Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.07.2008
OLG Düsseldorf: gegen die guten sitten, vertragsstrafe, allgemeine geschäftsbedingungen, geschäftsführer, gesellschafter, berufsausübungsfreiheit, kaufpreis, abfindung, beschränkung, volumen
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-17 U 140/07
Datum:
11.07.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-17 U 140/07
Tenor:
für R e c h t erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 29.06.2007 verkündete Urteil
des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Mönchen-gladbach wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der
Tenor zu 2) wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin 20
% der Jahresbruttoumsätze, die er in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis
zum 30. Sep-tember 2008 mit solchen Mandanten tätigen wird, die am
30. September 2003 in einem steuerberaterlichen Auftragsverhältnis zur
Klägerin standen und die in den anschließenden 2 Jahren den
Beklagten beauftragt haben, zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Zwangsvollstre-ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Be-trages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
1
I.
2
Die Klägerin, deren Gesellschafter der Beklagte bis zum 31.12.2002 und deren
Geschäftsführer er bis zum 30.09.2003 war, nimmt den Beklagten aus einem im
Geschäftsführervertrag vereinbarten Wettbewerbsverbot in Anspruch. Wegen des
erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des
angefochtenen Urteils Bezug genommen, durch das der Beklagte zur Zahlung von
19.893,44 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt worden ist, dass der Beklagte
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verpflichtet ist 20 % der in der Zeit vom 01.10.2006 bis zum 30.09.2008 mit ehemaligen
Mandanten der Sozietät erzielten Umsätze an die Klägerin zu zahlen. Nach der
Auffassung des Landgerichts enthält § 6 Abs. 2 des Gesellschafter-
Geschäftsführervertrages ein wirksames Wettbewerbsverbot und § 6 Abs. 3 die
wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe.
Mit der Berufung rügt der Beklagte, § 6 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages sei
unwirksam, weil entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Entschädigung vorgesehen sei; als
Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von 12,5 % und nicht allein
vertretungsberechtigter Geschäftsführer habe er keine herausgehobene
unternehmergleiche Stellung innegehabt, sondern sei einem angestellten Steuerberater
vergleichbar gewesen. Jedenfalls sei die Regelung im Geschäftsführervertrag
unwirksam, weil § 6 Abs. 3 faktisch eine Ausdehnung des Wettbewerbsverbots über 2
Jahre hinaus zur Folge habe.
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Der Beklagte beantragt,
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das am 29.Juni 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Mönchengladbach -
7 O 9/07 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin fasst den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag dahin, dass er vor
dem letzten Komma um den Zusatz ergänzt werden soll: " ... und die in den
anschließenden 2 Jahren den Beklagten beauftragt haben", und beantragt mit dieser
Maßgabe,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, es sei dem Beklagten
unbenommen, nach Ablauf von 2 Jahren Mandate früherer Mandanten anzunehmen; die
5-Jahres-Frist betreffe lediglich eine Zahlungsmodalität.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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II.
11
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
12
1.
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Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 19.893,44 EUR
aus § 6 Abs. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsführervertrages
vom 01.07.1998.
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a)
15
Die Voraussetzungen dieser Regelung sind erfüllt.
16
Unstreitig hat der Beklagte entgegen der in § 6 Abs. 2 des Vertrages übernommenen
Verpflichtung innerhalb von 2 Jahren nach seinem Ausscheiden Aufträge von
Mandanten angenommen, die zuvor der Klägerin Aufträge erteilt hatten. Unstreitig ist
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auch, dass er aus diesen Mandaten nach der als Anlage zur Klageschrift vorgelegten
Aufstellung (Bl. 36 - 38 GA) in der Zeit vom 01.10.2005 bis zum 30.09.2006
Honorareinnahmen in Höhe von 99.467,22 EUR brutto erzielt hat. Der ausgeurteilte
Betrag von 19.893,44 EUR entspricht 20 % dieser Summe. Sollte die Zahlungspflicht
aus § 6 Abs. 3, wie es bei Vertragsstrafen der Fall ist, nur bei schuldhaften Verstößen
gegen § 6 Abs. 2 entstehen, wäre auch diese Voraussetzung erfüllt: Der Beklagte
wusste und wollte, dass er Aufträge von früheren Mandanten der Klägerin annahm.
b)
18
Die Regelungen in § 6 Abs. 2, 3 des Geschäftsführervertrages sind wirksam.
19
aa)
20
Das in § 6 Abs. 2 normierte Verbot, Aufträge von Mandanten der Sozietät anzunehmen,
ist weder gem. §§ 74 Abs. 2, 75 d HGB noch gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
21
(1)
22
§ 74 Abs. 2 HGB gilt für den Beklagten als früheren Geschäftsführer nicht.
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Zwar wird die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus nicht nur auf Handlungsgehilfen,
sondern auf alle Arbeitnehmer angewandt (Boecken in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
HGB, 2. Aufl., § 74, Rn. 7). Der Beklagte wurde aber dadurch, dass seine
Gesellschafterstellung bereits 9 Monate vor seiner Geschäftsführerstellung geendet hat,
weder zum Arbeitnehmer der Klägerin noch zu einer arbeitnehmerähnlichen Person. Es
ist anerkannt, dass § 74 Abs. 2 HGB gegenüber Organmitgliedern von
Kapitalgesellschaften, zu denen auch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH gehört,
nicht gilt; die Gesellschaft soll sich durch Vereinbarungen mit ihrem Geschäftsführer
davor bewahren können, dass dieser die in dem Unternehmen erlangten Kenntnisse
und Verbindungen zu ihrem Schaden ausnutzt, ohne dass sie dabei den
Beschränkungen der starren, auf ganz anders geartete Rechtsverhältnisse
zugeschnittenen sozialen Schutzrechte der §§ 74 ff. HGB unterworfen wird (BGH NJW
1992, 1892; BGH NJW 2002, 1875; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 18. Aufl.,
§ 35, Rn. 197; Boecken in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 74, Rn. 7).
24
(2)
25
Das Wettbewerbsverbot gem. § 6 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages ist nicht gem. §
138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig.
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Nachvertragliche Wettbewerbsverbote verstoßen mit Rücksicht auf die grundgesetzlich
geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann nicht gegen die guten Sitten, wenn und
soweit sie notwendig sind, um die Partner des Ausgeschiedenen vor einer illoyalen
Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit zu schützen; sie dürfen nicht dazu
dienen, den früheren Mitgesellschafter und Geschäftsführer als Wettbewerber
auszuschalten. Ihre Wirksamkeit hängt daher grundsätzlich davon ab, dass sie in
räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht
überschreiten (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH NJW 2005, 3061 m.w.N.).
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Eine hinreichende gegenständliche und räumliche Begrenzung weist § 6 Abs. 2 des
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Gesellschaftsvertrages dadurch auf, dass das Wettbewerbsverbot sich als sogenannte
Mandantenschutzklausel allein auf die bisherigen Mandanten der Sozietät bezieht (vgl.
BGH NJW 2000, 2584). Da die Klägerin, wie sich aus Ziff. 9 des
Gesellschafterbeschlusses vom 23.10.2002 ergibt, auf die Einhaltung des in § 19 des
Gesellschaftsvertrages vereinbarten Wettbewerbsverbots im Umkreis von 50 km
Luftlinie gegen Zahlung von 5.000 EUR verzichtet hat, war der Beklagte nicht gehindert,
alle anderen denkbaren Mandanten am Ort der Sozietät wie auch anderenorts zu
betreuen.
In zeitlicher Hinsicht entspricht § 6 Abs. 2 des Geschäftsführervertrages ebenfalls den
Anforderungen. Eine zwei Jahre überschreitende Verbotsfrist ist in aller Regel
unangemessen, weil sich die geknüpften Mandantenbeziehungen nach Ablauf dieser
Zeitspanne typischerweise weitgehend gelöst haben (BGH NJW 2004, 66;
MünchKommBGB-Armbrüster, 5. Aufl., § 138, Rn. 79). Auch bei
Mandantenschutzklauseln ist die Zwei-Jahres-Grenze einzuhalten (BGH NJW 2000,
2584). Die vereinbarte Verpflichtung des Beklagten, keinen Auftrag eines Mandanten
der Sozietät anzunehmen, ist ausdrücklich auf diesen Zeitraum beschränkt. Dass § 6
Abs. 3 die Verpflichtung enthält, im Falle eines Verstoßes gegen Abs. 2 fünf Jahre lang
einen Teil der eingenommenen Honorare an die Klägerin abzuführen, bedeutet
entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, dass er für mehr als zwei Jahre in der
Annahme von Mandaten eingeschränkt worden wäre. Nimmt er mehr als zwei Jahre
nach seinem Ausscheiden einen Auftrag von einem früheren Mandanten der Klägerin
an, löst das die Zahlungspflicht gem. Abs. 3 nicht aus.
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Eine übermäßige Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Beklagten,
der nach Ziff. 4, 5 des Gesellschafterbeschlusses vom 23.10.2002 von seinen
Mitgesellschaftern für die Abtretung seiner Geschäftsanteile einen Kaufpreis von
135.000 EUR erhalten hat, kann danach nicht festgestellt werden.
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bb)
31
Auch die in § 6 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages normierte Zahlungspflicht ist
rechtlich nicht zu beanstanden.
32
(1)
33
Sollte es sich, wie das Landgericht angenommen hat, um die Vereinbarung einer
Vertragsstrafe für den Fall von Verstößen gegen das in Abs. 2 normierte
Wettbewerbsverbot handeln, ist diese wirksam.
34
Ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB ist nicht erkennbar. Mit 20 % des innerhalb von
fünf Jahren erzielten Honorars aus Aufträgen der Mandanten, von denen der Beklagte
unter Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Aufträge angenommen hat, ist die Vertragsstrafe nicht
unverhältnismäßig überhöht. Der zu zahlende Betrag entspricht bei gleichbleibendem
Auftragsumfang einem Jahreshonorar und damit in etwa der Hälfte der durch den
Verstoß gegen das zweijährige Wettbewerbsverbot erzielten Einnahmen. Ein
Jahresumsatz ist auch die Bemessungsgröße, nach der sich gem. § 17 des
Gesellschaftsvertrages die im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters zu zahlende
Abfindung richten sollte. Die Vertragsstrafe liegt nur dann deutlich über einem
Jahreshonorar, wenn das Volumen der Aufträge, die der Beklagte von den früheren
Mandanten der Sozietät erhält, sich im Lauf der fünf Jahre nach seinem Ausscheiden
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stark erhöht. Andererseits unterschreitet sie das im ersten Jahr erzielte Honorar, wenn
der Auftragsumfang sich in den Folgejahren verringert. Dass die Parteien des
Geschäftsführervertrages dies bei der Vereinbarung der pauschal an dem Umsatz von
fünf Jahren orientierten Vertragsstrafe in Kauf genommen haben, führt nicht dazu, dass
die Regelung in sittenwidriger Weise einseitig und grob unangemessen wäre.
§§ 307 ff. BGB sind nicht anwendbar; dass es sich bei den Klauseln des
Geschäftsführervertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1
BGB handelte, geht aus dem Vortrag des Beklagten nicht hervor.
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Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gem. § 343 BGB beantragt der Beklagte nicht. Er
trägt auch keine Tatsachen vor, aus denen sich eine unangemessene Höhe der
Vertragsstrafe ergäbe.
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(2)
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§ 6 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages ist auch dann nicht unwirksam, wenn die
Regelung - der Rechtsauffassung des Beklagten entsprechend - nicht als Vereinbarung
einer Vertragsstrafe, sondern als Mandantenübernahmeklausel aufgefasst wird. Selbst
wenn sie dazu führte, dass dem Beklagten im Ergebnis die Übernahme der Mandate
untersagt würde, weil sich ihre Bearbeitung wirtschaftlich nicht lohnte (so der Ansatz des
Bundesarbeitsgerichts in der von dem Beklagten angeführten, ihn als Geschäftsführer
nicht unmittelbar betreffenden Entscheidung BAG NZA 2002, 1282), läge keine
sittenwidrige Beeinträchtigung seiner Berufsausübungsfreiheit vor, weil, wie ausgeführt,
ein auf frühere Mandanten der Sozietät und eine Zeitdauer von zwei Jahren
beschränktes Wettbewerbsverbot zulässig ist.
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3. Der Feststellungsantrag ist mit der Einschränkung, dass er sich nur auf in den ersten
zwei Jahren nach dem Ausscheiden des Beklagten übernommene Mandate bezieht,
zulässig und begründet.
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Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, dass der Beklagte seine
Zahlungspflicht dem Grunde nach in Abrede stellt und die Erhebung einer
Leistungsklage nicht möglich ist, da noch nicht bekannt ist, welche Honorareinnahmen
der Beklagte aus den betreffenden Mandaten bis zum 30.09.2008 erzielen wird.
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Die Feststellungsantrag ist begründet, weil der Beklagte, wie ausgeführt, die
festzustellende Zahlungspflicht in § 6 Abs. 2, 3 des Geschäftsführervertrages wirksam
übernommen hat.
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4.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.000 EUR festgesetzt.
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Dr. Allstadt-Schmitz Dr. Fleischer Toporzysek
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