Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.11.2004

OLG Düsseldorf: juristische person, störer, vergütung, prozess, internet, versteigerung, wettbewerbsrecht, kataraktoperation, versorgung, versprechen

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 30/04
16.11.2004
Oberlandesgericht Düsseldorf
20. Zivilsenat
Urteil
I-20 U 30/04
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des
Land-gerichts Düsseldorf vom 7. Januar 2004 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages ab-wenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe
Sicherheit leistet.
Die zulässige Berufung, mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt,
hat auch in der Sache Erfolg.
Zum in zweiter Instanz unveränderten Sachverhalt wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils verwiesen. Danach hat die Klägerin gegen die Beklagte weder den
geltend gemachten Unterlassungsanspruch, noch den Zahlungsanspruch, weil die
Beklagte mit der Kooperation mit niedergelassenen Ärzten gemäß dem
"Kooperationsvertrag zur Versorgung mit ambulanten Kateraktoperationen" (Anlage K 2, B
2) keinen Wettbewerbsverstoß begangen hat. Deshalb kann dahinstehen, ob die Klägerin
vorliegend überhaupt prozessführungsbefugt ist (vgl. BGH NJW-RR 00, 634 - "Rumms"!).
Ein Verstoß der Beklagten gegen § 31 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen
und Ärzte vom 27. Oktober 2001 (Anlage B 5) liegt nicht vor, so dass ebenfalls offen
bleiben kann, ob darin ggfs. ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch (§ 1 UWG a.F.
bzw. § 4 Nr. 11 UWG n.F.) läge.
1. Zutreffend geht das angefochtene Urteil davon aus, dass die Beklagte als Stiftung nicht
den Vorschriften der Berufsordnung unterworfen ist (in den von der Klägerin vorgelegten
Urteilen des OLG Koblenz, Anlage K 6, und des OLG Schleswig, Anlage K 9 = NJW 04,
1745, wird diese Frage nicht geprüft). Das gilt insbesondere für § 31 der Berufsordnung
("unerlaubte Zuweisung gegen Entgelt"), wonach es "Ärztinnen und Ärzten" nicht gestattet
ist, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt selbst zu versprechen oder zu gewähren.
Es bedarf nun keiner näheren Begründung, dass die Organisationsform der Stiftung wie
jede andere Organisationsform als juristische Person nicht einfach mit der Begründung
beiseite geschoben werden darf, sie stelle nur eine juristische Konstruktion für Tätigkeiten
einzelner Ärzte dar. Darüber hinaus ist es gerade im Wettbewerbsrecht unzulässig, ein
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Krankenhaus ohne weiteres mit den dort beschäftigten Ärzten zu identifizieren. So gilt für
Kliniken bei den Werbebeschränkungen das sogenannte Klinikprivileg, weil Kliniken
Gewerbe- und Wirtschaftsbetriebe sind, die neben ärztlichen Leistungen noch weitere
gewerbliche Leistungen wie Unterbringung und Verpflegung erbringen, und deshalb durch
Werbebeschränkungen typischerweise stärker belastet sind als die Gruppe der
niedergelassenen Ärzte. Das Klinikprivileg darf auch nicht durch Heranziehung der
Störerhaftung unterlaufen werden. Dass die Werbung den Klinikärzten im Ergebnis zugute
kommt, ist unerheblich (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4
UWG, Rdnr. 11.114 m.Nachw.). An den genannten Gegebenheiten geht der Klagevortrag
immer wieder vorbei, wenn die Klägerin es anscheinend schon für unlauter hält, dass die
Beklagte mit dem von ihr entworfenen Kooperationsvertrag nach wirtschaftlichem Vorteil
strebt. Ein Wirtschaftsbetrieb muss das tun; unstreitig sind die Krankenhäuser nach der
Bundespflegesatzverordnung sogar verpflichtet, ihren Betrieb wirtschaftlich zu führen.
Es bleibt daher auch vorliegend dabei, dass ein spezielles Werbeverbot für Ärzte, das eine
Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG n.F. darstellt, nur von einem Arzt verletzt
werden kann. Ein Nicht-Arzt kann nur Teilnehmer an der Zuwiderhandlung sein (vgl.
Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O., § 8 UWG, Rdnr. 2. 6; § 4 UWG, Rdnr. 11. 113).
2. In diesem Bereich liegt wohl auch der Schwerpunkt des Klagevortrags, nämlich bei einer
Verletzung der ersten Alternative des § 31 BO, wonach es "Ärztinnen und Ärzten" nicht
gestattet ist, sich für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt oder andere Vorteile
versprechen oder gewähren zu lassen. Damit meint die Klägerin nicht die bei der
Beklagten beschäftigten Ärzte, sondern diejenigen, die von der Beklagten für eine
Zusammenarbeit im Rahmen ihres Kooperationsvertrages gewonnen werden. Für diese
sollen die von der Beklagten versprochenen Vergütungen für präoperative und
postoperative Leistungen einen Anreiz darstellen, der Beklagten standeswidrig Patienten
zuzuweisen. Ob diese Ärzte gegen § 31 BO verstoßen, kann jedoch, wie bereits
ausgeführt, dahin stehen, weil die Beklagte für derartige Verstöße jedenfalls nicht
mitverantwortlich wäre, und zwar weder als Teilnehmer, noch als Störer.
a) Die Beklagte ist nicht Teilnehmer (§ 830 Abs. 2 BGB) an einem etwaigen berufswidrigen
Verhalten der niedergelassenen Ärzte, die ihr die Patienten zum Zwecke der
Kataraktoperation überweisen.
Sie haftet nämlich insoweit nicht schon aufgrund einer objektiven, sondern nur aufgrund
einer vorsätzlichen Mitwirkung. Die Beklagte müsste wissen, dass das Handeln der
niedergelassenen Ärzte wettbewerbs- bzw. berufswidrig ist (vgl.
Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O., § 8 UWG, Rdnr. 2.18 m.Nachw.; § 4 UWG, Rdnr.
11.113). Ein solcher Vorsatz kann hier nicht festgestellt werden, und zwar im Hinblick auf
den vorgelegten Vertrag über ein Modellvorhaben für eine abgestufte flächendeckende
Versorgung mit Kataraktoperationen, den die kassenärztliche Vereinigung Nordrhein mit
der Vereinigung ophthalmologischer Praxiskliniken e.V. und verschiedenen
Krankenkassen geschlossen hat (Anlage B 1). Die Beklagte hat sich, wie sie immer wieder
vorgetragen hat, und wie auch aus dem Vergleich der Verträge erkennbar wird, mit ihrem
Kooperationsvertrag, und zwar vor allem auch hinsichtlich der Vergütung für präoperative
und postoperative Leistungen, an diesem Vertragsmodell der KV Nordrhein orientiert, weil
nämlich die KV Nordrhein Krankenhäuser von der Mitwirkung in ihrem Modellversuch
ausgeschlossen hatte. Auf diese Ungleichbehandlung hat die Beklagte mit ihrem
Kooperationsvertrag reagiert. Unstreitig ist das Vorgehen der KV Nordrhein zu keinem
Zeitpunkt von zugelassenen Ärzten, der Ärztekammer oder der Klägerin als Verstoß gegen
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die Regeln der ärztlichen Berufsordnung oder als wettbewerbswidrig beanstandet worden.
Auch im vorliegenden Prozess hat die Klägerin keinen Versuch gemacht, rechtliche
Unterschiede zwischen dem Kooperationsvertrag der Beklagten und dem der KV Nordrhein
aufzuzeigen. Auch nach dem Vertrag der KV Nordrhein überweisen die niedergelassenen
Augenärzte der "Ebene 1" die Patienten zur Kataraktoperation an "im Rahmen des
Vertrages anerkannte Ophthalmochirurgen" (Ziffer 1 und 9 des Vertrages), und gemäß
Anlage 2, S. 2 des Vertrages vergüten die Kassen für präoperative und postoperative
Leistungen der Ärzte auf der "Ebene 1" 100 DM bzw. 120 DM, und zwar außerhalb des
Budgets ("Deckelung"). Hierzu hat die Beklagte immer wieder geltend gemacht, dass sie
mit 80 DM bzw. 120 DM eine praktisch identische Vergütung zahle (§ 4 ihres
Kooperationsvertrages). Obwohl hier ersichtlich der Schwerpunkt des
Beklagtenvorbringens vorliegt, hat sich die Klägerin zu dem Komplex "Kooperationsvertrag
der KV" im Prozess nicht geäußert. Sie hat den Vortrag der Beklagten (in ihrer Replik auf
die Klageerwiderung) lediglich mit Nichtwissen bestritten und ausgeführt, dies alles
entziehe sich der Kenntnis der Klägerin. Dieses Bestreiten ist unter zwei Gesichtspunkten
unbeachtlich.
Zum einen ist der Vertrag der KV Nordrhein sogleich als erste Anlage von der Beklagten
vorgelegt worden. Selbst wenn der Klägerin dieser Vertrag nicht bekannt gewesen sein
sollte, ist sie nach Vorlage der Urkunde durch die Beklagte doch in der Lage, sich mit deren
Inhalt auseinander zu setzen (vgl. auch § 439 Abs. 3 ZPO).
Zum anderen verkennt die Klägerin ihre Darlegungslast. Die Erklärung mit Nichtwissen ist
eine Form des Bestreitens. Soweit ein Kläger die Darlegungslast trägt, muss er jedoch die
Anspruchsvoraussetzungen ohne Rücksicht darauf schlüssig vortragen, ob sie Gegenstand
seiner Handlungen oder Wahrnehmungen gewesen sind. Vorliegend muss die Klägerin
den Rechtsverstoß der Beklagten in vollem Umfang darlegen und nachweisen (vgl. schon
Senat NJW 01, 686, 687), und deshalb auch Darlegungen der Beklagten widerlegen, die
eine Teilnahmehandlung der Beklagten bzw. ihren Vorsatz in Zweifel ziehen.
Hinsichtlich des Sachverhaltskomplexes "Vertrag der KV Nordrhein" ist das der Fall. Dabei
kommt es nicht einmal darauf an, ob das unstreitig von keiner Seite beanstandete
Vorgehen der KV Auswirkungen auf das Berufsrecht selbst hat, weil es ein Indiz dafür ist,
was in der beruflichen Praxis als berufswidrig bzw. nicht als berufswidrig angesehen wird.
Entscheidend ist, dass der Beklagten nach diesem Vorgehen der KV Nordrhein nicht
unterstellt werden kann, die Wettbewerbswidrigkeit der Gewährung von Vergütungen für
präoperative und postoperative Leistungen gekannt zu haben. Es geht hier nicht um den im
gewerblichen Rechtsschutz üblichen Fahrlässigkeitsbegriff, wonach schuldhaft schon
derjenige handelt, der mit einer abweichenden Beurteilung seines Verhaltens durch die
Gerichte rechnen muss, sondern es geht um Vorsatz.
Das gilt auch im einzelnen. Wie bereits ausgeführt, äußert sich die Klägerin nicht dazu,
weshalb die von der Beklagten versprochenen Vergütungen für die niedergelassenen Ärzte
einen wirtschaftlichen Anreiz darstellen sollen, Patienten an die Beklagte zu überweisen,
die von der KV Nordrhein zugesagten Vergütungen dagegen nicht. Entweder besteht ein
solcher wirtschaftlicher Anreiz nicht, dann fehlt es in beiden Fällen schon am
berufswidrigen Verhalten der Ärzte. Oder aber, die Vergütungen schaffen tatsächlich einen
solchen Anreiz, dann wäre darauf abzustellen, dass es die KV Nordrhein war, die als erste
einen solchen Anreiz für die niedergelassenen Ärzte geschaffen hat. Danach konnte die
Beklagte durchaus der Ansicht sein, sie müsse ebenfalls eine entsprechende Vergütung
anbieten, um "gleichzuziehen". Wenn die KV Nordrhein unbeanstandet einen -
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unterstellten - wirtschaftlichen Anreiz schuf, konnte die Beklagte davon ausgehen, ohne
einen entsprechenden wirtschaftlichen Anreiz keine niedergelassenen Ärzte für die
Kooperation gewinnen zu können. Die Vergütung erfolgte zudem nicht für die
Überweisung, sondern wie bei der KV Nordrhein für präoperative und postoperative
Leistungen. Da von der Vorstellung der Beklagten auszugehen ist, kommt es auch nur
darauf an, ob und inwieweit sie diese Leistungen für ihre Zwecke für erforderlich hielt. Das
hat die Beklagte immer wieder vorgetragen und dabei auf die Qualitätssicherung und - in
der mündlichen Verhandlung - auf die Vorteile verwiesen, die eine möglichst umfassende
Dokumentation im Falle eines Kunstfehlerprozesses biete. Das sind nicht widerlegte
sachliche Erwägungen, die die Feststellung eines Vorsatzes im Hinblick auf die
Beeinflussung der kooperationswilligen Ärzte zu berufswidrigem Verhalten nicht erlauben.
b) Die Beklagte ist für das Verhalten der niedergelassenen Ärzte auch nicht als Störer
verantwortlich. Die Störerhaftung, nach der jemand wettbewerbsrechtlich verantwortlich
sein kann, der ohne Wettbewerbsförderungsabsicht oder doch ohne Täterqualifikation an
dem Wettbewerbsverstoß in der Weise beteiligt ist, dass er in irgendeiner Weise an der
Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt, wird im Schrifttum immer mehr
abgelehnt (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O., § 8 UWG, Rdnr. 2.15). Der BGH habe
seine Rechtsprechung unter dem Eindruck dieser Kritik selbst in Frage gestellt, und diese
werde in absehbarer Zeit aufgegeben und von der deliktsrechtlichen Betrachtungsweise
(vgl. oben a)) abgelöst werden (Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O., Rdnr. 2.14; s. aber
jetzt BGH NJW 04, 3102, 3105 - Internet-Versteigerung, wonach das nur für
"Verhaltensunrecht" - wie hier - gelten soll).
Aber auch nach der derzeitigen Rechtsprechung haftet die Beklagte im vorliegenden Fall
nicht als Störer. Danach darf nämlich die Störerhaftung gerade nicht über Gebühr auf Dritte
erstreckt werden, die als solche einem Verbot nicht unterworfen sind. Die Bejahung der
Störerhaftung setzt in einem derartigen Fall deshalb stets die Verletzung zumutbarer
Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus. Ob und inwieweit dem als
Störer in Anspruch genommenen eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den
jeweiligen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Funktion und
Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die
Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar
vorgenommen hat (BGH NJW-RR 03, 1685, 1686 f. - Ausschreibungen von
Vermessungsleistungen und a.a.O. Internet-Versteigerung).
Eine solche Prüfungspflicht hatte die Beklagte nicht. Auch hier wirkt sich unmittelbar aus,
dass der Beklagten der entsprechende Kooperationsvertrag der KV Nordrhein bekannt war,
der unbestritten zu keinerlei wettbewerblichen Beanstandungen geführt hatte. Im übrigen
durfte sie sich auf die Eigenverantwortlichkeit der allein dem Berufsrecht unterworfenen
niedergelassenen Ärzte verlassen; die Kooperation war - wie bei der KV Nordrhein auch -
freiwillig.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Berufungsstreitwert: 15.175,06 EUR.
a. Dr. Sch. Sch.