Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.10.2005
OLG Düsseldorf: grobe fahrlässigkeit, verbraucher, nahe stehende person, begründung des urteils, aktivlegitimation, sicherheit, sammelklage, fremder, einziehung, beweiswürdigung
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 U 160/04
Datum:
28.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-16 U 160/04
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 5 O 521/03
Leitsätze:
Art. 1 § 3 Nr. 8 Rechtsberatungsgesetz
1.
Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 3 Nr. 8 RberG
sind nur erfüllt, wenn besondere Umstände vorliegen, welche die
gerichtliche Einziehung der konkreten Forderung durch einen
Verbraucherverband im Interesse des Verbraucherschutzes erfordern.
Es genügt nicht, dass sich im Rahmen des Rechtsstreits Fragen stellen,
die für Verbraucher von Interesse sind, also irgendein
verbraucherrechtlicher Sachzusammenhang oder ein
"Kollektivinteresse" besteht (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2003 - I -
16 U 197/02 -, abgedruckt in NJW 2004, 1532 und WM 2004, 319).
2.
Diese Anforderungen sind nicht gegeben, wenn ein Verbraucherverband
Vorfälle eines Kartenmissbrauchs zu Lasten verschiedener Verbraucher
verbindet und eine Sammelklage gegen das Bankinstitut erhebt,
welches das jeweilige Konto der Betroffenen mit den abgehobenen
Beträgen belastet hat.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Oktober 2004 verkündete
Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf seine
Kosten zu-rückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils
vollstreckbaren Be-trages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der
Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
unterliegenden Kreditin-stituts erbracht werden.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der Kläger ist eine Verbraucherorganisation, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung
sowie der Schutz der Interessen und Rechte der Verbraucher gehört. An ihn wurden in
der Vergangenheit - auch aufgrund einer Initiative des Klägers - Beschwerden von
Verbrauchern herangetragen, die mit so genannten Kartenmissbrauchs- oder
Kartenschadensfällen zusammenhingen. Dabei geht es um Schäden, die Inhaber einer
ec- oder Kreditkarte erleiden, nachdem ihnen jeweils die Karte abhanden gekommen ist.
Die Karte kommt jeweils durch eine unberechtigte Person ohne Wissen und Willen des
Inhabers zum Einsatz, wobei die zur Benutzung erforderliche Geheimzahl (PIN)
zutreffend in den jeweiligen Geldausgabeautomaten eingegeben wird. Bevor es den
Geschädigten möglich ist, eine Kartensperrung vornehmen zu lassen, sind oftmals
bereits Bargeldabhebungen von einem Automaten erfolgt. Anschließend werden die
Konten der Berechtigten mit den abgehobenen Geldbeträgen belastet mit der
Begründung, sie hätten ihre Sorgfaltspflicht im Umgang mit Karte und Geheimzahl grob
verletzt, weil sie beide gemeinsam aufbewahrt (Geheimzahl auf einem beiliegenden
Zettel o.ä. notiert) oder die Nummer sogar auf der Karte notiert haben müssten, weil es
anderenfalls dem Schädiger nicht möglich gewesen wäre, in kurzer Zeit nach dem
Abhandenkommen die Karte an Geldausgabeautomaten erfolgreich zum Einsatz zu
bringen.
3
Nachdem der Kläger derartige Beschwerden von einer Vielzahl von Verbrauchern
gesammelt hatte, ließ er sich deren Ansprüche gegen die jeweils kartenausgebende
Bank oder Sparkasse abtreten, um sie in einer Sammelklage gegen das jeweils
betroffene Institut gerichtlich geltend zu machen. Nach dem Erkenntnisstand des Senats
im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sind derzeit mehrere Verfahren vor
verschiedenen Gerichten anhängig.
4
Im vorliegenden Fall ließ sich der Kläger von 19 Kunden der Beklagten solche
Ansprüche in Höhe von insgesamt 13.543,58 Euro abtreten, deren Zahlung er in erster
Linie verlangt, während hilfsweise Gutschriften in Höhe des dem einzelnen Konto
belasteten Betrags geltend gemacht werden.
5
Der Kläger hat sich vor dem Landgericht auf die Vorschrift des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG
berufen, wonach es ihm unter den dort genannten Voraussetzungen erlaubt sei, sich
Ansprüche von Verbrauchern zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung abtreten
zu lassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien erfüllt, weil es darum gehe, die
Frage der Beweislastverteilung bei Kartenschadensfällen zu klären. Die weit verbreitete
Praxis von Banken und Sparkassen, sich auf die angebliche Sicherheit ihrer Systeme
zu berufen, ohne diese hinreichend offen zu legen, um sie auf ihre Sicherheit überprüfen
zu können, sei verbraucherschutzwidrig. Wegen der weitergehenden Begründung
6
seiner Aktivlegitimation wird auf die umfangreichen Ausführungen des Klägers auf S. 9
ff. des Schriftsatzes vom 14. Juli 2004 (Bl. 199 ff. GA) verwiesen.
Die abgetretenen Ansprüche auf Zahlung des dem Konto des jeweiligen Zedenten
belasteten Betrags seien berechtigt. Sollte ein Zahlungsanspruch nicht bestehen,
bestünde zumindest ein Anspruch auf eine entsprechende Gutschrift, bezogen auf den
Zeitpunkt der Wertstellung der von der Beklagten vorgenommenen Belastungsbuchung.
Im Rahmen des Verlustes der Karte und deren nachfolgenden Einsatzes sei dem
jeweiligen Zedenten grobe Fahrlässigkeit nicht vorzuwerfen. Die Geheimzahl sei weder
auf der Karte notiert gewesen noch habe sie der Inhaber in unmittelbarer Nähe der Karte
aufbewahrt oder bei sich getragen. Wegen der Einzelheiten des jeweiligen Vorfalls wird
auf die Darstellung des Klägers auf S. 7 ff. der Klageschrift Bezug genommen.
7
Der Kläger hat beantragt,
8
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 13.543,58 Euro
nebst jährlichen Verzugszinsen von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 12.533,97 Euro seit dem 25. Juni 2003 sowie aus 1.009,61
Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
9
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den im Einzelnen bezeichneten Konten
der Zedenten konkret bezifferte Beträge zum Zeitpunkt der Wertstellung der von
der Beklagten vorgenommenen Abbuchung gutzuschreiben (die weiteren
Einzelheiten des Hilfsantrags ergeben sich aus Bl. 191-192 GA).
10
Die Beklagte hat beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Sie hat geltend gemacht, die Klage sei bereits unzulässig. Zahlung könne keinesfalls
verlangt werden, sondern nur Kontoberichtigung und Rückbuchung. Der Kläger sei auch
nicht sachbefugt, weil die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 3 Nr. 8
RBerG nicht vorlägen. Die Klage sei nicht im Interesse des Verbraucherschutzes
erforderlich. Im Übrigen ist die Beklagte auch der Darstellung zu den einzelnen
Schadensfällen entgegen getreten. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 104 ff. GA
Bezug genommen.
13
Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils verwiesen.
14
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klage sei zwar
zulässig, jedoch unbegründet. Nachdem der Kläger den Hilfsantrag gestellt habe, könne
an ihrer Zulässigkeit kein Zweifel bestehen. Ob darüber hinaus ein Zahlungsanspruch
bestehe, sei hingegen eine Frage der Begründetheit. Diese sei allerdings zu verneinen,
weil der Kläger schon nicht aktivlegitimiert sei. Die Voraussetzungen der Vorschrift des
Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG, auf welche sich der Kläger einzig berufen könne, um etwaige
Ansprüche der Zedenten geltend machen zu können, lägen nicht vor. Die erfolgten
Abtretungen seien daher wegen Verstoßes gegen das Verbot des Art. 1 § 1 Abs. 1
RBerG nichtig. Die an das Vorliegen der Ausnahmeregelung des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG
zu stellenden Anforderungen habe der erkennende Senat in seinem Urteil vom 17.
Oktober 2003 - 16 U 197/02 - im Einzelnen festgelegt. Diese Anforderungen seien in
15
den hier geltend gemachten 19 Schadensfällen nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Urteils wird auf seine
Entscheidungsgründe verwiesen.
16
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches
Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges
Vorbringen zur Zulässigkeit der Klage und zur Wirksamkeit der Zessionen. Die vom
Landgericht vorgenommene Auslegung der Vorschrift des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG sei zu
eng. Abgesehen davon, dass der Kläger, der seinen Vereinszweck näher darlegt, schon
nicht geschäfts- oder gewerbsmäßig - einem Inkassobüro vergleichbar - tätig sei,
genüge es nach dem Wortlaut der Ausnahmevorschrift, wenn ein Handeln im Interesse
des Verbraucherschutzes erforderlich sei. Dies sei hier gegeben, da das bereits
erstinstanzlich aufgezeigte Verhalten der Banken und Sparkassen in Fällen der hier
vorgetragenen Art ein Anbieterverhalten von gewisser Systematik und gewissem
Umfang darstelle, so dass nicht von einem Einzelfall gesprochen werden könne. Ziel
des vorliegenden Verfahrens sei es, die schon erstinstanzlich vorgetragenen und unter
Beweis gestellten verbraucherschutzwidrigen Praktiken der Kreditwirtschaft und hier
konkret auch der Beklagten abzustellen. Der angerufene Senat habe mit seinem Urteil
vom 17. Oktober 2003 lediglich über einen Einzelfall entschieden, wie den
Entscheidungsgründen zu entnehmen sei, dabei jedoch ebenfalls die Anforderungen
des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG zu hoch angesetzt, was weder nach dem Wortlaut noch nach
den Gesetzesmaterialien oder dem Sinn und Zweck der Regelung gerechtfertigt sei. Mit
einer nach dem Gesetz zulässigen Muster- oder Sammelklage einer
Verbraucherorganisation werde dem einzelnen Verbraucher das Prozessrisiko
abgenommen, welches darin liege, dass eine bestimmte Rechtsmaterie - wie dies auch
hier der Fall sei - umstritten oder kompliziert sei, wodurch er von einer Rechtsverfolgung
abgehalten werden könnte. Es reiche daher aus, wenn die Abtretung solcher Ansprüche
an eine Verbraucherorganisation im Interesse des Verbraucherschutzes liege, um über
eine höchstrichterliche Entscheidung für Rechtsklarheit und -sicherheit zu sorgen.
Weitergehende Anforderungen stelle das Gesetz nicht und könnten auch den
Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden. Soweit der Senat in seiner früheren
Entscheidung höhere Anforderungen gestellt habe, führe dies letztlich dazu, dass eine
Aktivlegitimation von Verbraucherverbänden praktisch nur in ganz wenigen
Ausnahmefällen angenommen werden könnte. Dies sei nicht Ziel des Gesetzgebers
gewesen. Die verbraucherschutzwidrigen Praktiken, welche mit der vorliegenden Klage
abgestellt werden sollen, lägen darin, dass sich Banken und vorliegend auch die
Beklagte auf die Sicherheit ihrer Zahlungskartensysteme beriefen, die jedoch
tatsächlich nicht gegeben sei. Darüber hinaus blockiere die Beklagte massiv die
Aufklärung ihrer "Praktiken" hinsichtlich der Systemsicherheit und damit die
Überprüfung der Richtigkeit des Anscheinsbeweises, der in Fällen der hier geltend
gemachten Art jeweils gegen den einzelnen Karteninhaber sprechen solle. Die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03 - stehe der
geltend gemachten Aktivlegitimation nicht entgegen, weil sie weder abschließend noch
präjudiziell sei.
17
Im Übrigen beruft sich der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag zu den einzelnen
Schadensfällen und beantragt unter Berücksichtigung der in der mündlichen
Verhandlung erfolgten Korrektur,
18
1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteil die Sache zur erneuten
19
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,
2. hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu
verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 13.543,58 Euro nebst jährlichen
Verzugszinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.533,97
Euro seit dem 25. Juni 2003 sowie aus 1.009,61 Euro seit Rechtshängigkeit zu
zahlen,
20
3. hilfsweise - für den Fall des Unterliegens des Antrags zu 2. - unter
Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, den im
Einzelnen bezeichneten Konten der Zedenten konkret bezifferte Beträge
gutzuschreiben (S. 2 der Berufungsbegründung = Bl. 484 GA).
21
Die Beklagte bittet um
22
Zurückweisung der Berufung
23
und trägt wiederholend und vertiefend ihr erstinstanzliches Vorbringen vor, wonach die
Klage teilweise bereits unzulässig und darüber hinaus schon wegen fehlender
Aktivlegitimation des Klägers unbegründet sei.
24
Der Senat hat die Parteien vor der mündlichen Verhandlung durch Beschluss vom 12.
September 2005 (Bl. 624 ff. GA) darauf hingewiesen, aus welchen Gründen die
Berufung des Klägers unbegründet ist.
25
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der
wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Urkunden und
Schriftstücke verwiesen.
26
II.
27
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Landgericht hat zu
Recht bereits die Aktivlegitimation des Klägers verneint, weil dieser sich ausschließlich
auf die Sonderregelung des Rechtsberatungsgesetzes in Art. 1 § 3 Nr. 8 stützen kann,
um die an ihn von insgesamt 19 Kontoinhabern abgetretenen Ansprüche im eigenen
Namen geltend machen zu können. Die Vorschrift greift jedoch im vorliegenden Fall
zugunsten des Klägers nicht ein.
28
Im Einzelnen:
29
A.
30
Die Klage ist zulässig. Die von der Beklagten erhobenen Bedenken gegen die
Zulässigkeit des zweiten Hilfsantrags wegen mangelnder Bestimmtheit hat der Kläger
durch seine Antragskorrektur in der mündlichen Verhandlung ausräumen können. Zwar
bleibt nach dem zuletzt formulierten Antrag offen, zu welchem (Wertstellungs-) Zeitpunkt
die begehrte Kontogutschrift erfolgen soll, so dass im Zweifel - käme es darauf an -
davon ausgegangen werden müsste, sie werde nicht rückwirkend, sondern nur für die
Zukunft geltend gemacht. Dies kann jedoch offen bleiben, weil es hierbei nur um eine
Frage der Begründetheit der Klage geht, die bereits aus anderen Gründen zu verneinen
ist.
31
B.
32
Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht bereits die Aktivlegitimation
des Klägers verneint.
33
I.
34
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2003 - 16 U 197/02 - über einen
Fall entschieden, in welchem der Kläger als Zessionar gegen ein Kreditinstitut einen
Anspruch auf Auszahlung eines angeblich bestehenden Sparguthabens geltend
gemacht hat, und zwar mit der Begründung, dass ein fester Zinssatz vereinbart worden
sei und hiervon abweichende AGB der beklagten Bank unwirksam seien. Auch dort hat
sich der Kläger auf den Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG berufen.
35
Dies hat der Senat aus Rechtsgründen verneint, weil die Anforderungen des Art. 1 § 3
Nr. 8 RBerG im zugrunde liegenden Fall nicht erfüllt waren. Dabei hat er im Einzelnen
dargelegt, aus welchen Gründen welche rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein
müssen, damit sich ein Verbraucherverband auf die Ausnahmevorschrift berufen kann.
Die Voraussetzung, dass die klageweise Geltendmachung durch eine
Verbraucherorganisation im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich ist, macht
danach besondere Umstände notwendig, welche die gerichtliche Einziehung der
konkreten Forderung durch den Verbraucherverband im Interesse des
Verbraucherschutzes erfordern. Das Tatbestandsmerkmal ist demgegenüber nicht in
dem Sinne weit auszulegen, dass sich im Rahmen des Rechtsstreits nur Fragen stellen
müssen, die für Verbraucher von Interesse sind, also nur irgendein
"verbraucherrechtlicher Sachzusammenhang" bestehen muss, wie sich bereits aus dem
Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Dr. 14/7052, S. 210) zur
Neufassung der Vorschrift ergibt, in welchem es heißt (Hervorhebungen hinzugefügt):
36
"Der Ausschuss ist der Auffassung, dass eine Klarstellung dessen, was mit der
Vorschrift beabsichtigt ist, aufgenommen werden sollte. Gedacht war nicht daran,
Verbraucherzentralen eine schlichte Inkassotätigkeit zu erlauben. Die Abtretung von
im Interesse des Verbraucherschutzes liegen und
etwa den Zweck verfolgen, mit der Durchsetzung des konkreten Anspruchs
verbraucherschutzwidrige Praktiken abzustellen
entsprechende Einschränkung aufgenommen, die Erweiterung des
Rechtsberatungsgesetzes aber generell beibehalten werden."
37
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Senats in seinem
Urteil vom 17. Oktober 2003 (abgedruckt zum Beispiel in NJW 2004, 1532 und WM
2004, 319) Bezug genommen.
38
II.
39
Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und Literatur Zustimmung, aber auch
Ablehnung erfahren. Dabei liegen den jeweiligen Entscheidungen, Aufsätzen,
Urteilsanmerkungen u.a. allerdings auch Erwägungen zugrunde, die sich auf konkrete
Einzelfälle beziehen, was letztlich auch für die im vorliegenden Fall zu treffende
Entscheidung von Bedeutung ist (siehe unten):
40
- zustimmend: LG Frankfurt, Urt. vom 20.1.2005 - 2-23 O 474/03 - (Bl. 563 GA)
41
LG Frankfurt, Hinweisbeschluss vom 14.7.2005 - 2-25 O 614/03 - (Bl. 590
GA) und Urteil vom 25.9.2005 (Anlage zu Bl. 642 GA)
42
Schebesta, Anm. zum Senatsurteil vom 17.10.2003, WuB IV C. § 9
AGBG 1.04
43
- offen lassend: OLG Frankfurt - 23 U 38/05 - (Rechtshinweise im
Berufungsverfahren gegen das Urteil des LG Frankfurt vom 20.1.2005 =
Bl. 596 GA)
44
- ablehnend: LG Bonn, Beschl. vom 17.3.2005 - 3 O 657/03 - (ZIP 2005,
1006)
45
LG Düsseldorf (13. Zivilkammer) - 13 O 527/03 - (Hinweise zur
Rechtslage und Beweisbeschluss = Bl. 507 ff. GA)
46
Kleine/Cosack, Rechtsberatungsgesetz, Art. 1 § 3 Rn 56
47
Micklitz/Beuchler, Musterklageverfahren - Einziehung einer Forderung im
Interesse des Verbraucherschutzes -, NJW 2004, 1502 (Bl. 323 GA)
48
Ansatzweise auch Derleder, Anm. zum Beschl. des LG Bonn vom
17.3.2005, EWiR 2005, 579
49
III.
50
1. Die vorstehend aufgezeigte Rechtsproblematik bräuchte allerdings hier nicht
entschieden zu werden, wenn die Klage auch dann unbegründet wäre, falls der Kläger
aktivlegitimiert wäre. Diesen Standpunkt hat das OLG Frankfurt im Verfahren 23 U 38/05
ausweislich seiner Hinweise gemäß § 522 ZPO eingenommen. Es hat ausgeführt, dass
auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - XI
ZR 210/03 - in den so genannten Kartenmissbrauchsfällen der Beweis des ersten
Anscheins für ein grob fahrlässiges Handeln des Karteninhabers spreche, wenn zeitnah
nach einem behaupteten Diebstahl der Karte diese unter Verwendung der zutreffenden
Geheimzahl zum Einsatz komme (Bl. 597 GA).
51
Ebenso hat der Senat die Frage der Aktivlegitimation gemäß Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG in
seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2003 letztlich offen lassen können, weil auch der
dort verfolgte Anspruch unabhängig von dieser Frage nicht bestand.
52
2. Im vorliegenden Fall, der nur einer von insgesamt fünf Parallelfällen des Klägers
gegen verschieden Banken und Sparkassen ist, geht es um Fälle des
Kartenmissbrauchs. Aufgrund der hier vorgetragenen 19 Einzelfälle ist es nach
Auffassung des Senats nicht möglich, die Frage der Aktivlegitimation des Klägers offen
zu lassen.
53
a. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 2004 - XI ZR
210/03 - für den dort beurteilten Einzelfall ausgeführt,
54
dass die dortige Klägerin für die durch die missbräuchliche Verwendung ihrer ec-
Karte entstandenen Schäden hafte, weil diese auf einer grob fahrlässigen
Verletzung ihrer Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten beruhten. Die grobe
Fahrlässigkeit sei darin begründet, dass die Klägerin ihre Pflicht zur Geheimhaltung
der persönlichen Geheimzahl verletzt habe, indem sie diese auf der ec-Karte
vermerkt oder zusammen mit ihr verwahrt habe. Hierfür spreche der Beweis des
ersten Anscheins, der zur Anwendung gelange, wenn ein typischer
Geschehensablauf vorliege, also ein bestimmter Sachverhalt feststehe, der nach der
allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen
bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges
hinweise.
55
Dieser Anscheinsbeweis sei allerdings entkräftet, wenn der Inanspruchgenommene
Tatsachen darlege und beweise, welche die ernsthafte, ebenfalls in Betracht
kommende Möglichkeit einer anderen Ursache nahe legten, oder wenn unstreitig
oder nachgewiesen sei, dass ein schädigendes Ereignis durch zwei verschiedene
Ursachen mit jeweils typischen Geschehensabläufen herbeigeführt worden sein und
jede für sich allein den Schaden verursacht haben könne, und der
Inanspruchgenommene nur für eine dieser möglichen Ursachen hafte.
56
Die gegen diese Beurteilung von der Revision erhobenen Bedenken und Rügen
griffen nicht durch. Das Berufungsgericht sei - sachverständig beraten - zu der
Feststellung gelangt, es sei auch mit größtmöglichem finanziellen Aufwand
mathematisch ausgeschlossen, die PIN einzelner Karten aus den auf ec-Karten
vorhandenen Daten ohne die vorherige Erlangung des zur Verschlüsselung
verwendeten Institutsschlüssels in einer Breite von 128 BIT zu errechnen. Dies
entspreche der Beurteilung, die das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik in einer schriftlichen Auskunft ... für das vom Deutschen
Sparkassen- und Giroverband neu eingeführte PIN-Verfahren abgegeben habe. Die
vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung könne vom BGH lediglich
daraufhin überprüft werden, ob sich das Berufungsgericht entsprechend dem Gebot
des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und
widerspruchsfrei auseinandergesetzt habe, die Beweiswürdigung also vollständig
und rechtlich möglich sei und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verstoße.
57
Ein Ausspähen der Geheimzahl (auch mittels optischer oder technischer Hilfsmittel
oder durch eine Manipulation des Geldausgabeautomaten) komme als weiterer
typischer Geschehensablauf im Einzelfall nur in Betracht, wenn die ec-Karte in
einem näheren zeitlichen Zusammenhang mit der Eingabe der PIN durch den
Karteninhaber entwendet worden sei. Dafür sei im konkreten Fall nichts
vorgetragen.
58
Dass auch Sicherheits- und Softwaremängel als Ursachen für die Möglichkeit eines
Missbrauchs einer gestohlenen ec-Karte theoretisch in Betracht kämen und so
genannte "Innentäterattacken" ermöglichten, habe sich bereits aus dem vom
Berufungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten ergeben. Die hierzu im
vorliegenden Fall vorgenommene Beweiswürdigung, dass solche Möglichkeiten im
allgemeinen außerhalb der Lebenserfahrung lägen, sei revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
59
b. Daraus folgt, dass zwar grundsätzlich in den Kartenmissbrauchsfällen ein
Anscheinsbeweis zugunsten der Bank sprechen
kann
nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht. Denn der Bundesgerichtshof hat hierfür
in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass zahlreiche Einzelfallumstände von
Bedeutung sind, um zur rechtlichen Annahme eines Anscheinsbeweises zu Lasten des
Karteninhabers gelangen zu können. Insbesondere sei ggf. Beweis durch Einholung
eines Gutachtens darüber zu erheben, ob das der jeweiligen ec- oder Kreditkarte
zugrunde liegende System Sicherheitslücken aufweist. Insoweit kann die auf
Rückgängigmachung einer Belastungsbuchung oder auf Auszahlung des belasteten
Betrags in Anspruch genommene Bank eine sekundäre Darlegungslast treffen, so dass
der einzelne Karteninhaber auch als außenstehender Dritter dazu in der Lage ist,
derartige Mängel darzulegen und unter Beweis zu stellen (BGH aaO).
60
Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Beurteilung kann die hier zu entscheidende
Rechtsfrage nicht offen bleiben. Denn unabhängig von der möglicherweise
notwendigen Einholung eines Gutachtens wären jedenfalls die vom Kläger als Zeugen
benannten Karteninhaber dazu zu vernehmen, dass sie nach der Behauptung des
Klägers ihre jeweilige Geheimzahl nicht auf der Karte vermerkt und PIN und Karte auch
nicht gemeinsam aufbewahrt haben sollen (vgl. S. 7 ff. der Klageschrift). Ohne Erhebung
dieser Beweise beruhte die hier zu treffende Entscheidung auf einem Verfahrensfehler.
Eine Beweiserhebung ist demgegenüber nicht notwendig und auch nicht zulässig, wenn
der Kläger schon aus Rechtsgründen nicht aktivlegitimiert ist.
61
IV.
62
Dies vorausgeschickt und unter Aufrechterhaltung des Rechtsstandpunktes, wie er im
Urteil vom 17. Oktober 2003 zu den Voraussetzungen des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG zum
Ausdruck gekommen ist, ist festzustellen, dass der Kläger im vorliegenden Fall nicht
aktivlegitimiert ist.
63
Unstreitig besitzt er nicht eine nach dem Rechtsberatungsgesetz grundsätzlich
erforderliche Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Die
Voraussetzungen des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Damit erweisen sich die streitgegenständlichen Zessionen wegen Verstoßes gegen ein
gesetzliches Verbot nach § 134 BGB als unwirksam. Der Kläger ist nicht Inhaber der an
ihn abgetretenen Ansprüche geworden.
64
1. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, er handele schon nicht "geschäftsmäßig" im
Sinne des Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG (vgl. S. 5 der BB). Dieser Einwand verkennt den
Begriff der Geschäftsmäßigkeit.
65
Der Begriff der Geschäftsmäßigkeit erfordert eine Tätigkeit, bei der der Handelnde
beabsichtigt, sie - sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Art zu
wiederholen und sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil
seiner Beschäftigung zu machen. Er ist nicht gleichbedeutend mit dem der
Gewerbsmäßigkeit. Nicht notwendig ist, dass die Tätigkeit mit Einnahmen verbunden ist
oder auf Einnahmen abzielt, geschweige denn eine Gewinnerzielungsabsicht (BGH WM
2005, 102; Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Art. 1 § 1 Rn 102
mwN).
66
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand der
67
erhobenen "Sammelklage", deren Gegenstand eine bestimmte Anzahl gleichartig
gelagerter oder vergleichbarer Fälle geschädigter Karteninhaber gegen dasselbe
kartenausgebende Kreditinstitut ist, sowie aus dem Umstand der
"Parallelrechtsstreitigkeiten" des Klägers vor anderen Gerichten. Mit diesen Prozessen
beabsichtigt der Kläger nach eigenem Vortrag (S. 6 der Klageschrift) die Erzielung einer
einheitlichen Rechtsprechung in Fällen des ec- oder Kreditkartenmissbrauchs.
2. Danach bedarf der Kläger der nach Art. 1 § 1 RBerG grundsätzlich erforderlichen
behördlichen Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, zu welchen
schon nach dem Gesetzeswortlaut auch die Einziehung fremder oder zu
Einziehungszwecken abgetretener Forderungen gehört.
68
Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des Art. 1 §
3 Nr. 8 RBerG liegen nicht vor.
69
a. Welche Voraussetzungen die Vorschrift im Einzelnen aufstellt, hat der Senat in seiner
Entscheidung vom 17. Oktober 2003 bereits aufgezeigt. Lediglich zur Hervorhebung und
Bekräftigung soll noch einmal betont werden, dass bereits der Wortlaut des Gesetzes
die vom Senat vorgenommene Auslegung bestätigt. Es genügt nicht, dass die
Besorgung der konkreten Rechtsangelegenheit im Interesse des Verbraucherschutzes
liegt, vielmehr muss sie darüber hinaus "erforderlich" sein. Dieses einschränkende
Merkmal kann nicht mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal des "Interesses des
Verbraucherschutzes" unterlaufen werden. Anderenfalls liefe die Regelung entgegen
der vom Gesetzgeber erkennbar gewollten beschränkten Ermächtigung von
Verbraucherzentralen und Verbraucherverbänden auf eine weitreichende Befugnis zur
Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten hinaus, da jeder Rechtsstreit, an welchem
ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB beteiligt ist und hinsichtlich dessen nicht
ausgeschlossen werden kann, dass sich die zu beurteilenden Rechtsfragen auch in
einer unbestimmten Anzahl weiterer Fälle stellen können, diese Anforderungen bereits
erfüllte.
70
Aus diesem Grund können die Ausführungen von Micklitz/Beuchler in NJW 2004, S.
1503 nicht überzeugen, wonach ein kollektives Moment genügen soll, welches bereits
dann gegeben ist, wenn die behauptete verbraucherschutzwidrige Praxis kollektive
Interessen der Verbraucher berührt, also nicht nur das Einzelinteresse eines
Verbrauchers betroffen ist.
71
Mit ähnlichen Erwägungen stellt auch das Landgericht Bonn in seinem Beschluss vom
17. März 2005 lediglich auf ein so genanntes "verbraucherschützendes
Gruppeninteresse" ab (ZIP 2005, 1006, 1007), das sich aus tatsächlichen wie
rechtlichen Gründen ergeben könne. Letztlich wird damit dem von Micklitz/Beuchler
geforderten kollektiven Moment lediglich eine andere Bezeichnung verliehen.
72
Entscheidend für die Beantwortung der vorliegenden Rechtsfrage ist, ob die
gesetzgeberische Formulierung eine Auslegung gebietet, wonach ein weitreichendes
Anwendungsfeld eröffnet werden sollte, oder stattdessen eine solche, wonach die
Rechtsverfolgung durch eine Verbraucherzentrale oder einen anderen
Verbraucherverband im konkreten Einzelfall im Interesse eines wirksamen
Verbraucherschutzes erforderlich sein muss. In diesem letzteren Sinne ist an der
einschränkenden Auslegung des Senats im Urteil vom 17. Oktober 2003 festzuhalten.
73
b. Diese Anforderungen werden im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
74
aa. Die Vielzahl der Argumente des Klägers für eine Anwendung des Art. 1 § 3 Nr. 8
RBerG vermögen nichts daran zu ändern, dass die gesamte Argumentation im
Wesentlichen darauf beruht, dass es - wie bereits aus der bisherigen gerichtlichen
Praxis, aber auch aus allgemein zugänglichen Medienberichten hinlänglich bekannt war
- eine Vielzahl von Fällen gibt, in denen Karteninhaber nach Verlust ihrer ec- oder
Kreditkarte Opfer eines Missbrauchs geworden sind, ohne den erlittenen Schaden auf
die Bank abwälzen zu können, weil ihnen grobe Fahrlässigkeit im Umgang mit ihrer
Geheimzahl vorgeworfen werden konnte.
75
Damit hebt der Kläger lediglich das bereits erwähnte "kollektive Moment" hervor, das
auch nach anderer Ansicht genügen soll, die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen.
Die Gründe, aus welchen der Senat diesem Umstand keine ausreichende Bedeutung
beimisst, um der Zession von Verbraucheransprüchen zugunsten eines
Verbraucherverbands Wirksamkeit verleihen zu können, sind bereits dargetan.
76
bb. Der Auffassung des Landgerichts Bonn, dass in Fällen des Kartenmissbrauchs eine
Individualklage des betroffenen Verbrauchers nicht in gleichem Maße effektiv sei, weil
den Verbraucherzentralen regelmäßig über den Einzelfall hinaus gehende, wesentlich
mehr aussagekräftige und repräsentative Informationen zur Verfügung stehen, vermag
den Senat nicht zu überzeugen.
77
Zum einen dürfte dieser Umstand grundsätzlich für sämtliche Fälle gelten, in welchen
sich ein Verbraucherverband - wie hier - für eine Sammelklage entscheidet bzw.
entscheiden könnte. Aufgrund gesammelter Einzelfälle mit teilweise identischem
Sachverhalt stehen dem Verband zwangsläufig Informationen zur Verfügung, die dem
einzelnen Verbraucher nicht bekannt sein können, insbesondere weil sie ausschließlich
andere Einzelfälle betreffen. Letztlich wird auch damit nur erneut der Umstand der
Kollektivität hervorgehoben, ohne dass ersichtlich ist, inwiefern dies einen "gebündelten
und vertieften Sachvortrag in einer einzigen Klage" ermöglichen soll, wie das
Landgericht Bonn meint. Konkrete Feststellungen hierzu hat es in dem von ihm zu
beurteilenden Fall jedenfalls nicht getroffen.
78
Zum anderen kann der Senat nicht feststellen, dass dem einzelnen Verbraucher, der
sich mit einer Beschwerde an eine Verbraucherzentrale wendet, welcher andere
vergleichbare Einzelfälle bekannt sind, die vom Landgericht Bonn hervorgehobenen
weiteren Erkenntnisse nicht auch ohne Anspruchsabtretung zugänglich sein sollen.
Denn auch für eine Sammelklage benötigt der Verband die Zustimmung jedes
Zedenten, dass "sein" Einzelfall Gegenstand eines gemeinschaftlichen Klageverfahrens
wird, wodurch jedem Zedenten die dem Verbraucherverband lediglich aus anderen
Fällen bekannten Umstände ebenfalls bekannt werden. Soweit es sich hierbei um
abstrakte, also vom Einzelfall unabhängige Umstände handelt, ist erst recht nicht
ersichtlich, warum der einzelne Verbraucher nicht auch durch bloße Information beim
Verbraucherverband Kenntnis hiervon erhalten kann.
79
cc. Der Kläger meint, er könne u.a. mit der vorliegenden Klage
verbraucherschutzwidriger Praktiken abstellen, die er in den vorgetragenen Einzelfällen
insbesondere darin sieht, dass die beklagte Bank ein System betreibt, das
möglicherweise Sicherheitslücken und -defizite aufweist, aufgrund welcher die
streitgegenständlichen Bargeldabhebungen auch dann möglich gewesen sein könnten,
80
wenn eine Notiz der Geheimzahl auf der Karte oder deren gemeinsame Aufbewahrung
mit der Karte tatsächlich nicht gegeben gewesen sein sollten.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03 - ist
jedoch eindeutig zu entnehmen, dass es sich in den so genannten
Kartenmissbrauchsfällen um Einzelfallentscheidungen handelt, und zwar auch und
gerade im Hinblick auf die Frage, ob das von der betreffenden Bank verwendete
Verschlüsselungssystem den im Prozess geltend gemachten Angriffen des
geschädigten Karteninhabers Stand hält, worüber ggf. durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben ist, was in dem dem
Bundesgerichtshof vorliegenden Fall auch geschehen war. Damit kann eine
verbraucherschutzwidrige Praxis, welche den Anwendungsbereich des Art. 1 § 3 Nr. 8
RBerG eröffnen könnte, nicht angenommen werden, weil die Berechtigung einer Bank,
sich auf ihr Sicherheitssystem zu berufen, einer Überprüfung im konkreten Einzelfall
bedarf. Das sieht ihm Grunde auch der Kläger so, der für die hier anhängigen
Schadensfälle selbst vorträgt, dass verschiedene Ursachen dafür in Betracht kommen
können, dass die Geheimzahlen der einzelnen zur Anwendung gelangten Karten vom
Dieb/Schädiger hätten in Erfahrung gebracht oder umgangen werden können (vgl. nur
Schriftsatz vom 7. September 2005). Unabhängig von der notwendigen Sachaufklärung
dazu, wie es im Einzelnen zum Verlust der Karten gekommen sein soll, wäre also nach
dem Klägervortrag - im Falle der Bejahung der Aktivlegitimation - ein Gutachten über die
Sicherheit des der jeweils zum Einsatz gekommenen Karte zugrunde liegenden
Systems der Beklagten einzuholen. Damit erweist sich aber jeder der hier anhängig
gemachten Schadensfälle als Einzelfallentscheidung. Dass die Verfolgung des
einzelnen Anspruchs durch den Kläger im Interesse des Verbraucherschutzes
erforderlich ist, lässt sich jedoch nicht feststellen und wird nicht einmal vom Kläger
behauptet. Auch ist nicht ersichtlich, worin eine besondere Effizienz oder erhöhte
Prozessökonomie liegen soll, wenn sich der zu beauftragende Gutachter mit
unterschiedlichen Ursachemöglichkeiten befassen muss, von welchen in einem
Schadensfall die eine und in einem anderen Fall die andere Ursache tatsächlich kausal
geworden sein könnte. Dass in allen 19 Fällen dieselbe Ursache kausal war, trägt der
Kläger nicht vor und kann er auch nicht vortragen.
81
Die Erwägung des Klägers, es sei prozessökonomisch, Ansprüche mehrerer
Karteninhaber gegen dasselbe Kreditinstitut miteinander zu verbinden, weil dann die
erforderliche Beweisaufnahme zur Sicherheit des Verschlüsselungssystems einer
bestimmten Bank nur einmal durchgeführt zu werden bräuchte, ist für die Anwendung
des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG irrelevant, weil eine prozessökonomische Zielsetzung den
aufgezeigten rechtlichen Anforderungen keinesfalls genügt. Ebenso kann die konkrete
Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum vorgekommenen Einzelfälle die
Entscheidung zugunsten des Klägers nicht beeinflussen. Schließlich sind die
betroffenen Kontoinhaber auch nicht dadurch in prozessualer Hinsicht beschränkt, dass
sie im Falle eigener Prozessführung Partei sind und nicht als Zeuge für relevante
Einzelheiten zur Verfügung stehen. Einem solchen Hindernis kann auch durch eine
Abtretung des Anspruchs an einen sonstigen Dritten, insbesondere eine bestimmte
nahe stehende Person, entsprechend begegnet werden.
82
dd. Dass entscheidende Rechtsfragen, die auch im vorliegenden Rechtsstreit von
Bedeutung wären, wenn die Aktivlegitimation des Klägers zu bejahen wäre, durch den
Bundesgerichtshof erstmals am 5. Oktober 2004, also nach Erhebung der vorliegenden
Klage beantwortet worden sind, ist für die Beurteilung der Aktivlegitimation unerheblich.
83
Wie bereits hervorgehoben worden ist, kommt es auch unter Zugrundelegung der
Rechtsausführungen des Bundesgerichtshofs entscheidend auf die konkreten
Einzelfallumstände an, und zwar sowohl hinsichtlich des Verschlüsselungssystems als
auch des Abhandenkommens der jeweiligen Karte und der Verwahrung der
Geheimnummer. Diese Erkenntnis bestand aber in Rechtsprechung und Literatur schon
zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Abtretungen, lediglich die Frage der
Anwendbarkeit der Grundsätze des Anscheinsbeweises bei Vorliegen bestimmter
Voraussetzungen war höchstrichterlich noch nicht geklärt. Abgesehen davon hat das
Verfahren, das mit der Revisionsentscheidung vom 5. Oktober 2004 endete, in
eindeutiger Weise gezeigt, wie effektiv der Rechtsschutz bei einer Rechtsverfolgung des
einzelnen Karteninhabers tatsächlich funktionieren kann. Dass der Bundesgerichtshof
auf der Grundlage seiner umfangreichen Erwägungen nicht zugunsten des dortigen
Klägers entschieden hat, ist dabei natürlich unerheblich.
ee. Dass eine Vielzahl der streitgegenständlichen Karteninhaber verhältnismäßig
geringfügige Schäden erlitten hat, kann eine abweichende Beurteilung nicht
rechtfertigen. Ein mangelnder Anreiz zur eigenständigen Klageerhebung bei
bestimmten Geschädigten wird vom Kläger schon nicht dargetan. Auch das Landgericht
Bonn hält diesen Umstand offensichtlich für nicht entscheidend, obwohl in seinem
Verfahren 30 Geschädigte durch den Kläger einen Gesamtbetrag von weniger als
27.400,-- Euro geltend machen lassen und somit zumindest ein Teil der Betroffenen
zwingend in relativ geringfügiger Höhe durch Belastungsbuchungen beschwert sein
muss.
84
Die in der Gesetzesentwicklung angeführte Begründung des Koalitionsentwurfs zur
Änderung der gesetzlichen Regelung - "wenn für die Verbraucher wegen der geringen
Anspruchshöhe kein Anreiz für Individualklagen besteht" - belegt (abgesehen davon,
dass die Begründung ohnehin auf Kritik stieß) nicht, dass bei Unterschreiten einer
bestimmten Wertgrenze zwingend von den Voraussetzungen des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG
auszugehen ist. Eine solche Grenzziehung lässt sich auch kaum vornehmen und ist
vom Gesetzgeber nicht vorgenommen worden. Die Frage, ob ein Verbraucherverband
sich auf die Ausnahmevorschrift berufen kann, kann auch nicht von einer etwaigen
Erklärung des einzelnen Verbrauchers abhängen, er sei - insbesondere wegen einer
nur geringen Forderung, aus Kostengründen sowie wegen des Prozessrisikos - nicht
bereit, selbst Klage zu erheben. Die Möglichkeit zur erlaubten Rechtsverfolgung durch
einen Verbraucherverband ist durch den Gesetzgeber geregelt worden. Nur wenn die
geregelten Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, kann die Zession von Ansprüchen
wirksam und ihre gerichtliche Geltendmachung zulässig sein. Der Disposition einzelner
Verbraucher unterliegt all dies nicht.
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3. Im Ergebnis bleibt der Senat daher bei seiner Auffassung, dass die hier
entscheidende gesetzliche Regelung in Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG besondere Umstände
verlangt, die es rechtfertigen und erforderlich machen, den einzelnen Anspruch des
jeweiligen Zedenten im Interesse des Verbraucherschutzes geltend zu machen. Solche
Umstände können aus den genannten Gründen in den hier vorliegenden
Kartenmissbrauchsfällen nicht festgestellt werden. Ein kollektives Moment, das darin
begründet ist, dass von bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfragen auch eine
unbestimmte Anzahl anderer Verbraucher betroffen sein kann, genügt nicht.
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Greift damit die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG vorliegend nicht ein,
verstößt der Kläger durch die gerichtliche Geltendmachung der Klageforderung gegen
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Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG. Die Verletzung der Erlaubnispflicht nach dieser Vorschrift führt
nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abtretung. Ohne die behördliche Erlaubnis ist die
Forderungsabtretung nichtig.
C.
88
Alle weiteren im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Tatsachen- und Rechtsfragen
können damit dahingestellt bleiben, u.a. auch die Frage, ob der hilfsweise geltend
gemachte Anspruch auf Kontoberichtigung durch Wiedergutschrift belasteter Beträge
überhaupt abtretbar ist und - wenn ja - ob er schon deshalb nicht die Voraussetzungen
des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG erfüllt, weil die Vorschrift nur Zahlungsansprüche erfasst.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat auf 13.544,-- Euro festgesetzt.
In dieser Höhe ist der Kläger beschwert.
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Der Senat hat die Revision zugelassen, weil es im vorliegenden Rechtsstreit
entscheidend auf die zutreffende Auslegung und Reichweite der Ausnahmevorschrift
des Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG ankommt, hinsichtlich welcher bereits
Meinungsverschiedenheiten in der Instanzrechtsprechung aufgetreten sind. Damit
liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vor. Zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich.
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R... S... F...
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