Urteil des OLG Düsseldorf vom 31.10.2006
OLG Düsseldorf: erblasser, testament, verfügung, erbschein, anfechtungsfrist, ergänzung, wiederverheiratung, erbvertrag, tod, gerichtsbarkeit
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 154/06
Datum:
31.10.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 154/06
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 25 T 479/06
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die ihr im dritten Rechtszug
notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Wert des Beschwerdegegenstandes: Bis 300.000,- Euro.
I.
1
Der Erblasser hinterlässt aus seiner ersten Ehe einen Sohn, den am 27. März 1944
geborenen D.U..
2
In seiner zweiten, am 16. September 1996 geschlossenen Ehe war der Erblasser mit M.
verheiratet.
3
Mit ihr schloss der Erblasser am 17. Dezember 1996 einen notariellen Erbvertrag, in
dem die zweite Ehefrau den Erblasser zum Alleinerben einsetzte und der Erblasser
seine zweite Ehefrau zu seiner Alleinerbin einsetzte. Zum Ersatzerben setzten beide
D.U., den Sohn des Erblassers, ein.
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Unter dem 23. Oktober 1997 schlossen der Erblasser und seine zweite Ehefrau einen
notariellen Ergänzungserbvertrag, nach dem sie sich das Recht vorbehielten, von den
erbvertraglichen Bestimmungen des Erbvertrages vom 17. Dezember 1996
zurückzutreten, und die Befugnis einräumten, nach dem Tode des Erstversterbenden
die Testierungen im Erbvertrag vom 17. Dezember 1996 und die Testierung des
Ergänzungserbvertrages abzuändern bzw. aufzuheben. Sodann setzten sie unter Ziffer
III. zum Erben des Längstlebenden und zum Ersatzerben den Beteiligten zu 1 ein.
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Am 3. November 1997 änderten der Erblasser und seine zweite Ehefrau mit
handschriftlicher letztwilliger Verfügung die notariellen Urkunden vom 17. Dezember
1996 und 23. Oktober 1997 dahingehend, dass der Letztlebende nicht dazu berechtigt
sei, die unter Ziffer III. des notariellen Ergänzungserbvertrages vom 23. Oktober 1997
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getroffene Regelung abzuändern und/oder zu ergänzen. Diese Regelung sollte
abschließend sein.
Nach dem Tod der zweiten Ehefrau am 16. Mai 1999 errichtete der Erblasser vor der
Notarin R. unter dem 20. Mai 1999 ein Ergänzungstestament. Im Vorspann wurden die
Erbverträge vom 17. Dezember 1996 und 23. Oktober 1997 aufgeführt. Danach hob der
Erblasser die Einsetzung des Beteiligten zu 1 zum Erben des Längstlebenden und zum
Ersatzerben auf und setzte zu seinem Erben Herrn H. ein.
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Unter dem 13. April 2000 errichtete der Erblasser notariell ein weiteres
Ergänzungstestament, in dem er unter Voranstellung der letztwilligen Verfügungen vom
17. Dezember 1996, 23. Oktober 1997 und 20. Mai 1999 und unter Aufhebung des
Ergänzungstestamentes vom 20. Mai 1999 die M.-Stiftung zu seinem Erben und zur
Ersatzerbin die Beteiligte zu 2, S., einsetzte.
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Nach Eheschließung mit der Beteiligten zu 2 am 21. Mai 2001 errichtete der Erblasser
am 5. September 2001 ein weiteres notarielles Ergänzungstestament, in dem er unter
Voranstellung der notariellen letztwilligen Verfügungen vom 17. Dezember 1996,
23. Oktober 1997, 20. Mai 1999 sowie 13. April 2000 seine vorherigen letztwilligen
Verfügungen aufhob und zu seiner Erbin die Beteiligte zu 2 einsetzte.
9
In einem weiteren notariellen Ergänzungstestament vom 13. Dezember 2001 erteilte der
Erblasser der Beteiligten zu 2 als Erbin Auflagen hinsichtlich seiner Beisetzung. Im
Übrigen bestätigte er das Ergänzungstestament vom 5. September 2001.
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Der Beteiligte zu 1 hat unter Berufung auf die letztwilligen Verfügungen vom 17.
Dezember 1996, 23. Oktober 1997 und 3. November 1997 die Erteilung eines ihn als
Alleinerben ausweisenden Erbscheins beantragt.
11
Die Beteiligte zu 2 hat unter Berufung auf das Testament vom 5. September 2001 einen
sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt.
12
Sie hat unter dem 5. August 2003 den notariellen Ergänzungserbvertrag vom 23.
Oktober 1997 sowie das privatschriftliche gemeinsame Testament vom 3. November
1997 wegen Übergehung ihrer Person als pflichtteilsberechtigte Ehefrau angefochten.
13
Am 6. Februar 2004 hat das Amtsgericht Düsseldorf zunächst den Erbscheinsantrag des
Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und einen die Beteiligte zu 2 als Alleinerbin
ausweisenden Erbschein angekündigt.
14
Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, weil das Anfechtungsrecht des
Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits erloschen gewesen sei.
15
Daraufhin hat das Amtsgericht am 16. März 2006 seinen Beschluss vom 6.
Februar 2004 geändert, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen und
einen den Beteiligten zu 1 als Alleinerben ausweisenden Erbschein angekündigt.
16
Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 2 am 3. April 2006 Beschwerde eingelegt.
17
Hierbei hat sie auf ihre Ausführungen im Erbscheinsverfahren, insbesondere ihren
Schriftsatz vom 30. Dezember 2005 Bezug genommen, den das Amtsgericht offenbar
18
nicht berücksichtigt habe. Eine Ergänzung der Beschwerdebegründung bleibe
vorbehalten. Der Beteiligte zu 1 hat am 11. April 2006 Zurückweisung der Beschwerde
beantragt.
Der Amtsrichter hat am 12. Mai 2006 die Nichtabhilfe beschlossen und die Sache dem
Landgericht zur Entscheidung vorgelegt
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Die Kammer hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 am 26. Mai 2006 den
angefochtene Beschluss geändert, den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1
abgelehnt und das Amtsgericht angewiesen, der Beteiligten zu 2 auf ihren Antrag vom
12. Juni 2003 einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin des Erblassers
ausweist.
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Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der
weiteren Beschwerde und bittet um Wiederherstellung der amtsgerichtlichen
Entscheidung. Er beanstandet, dass die Kammer den amtsgerichtlichen Beschluss in
einer zeitnah zur Einlegung des Rechtsmittels ergangenen Entscheidung geändert
habe, ohne ihm einen – aufgrund der abweichenden Beurteilung notwendigen - Hinweis
zu geben. Die Entscheidung des Landgerichts sei überraschend, weil die Kammer kurz
nach Einlegen der Beschwerde entschieden habe, ohne die Beteiligte zu 2 zur –
weiteren – Begründung aufzufordern. Entgegen der Annahme des Landgerichts habe
der Erblasser von dem Testament vom 3. November 1997 bis zu seinem Tode Kenntnis
gehabt. Unmittelbar nach dem Tod seiner 2. Ehefrau am 16. Mai 1999 habe er nämlich
die Zeugen D. und K.B. aufgesucht. Als Grund für seinen Besuch habe er das
handschriftliche Testament genannt, das er gemeinsam mit seiner verstorbenen Frau im
Haus der Zeugen errichtet und auf Wunsch seiner Ehefrau dort zurückgelassen habe.
Hieraus folge, dass der Erblasser in Kenntnis des Testaments vom 3. November 1997
am 20. Mai 1999 vor der Notarin R. testiert habe, um das gemeinsame bindende mit der
gerade verstorbenen zweiten Ehefrau errichtete Testament zu ändern. Aus diesem
Grunde habe der Erblasser auch bei der weiteren letztwilligen Verfügung vom 13. April
2000 seine Beschränkung in der Testierfähigkeit nicht offenbaren dürfen. Deshalb sei
davon auszugehen, dass er auch am 5. September 2001 Kenntnis von dem Testament
vom 3. November 1997 gehabt, diese indes nicht offenbart habe.
21
Die Beteiligte zu 2 tritt dem Rechtsmittel entgegen.
22
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
23
II.
24
Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die auf
zulässige Erstbeschwerde ergangene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf
einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften i. S. der §§ 27 FGG, 550 ZPO.
25
1.
26
Das Landgericht hat ausgeführt, die Beschwerde sei begründet.
27
Das Erbrecht der Beteiligten zu 2 beruhe auf dem Testament vom 5. September 2001.
Insoweit könne dahinstehen, ob gegen die Wirksamkeit des Testamentes vom 3.
November 1997 wegen Testierunfähigkeit durchgreifende Bedenken bestehen, da
28
dieses Testament von der Beteiligten zu 2 wirksam angefochten worden sei. Die
Beteiligte zu 2 als dritte Ehefrau des Erblassers habe das Testament vom 3. November
1997 als gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB bindende Verfügung im Grundsatz gemäß §
2079 Satz 1 BGB anfechten können, weil sie erst nach der Errichtung der
gemeinschaftlichen Testamente vom 23. Oktober 1997 und 3. November 1997
pflichtteilsberechtigt (§ 2303 Abs. 2 BGB) geworden sei. Die Beteiligte zu 2 sei erst am
21. Mai 2001 Ehefrau des Erblassers geworden. Jedoch unterliege die Anfechtung den
Einschränkungen, die gemäß §§ 2281 bis 2285 BGB für den Erbvertrag gelten.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts habe der Erblasser im Zeitpunkt seines
Todes sein Anfechtungsrecht (§ 2281 Abs. 1 BGB analog) noch nicht verloren gehabt,
da die Anfechtungsfrist gemäß 2283 BGB noch nicht abgelaufen gewesen sei.
29
Gemäß § 2283 Abs. 1 BGB könne die Anfechtung durch den Erblasser nur binnen
Jahresfrist erklärt werden. Die Frist beginne mit dem Zeitpunkt, in welchem der
Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (§ 2283 Abs. 2 Satz 1 BGB), d.h.
alle Tatsachen kenne, die für die Anfechtung erforderlich sind.
30
Es sei nicht aufzuklären, ob und ggf. wann dem Erblasser das Vorhandensein des
handschriftlichen Testaments vom 3. November 1997 zum Zeitpunkt seiner
Eheschließung mit der Beteiligten zu 2 oder danach ins Gedächtnis gekommen ist. Er
habe auf ausdrückliches Nachfragen gegenüber der Notarin R. weitergehende
Testamente verneint und bekundet, dass er in seiner Testierung frei sei. Auch wenn es
im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich keine subjektive
Beweisführungslast gebe, schließe dies nicht aus, dass es zu Lasten eines Beteiligten
gehen könne, wenn die Ermittlungen zu keinem Erfolg führten. Die Frage, wer die
Folgen einer solchen Ungewissheit zu tragen hat, beantworte sich nach den Regeln der
Feststellungslast, die auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten
(BayObLG, a.a.O.). Nach herrschender Auffassung treffe die Feststellungslast für den
Ausschluss eines entstandenen Anfechtungsrechts durch Zeitablauf und damit auch für
den Zeitpunkt der Kenntnis des Anfechtungsberechtigten von den sein
Anfechtungsrecht begründenden Umständen den Anfechtungsgegner [BayObLG a.a.O.;
OLG Stuttgart OLGZ 1982, 315; Staudinger - Kanzleiter, BGB, 13. Aufl., § 2285 Rn. 4;
Soergel - Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2285 Rn. 5; Baumgärtl, Handbuch der Beweislast,
Band II, § 2285 BGB Rn. 1 m.w.N.).
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Es seien keine Gründe ersichtlich, warum die Frage der Feststellungslast in Fällen, in
denen der Ausschluss des Anfechtungsrechts eines Dritten gemäß § 2285 BGB durch
Ablauf der Anfechtungsfrist für den Erblasser (§§ 2283 Abs. 1 BGB) behauptet werde,
abweichend beurteilt werden sollte (OLG Stuttgart a.a.O.).
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Anders als in dem vom BayObLG entschiedenen Fall sehe die Kammer vorliegend auch
keine Veranlassung, für den Nachweis, dass der Erblasser im Zeitpunkt seiner
Wiederverheiratung Kenntnis von der Unabänderlichkeit der Schlusserbeneinsetzung
des Beteiligten zu 1 in dem hier maßgebenden Umfang gehabt habe,
Beweiserleichterungen etwa nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten
Anscheins vorzusehen.
33
Die Feststellungslast trage somit hier der Beteiligte zu 1. Dementsprechend sei sein
Erbscheinsantrag zurückzuweisen und der Beteiligten zu 2 ein sie als Alleinerbin
ausweisender Erbschein zu erteilen.
34
2.
35
Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen
Nachprüfung (§ 27 Abs. 1; 550 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG) - auch mit Blick auf das
Vorbringen des Erstbeteiligten zur weiteren Beschwerde - stand.
36
Das Landgericht hat beanstandungsfrei das Erbrecht der Beteiligten zu 2 aufgrund des
Testaments vom 5. September 2001 bejaht, weil die Beteiligte zu 2 den
Ergänzungserbvertrag vom 23. Oktober 1997 und das handschriftliche
gemeinschaftliche Testament vom 3. November 1997 wegen Übergehung ihrer Person
als pflichtteilsberechtigte Ehefrau gemäß §§ 2079, 2080 BGB wirksam angefochten hat.
37
a)
38
Das Anfechtungsrecht unterliegt der Einschränkung des § 2285 BGB, das heißt
wechselbezügliche Verfügungen können nicht mehr angefochten werden, wenn der
zuletzt verstorbene Ehegatte das Recht, die Verfügung aus demselben Grunde
anzufechten, durch Fristablauf verloren hatte (vgl. BayObLG NJW-RR 1989, 587).
39
Gemäß § 2283 Abs. 1 BGB kann die Anfechtung durch den Erblasser nur binnen
Jahresfrist, beginnend mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem
Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (§ 2283 Abs. 2 BGB), d. h. alle Tatsachen kennt, die
für die Anfechtung erforderlich sind. Entscheidend sind hier der Tode der zweiten
Ehefrau (16.05.1999), die Annahme der Erbschaft nach ihrem Tode, die Tatsache der
Wiederverheiratung (21.05.2001) und das Vorhandensein des gemeinschaftlichen
Testaments vom 3. November 1997 mit der unabänderbaren Schlusserbeneinsetzung.
Die Anfechtungsfrist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt der Wiederverheiratung (§
2281 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB). Zu diesem Zeitpunkt hat der überlebende Ehegatte
Kenntnis von dem gemeinschaftlichen Testament, wenn er sich daran ohne weitere
Gedächtnishilfe erinnern würde, falls er sich mit der Frage der Nachlassregelung
befassen sollte (BayObLG FamRZ 1995, 1024). Die Kenntnis fehlt, wenn das Testament
so weit aus der Erinnerung des Überlebenden entschwunden ist, dass er selbst bei
Befassung mit Fragen der Nachlassregelung nicht in dessen Bewusstsein
zurückgerufen worden ist (BayOblG a.a.O.; Palandt-Edenhofer, BGB 65. Auflage 2006, §
2271 Rdz. 29). Im letztgenannten Fall ist die für den Fristbeginn erforderliche Kenntnis
erst dann gegeben, wenn der Anfechtungsberechtigte konkret an seine frühere
Verfügung erinnert wird.
40
b)
41
Hiernach kommt es darauf an, ob der Erblasser zum Zeitpunkt seiner dritten Heirat
(21.05.2001) in dem beschriebenen Sinne Kenntnis von der im gemeinschaftlichen
Testament vom 3. November 1997 bestätigten Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten
zu 1 hatte.
42
Die Kammer hat diesen Punkt rechtlich einwandfrei als unaufklärbar bewertet und ohne
Rechtsfehler unter Hinweis u. a. auf BayObLG FamRZ 1995, 1024 die Feststellungslast
bei dem Beteiligten zu 1 gesehen.
43
aa)
44
Nach dem Tode der zweiten Ehefrau des Erblassers am 16. Mai 1999, mit der er das
Testament vom 3. November 1997 errichtet hatte, testierte er bereits am 20. Mai 1999
abweichend, dahin, dass er die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 aufhob und H.
einsetzte, wobei der Erblasser der Notarin R. erklärte, er sei in seiner Testierung frei.
Dies kann bedeuten, dass er das Testament vom 3. November 1997 vergessen hatte
oder dass er es bewusst unerwähnt gelassen hat oder sich – was das Amtsgericht für
möglich hält - rechtsirrtümlich durch das – "nur" handschriftlich verfasste Testament –
nicht gehindert sah, anderweit zu testieren.
45
bb)
46
Weitere Aufklärungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht hat das Landgericht unter
Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände (§ 25 FGG) nach dem ihm vorliegenden
Sachstand ohne Verstoß gegen § 12 FGG zu Recht verneint.
47
Insbesondere Zeugen, die bekunden können, dass der Erblasser das Testament vom 3.
November 1997 bzw. dessen Inhalt offenbart bzw. angedeutet hätte, hat die Kammer
beanstandungsfrei nicht gesehen. Der Beteiligte zu 1 hatte auf Seite 3 seines
Schriftsatzes vom 27. Oktober 2004 selbst vortragen lassen: "Dass die Verstorbene das
Testament bei der Familie B. deponiert hatte, wusste er nicht."
48
cc)
49
Der Beteiligte zu 1 führt zwar nunmehr mit der weiteren Beschwerde aus und stellt unter
Zeugenbeweis, entgegen der Annahme des Landgerichts habe der Erblasser von dem
Testament vom 3. November 1997 bis zu seinem Tode Kenntnis gehabt. Unmittelbar
nach dem Tod seiner zweiten Ehefrau am 16. Mai 1999 habe er die Zeugen D. und K. B.
aufgesucht. Als Grund für seinen Besuch habe er das handschriftliche Testament
genannt, das er gemeinsam mit seiner verstorbenen Frau im Haus der Zeugen errichtet
und auf Wunsch seiner Ehefrau dort zurückgelassen habe. Hieraus folge, dass der
Erblasser in Kenntnis des Testaments vom 3. November 1997 am 20. Mai 1999 vor der
Notarin R. testiert habe, um das gemeinsame bindende mit der gerade verstorbenen
zweiten Ehefrau errichtete Testament zu ändern. Aus diesem Grunde habe der
Erblasser auch bei der weiteren letztwilligen Verfügung vom 13. April 2000 seine
Beschränkung in der Testierfähigkeit nicht offenbaren dürfen. Deshalb sei davon
auszugehen, dass er auch am 5. September 2001 Kenntnis von dem Testament vom 3.
November 1997 gehabet, diese indes nicht offengelegt habe.
50
Mit diesem neuen Vorbringen kann der Beteiligte zu 1 aber in der
Rechtsbeschwerdeinstanz nicht gehört werden, da dem Senat als
Rechtsbeschwerdegericht eine Tatsachenaufklärung verwehrt ist.
51
dd)
52
Soweit dieser Vortrag einen möglicherweise entscheidungserheblichen
Aufklärungsansatz im Hinblick auf die Kenntnis des Erblassers im oben genannten
Sinne enthält, hätte er allerdings rechtlich relevant werden und zu einer Aufhebung der
Entscheidung der Kammer und Zurückverweisung führen können, wenn dem
Landgericht ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs. 1 GG) unterlaufen wäre, der dazu geführt hat, dass es dem Beteiligten zu 1
53
verwehrt war, in der Tatsacheninstanz entsprechend vorzutragen.
Dies allerdings ist nicht der Fall; der Beteiligte zu 1 reklamiert zu Unrecht eine
Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Landgericht.
54
(a)
55
Die am 3. April 2006 bei Gericht eingegangene durch Bezugnahme auf
vorangegangene Ausführungen begründete Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2 ist
dem Beteiligten zu 1 mit Verfügung vom 7. April 2006 zugeleitet worden, worauf er –
eingehend am 11. April 2006 Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt hat. Die
Formulierung, eine Ergänzung der Beschwerdebegründung bleibe vorbehalten stellt
sich als formelhaft dar, d. h. in ihr kommt nicht zum Ausdruck, ob überhaupt, in welchem
Zeitraster, unter welchem Blickwinkel und unter welchen Umständen mit einer
Ergänzung gerechnet werden könne. Gleichwohl hat der Amtsrichter mit Rücksicht
hierauf eine Monatsfrist verfügt und die Akte demgemäß erst am 12. Mai 2006 nach
Fristablauf dem Landgericht vorgelegt, wo diese am 13. Mai 2006 einging.
56
Auch wenn es einem klaren und übersichtlichen Verfahrensgang eher dienlich gewesen
wäre, wenn das Landgericht der Beteiligten zu 2 nunmehr eine Frist für eine eventuelle
weitere Beschwerdebegründung gesetzt hätte, durfte der Beteiligte zu 1 gleichwohl
nach den gegebenen Umständen hier nicht davon ausgehen, dass mit Rücksicht auf die
unterbliebene Ergänzung seitens der Beschwerdeführerin eine Entscheidung zu seinem
Nachteil im Beschwerdeverfahren nicht oder jedenfalls noch nicht ergehen werde. Er
musste vielmehr – zumal im FG-Verfahren nicht einmal die Beschwerdebegründung
vorgeschrieben ist (Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 18. Auflage 2003 § 19 Rdz. 112)
– damit rechnen, dass die Kammer nach angemessener Zeit auch ohne Eingang einer
Beschwerdeergänzung in der Sache entscheiden würde (vgl. Schmidt a.a.O., § 12 Rdz.
165).
57
Zu Unrecht reklamiert der Beteiligte zu 1 in diesem Zusammenhang, dass das
Landgericht zu rasch entschieden habe. Dies ist nicht der Fall.
58
Die Entscheidung der Kammer ist zwar auf den 26. Mai 2006 datiert. Erlassen ist eine
schriftliche gerichtliche Entscheidung aber erst wenn sie von allen mitwirkenden
Richtern unterschrieben worden ist und wenn sie zur Kenntnis von Personen außerhalb
des Gerichts, also erkennbar aus dem inneren Geschäftsbetrieb hinausgegeben worden
ist (Schmidt a.a.O., § 18 Rdz. 3). Erst mit dem Erlass der Entscheidung endet demnach
die Verpflichtung des Gerichts zur Gewährung des rechtlichen Gehörs. Es muss deshalb
auch Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten berücksichtigen, die eingehen, wenn
seine Entscheidung zu diesem Zeitpunkt schon beraten oder sogar schon abgesetzt und
unterschrieben war (Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O. § 12 Rdz. 159).
59
Vorliegend bedeutet dies, dass das Landgericht einen Schriftsatz des Beteiligten zu 1,
der vor der Hinausgabe aus dem Geschäftsbetrieb (8. Juni 2006) bei Gericht
eingegangen wäre, noch bei seiner Entscheidung hätte berücksichtigen müssen. Damit
stand dem Beteiligten zu 1 hinreichend Zeit zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs
in Gestalt der Anbringung eines Schriftsatzes mit dem Inhalt der weiteren Beschwerde
noch in der Erstbeschwerdeinstanz zur Verfügung. Dies gilt erst recht, wenn man
berücksichtigt, dass die Erstbeschwerde bereits am 3. April 2006 eingelegt worden ist
und der Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 11. April 2006 deren Zurückweisung
60
beantragt hat.
(b)
61
Eines Hinweises auf die Richtung der von der Kammer beabsichtigten Entscheidung
bedurfte es als Maßnahme der Gewährung rechtlichen Gehörs zugunsten des
Beteiligten zu 1 nicht, da mit Rücksicht auf die vorangegangene kontroverse Erörterung
und Behandlung der Sache eine Überraschungsentscheidung nicht zu besorgen war.
62
(c)
63
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs zu seinem Nachteil kann der Beteiligte zu 1
schließlich auch nicht daraus herleiten, dass die Kammer die Entscheidung vom 26. Mai
2006 getroffen hat ohne zuvor seinem Ersuchen um Akteneinsicht vom 24. Mai 2006
nachzukommen. Dasselbe bezog sich nämlich nicht auf die hier zur Entscheidung
stehende Nachlassangelegenheit, sondern diente ausdrücklich und allein der
Vorbereitung der Klageerwiderung im Verfahren 3 O 145/06 LG Düsseldorf.
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Hiernach bleibt festzuhalten, dass das Landgericht es rechtsfehlerfrei als nicht
festgestellt angesehen hat, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes sein
Anfechtungsrecht (§ 2281 Abs. 1 BGB analog) bereits wegen Ablaufs der
Anfechtungsfrist verloren hatte (§§ 2283, 2285 BGB analog). Dies hat - mit Blick auf die
Feststellungslast, die die Kammer rechtlich beanstandungsfrei dem Beklagten zu 1 als
Anfechtungsgegner aufgebürdet hat - zur Folge, dass die Anfechtung durch die
Beteiligte zu 2 greift und ihr nach Maßgabe des Testaments vom 5. September 2001 ein
sie als Alleinerbin ausweisender Erbschein entsprechend der Anweisung des
Landgerichts zu erteilen ist
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 FGG.
66