Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.04.2007
OLG Düsseldorf: versammlung, anfechtung, erstellung, miteigentümer, genehmigung, schlussabrechnung, rücklage, wohnfläche, form, kostenverteilung
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 127/06
Datum:
20.04.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 127/06
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 10 T 79/05
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat
der Betei-ligte zu 1. zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten
findet nicht statt.
Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 3 WEG: bis 38.000 €.
I.
1
Die Beteiligten streiten in zahlreichen Verfahren über die Gültigkeit von Beschlüssen
über die Genehmigung von Jahresabrechnungen.
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In zwei Wohnungseigentumsverfahren erklärte das Amtsgericht jeweils mit Beschluss
vom 12. Mai 2003 Beschlüsse von Wohnungseigentümerversammlungen über die
Genehmigung von Jahresabrechnungen für die Jahre 1996 bis 2001 teilweise für
ungültig. Außerdem erklärte das Amtsgericht in einem weiteren Verfahren einen
Beschluss über die Verteilung von Prozesskosten der
Wohnungseigentümergemeinschaft in den Jahresabrechnungen 1997 und 1998 für
ungültig.
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Daraufhin beschlossen die Eigentümer auf der außerordentlichen Versammlung vom
1. Juli 2004 mehrheitlich, zur "Umsetzung der Gerichtsurteile" zwei
Wohnungseigentümer mit der Erstellung der Jahresabrechnungen 1996 bis
einschließlich 2001 "gemäß den vorliegenden Gerichtsurteilen zu beauftragen". Diese
Abrechnungen wurden durch Beschlüsse der ordentlichen Eigentümerversammlung
vom 24. Februar 2005 genehmigt. Darüber hinaus beschloss die
Eigentümerversammlung die Entlastung derjenigen beiden Wohnungseigentümer, die
die neuen Jahresabrechnungen erstellt hatten.
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Der Beteiligte zu 1. hat (unter anderem) beantragt, diese Beschlüsse für ungültig zu
erklären, und hierzu umfassend Einwände gegen die sachliche und rechnerische
Richtigkeit der Abrechnungen vorgebracht. Dieses Begehren ist vor dem Amtsgericht
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ebenso wie – auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. – vor dem Landgericht,
jeweils nach mündlicher Verhandlung, in der Sache ohne Erfolg geblieben.
Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1. seine
Anfechtungsanträge weiter. Er macht – erstmals – geltend, den Miteigentümern sei auf
der Eigentümerversammlung ein Redeverbot verordnet worden, weil es in der
Einladung zur Versammlung geheißen habe, Fragen zu den Abrechnungen seien vor
der Versammlung mit der Verwaltung zu erörtern, auf der Versammlung würden
ausschließlich die Beschlüsse gefasst werden.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
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Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist in der Sache nicht begründet, da die Entscheidung
des Landgerichts in dem beim Senat zur Beurteilung anstehenden Umfang nicht auf
einer Rechtsverletzung (§ 27 FGG) beruht.
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1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die in den Vorverfahren gegenständlichen
Jahresabrechnungen seien seinerzeit vom Amtsgericht lediglich in drei Punkten für
ungültig erklärt worden, und die diesbezüglichen Mängel seien in den neuen, nunmehr
in Rede stehenden Jahresabrechnungen vollständig beseitigt. Dadurch, dass die vom
Amtsgericht in den vorangegangenen Beschlüssen aufgeführten Ungültigkeitsgründe
durch die nunmehr erstellten Abrechnungen für die Jahre 1996 bis 2001 ausgeräumt
seien, müsse der erneute Antrag des Beteiligten zu 1., eben diese Jahresabrechnungen
für ungültig zu erklären, scheitern, weil in allen übrigen Punkten die früheren
Jahresabrechnungen nicht wirksam beanstandet worden seien, was der Beteiligte zu 1.
durch Rücknahme seiner Beschwerden in den Vorverfahren selbst herbeigeführt habe.
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2. Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung im
Ergebnis stand.
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Im vorliegenden Fall können auf den Anfechtungsantrag des Beteiligten zu 1. hin die auf
der Eigentümerversammlung vom 24. Februar 2005 zu TOP 2 beschlossenen
Genehmigungen der Jahresabrechnungen für die Jahre 1996 bis 2001 nur noch
beschränkt auf ihre Gültigkeit geprüft werden.
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Wie auch der Beteiligte zu 1. im Ansatz nicht verkennt, hängt die Bestimmung des
Prüfungsumfanges davon ab, was – d.i. über welchen Gegenstand – von den
Eigentümern konkret beschlossen worden ist. Dies waren nach dem Protokoll der
Versammlung vom 24. Februar 2005 zwar schlechthin die "Abrechnungen". Die –
gebotene – Auslegung ergibt indes, dass diese Abrechnungen nur insofern Gegenstand
der Beschlussfassung sein sollten, als die erneute Erstellung von Jahresabrechnungen
veranlasst worden war durch (amts-)gerichtliche Entscheidungen im Mai 2003, mit
denen frühere Abrechnungen jener Jahre teilweise für ungültig erklärt worden waren.
Anders lässt sich weder die "Beauftragung" der beiden Miteigentümer mit der
"Erstellung der Jahresabrechnungen" 1996 bis 2001 zum – ausdrücklich bezeichneten
– Zweck der "Umsetzung der Gerichtsurteile" ("gemäß den vorliegenden
Gerichtsurteilen"), die auf der Eigentümerversammlung vom 1. Juli 2004 zu TOP 2
beschlossen wurde, noch das Schreiben jener beiden Miteigentümer vom 30. November
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2004, in dem die vorgenannten Formulierungen aufgegriffen wurden, verstehen. Zwar
war in letzterem ferner davon die Rede, es seien sämtliche Kontenbewegungen mit den
Belegen abgeglichen worden; zugleich jedoch wurde mitgeteilt, die Ein- und Ausgaben
hätten entsprechend der "ersten" Abrechnung bestätigt werden können.
Bei dieser Lage sind die jetzt angefochtenen Genehmigungsbeschlüsse in demjenigen
Umfang, in welchem sie Abrechnungen zum Gegenstand haben, die gegenüber den
vorangehenden und gerichtlich teilweise für ungültig erklärten Abrechnungen
Änderungen allein in den vom Gericht beanstandeten Punkten aufweisen, hinsichtlich
der unveränderten Abrechnungsbestandteile in jedem Falle der – erneuten –
Überprüfung durch ein Wohnungseigentumsgericht entzogen. Dabei bedarf es keiner
abschließenden Klärung, ob dieses Ergebnis darauf beruht, dass die nunmehr erstellten
Abrechnungen in ihren die alten Abrechnungen lediglich wieder aufgreifenden Teilen
gar nicht materiell zum Gegenstand der Genehmigungsbeschlüsse gemacht, sondern in
diese nur nachrichtlich aufgenommen wurden, um die Abrechnungen und damit auch
die auf sie bezogenen Beschlüsse aus sich heraus verständlich zu machen, oder ob es
sich insoweit um grundsätzlich der Beschlussanfechtung zugängliche, aber rein
verstärkende Zweitbeschlüsse handelte, für deren Anfechtung regelmäßig und so auch
vorliegend – wegen Fortbestandes des ursprünglichen Beschlusses im Falle ihrer
Ungültigerklärung – das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
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Hingegen unterliegen die jetzigen Genehmigungsbeschlüsse der gerichtlichen Prüfung
im Beschlussanfechtungsverfahren, soweit die neuen Abrechnungen durch Änderungen
gegenüber den alten den gerichtlichen Beanstandungen Rechnung tragen sollten, aber
auch, soweit sie Änderungen in den durch rechtskräftige Entscheidung bestandskräftig
gewordenen Teilen der alten Abrechnungen aufweisen. Der Unterschied zwischen
diesen Fällen ist lediglich, dass im erstgenannten ein angreifbarer Erstbeschluss, im
zweitgenannten ein im Anfechtungsverfahren zulässigerweise überprüfbarer,
abändernder Zweitbeschluss vorliegt. Insofern ist allerdings eine tatsächliche –
weitergehende – Änderung zu verlangen, es reicht nicht aus, dass der Ersteller der
neugefassten Abrechnung ohne Auswirkung auf das Ergebnis das der alten
Abrechnung zugrunde liegende Zahlenwerk nochmals prüft; denn in einem solchen Fall
tritt letztlich gerade keine Veränderung gegenüber derjenigen Lage, über die
rechtskräftig befunden wurde, ein.
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Die hier beschriebene Sichtweise trägt nicht nur der Rechtskraft – und deren Reichweite
– der gerichtlichen Entscheidung über den auf die erste Abrechnung bezogenen
Anfechtungsantrag Rechnung, sondern gewährleistet auch in gebotener Form den
Rechtsfrieden. Nähme man den Standpunkt ein, nach teilweiser gerichtlicher
Ungültigerklärung von Genehmigungsbeschlüssen über Jahresabrechnungen werde
über die Genehmigung der korrigierten Abrechnung durch wiederum vollständig
überprüfbaren Zweitbeschluss befunden, liefe dies auf eine Perpetuierung der
Anfechtungsmöglichkeit hinaus. Es bestünde die Gefahr, dass Antragsteller von
"Kettenanfechtungen" ihre sämtlichen Einwände gegen eine Jahresabrechnung nicht
bereits, wie geboten, im ersten Anfechtungsverfahren vorbringen, sondern sich zum Teil
für die gegen die Genehmigungen der korrigierten Abrechnung gerichteten
Anfechtungsverfahren "aufsparen".
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Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die
Genehmigungsbeschlüsse weder an Nichtigkeits-, noch an Anfechtungsgründen leiden.
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a) Eine zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit führende unzulässige Beschränkung des
Rederechts der Eigentümer auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 24.
Februar 2005 ist nicht feststellbar.
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Erstmals mit der Begründung zur weiteren Beschwerde macht der Beteiligte zu 1.
geltend, den Miteigentümern sei ein unzulässiges Redeverbot verordnet worden, weil es
in der Einladung zur vorbezeichneten Eigentümerversammlung heiße, Fragen zu den
Abrechnungen seien vor der Versammlung mit der Verwaltung zu erörtern, auf der
Versammlung selbst würden ausschließlich die Beschlüsse gefasst werden.
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Für die Frage, ob einzelne Wohnungseigentümer anlässlich einer
Eigentümerversammlung an der Ausübung wesentlicher Teilhaberechte unzulässig
gehindert wurden, sind jedoch nicht Ankündigungen seitens des Verwalters in der
Einladung maßgeblich, vielmehr entscheidet die auf Geschäftsordnungsbeschlüssen
der Eigentümer oder Geschäftsordnungsmaßnahmen des Verwalters beruhende
tatsächliche Gestaltung der Wohnungseigentümerversammlung selbst, insbesondere
die dort tatsächlich geübte Diskussionsleitung (vgl. Staudinger-Bub, BGB, 13. Bearb.
2005, § 24 WEG Rdnr. 97 ff). Hierzu legt der Beteiligte zu 1. auch im
Rechtsbeschwerdeverfahren nichts dar. Aus der einzigen insoweit nach Aktenlage
vorhandenen Erkenntnisquelle, dem Protokoll der Versammlung vom 24. Februar 2005,
lässt sich eine unzulässige Einschränkung wesentlicher Teilhaberechte nicht
entnehmen. Im Gegenteil spricht die dort verzeichnete Dauer der Versammlung von
einer Stunde und zehn Minuten für die Fassung einzig der hier in Rede stehenden
Beschlüsse dafür, dass sich der tatsächliche Inhalt der Versammlung nicht darin
erschöpfte, die Beschlussvorschläge "abzunicken".
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Sofern man gleichwohl von einem Einberufungsmangel ausgehen wollte, könnte der
Beteiligte zu 1. auf diesen seinen Antrag nicht mit Erfolg stützen. Es fehlt an der
Ursächlichkeit des Mangels für die Beschlussfassung, jedenfalls muss sich ein
anfechtender Wohnungseigentümer den Einwand der Arglist entgegenhalten lassen,
wenn er – wie hier der Beteiligte zu 1. – in Kenntnis des Einberufungsmangels an der
Versammlung teilnimmt und sogar mit abstimmt, ohne eine entsprechende Rüge zu
erheben (OLG Hamm NJW-RR 1993, S. 468/469; Staudinger-Bub a.a.O., Rdnr. 146).
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b) Offenbleiben kann die Frage, ob das Landgericht ohne Rechtsirrtum davon
ausgegangen ist, die jetzt genehmigten Jahresabrechnungen seien bezüglich der
Verteilung der Kosten für "Reparaturen" nicht in entscheidungserheblicher Weise zu
beanstanden, weil sie überwiegend nach Miteigentumsanteilen und damit zutreffend,
hinsichtlich des Jahres 1999 zwar fälschlich, jedoch allein zugunsten des Beteiligten zu
1. nach Wohnfläche verteilt worden seien. Namentlich kann dahinstehen, dass durch die
früheren amtsgerichtlichen Beschlüsse der Kostenverteilungsschlüssel für die Umlage
der "Reparatur"-Kosten – entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts – nicht mit
bindender Wirkung festgelegt worden war und dass das Amtsgericht insbesondere nicht
die Miteigentumsanteile, sondern eher die Wohnfläche als zutreffenden
Umlagemaßstab angesehen haben dürfte, so dass der Kostenverteilungsschlüssel im
vorliegenden Verfahren erst noch hätte ermittelt werden müssen. Denn insofern –
bezüglich dieses Umlagemaßstabes – hat der Beteiligte zu 1. sein Rechtsmittel in
schlüssiger Form beschränkt.
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Einwände gegen den vom Landgericht für zutreffend erachteten Verteilungsschlüssel
erhebt er nicht. Aufgrund eines weiteren Umstandes ist der Schluss gerechtfertigt, der
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Beteiligte zu 1. bringe hierdurch zum Ausdruck, sich für die hier allein in Rede
stehenden Abrechnungszeiträume mit der Entscheidung der Vorinstanz abfinden zu
wollen. Die Differenz beider Verteilungsschlüssel wirkt sich nämlich insoweit nur sehr
geringfügig aus. Bei dem Schlüssel "Miteigentumsanteile" wird der Beteiligte zu 1. mit
17,7 %, bei "Wohnfläche" mit 17,38 % belastet. Hieraus errechnet sich in den fünf von
der Kostenposition betroffenen Jahren eine ihm günstige Differenz von allenfalls ca.
150 DM. Davon abzuziehen sind noch die ihm auch nach der landgerichtlichen
Auffassung verbleibenden gut 96 DM zu seinen Gunsten.
c) Die Darstellungen der Instandhaltungsrücklage für die Jahre 1996 bis 2001 genügen
den an sie zu stellenden, den Parteien im Einzelnen bekannten Anforderungen.
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Zwar dürfte die jeweilige Darstellung unter 1. ("Rücklagenkonto") für sich genommen zu
beanstanden sein. Darauf kommt es jedoch nicht maßgeblich an. Denn die sodann
unter Ziffer 2. jeweils folgenden "Erläuterungen zum Rücklagenkonto" verdeutlichen das
Zahlenwerk in klarer und übersichtlicher Form. Aus diesen Erläuterungen ergibt sich
zweifelsfrei, welcher Betrag jeweils die "rein buchhalterische Fortschreibung" darstellt,
bei welchen Beträgen es sich mithin um bloße Soll-Zahlen handelt; diese Zahlen
werden – ohne weiteres erkennbar – unter Ziffer 3. "rechnerisch" auf die einzelnen
Wohnungseigentümer aufgeteilt. Sodann folgt die Erläuterung, aus welchen Gründen im
Einzelnen die Rücklage in ihrem Ist-Bestand geringer ist. Abschließend folgt die genaue
Benennung des verfügbaren Teils zum jeweiligen Jahresende unter Hinweis entweder
auf das "Bankkonto" oder der genaueren Beschreibung einzelner von mehreren
vorhandenen Konten (laufendes Bankkonto, separates Rücklagenkonto, weiteres
Konto). Widersprüche im Zahlenwerk ergeben sich auch nicht für die Jahre 1999 und
2001. Die dort unter Ziffer 1., "Haben"-Seite, verzeichneten Beträge für "Rücklage"
zuzüglich "Festgeldkonto" bzw. "Rücklage" sind mit dem unter Ziffer 2. genannten
buchhalterischen Fortschreibungsbetrag und dem unter Ziffer 3. aufgeführten Gesamt-
Endbe-stand identisch. Insgesamt verschaffen die Darstellungen der
Instandhaltungsrücklage einen hinreichend geordneten Überblick nicht nur über die
jeweiligen Abrechnungsjahre, sondern auch über die Entwicklung der tatsächlichen
Verhältnisse über die Jahre hinweg. Damit entsprechen die Jahresabrechnungen
insoweit ordnungsgemäßer Verwaltung.
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Unerheblich ist demgegenüber, ob der Beteiligte zu 1. mit seinem Vorbringen, entgegen
der tatsächlichen Handhabung müsse die Instandhaltungsrücklage im vollen
vorhandenen Umfang einem gesonderten Rücklagenkonto zugeführt werden, auch
dürften nicht alle rückständigen Beträge aus vergangenen Jahresabrechnungen ohne
weiteres als der Instandhaltungsrücklage gebührend – und damit als Gründe für das
Zurückbleiben der Ist- gegenüber den Soll-Zahlen – gebucht werden, Recht hat oder
nicht. Denn diese Gesichtspunkte betreffen nicht die hier allein in Rede stehende Frage
der formellen Richtigkeit einer Jahresabrechnung, sondern diejenige der materiellen
Richtigkeit der zugrunde liegenden Buchungsvorgänge. Eine Jahresabrechnung muss
jedoch in dem Sinne wahrheitsgemäß und vollständig sein, dass sämtliche tatsächlich
vorhandenen Geldpositionen und sämtliche tatsächlich geschehenen Geldbewegungen
unabhängig von ihrer materiell-rechtlichen Richtigkeit in die Abrechnung aufgenommen
werden (vgl. BGH NJW 1997, S. 2106/2108; BayObLG ZMR 2005, S. 563; OLG
Düsseldorf WuM 1991, S. 619 f).
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d) Was die Kosten des Wohnungseigentums-Entziehungsverfahrens gegen den
Beteiligten zu 1. anbelangt, hat das Landgericht nach Ergebnis und Begründung
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beanstandungsfrei ausgeführt, dass die Verteilung in den jetzt genehmigten
Jahresabrechnungen für 1997 und 1998 so vorgenommen wurde, wie es
ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (dazu auch: Staudinger-Bub a.a.O., § 16 WEG
Rdnr. 177 f. m.umfangr. Nachw.). Aus der in § 16 Abs. 4 WEG niedergelegten
Entscheidung des Gesetzgebers, die Kosten einer derartigen Streitigkeit zu den
Verwaltungskosten im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG zu erklären, folgt, dass an ihnen
grundsätzlich auch der beklagte Wohnungseigentümer zu beteiligen ist, selbst dann,
wenn er obsiegt; den Ausnahmefall einer von vornherein aussichtlosen und
rechtsmissbräuchlichen Entziehungsklage hat das Landgericht fehlerfrei verneint.
e) Eine Änderung in den Abrechnungen, bezüglich deren ein abändernder
Zweitbeschluss vorliegt, findet sich – entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1. – einzig
in der Abrechnung für 2001 zur dortigen Position 16.1 ("Schlussabrechnung Klage §
18"). Sie entspricht gleichfalls ordnungsgemäßer Verwaltung.
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Die Verringerung der Belastung des Beteiligten zu 1. um 96,39 DM im Jahre 1999 folgt –
wie sich auch aus der Berechnung des Landgerichts ergibt – allein aus der
Veränderung des Verteilungsschlüssels bezüglich der vom Amtsgericht gerade
beanstandeten Kostenposition (Nr. 14) Instandhaltung/Instandsetzung. Die Verringerung
um 454,97 DM durch die Neuabrechnung für das Jahr 2001 resultiert einerseits
ebenfalls aus einer solchen Änderung: Sie trägt, soweit der Beteiligte zu 1. nicht mehr
mit einer Beteiligung an Kosten von 8.214,83 DM belastet worden ist, dem Umstand
Rechnung, dass der seinerzeitige Beschluss über die Sanierung des Balkons eines
Wohnungseigentümers (damaliger TOP 10/11) vom Amtsgericht gleichfalls für ungültig
erklärt worden war. Damit berühren beide Änderungen bestandskräftig gewordene Teile
der ursprünglichen Abrechnungen nicht. Auf den Anfechtungsantrag des Beteiligten zu
1. sind die Genehmigungsbeschlüsse insoweit bereits deshalb nicht für ungültig zu
erklären, weil beide Änderungen ihn nicht belasten, sondern begünstigen. Sollte der
Beteiligte zu 1. diese Änderungen angreifen wollen, fiele ihm insoweit
Rechtsmissbrauch zur Last. Denn rechtsmissbräuchlich ist eine Anfechtung als
sogenannte altruistische Anfechtung, wenn die übrigen Wohnungseigentümer die
Kostenverteilung nicht beanstanden und der Anfechtende durch die angestrebte
Änderung nur Nachteile erleiden würde (BayObLG ZMR 2004, S. 358 f.).
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Demgegenüber wird der Beteiligte zu 1. belastet, soweit in die neue Abrechnung
5.644,40 DM an Kosten für die Schlussabrechnung des Entziehungsverfahrens
aufgenommen wurden. Der diesbezügliche abändernde Zweitbeschluss ist aber nicht
zu beanstanden. Er greift in schutzwürdige Belange des Beteiligten zu 1. aus dem Inhalt
und den Wirkungen des Erstbeschlusses über die alte Abrechnung (zu diesem Maßstab
Staudinger-Bub a.a.O., § 23 WEG Rdnr. 122 m.w.Nachw.) schon deshalb nicht ein, weil
die Eigentümer in der Versammlung vom 2. November 2001 einen – später vom
Amtsgericht für ungültig erklärten – gesonderten Beschluss über die
"Schlussabrechnung" der Prozesskosten gefasst hatten, so dass dem Beteiligten zu 1.
bewusst sein musste, dass die Kosten noch zur Verteilung anstanden und er kein
Vertrauen dahin bilden konnte, insofern unbelastet zu bleiben. In der Sache entspricht
die Kostenverteilung, wie bereits zuvor ausgeführt, ordnungsgemäßer Verwaltung.
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f) Schließlich widersprach es bei den hier gegebenen Umständen nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung, dass die Eigentümer einen Beschluss über die
Entlastung derjenigen beiden Wohnungseigentümer, die die neu gefassten
Jahresabrechnungen erstellt hatten, fassten.
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Zwar ist das Rechtsinstitut der Entlastung für die Tätigkeiten von Verwalter und Beirat
entwickelt worden und ließ sich die isolierte Erstellung neuer Abrechnungen nicht mit
solchen Tätigkeiten gleichsetzen. Indes konnte das aus einer Entlastung
gegebenenfalls folgende negative Schuldanerkenntnis Bedeutung bei der Frage, ob
dem Entgeltanspruch der beiden Miteigentümer von der Gemeinschaft oder den übrigen
Eigentümern Einwände entgegengesetzt werden konnten, gewinnen.
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Aus den oben behandelten Gründen ist nicht erkennbar, dass die Eigentümer ihr
Entscheidungsermessen überschritten hätten, indem sie die Entlastung erteilten. Das
gilt wegen der Marginalität der Differenzbeträge selbst dann, wenn der in der
überwiegenden Zahl der Abrechnungen bei der Position "Reparaturen" bzw.
"Instandhaltung/Instandsetzung" verwendete Verteilungsschlüssel unzutreffend
gewesen sein sollte.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 und 2 WEG. Ein Anlass, von der Regel
abzuweichen, dass die Beteiligten im Wohnungseigentumsverfahren ihre
außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben, besteht – auch unter
Berücksichtigung der Komplexität des Verfahrenstoffes – nicht.
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Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde bemisst der Senat auf
dieselbe Gebührenstufe wie – bezüglich der Anfechtungsanträge des Beteiligten zu 1. –
die Vorinstanzen. Hiervon entfallen auf den Angriff gegen den Entlastungsbeschluss
500 €. Hinsichtlich der Anfechtung der Genehmigungen der sechs Jahresabrechnungen
erschöpft sich der Geschäftswert zumindest im vorliegenden Fall nicht in dem
Gesamtbetrag der vom Beteiligten zu 1. nach jenen Abrechnungen zu leistenden
Nachzahlung in Höhe von knapp 13.400 €, denn der Beteiligte zu 1. begehrt nach
seinem gesamten Vorbringen eine völlige, den – wie er meint – tatsächlichen
Verhältnissen erstmals angepasste Neuerstellung dieser Abrechnungen. Dem daraus
folgenden Bestandsinteresse der übrigen Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft, der Beteiligten zu 2., trägt die vorgenommene
Werterhöhung angemessen Rechnung.
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