Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.07.2004
OLG Düsseldorf: richterliche kontrolle, ehevertrag, gütertrennung, einheit, nichtigkeit, sittenwidrigkeit, disposition, lastenverteilung, ausschluss, feststellungsklage
Oberlandesgericht Düsseldorf, II-7 UF 227/03
Datum:
01.07.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Senat für Familliensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
II-7 UF 227/03
Vorinstanz:
Amtsgericht Langenfeld, 27 F 114/03
Schlagworte:
Feststellungsinteresse; Inhaltskontrolle von Eheverträgen
Normen:
ZPO § 256; BGB §§ 138, 139, 242, 313
Leitsätze:
1) Es besteht auch unabängig von der Möglichkeit, sogleich ein
Zugewinnausgleichs- oder eine Nachscheidungsunterhaltsverfahren als
Folgesachen im Ehescheidungsverbund anghängig zu machen, ein
rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, die Nichtigkeit
eines Ehevertrages gerichtilch feststellen zu lassen.
2) Zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Langenfeld vom 25. September 2003 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen, mit dem das Amtsgericht festgestellt hat, dass der von den Parteien am 24.
Juli 1989 zur Beurkundung des Rechtsanwalts G. P. aus V. als amtlich bestelltem
Vertreter des Notars G. Q. mit Amtssitz in D. unter UR-Nr. 935 für 1988 erklärte
Ehevertrag (Teil A. der Vertragsurkunde) insgesamt nichtig ist (Bl. 88 ff. GA). In diesem
gut vierzehn Tage vor der Heirat geschlossenen Ehevertrag Teil A. haben die Parteien,
die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits mit Bianca schwanger, unter anderem
unter Vereinbarung der Gütertrennung den Zugewinnausgleich für den Fall der
Beendigung der Ehe ausgeschlossen sowie auf nacheheliche Unterhaltsansprüche
auch für den Fall der Not wechselseitig verzichtet. Ein Versorgungsausgleich ist nicht
berührt (Bl. 17 ff. GA). Zu Beginn des Güterstandes gehörte dem Beklagten unter
anderem ein Sechsfamilienhaus. Die Klägerin besaß ein Vermögen von insgesamt
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22.286,55 DM einschließlich eines Wertes von 4.000 DM für einen PKW. Im Jahre 1994
erwarben die Parteien zu je 1/2 das Einfamilienhaus Piusweg 11 in Langenfeld (Bl. 41
GA) aus dem Vermögen des Beklagten. Die Klägerin ist Bürokauffrau bzw.
Finanzbuchhalterin (Bl. 163, 200 GA); der Beklagte Diplom-Ingenieur, er arbeitet als
Bauleiter. Die Klägerin war während des Zusammenlebens der Parteien, die am 8.
August 1989 geheiratet haben, nur zeitweise und in geringfügigem Umfang erwerbstätig
(Bl. 42, 83 GA).
Gegen das angefochtene Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er meint,
die Klägerin habe kein Feststellungsinteresse, da sie sogleich auf Leistung antragen
könne; deshalb sei die Klage bereits unzulässig. Jedenfalls sei aber der Ehevertrag Teil
A. wirksam.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Dem ist die Klägerin entgegengetreten. Sie beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache indes keinen Erfolg.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1
ZPO trotz der von ihm geäußerten und auch gewichtigen Bedenken zulässig, da die
Klägerin insbesondere auch das notwendige Interesse an alsbaldiger Feststellung hat,
wie das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil bereits zutreffend ausgeführt hat (Bl.
90 GA).
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In der Regel fehlt zwar ein solches Interesse, wenn die Möglichkeit einer Leistungsklage
gegeben ist; allerdings kann sich eine andere Beurteilung dann ergeben, wenn die
Durchführung des Feststellungsprozesses unter dem Gesichtspunkt der
Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sachgemäßen Erledigung der streitigen Punkte in der
Sache führt (Münchener Kommentar/Lüke 2. Auflage 2000 § 256 Rz. 49 f. m.w.N.). So
hat das OLG Stuttgart hinsichtlich eines Zugewinnausgleichsverfahrens ein solches
Interesse gerade im Hinblick auf ein durchzuführendes Scheidungsverfahren bejaht
(Urteil vom 23.November 1982, Az.: 18 UF 150/82). Dieser Sichtweise schließt sich der
Senat an. Der Umstand, dass die Klägerin sowohl ein
Nachscheidungsunterhaltsverfahren als auch einen Zugewinnausgleich als
Folgesachen in dem bereits vor dem Amtsgericht Langenfeld anhängigen
Verbundverfahren (Az.: 27 F 195/03) durch entsprechende Anträge erwirken könnte,
steht dem Feststellungsinteresse nach Überzeugung des Senats nicht entgegen. Wird
nämlich in einem dieser Verfahren über die Wirksamkeit des Ehevertrages entschieden,
beschränkt sich die Wirkung auf diese eine Folgesache; im Fall einer Abtrennung einer
oder beider Folgesachen oder einem etwaigen Richterwechsel hingegen besteht die
von der Klägerin angesichts des Streitstands zwischen den Parteien auch zutreffend
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beschriebene konkrete Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, so dass sie
nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage verwiesen
werden kann (vgl. insoweit BGH NJW-RR 2002, 1377 f.); denn die Klägerin würde das
(positive) Ergebnis einer solchen Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO
nur für die eine, nicht aber auch gleichzeitig für die andere Folgesache nutzbar machen
können (vgl. zur Zwischenfeststellungsklage BGHZ 125, 251, 257: Gegenstand der
Zwischenfeststellungsklage ist nicht das Bestehen des Kausalverhältnisses schlechthin,
sondern dieses nur in seiner Vorgreiflichkeit für die Hauptsache).
Sicher haben auch beide Parteien nach objektiver Betrachtung ein gesteigertes
Interesse an einer im Übrigen auch der Rechtssicherheit dienenden einheitlichen
Feststellung, die jedenfalls in grundsätzlicher Hinsicht zur Befriedung der Parteien
geeignet ist (vgl. auch Borth FamRZ 2004, 609, 612).
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Weiterhin ist die Feststellungsklage in der Sache begründet.
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Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den zwischen den
Parteien geschlossenen und im Tenor näher bezeichneten Ehevertrag Teil A. wegen
Sittenwidrigkeit als insgesamt gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig angesehen.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Entscheidungen (FamRZ 2001, 343 ff. und
985) hierzu folgende Prüfungsmaßstäbe aufgestellt: Danach liegt eine nicht mehr
hinzunehmende Disparität vor, wenn die Verhandlungspositionen beider
Vertragspartner ungleich sind und eine einseitige Dominanz eines Ehepartners vorliegt.
Dabei kann eine Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein Indiz für
eine ungleiche Verhandlungsposition sein, aber durch den Inhalt des Vertrages
durchaus ausgeglichen werden. Zu vergleichen sind die individuelle berufliche
Qualifikation und Perspektive sowie die Vermögenslage der Parteien und deren
Lebensplanung insbesondere im Hinblick auf Kindesbetreuung und Hausarbeit. Je
mehr gesetzliche Rechte abbedungen werden, desto mehr verstärkt sich der "Effekt
einseitiger Benachteiligung". Darüber hinaus kann ein Ausgleich durch eine
Orientierung am Kindeswohl nicht erfolgen. Schließlich ist danach auch unerheblich, ob
das einseitige Eintreten eines Sozialfalls konkret abzusehen ist; denn das
Bundesverfassungsgericht lehnt eine schematische Prüfung ab. Vielmehr sind der
gesamte Inhalt des Vertrages und die tatsächlichen Umstände des konkreten
Einzelfalls, mithin die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände beider
Vertragspartner heranzuziehen.
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Insoweit konkretisierend hat der Bundesgerichtshof (BGH FamRZ 2004, 691 ff.) hierzu
ausgeführt, dass die richterliche Kontrolle von Eheverträgen sich im Spannungsfeld
zwischen Vertragsfreiheit und gesetzlichen Regelungen zum Schutz des sozial
Schwächeren bewegt und daher Folgendes zu beachten hat: Der Schutzzweck der
gesetzlichen Regelungen darf nicht beliebig unterlaufen werden; zum Kernbereich
gehört etwa der Betreuungsunterhalt, der jedoch auch nicht jedweder vertraglichen
Modifikation entzogen, während der Zugewinn hingegen am weitesten zur vertraglichen
Disposition zugänglich ist. Die Prüfung eines Ehevertrages unter den dargestellten
Voraussetzungen erfolgt demnach zunächst anhand einer Wirksamkeitskontrolle gemäß
§ 138 BGB bezogen auf den Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarung. Es hat
hierbei eine Gesamtwürdigung im Hinblick auf die individuellen Verhältnisse beim
Vertragsabschluss zu erfolgen, wobei zunächst festzustellen ist, ob eine Regelung aus
dem Kernbereich der gesetzlichen Normen abbedungen wurde ohne
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Nachteilsausgleich oder Rechtfertigung durch besondere Verhältnisse der Ehegatten
oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten. Ob eine
Notarbelehrung erfolgt ist, ist in diesem Zusammenhang kein entscheidungserheblicher
Gesichtpunkt; denn auch wenn die schwächere Partei subjektiv die Nachteile des
Vertrages erkannt hat, beseitigt dieser Umstand die objektive Disparität gerade nicht
und lässt diese unbeeinflusst. Deshalb sind auch rein subjektive Vorstellungen einer
oder beider Parteien unerheblich (insoweit daher zweifelhaft OLG Koblenz FamRZ
2004, 805 ff.; diese Entscheidung vom 13.01.2004 konnte allerdings die danach
ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs naturgemäß nicht
berücksichtigen).
Ist dies der Fall, ist ein Vertrag regelmäßig sittenwidrig. Ist er hiernach jedoch wirksam,
kommt es darauf an, ob der Begünstigte seine ihm durch den Vertrag an sich wirksam
eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (sog. unzulässige Rechtsausübung, Störung
oder Wegfall der Geschäftsgrundlage, §§ 242, 313 BGB); dies ist dann der Fall, wenn
sich aufgrund der Abweichung des tatsächlichen von dem vorgestellten Verlaufes der
Ehe im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft eine evident einseitige
Lastenverteilung auch unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten feststellen
lässt. Je höherrangig die vertraglich ausgeschlossene Scheidungsfolge ist, um so
schwer wiegender müssen die Gründe sein, welche für einen Ausschluss sprechen.
Folge eines Missbrauchs ist eine Korrektur durch Anpassung der vertraglichen
Regelung an die veränderten Umstände. Diese Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs berücksichtigt zutreffend den verfassungsrechtlichen Ansatz und
bietet die überzeugenden Grundlagen für die Überprüfung einer familienrechtlichen
vertraglichen Regelung unter Anknüpfung an allgemein gültige gesetzliche Maßstäbe
auf dem Gebiet des Vertragsrechts. Der Senat sieht keinen Anlass, hiervon
abzuweichen.
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Danach hält der Ehevertrag der Parteien Teil A. insgesamt einer richterlichen
Wirksamkeitskontrolle nicht stand:
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Hinsichtlich des Nachscheidungsunterhaltsausschlusses ist zunächst festzustellen,
dass die Klägerin grundsätzlich derzeit, da sie die gemeinsamen Kinder - die am 14.
Dezember 1989 geborene Tochter B. und den am 05. April 1992 geborenen Sohn M.
(Bl. 136 GA) - nicht betreut (Bl. 3 f., 42 GA), lediglich Aufstockungsunterhalt geltend
machen kann (§ 1573 Abs. 2 BGB); dabei handelt es sich um einen Anspruch, der nicht
besonders schutzwürdig ist und deshalb nicht zum Kernbereich der zu schätzenden
Scheidungsfolgen gehört. Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze kommt
es aber auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an:
Bereits nach der ausdrücklich im Vertrag geregelten Rollenverteilung sollte der damals
mit B. schwangeren Klägerin und nicht dem Beklagten die Aufgabe zukommen, sich -
insoweit auch allein verantwortlich - um Haushalt und Kinder zu kümmern, wobei sie
sich im Hinblick auf eine spätere Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an den
Familieninteressen zu orientieren und auf diese Rücksicht zu nehmen hatte. Ihr kamen
daher in diesem Zusammenhang nur stark beschnittene Rechte und im Übrigen
Pflichten zu, während der Beklagte als derjenige mit dem absehbar höheren
Einkommen besondere Rechte wie z.B. Bestimmung des Aufenthaltsortes der Familie
haben sollte. Die eheliche Rollenverteilung, der eigens ein so überschriebener
Abschnitt (VI., Bl 20 GA) gewidmet ist, ist damit ausdrücklich geregelt und festgelegt.
Insgesamt war der schwangeren Klägerin allein die Kindesbetreuung und nach den
klaren Regelungen des Ehevertrages eindeutig die wirtschaftlich schwächere Rolle
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zugewiesen; zumal der Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt über die qualifiziertere
Ausbildung verfügte, so dass die Klägerin vereinbarungsgemäß, da für
Kindesbetreuung und Haushaltsführung verantwortlich, einen Einkommensunterschied
niemals aufholen und auch die durch die Kindesbetreuung zwangsläufig entstehenden
Lücken - sie verpflichtete sich ausdrücklich zur vorübergehenden Aufgabe der
Berufstätigkeit und alleinigen Haushaltsführung - nicht hätte schließen können.
Dieser Eingriff in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts lässt sich nicht durch
einen anderweitigen Ausgleich oder durch sonstige gewichtige Belange des Beklagten
rechtfertigen. Vielmehr zeigt der vertragliche grundsätzlich beiderseitige
Unterhaltsausschluss eine eindeutige und einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der
Klägerin auf.
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Im Ergebnis handelt es sich mithin um einen klassischen Fall der Unwirksamkeit
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des Ehevertrages gemäß § 138 BGB, die sich auch auf den Ausschluss eines
Zugewinnausgleichs bzw. die Vereinbarung der Gütertrennung erstreckt, obschon der
Bundesgerichtshof, was der Senat nicht verkennt und bereits dargestellt hat, den
Zugewinnausgleich der ehevertraglichen Disposition als am ehesten zugänglich
angesehen hat. Auch wenn Sinn der vereinbarten Gütertrennung war, wie der Beklagte
vorträgt, sein Eigentum an dem Sechsfamilienhaus in Hilden nicht zu gefährden, hätten
die Parteien im Hinblick auf dieses durchaus schützenswürdige Interesse des Beklagten
andere und die Klägerin insgesamt nicht so unerträglich stark benachteiligende
Regelungen finden können und müssen. Diese von den Parteien getroffene
Vereinbarung ist insgesamt als eine Einheit anzusehen, die nicht in einzelne Teile
zerschlagen werden kann (§ 139 BGB), eben weil sie nicht voneinander unabhängig
sind. In § 139 BGB heißt es: "Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze
Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen
Teil vorgenommen sein würde." Danach ist eine zeitweise Aufrechterhaltung des
Rechtsgeschäfts nur möglich, wenn der sittenwidrige Vertragsteil eindeutig von anderen
Vertragsregelungen abgegrenzt werden kann (BGH NJW 2001, 815).
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Eine solche Annahme lässt sich nicht treffen, wie sich auch insbesondere durch den
Vortrag des Beklagten ergibt, wonach die Parteien um den Inhalt des Ehevertrags
intensiv verhandelt und einzelne Regelungen im Laufe dieser Verhandlungen verändert
haben und woraus sich schließen lässt, dass die Parteien das Vertragswerk als eine
Einheit ansehen mussten. Sie haben auch unabhängig von der Frage der Wirksamkeit
einer solchen keine Vorkehrung für den Fall getroffen, dass sich eine einzelne
Regelung als unwirksam erweist. Vielmehr haben sie lediglich Vorkehrungen für den
Fall eines Eintretens unvorhergesehener Umstände vereinbart (Bl. 21 GA). Damit ist
ersichtlich ausschließlich eine Störung oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage
gemeint; der hier aber gerade nicht vorliegt. Dem Senat hat hierbei durchaus den
Vortrag des Beklagten vor Augen, dass insoweit "der Schuss auch nach hinten los
gehen" könne, wie der Beklagte meint und auch in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat erörtert worden ist, aufgrund eines im Vergleich der Parteien wesentlich
höheres Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 2 BGB) des Beklagten unter Umständen die
Klägerin ein Zugewinnausgleichsanspruch nach den gesetzlichen Regelungen treffen
könnte; eine Einschätzung, die die Klägerin allerdings offenbar nicht teilt, wie sich auch
dem Schriftsatz vom 13.10.2003 (Bl. 106 GA) entnehmen lässt, und welche auch nicht
mit dem von dem beurkundenen Notar bemessenen geringen Wert des Ehevertrages
korrespondiert (Bl. 97 GA: 55.000 DM für Ehe- und Erbvertrag insgesamt). Gerade
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hierauf kann jedoch nur die Annahme gestützt werden, dass das Vertragswerk eine
nicht in Einzelteile zu zergliedernde Einheit ist und nicht eine Ausnahme zur
gesetzlichen Regelung des § 139 BGB gebietet. Schließlich sind die Parteien darauf
hinzuweisen, dass der Anwendung der gesetzlichen Maßstäbe eine angemessene
Berücksichtigung der beiderseitigen Belange und schutzwürdigen Interessen inne
wohnt und selbstverständlich nicht die aus der Sittenwidrigkeit folgende Nichtigkeit
einer vertraglichen Regelung dazu führen kann, dass der zunächst vertraglich einseitig
unangemessen belastete Ehegatte nunmehr umgekehrt unangemessene Ansprüche
geltend machen, sondern sich nur auf den Boden des Gesetzes begeben kann.
Es ist auch nicht möglich, diesen nichtigen Vertrag - wie der Beklagten offenbar geltend
machen will - durch nachträglich eintretende Umstände wie z.B. den Wegfall der
Kindesbetreuung durch die Klägerin, weil die Kinder seit der Trennung bei dem
Beklagten leben, wieder aufleben zu lassen. Dem steht das Gesetz entgegen, wonach
für den Fall der Nichtigkeit einer vertraglichen Vereinbarung an deren Stelle die
gesetzlichen Regelungen treten. Es liegt kein Fall der sog. schwebenden
Unwirksamkeit vor. Insoweit ist der Beklagte ausdrücklich auf die zitierte Entscheidung
des Bundesgerichtshofs hinzuweisen, dass nur in dem Fall, in dem ein Vertrag der an
erster Stelle vorzunehmenden Wirksamkeitskontrolle stand hält, dieser einer erst in
einem zweiten Schritt sich anschließenden Kontrolle dahin gehend zu unterziehen ist,
ob er einem Vertragspartner nach dem Wortlaut eine unzulässige Rechtsausübung
ermöglicht. Insoweit sind die Interessen des Beklagten bereits qua Gesetz ausreichend
geschützt, weil ein Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB neben weiteren
Voraussetzungen nur dem tatsächlich Betreuenden zusteht. Schließlich kann es nicht
darauf ankommen, ob durch die weitere Vermögensentwicklung während der Ehezeit
einem etwaigen Zugewinnausgleich eine wirtschaftlich gänzlich andere Bedeutung
zukommen kann. Auch insoweit sind die Parteien auf die gesetzlichen Regelungen zu
verweisen.
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Im Ergebnis ist der zwischen den Parteien geschlossene Ehevertrag Teil A. gemäß §
138 BGB nichtig.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Es besteht kein Anlass zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO).
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Dr. S. G. M.
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