Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.03.2006

OLG Düsseldorf: mitverschulden, zugehör, gebäude, vertragserfüllung, freifläche, unterlassen, vertretung, zugang, entstehung, zustellung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 161/05
Datum:
20.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 161/05
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 3 O 34/05
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen. Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu
binnen zwei Wochen ab Zustellung
dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
G r ü n d e
1
Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht und mit zu-
treffenden Erwägungen hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 18.659,03
EUR nebst Zinsen verurteilt. Das landgerichtliche Urteil ist richtig und die
Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
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I.
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Der Beklagte ist dem Kläger wegen defizitärer Vertretung in dem
Zugewinnausgleichsverfahren vor dem Familiengericht Mettmann (Az. 42 F 239/00) zur
Zahlung von Schadensersatz in der zuerkannten Höhe verpflichtet (§§ 675, 611, 280
BGB).
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1.
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Der Beklagte hat es pflichtwidrig unterlassen, das zur Ermittlung des Zugewinns vom
Familiengericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen P. sorgfältig zu überprüfen,
weshalb ihm die im Zusammenhang mit der Ermittlung des Endvermögens fehlerhafte
Berechnung der Grundstücksgröße verborgen geblieben ist.
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Die zutreffende Grundstücksgröße beträgt 1.052 qm (vgl. Bodenwert zum
Bewertungsstichtag 02. August 1974), während der Sachverständige zum
Bewertungsstichtag am 29. Mai 1998 eine Fläche von 1.231 qm zugrunde legte. Von
diesen Feststellungen ist das Landgericht zutreffend ausgegangen, denn der Beklagte
ist diesem Vorbringen des Klägers nicht substantiiert entgegen getreten (§ 138 Abs. 3
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ZPO).
Erstinstanzlich hat er lediglich bestritten, dass die vom Sachverständigen mit 1.231 qm
angenommene Grundstücksfläche unrichtig sei (Schriftsatz vom 12. März 2005, S. 2, GA
24). Dies stellte jedoch kein substanziiertes Bestreiten dar. Ein solches wäre jedoch im
Hinblick darauf, dass der Beklagte aufgrund seiner Tätigkeit für den Kläger im
Zugewinnausgleichsverfahren im einzelnen mit der Entwicklung von dessen
Vermögensverhältnissen während der Ehezeit vertraut war, erforderlich gewesen.
Zwischen den Parteien steht nämlich nicht im Streit, dass das Grundstück des Klägers
zwischen 1974 und 1998 keine Vergrößerung durch den Zukauf weiterer Flächen o.ä.
erfahren hat. Das dahingehende Vorbringen des Klägers ist unstreitig geblieben. Geht
man hiervon aus, muss die Flächenangabe mit 1.231 qm jedoch unrichtig sein, denn
zum einen wird die Abweichung zur Grundstücksgröße von 1.052 im Jahr 1974 nicht
plausibel und zum anderen geht aus anderen zur Ermittlung der Grundstücksgröße
vorhandenen Unterlagen hervor, dass 1.052 qm zutreffend sind (Gutachten des von der
Ehefrau des Klägers beauftragten Sachverständigen J., der unter Bezugnahme auf die
Grundstücksdaten laut Grundbuchauszug eine Flurstücksgröße von insgesamt 1.052
qm festhielt).
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2.
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Diese offenkundige Fehlerhaftigkeit des Sachverständigengutachtens hätte dem
Beklagten auffallen müssen. Er war aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur
sorgfältigen und fachkundigen Beratung und Betreuung des Klägers als Mandanten
verpflichtet, mithin auch zur Überprüfung des vom Familiengericht eingeholten
Gutachtens. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Soweit der Beklagte
einwendet, auch der Kläger selbst hätte diesen Fehler bemerken müssen, ändert dies
nichts an der Pflichtwidrigkeit seines Unterlassens. Denn er war im Verhältnis zum
Kläger zu einer sorgfältigen und eigenverantwortlichen Prüfung verpflichtet. Auch der
Umstand, dass das Familiengericht diesen Fehler hätte bemerken müssen, führt zu
keiner anderen Beurteilung (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1241 (1242); Zugehör, Handbuch
der Anwaltshaftung, Rn. 1034 "Rechtsirrtum, Eigenverantwortung" m.w.N.). Denn der
Rechtsanwalt ist allenfalls entlastet, wenn er selbst keinen Fehler gemacht hat.
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3.
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Hätte der Beklagte nach sorgfältiger Überprüfung den Fehler des Sachverständigen
dem Familiengericht schriftsätzlich zur Kenntnis gebracht, hätte dieses den zu
zahlenden Zugewinnausgleich zutreffend und entsprechend der Berechnung des
Klägers in der Klageschrift errechnet. Die hypothetische Betrachtung, wie der
Vorprozess bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung entschieden worden wäre, betrifft
nicht nur Rechtsfragen, sondern auch Tatsachenfeststellungen. Die Frage, wie der
Vorprozess richtigerweise hätte entschieden werden müssen, beantwortet sich nach §
287 ZPO, weil es sich um ein Element haftungsausfüllender Kausalität handelt (BGHZ
163, 223 f. = NJW 2005, 3071 m.w.N.). Es bedarf keiner vertieften Ausführungen
darüber, dass eine entsprechende Entscheidung des Familiengerichts zumindest
überwiegend wahrscheinlich gewesen wäre.
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4.
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Durch das pflichtwidrige Unterlassen des Beklagten ist dem Kläger ein Schaden in der
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Durch das pflichtwidrige Unterlassen des Beklagten ist dem Kläger ein Schaden in der
geltend gemachten und vom Landgericht zuerkannten Höhe entstanden.
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Das Landgericht hat zu Recht bei Ermittlung des Grundstückswerts einen Betrag von
320,-- DM pro Quadratmeter zugrunde gelegt. Ein Abschlag für "Gartenland" war nicht
vorzunehmen, denn eine Unterteilung der Parzelle 67 in "Gartenland" und "Gebäude-
und Freifläche" durfte zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt 1998 nicht mehr erfolgen.
Dies ergibt sich zum einen aus dem Gutachten des Sachverständigen P. und zum
anderen aus dem Umstand, dass jener Grundstücksteil, welcher im Jahr 1974 noch als
"Gartenfläche" ausgewiesen war, im Jahr 1998 mit dem Haus Nr. 23 bebaut war (und
spätestens im Zuge der Bebauung zur Gebäude- und Freifläche geworden war).
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Die ansonsten zutreffende und nachvollziehbare Berechnung des Schadens durch den
Kläger hat der Beklagte nicht angegriffen, sie kann deshalb den Feststellungen
zugrunde gelegt werden.
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Ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen.
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a.
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Soweit der Beklagte ihm vorwirft, der Kläger habe die unterschiedlichen
Flächenangaben im Gutachten des Sachverständigen P. selbst bemerken müssen,
kann diese Tatsachenfrage letztlich offen bleiben. Denn der Einwand mitwirkenden
Verschuldens greift hier schon deshalb nicht ein, weil die Verhütung des entstandenen
Schadens nach dem Vertragsinhalt gerade dem Beklagten als Rechtsanwalt oblag.
Er
war zur vollständigen und sorgfältigen Überprüfung der Beweisergebnisse verpflichtet
und nicht der Kläger als Auftraggeber. Denn der Beklagte ist vom Kläger gerade auch
deshalb hinzugezogen worden, um solche Schäden zu erkennen und abzuwehren. Es
ist anerkannt, dass dem geschädigten Auftraggeber ein Mitverschulden dann nicht
zugerechnet werden kann, wenn er eine Gefahr, zu deren Vermeidung er den
sachkundigen Berater hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen
und abwenden können. Dies gilt auch bei einschlägiger Vorbildung des Mandanten,
weil dieser sich auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch seinen Berater verlassen
darf (vgl. BGH WM 1992, 739 (740); NJW 1993, 2045 (2047); WM 1993, 1889 (1893 f.);
NJW 1997, 2168 (2170); Zugehör, a.a.O, Rn. 1151 f.;).
20
b.
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Aus den genannten Gründen kann auch offen bleiben, ob nach Zugang des
gerichtlichen Sachverständigengutachtens noch Besprechungstermine zwischen den
Parteien stattgefunden haben bzw. ob solche überhaupt erforderlich waren. Der Kläger
als Mandant war zu einer dahingehenden Mitwirkung nicht verpflichtet. Denn die
Besprechungstermine sollten nicht der Verschaffung weitergehender, vom Kläger zu
erteilender Informationen dienen, sondern allein der Aufdeckung der fehlerhaften
Grundstücksgrößen im Sachverständigengutachten P.. Letzteres war aber allein
Aufgabe des Beklagten.
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c.
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Auch die nachfolgende Tätigkeit durch den Streitverkündeten, Rechtsanwalt W.,
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begründet kein gemäß § 278 BGB zurechenbares Mitverschulden des Klägers an der
Entstehung des Schadens. Insoweit kann offen bleiben, ob der Streitverkündete
überhaupt im Rahmen des hier maßgeblichen Zugewinnausgleichsverfahrens tätig
geworden ist. Dies bestreitet er, auf ein Tätigwerden deutet aber sein Schreiben an den
Beklagten vom 10. April 2002 hin, in welchem er unter Bezugnahme auf das
Zugewinnausgleichsverfahren um Übersendung der Handakten bittet. Hierauf kommt es
jedoch nicht an.
Grundsätzlich muss sich ein Geschädigter, für den nacheinander verschiedene
Rechtsanwälte tätig geworden sind, deren pflichtwidriges Verhalten nicht als
Mitverschulden entgegen halten lassen (BGH NJW 1993, 1779 (1781); NJW 1994, 122
(1212); NJW 1997, 2168 (2170); Zugehör, a.a.O., Rn. 1162 m.w.N.). Die Anrechnung
eines Mitverschuldens kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn sich der Mandant
des Zweitanwalts bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur
Abwehr oder Minderung des Schadens zu erfüllen, der durch den in Anspruch
genommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde. Dies ist aber nicht der Fall, wenn - wie
hier - der Mandant auf eine fehlerfreie Vertragserfüllung durch den in Anspruch
genommenen Rechtsanwalt vertraut hat und vertrauen durfte. Denn es ist unstreitig,
dass der Kläger während des Laufs der Berufungsfrist gegen das Urteil des
Familiengerichts und der damit einhergehenden Mandatierung des Streitverkündeten
die Pflichtverletzung des Beklagten noch nicht bemerkt hatte.
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II.
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Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen
ebenfalls vor.
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Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.
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Düsseldorf, den 20. März 2006
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Oberlandesgericht, 24. Zivilsenat
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a. H.
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(Vorsitzender Richter (Richter am (Richterin am
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am Oberlandesgericht) Oberlandesgericht) Oberlandesgericht)
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