Kläger hatte der Beklagten die Rechnung
über die streitgegenständliche Behandlung am 28.12.1994 erteilt.
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Die am 14.02.1997 erfolgte Zustellung des Mahnbescheids an die Beklagte hat die
Verjährung nicht gemäß § 209 Abs1, Abs. 2 Nr. BGB (a.F.) unterbrochen, denn die
Zustellung ist nicht "demnächst" i.S. des § 693 Abs. 2 ZPO (a.F.) erfolgt.
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aa) Der Begriff "demnächst" bezeichnet eine angemessene, unter Umständen sogar
objektiv recht lange Frist, sofern die Partei alles ihr Zumutbare für die alsbaldige
Zustellung getan hat. Eine schuldhaft verzögerte Einzahlung der angeforderten
Prozessgebühr schadet jedoch (vgl. BGH, NJW 1993, 1585, 1587 m.w.N.). Das im
Rahmen von § 693 Abs. 2 ZPO erhebliche Verschulden ist rein prozessual zu verstehen
und bezieht sich allein auf die Förderung des Verfahrens durch die Partei. Es liegt vor,
wenn sie eine ihr mögliche und prozessual zumutbare Mitwirkung - insbesondere die
Einzahlung als fällig angeforderter Gebühren - bewusst unterlässt, ohne dass es auf die
weiteren Beweggründe hierfür ankäme (BGH, a.a.O.). In der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist bisher eine Frist zwischen dem Zugang der gerichtlichen
Anforderung und deren Erledigung von bis zu 14 Tagen noch als geringfügig gewertet
worden mit der Folge, dass insoweit noch kein Verschulden des Klägers anzunehmen
war (BGH, NJW-RR 1992, 470, 471). Hingegen wurde bereits eine Zeitspanne von 18
oder 19 Tagen nicht mehr als geringfügig und damit unschädlich behandelt (vgl. BGH ,
NJW 1996, 1060, 1061).
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Hiervon abzuweichen, besteht vorliegend kein Anlass. Allerdings hat das OLG Frankfurt
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in einer neueren Entscheidung (OLGR Frankfurt 2001, 136, 137) – gestützt auf die
Kommentierung bei Zöller zu §§ 691, 693 ZPO – ausgeführt, im Hinblick auf § 691 Abs.
2 ZPO sei auch eine vom Antragsteller zu vertretenden Zustellungsverzögerung von bis
zu einem Monat bei der Zustellung eines Mahnbescheids noch als geringfügig
anzusehen. Der BGH hat es bislang offen gelassen, ob aufgrund des mit Wirkung vom
1. Januar 1992 neu gefassten § 691 Abs. 2 ZPO grundsätzlich eine großzügigere
Beurteilung der Frage geboten ist, welcher Zeitraum einer von einer Partei zu
vertretenen Verzögerung als geringfügig anzusehen ist (BGH, NJW 1999, 3125).
Nach Ansicht des Senats ist eine generelle Ausdehnung des Begriffs "demnächst" nicht
geboten. § 691 Abs. 2 ZPO enthält eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass der
Mahnantrag mangelhaft ist. Wird in diesen Fällen der Mahnantrag nicht
zurückgewiesen, sondern der Mahnbescheid nach Behebung der Mängel erlassen und
zugestellt, dann mag es gerechtfertigt sein, zur Vermeidung eines
Wertungswiderspruchs die Frist des § 691 Abs. 2 ZPO für die Auslegung des Begriffes
"demnächst" in § 693 Abs. 1 ZPO (a.F.) heranzuziehen. Dies bedarf keiner
Entscheidung, denn vorliegend geht es nicht um einen Mangel des Mahnantrags. Für
vom Antragsteller zu vertretende Zustellungsverzögerungen, die ihre Ursache nicht in
Mängeln des Mahnantrages haben, lässt sich aus der Vorschrift des § 691 Abs. 2 ZPO
nichts herleiten. Diese Fälle sind mit den darin erfassten Mängeln des Mahnantrags
nicht vergleichbar, wie insbesondere der hier vorliegende Fall der verspäteten
Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses zeigt. Eine Gleichbehandlung dieser Fälle
ist nicht veranlasst; auch der Gesetzgeber hat bei der Neufassung der ZPO darauf
verzichtet, in § 167 ZPO (n.F.) eine dem § 691 Abs. 2 ZPO vergleichbare Frist für
sämtliche Zustellungsverzögerungen vorzusehen.
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bb) Hier hat der Kläger eine Verzögerung von mehr als 14 Tagen zu vertreten.
Ausweislich der Gerichtsakte ist die Aufforderung zur Zahlung weiterer DM 4,00
Gerichtsgebühren am 03.01.1997, einem Freitag, an den Kläger abgesandt worden. Bei
normalem Postlauf hat der Kläger diese Mitteilung spätestens in der Mitte der
darauffolgenden Woche, am 08.01. oder 09.01., erhalten. Die erst 19 bzw. 18 Tage
später erfolgte Einzahlung am 27.01.1997 hat damit zu einer mehr als nur unerheblichen
Verzögerung beigetragen, die der Kläger verschuldet hat.
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Für seine Behauptung, er habe die Mitteilung des Gerichts erst am 17.01. erhalten, ist
der Kläger – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – beweisfällig geblieben.
Seine unter dem 06.02.2002 abgegebene eidesstattliche Versicherung ist insoweit kein
zulässiges Beweismittel. Den Nachweis der Umstände, die die
Verjährungsunterbrechung begründen sollen, muss der Kläger mit den in der ZPO
geregelten Beweismitteln erbringen (sog. Strengbeweis). Die (eigene) eidesstattliche
Versicherung sieht die ZPO nur in den Fällen der zugelassenen Glaubhaftmachung (§
294 ZPO) vor. Den gesetzlich nicht geregelten Freibeweis, der auf die gesetzlichen
Beweismittel nicht beschränkt ist, lässt die Rechtsprechung nur bei der Feststellung
verfahrensrechtlich relevanter Tatsachen zu (Nachweise bei Zöller/Greger, ZPO, 22.
Aufl., Rdnr. 7 vor 284). Darum geht es hier indessen nicht: Die Einhaltung der
Voraussetzungen des § 693 Abs. 2 ZPO (a.F.) ist keine verfahrensrechtlich relevante
Tatsache, sondern betrifft die materiellen Voraussetzungen der
Verjährungsunterbrechung, wozu auch das fehlende Verschulden an der Verzögerung
der Zustellung gehört. Die Beweislast trifft insoweit den Gläubiger (vgl. OLG Koblenz,
JurBüro 1989, 257, 258).
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Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Klägers von Amts wegen nach §
448 ZPO – eine Vernehmung nach § 447 ZPO kam wegen des Widerspruchs der
Beklagten nicht in Betracht – lagen nicht vor. Die Parteivernehmung von Amts wegen
darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme
oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die
zu beweisende Tatsache spricht (st. Rspr., vgl. BGH, NJW 1999, 363). Entgegen der
Auffassung des Klägers ist das nicht schon deshalb der Fall, weil er seinen Sachvortrag
eidesstattlich versichert hat. Würde die eidesstattliche Versicherung bereits ausreichen,
um eine Parteivernehmung von Amts wegen anzuordnen, wären die Voraussetzungen
des § 448 ZPO praktisch ausgehebelt. Hinzu kommt, dass an der Richtigkeit der
Darstellung des Klägers nicht nur deshalb Zweifel bestehen, weil eine Postlaufzeit von
zwei Wochen innerhalb Düsseldorfs ganz ungewöhnlich wäre, sondern auch deshalb,
weil der Kläger nach mehr als fünf Jahren konkret den 17.01.1997 als Empfangsdatum
angibt, obwohl er sich nach eigenen Angaben im Schriftsatz vom 06.12.2001 (Bl. 239
GA) das Eingangsdatum nicht vermerkt und der "geringfügigen Nachforderung"
seinerzeit auch keine große Bedeutung beigemessen hat. Das ist ohne nähere
Darlegungen nicht glaubhaft.
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cc) Der Kläger kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das
Mahngericht habe den Mahnbescheidsantrag ohnehin erst Ende Januar 1997
bearbeitet. Das ist gerade die Folge davon, dass die restlichen Gerichtskosten erst am
27.01.1997 eingezahlt worden sind. Darauf, dass vor Einzahlung dieses Betrages der
Mahnbescheid nicht erlassen wird, wurde der Kläger in dem Aufforderungsschreiben
vom 03.01.1997 hingewiesen (Bl. 6 GA). Dass es sich nur um einen geringfügigen
Restbetrag handelte, entschuldigt den Kläger nicht, denn bei der Frage der
Rechtzeitigkeit schadet bereits leichte Fahrlässigkeit.
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b) Hinsichtlich der Widerklage war das landgerichtliche Urteil abzuändern. Der Kläger
haftet der Beklagten weder deliktisch (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F.) auf Zahlung von
Schadensersatz und Schmerzensgeld noch schuldet er ihr nach den Grundsätzen der
positiven Vertragsverletzung Ersatz etwaiger materieller Schäden.
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An die Feststellung eines Behandlungsfehlers bezüglich der Unterkieferversorgung ist
der Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO nicht gebunden, denn es liegen konkrete
Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der
erstinstanzlichen Feststellungen begründen und neue Feststellungen gebieten. Das
Landgericht hat insoweit den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die
hierzu angebotenen Beweise nicht ausgeschöpft, denn es hat sich bei seiner
Beurteilung allein auf die schriftliche Zeugenaussage des Zahnarztes Dr. B. – der die
Beklagte immerhin erst gut ein dreiviertel Jahr nach dem Kläger behandelt hat – gestützt
und ist weder auf das Gutachten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen Dr. K.
eingegangen, noch hat es Beweis erhoben über die – bestrittene – Behauptung des
Klägers, die Beklagte habe eine andere Unterkieferversorgung abgelehnt, obwohl sie
auf die Konsequenzen hingewiesen worden sei. Hierzu bestand umso mehr Anlass, als
bereits Dr. K. darauf hingewiesen hat, dass es vielfältige Möglichkeiten der
prothetischen Behandlung des Unterkiefers gibt und deshalb zunächst der
Behandlungsauftrag festgestellt werden müsse. Als fehlerhaft hat er die
Unterkieferversorgung jedenfalls nicht bezeichnet, sondern lediglich als das "absolute
Minimum einer prothetischen Versorgung".
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Der Senat ist nach Vernehmung der damaligen Zahnarzthelferin des Klägers, der
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Zeugin N., davon überzeugt, dass etwaige Mängel der Unterkieferversorgung darauf
beruhen, dass die Beklagte die an sich notwendige Behandlung verweigert hat. Die
Zeugin hatte zwar keine konkrete Erinnerung mehr an Einzelheiten des
Behandlungsvorgangs, der immerhin 10 Jahre zurückliegt. Sie konnte sich aber an die
Beklagte als eine sehr schwierige Patientin erinnern, die dem Kläger ständig Vorgaben
für die ihrer Meinung nach zutreffende Behandlung machen wollte. Danach brachte die
Beklagte zu den Behandlungen Zettel mit, auf denen stand, was der Kläger machen
sollte. Angesichts dieser Bekundung erscheint es glaubhaft, wenn in den
Behandlungsunterlagen des Klägers vermerkt ist, "Pat. will unbedingt Schwenkriegel
wie alte Prothese" (15.03.93); "Pat. lehnt Änderung der Stegkonstruktion ab" (26.03.93);
"Uk-Prothese ist völlig beweglich ... Pat. nicht bereit Änderungen die zwingend
notwendig wären, an der Stegkonstruktion durchführen zu lassen. Pat. besteht auf
weiterem Abschleifen der Prothesenbasis. Pat. erklärt, dass dadurch die Lagestabilität
immer mehr eingeschränkt wird ..." (03.09.93). Unstreitig hat die Beklagte darüber
hinaus einen von dem konsultierten Prof. Dr. B., der dem Senat als Sachverständiger mit
entsprechender Fachkompetenz bekannt ist, für erforderlich gehaltenen chirurgischen
Kieferaufbau abgelehnt. Unter Würdigung aller Umstände (§ 286 ZPO) hat der Senat
danach keinen Zweifel daran, dass die Beklagte notwendige Änderungen der
Unterkieferversorgung abgelehnt hat, obwohl sie auf die Konsequenzen hingewiesen
worden ist. Dann begründet eine etwaige Mangelhaftigkeit der prothetischen
Unterkieferversorgung keinen Behandlungsfehlervorwurf und die Beklagte kann hieraus
keine Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche ableiten.
2. Anschlussberufung der Beklagten
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a) Die Anschlussberufung ist unzulässig, soweit die Beklagte sich gegen die Abweisung
der Widerklage bezüglich der Rückzahlung des geleisteten Vorschusses von DM 5.000
wendet. Denn insoweit entspricht die Begründung der Anschlussberufung nicht den
Vorschriften der §§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 ZPO. Wie das Landgericht auf der Grundlage
des eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt hat, stand dem Kläger
mindestens in dieser Höhe ein Honoraranspruch zu, weil jedenfalls die
Oberkieferversorgung lege artis erfolgt ist. Diese Feststellungen sind für den Senat
bindend (§ 529 Abs. 2 ZPO), denn die Beklagte beschränkt sich insoweit darauf, zu
bestreiten, dass eine ordnungsgemäße Versorgung vorgelegen habe. Dieser Vortrag ist
nicht geeignet, die Notwendigkeit neuer Feststellungen darzulegen.
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b) Die im übrigen zulässige Anschlussberufung ist unbegründet. Der Beklagten steht
weder ein weiterer Schmerzensgeldanspruch zu, noch kann sie Erstattung der
Weiterbehandlungskosten des Zahnarztes Dr. B. verlangen. Hinsichtlich der
Unterkieferversorgung liegt – wie unter Ziff. 1. dargelegt – kein haftungsbegründender
Behandlungsfehler vor. Weitere Behandlungsfehler hat das Landgericht – insoweit für
den Senat bindend (s.o. Ziff. 2. a) – gerade nicht festgestellt. Danach war die Widerklage
insgesamt abzuweisen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst.
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Die Beschwer beider Parteien liegt unter € 20.000.
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