Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.02.2004

OLG Düsseldorf: einstweilige verfügung, verbraucherschutz, anbieter, persönlichkeitsrecht, ware, privatsphäre, anerkennung, inhaber, herkunft, datenverarbeitung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-7 U 149/03
Datum:
20.02.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-7 U 149/03
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 16. Juli 2003
verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
abgeändert.
Die einstweilige Verfügung desselben Gerichts vom 11. Mai 2003 wird
auf-gehoben.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
G r ü n d e :
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Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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Nach Ansicht der Vorinstanz ist der Antragsteller klagebefugt gemäß § 2 UKlaG, weil es
sich bei § 28 Abs. 4 BDSG um eine verbraucherschützende Vorschrift handele.
Verbraucherschutzgesetze seien nach der Gesetzesbegründung solche Gesetze bei
denen der Verbraucherschutz nicht bloß untergeordnete Bedeutung habe oder nur eine
zufällige Nebenwirkung sei. Als Beispiel für eine verbraucherschützende Norm werde in
der Gesetzesbegründung § 6 TDG genannt, wonach Anbieter von Teledienstes
bestimmte Angaben machen müssten. Auch nach der Literatur sei der
Verbraucherschutz eigentlicher Zweck der Norm, wenn sie Informationspflichten und
eine Belehrungspflicht über Widerrufsrechte statuiere. Dies sei nach § 28 Abs. 4 BDSG
der Fall. Es stehe der Annahme eines Verbraucherschutzgesetzes nicht entgegen, dass
der Zweck des BDSG laut dessen § 1 der Schutz des Einzelnen in seinen
Persönlichkeitsrecht sei. § 28 Abs. 4 BDSG enthalte datenschutzrechtliche Regelungen
betreffend die Werbung, mithin in einem Bereich, in dem sehr häufig Verbraucher
betroffen im Sinne der Vorschrift seien. Insofern sei die Vorschrift dem in der
Gesetzesbegründung genannten § 6 TDG vergleichbar, als der Zweck des TDG in der
Schaffung einheitlicher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die verschiedenen
Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste
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Nutzungsmöglichkeiten der elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste
liege. § 6 TDG beinhalte in diesem Rahmen - ebenso wie § 28 Abs. 4 BDSG im
Rahmen des Zweckes des TDG - eine Regelung, von der Verbraucher in besonderer
Weise getroffen würden. Der Verbraucherbezug in § 28 Abs. 4 BDSG sei sogar noch
höher als der von § 6 TDG. In beiden Vorschriften sei gemeint, dass nicht ausschließlich
Verbraucher von der Regelung betroffen sein könnten. Dies sei aber nach dem
Gesetzeszweck auch nicht erforderlich.
Diese Würdigung ist in rechtlicher Hinsicht aus mehreren Gründen zu beanstanden, wie
die Berufungsführerin zu Recht geltend macht.
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Verbraucherschutzgesetze sind Normen, die dem Schutz des Verbrauchers dienen.
Dass ist der Fall, wenn der Verbraucherschutz der eigentliche Zweck des Gesetzes ist.
Das Gesetz kann aber auch anderen Zwecken dienen; hat der Verbraucherschutz
jedoch nur untergeordnete Bedeutung oder ist er nur eine zufällige Nebenwirkung, so ist
§ 28 Abs. 1 UKlaG nicht anwendbar (BT-Drs 14/2658, Seite 146). Bei Anwendung
dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei § 28 Abs. 4
BDSG um eine verbraucherschützende Vorschrift handelt.
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Der Verbraucherbegriff ist in § 13 BGB gesetzlich definiert. Danach ist Verbraucher
"jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder
ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden
kann". Der Verbraucherbegriff wird mithin mit zwei Kriterien gekennzeichnet, nämlich
das Handeln zu privaten Zwecken und den Abschluss eines Rechtsgeschäfts. § 6 TDG,
den die Vorinstanz als Vergleichsregelung herangezogen hat, wird diesen Kriterien des
Verbraucherbegriffs gerecht. § 6 TDG begründet eine Pflicht der Anbieter von
Telediensten, bestimmte Impressumsangaben zu machen, damit der Nutzer des
Dienstes den Anbieter eindeutig identifizieren kann. Hierdurch soll es den Nutzer
ermöglicht werden, Ansprüche gegenüber dem Anbieter durchzusetzen. Insbesondere
bei privaten Nutzern von Telediensten sind dies in alle Regel vertragliche Ansprüche.
Geschützt wird etwa ein Kunde, der eine Ware bestellt und bezahlt hat, der die Ware
jedoch nicht geliefert bekommt. Das Impressum gemäß § 6 TDG ermöglicht es zu
diesem Kunden, den Anspruchsgegner für seine vertraglichen Rechte ausfindig zu
machen.
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§ 28 Abs. 4 BDSG konstituiert eine Belehrungspflicht des Verwenders von
personenbezogenen Daten. Daraus lässt sich aber nicht bereits herleiten, dass es sich
bei § 28 Abs. 4 BDSG um eine verbraucherschützende Vorschrift handelt.
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Es mag typisch sein, dass ein Verbraucherschutzgesetz Informationspflichten des
Unternehmens und Widerrufsrechte des Verbrauchers begründet und den Unternehmer
verpflichtet, den Verbraucher entsprechend zu belehren. Hieraus lässt sich jedoch kein
Umkehrschluss ziehen, dass vom Vorliegen solcher Pflichten und Rechte zwingend auf
die Verbraucherschutzeigenschaft zu schließen wäre. Es gibt im Gegenteil zahlreiche
gesetzliche Belehrungspflichten, die dem Schutz anderer Rechtsgüter dienen, worauf
der Berufungsführer zu Recht hingewiesen hat (Bl. 75 GA). Allein die Existenz einer
Belehrungspflicht genügt mithin nicht, es müssen noch weitere Anhaltspunkte
hinzukommen, um von einer verbraucherschützenden Vorschrift ausgehen zu können.
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Das Datenschutzrecht basiert auf dem Grundgesetz und soll in erster Linie den Bürger
vor Eingriffen des Staates bewahren, wie die Antragsgegnerin zu Recht hervorhebt. Es
dient dem Schutz des aus den Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen
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Persönlichkeitsrechts, insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Die Privatsphäre von natürlichen Personen soll dadurch geschützt werden, dass die
Verbreitung und Nutzung bei personenbezogenen Informationen nur sehr restriktiv
ermöglicht wird. Dieser Schutz besteht völlig unabhängig von der Art der
Datengewinnung oder dem Zweck der Verwendung der Daten. Zweck des
Datenschutzrechts ist laut § 1 BDSG der Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten und der freie Datenverkehr. Der Datenschutz
folgt den Prinzipien der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit. Unter Hinweis auf
die Gesetzesmaterialien geht die Antragsgegnerin zutreffend davon aus, dass § 28 Abs.
4 BDSG die Transparenz der Datenverarbeitung unabhängig von der Herkunft der
personenbezogenen Daten dient. Hier liegt - wie die Antragsgegnerin zutreffend
hervorhebt - ein wesentlicher Unterschied zu der Regelung, wie sie in § 6 TDG getroffen
ist. Der in § 28 Abs. 4 BDSG geschützte Personenkreis müsste des weiteren zumindest
teilweise die oben genannten Kriterien des Verbraucherbegriffs gemäß der
Legaldefinitionen in § 13 BGB erfüllen, um als verbraucherschützende Vorschrift
Anerkennung zu finden. Die Antragsgegnerin hat überzeugend dargelegt, dass diese
Voraussetzung nicht erfüllt ist. Das Gesetz zielt nicht auf den Schutz einer Person im
Zusammenhang mit dem Abschluss von Rechtsgeschäften ab und die Datenerhebung
findet zwar möglicherweise anlässlich einer Vertragsanbahnung statt. Der Schutzzweck
der Belehrungspflicht nach § 28 Abs. 4 BDSG hat damit aber nichts zu tun.
Regelungsgegenstand ist die Weitergabe von persönlichen Daten an Dritte und die
Nutzung dieser Daten zum Marketingzwecken. Der Inhaber der Daten soll nicht bei der
Durchsetzung seiner vertraglichen Rechte geschützt werden. Schutzgut des
Datenschutzes ist nicht das Vermögen und die ökonomische Durchsetzungskraft des
Betroffenen, sondern vielmehr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Der Betroffene
soll in seinen Grundrechten, insbesondere in seiner Privatsphäre geschützt werden. Mit
dem Abschluss von Rechtsgeschäften und dem Schutz des Vermögens des
Verbrauchers hat dies nichts zu tun.
Nach alledem ist Zweck des § 28 Abs. 4 BDSG nicht der Verbraucherschutz, auch nicht
als ein Zweck unter mehreren, sondern allein der Schutz des allgemeinen
Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
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Schließlich besteht auch keine Notwendigkeit, über § 28 Abs. 4 BDSG
Verbraucherschutzverbänden eine Klagebefugnis einzuräumen. Die Einhaltung des
Datenschutzrechts obliegt in NRW dem Datenschutzbeauftragten des Landes. Ihm
obliegt als Aufsichtsbehörde gemäß § 38 BDSG die Sicherstellung der Einhaltung der
Vorschriften des BDSG. Er kann insbesondere gemäß § 41 Abs. 1 BDSG bei
Zuwiderhandlungen gegen § 28 Abs. 4 Satz 2 BDSG ein Bußgeld verhängen und so
der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften gebührenden Nachdruck
verlangen. Daraus kann an sich nur entnommen werden, dass nach dem Willen des
Gesetzgebers die Einhaltung des Datenschutzrechts durch öffentliche Stellen
sichergestellt werden sollen und eine zusätzliche Kontrolle durch
Verbraucherschutzverbände als Ersatzdatenschützer nicht beabsichtigt war.
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Eine Prozessstandschaft der Antragstellerin ergibt sich schließlich auch nicht aus § 13
UWG. Die speziellen Regelungen des BDSG verdrängen die Generalklausel nach § 1
UWG.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Der Streitwert für die Berufungsinstanz entspricht dem bereits vom Landgericht
zutreffenden festgesetzten Betrag von 6.000 EUR.
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Dies ist auch die Beschwer der Antragsstellerin in der Berufungsinstanz.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.
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