Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.06.2009
OLG Düsseldorf: versicherungsnehmer, prozess, haftpflichtversicherer, interessenkollision, beratung, angemessenheit, rückstufung, haftpflichtversicherung, bedürftigkeit, straftat
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-1 W 4/09
Datum:
10.06.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-1 W 4/09
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beklagten zu 1. wird der Beschluss des
Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 15.
Dezember 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur Prüfung der Bedürftigkeit der Beklagten zu 1. und zur
er-neuten Entscheidung über das Prozesskostenhilfeersuchen an das
Landge-richt zurückgegeben. Das Landgericht wird angewiesen, die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit der
Rechtsverteidigung durch einen eigenen Rechtsanwalt abzulehnen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten zu 1. ist begründet.
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Anders als das Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass bei der vorliegenden
Fallkonstellation es nicht als mutwillig angesehen werden kann, dass die Beklagte zu 1.
zu ihrer Rechtsverteidigung die Beiordnung eines eigenen Prozessbevollmächtigten im
Wege der Prozesskostenhilfe begehrt.
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In der Rechtsprechung wird die Streitfrage unterschiedlich entschieden. Das
Kammergericht (KG NZV 2008, 519), dessen Entscheidung dem Bundesgerichtshof seit
dem 19. Mai 2008 (VI ZB 31/08) zur Entscheidung über die dagegen erhobene
Rechtsbeschwerde vorliegt, hat, wie das Landgericht, die Auffassung vertreten, dass
auch in dem Fall, dass sich – wie hier – der Fahrzeugführer gegen den Verdacht der
Unfallmanipulation verteidigen will, dessen Interessen hinreichend gewahrt sind, wenn
der Kfz-Haftpflichtversicherer dem mitversicherten Fahrer als Streithelfer beigetreten ist.
Insoweit wird argumentiert, dass durch die Nebenintervention des
Haftpflichtversicherers der mitverklagte Fahrer nicht nur davor geschützt sei, dass ein
Versäumnisurteil gegen ihn ergehen könne. Infolge der materiell-rechtlichen
Anknüpfung der Haftung des Versicherers an diejenige des Fahrzeughalters als
Versicherungsnehmer habe der Versicherer ein Interesse daran, alle Ansprüche wegen
behaupteter Schadensereignisse durch ein bei ihm versichertes Kraftfahrzeug in
gleicher Weise abzuwehren wie der Fahrzeughalter oder der Fahrer. Deshalb würde
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eine verständige Partei im wirtschaftlichen Interesse davon absehen, ungeachtet des
über den Versicherer bestehenden Rechtsschutzes kostenpflichtig einen weiteren
Anwalt zu mandatieren.
Dem steht die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (VersR 1997, 597)
gegenüber, wonach im Falle des Vorwurfs einer Unfallmanipulation gegenüber dem
mitverklagten Fahrer bzw. Halter, dessen eigene Rechtsverteidigung nicht mutwillig sei.
Insoweit seien die Interessen des beklagten Fahrers/Halters und des beklagten
Haftpflichtversicherers nur vordergründig insoweit gleichgerichtet, als beide der Klage
entgegenträten. Für den Fahrer/Halter sei die Art seiner Rechtsverteidigung,
insbesondere die Frage, ob er sich (ggfs.) einer Parteivernehmung stellte, bei der er
unter Umständen die Begehung einer Straftat zugeben müsste, darüber hinaus von so
erheblicher Bedeutung, dass ihm eine auf seine Person zugeschnittene anwaltliche
Beratung nicht vorenthalten werden dürfe. Zudem habe der beklagte
Haftpflichtversicherer insoweit keinerlei Interesse an einer Wahrnehmung der
persönlichen Belange des beklagten Fahrers/Halters; es bestehe im Gegenteil eher
eine Interessenkollision zwischen beiden Beklagten.
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Der Senat schließt sich der letztgenannten Entscheidung an. Aus den in der
Entscheidung des OLG Köln genannten Gründen ergibt sich eine Interessenkollision der
Beklagten, die bereits zur Vermeidung eines bösen Anscheins nicht erst einem
eventuellen Nachfolgeprozess vorbehalten bleiben kann. Denn der
Haftpflichtversicherer lässt über seinen Rechtsanwalt in einem zentralen Punkt, nämlich
dem der Unfallmanipulation, gerade das Gegenteil dessen vortragen, was der beklagte
Halter/Fahrer vorzutragen wünscht. Es ist daher ohne Weiteres anzunehmen, dass in
einem derartigen Fall eine Partei, die selbst über die notwendigen Mittel verfügt, ihre
Rechte im Verhältnis zum Gegner auch auf eigene Kosten in gleicher Weise, nämlich
durch einen eigenen Prozessbevollmächtigten, wahrnehmen würde. Dieser Wertung
steht die Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2004, 536) nicht entgegen. Zwar hat der
BGH dort entschieden, dass ein etwaiger Streit zwischen Versicherungsnehmer und
Versicherer über die Notwendigkeit oder die Angemessenheit einer
Schadensersatzleistung des Versicherers mit der möglichen Folge einer Rückstufung
des Versicherungsnehmers nicht im Prozess des Geschädigten gegen die
Haftpflichtversicherung und dem Versicherungsnehmer zu klären, sondern der Streit
vielmehr in einem gesonderten Prozess auszutragen sei, so dass insoweit kein
besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts in diesem
Prozess bestehe. Dies ist jedoch aus den o.g. Gründen im Fall des Vorwurfs einer
Unfallmanipulation gegenüber dem mitverklagten Fahrer/Halter anders.
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Da die hier zu entscheidende Rechtsfrage in der Rechtsprechung der
Oberlandesgerichte unterschiedlich behandelt wird, war die Rechtsbeschwerde gemäß
§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO zuzulassen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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