Urteil des OLG Düsseldorf vom 03.08.2007
OLG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, verwalter, ungültigerklärung, nichtigkeit, anfechtung, genehmigung, entstehung, innenverhältnis, nebenkosten, verwaltung
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 84/07
Datum:
03.08.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 84/07
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 10 T 32/06
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird - unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im Übrigen - teilweise geändert.
Der Beteiligte zu 2 wird – unter Ablehnung des weiter gehenden
Gesuchs - verpflichtet, an den Beteiligten zu 1 727,80 Euro nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 31. Mai
2005 zu zahlen.
Die gerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens tragen der Beteiligte
zu 1 zu 88 %, der Beteiligten zu 2 zu 12 %.
Außergerichtliche Kosten werden im gesamten Verfahren nicht erstattet.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 6.276,53 Euro.
I.
1
Der Beteiligte zu 1 als Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft A. 7 und 7 a
hat den Beteiligten zu 2 auf Zahlung von insgesamt 6.276,53 Euro in Anspruch
genommen und seine Forderung wie folgt aufgemacht:
2
(1) Sonderumlage anteilig 727,80 Euro
3
(beschlossen zu TOP 1 auf der
4
Eigentümerversammlung vom 10. Juli 2002)
5
(2) rückständiges Wohngeld für 2000/2001 790,84 Euro
6
(3) rückständiges Wohngeld für 2001/2002 987,35 Euro
7
(beschlossen jeweils zu TOP 1 auf der
8
Eigentümerversammlung vom 10. Juli 2002)
9
(4) rückständiges Wohngeld für 2002/2003 1.561,52 Euro
10
(5) rückständiges Wohngeld für 2003/2004 1.019,90 Euro
11
(1.330,- Euro abzüglich anderweitig bereits
12
titulierter 310,10 Euro)
13
(6) rückständiges Wohngeld aus 2004 1.189,12 Euro
14
(beschlossen jeweils zu TOP 1 auf der
15
Eigentümerversammlung vom 02. März 2005) ___________
16
6.276,53 Euro.
17
Die Eigentümerbeschlüsse blieben unangefochten.
18
Auf der Versammlung vom 02. Juni 2005 beschlossen die Wohnungseigentümer unter
TOP 4, den Verwalter zu ermächtigen, Ansprüche der Wohnungseigentümer im eigenen
Namen geltend zu machen.
19
Das Amtsgericht hat am 08. Februar 2006 den Beteiligten zu 2 verpflichtet, an den
Beteiligten zu 1 6.276,53 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz
seit dem 31. Mai 2005 zu zahlen.
20
Unter TOP 2 beschloss die Eigentümerversammlung am 06. Dezember 2006:
21
"Der Verwalter ist berechtigt, Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft
gegen Dritte und gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern im eigenen
Namen gerichtlich geltend zu machen.
22
Dies gilt auch bezüglich der Zahlungsansprüche der
Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Wohnungseigentümer Herr B.,
die Gegenstand des Verfahrens C. gegen B., Amtsgericht Wuppertal, Az. 91 a II
127/05 WEG, jetzt Landgericht Wuppertal, Az. 10 T 32/06 sind."
23
Diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2 beanstandet, weil dem Verwalter die
Möglichkeit gegeben werde, Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft auch
gegenüber Dritten im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Sein Gesuch um
Ungültigerklärung der Beschlussfassung hat das Amtsgericht (91 a II 5/07 WEG
Wuppertal) am 23. Mai 2007 zurückgewiesen.
24
Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 08. Februar 2006 hat der Beteiligte zu 2
sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er dessen Änderung und die Zurückweisung
des Zahlungsantrags des Beteiligten zu 1 begehrt hat.
25
Der Beteiligte zu 2 hat im Wesentlichen geltend gemacht, der Beteiligte zu 1 sei nicht
befugt, die Forderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft im vorliegenden
Verfahren durchzusetzen; die Beschlüsse der Eigentümerversammlungen über die von
ihm zu zahlenden rückständigen Wohngelder seien nichtig, weil ihnen
Jahresabrechnungen nicht zugrunde lägen; die Nichtigkeit folge auch daraus, dass die
Abrechnungen nicht der Teilungserklärung entsprächen; sie enthielten die dort
vorgesehene Aufteilung in zwei kleine Eigentümergemeinschaften nicht.
26
Die Kammer hat nach mündlicher Verhandlung am 16. März 2007 das Rechtsmittel
zurückgewiesen.
27
Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2 sein
ursprüngliches auf Ablehnung des Zahlungsantrags gerichtetes Begehren weiter.
28
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
29
II.
30
Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist in der Sache überwiegend begründet, da die
Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 27 FGG).
31
1.
32
Das Landgericht hat ausgeführt, der Beteiligte zu 1 sei aufgrund des Beschlusses der
Eigentümerversammlung vom 06. Dezember 2006 zu TOP 2 berechtigt, die
Sonderumlage und die rückständigen Wohngelder in Höhe von insgesamt 6.276,53
Euro als Verfahrensstandschafter für die Wohnungseigentümergemeinschaft A. 7, 7 a im
eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Der Beschluss enthalte konkludent die
Genehmigung der vor dem 06. Dezember 2006 getätigten Verfahrensführung durch den
Beteiligten zu 1 und die Anwaltsbeauftragung. Der Umstand, dass der Beteiligte zu 2
den oben genannten Beschluss gerichtlich angefochten hat, mache denselben nicht
wirkungslos. Denn der Antrag auf Ungültigerklärung eines
Wohnungseigentümerbeschlusses habe keine aufschiebende Wirkung. Der
angefochtene Beschluss sei damit bis zur gerichtlichen Ungültigerklärung für die
Wohnungseigentümer sowie für den Verwalter bindend. Das Amtsgericht habe den
Antragsgegner zu Recht verpflichtet, die Sonderumlage und rückständiges Wohngeld in
Höhe von insgesamt 6.276,53 Euro an den Beteiligten zu 1 zu zahlen.
Anspruchsgrundlage seien die unangefochten gebliebenen
Wohnungseigentümerbeschlüsse vom 10. Juli 2002 und 02. März 2005 in Verbindung
mit §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 1 WEG. Selbst wenn die Kammer zugunsten des Beteiligten
zu 2 unterstelle, den Beschlüssen der Eigentümerversammlungen über die von ihm zu
zahlenden rückständigen Wohngelder lägen Jahresabrechnungen nicht zugrunde und
sie entsprächen nicht der Teilungserklärung, folge daraus nicht deren Nichtigkeit,
sondern bloß deren Anfechtbarkeit. Nur schwerwiegende Rechtsverstöße begründeten
die Nichtigkeit eines Wohnungseigentümerbeschlusses wie der Verstoß gegen § 138
BGB, der Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums, die absolute
Unzuständigkeit der Wohnungseigentümer oder die Beschlussunzuständigkeit. Bei den
vom Beteiligten zu 2 geltend gemachten Nichtigkeitsgründen handele es sich jedoch
nicht um schwerwiegende Rechtsverstöße. Gleiches gelte, wenn in den
Einzelabrechnungen der Verteilerschlüssel nicht angegeben sei. Zudem sei nicht zu
33
erkennen, dass die Wohngeldabrechnungen der Teilungserklärung widersprechen.
Schließlich könne dahinstehen, ob der Beteiligte zu 1 – wie der Beteiligte zu 2 meint -
wegen widersprüchlichen Verhaltens gehindert wäre, die Sonderumlage von
727,80 Euro auch dann gegenüber diesem geltend zu machen, wenn die übrigen
Wohnungseigentümer ebenfalls die Sonderumlage nicht gezahlt hätten. Denn der
Beteiligte zu 1 habe unwidersprochen geltend gemacht, alle übrigen
Wohnungseigentümer hätten die Sonderumlage gezahlt.
34
2.
35
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung in
wesentlichen Punkten nicht stand.
36
a)
37
Der Beteiligte zu 1 kann von dem Beteiligten zu 2 Wohngeld in Höhe von 5.548,73 Euro
nicht aufgrund der Beschlussfassungen zu TOP 1 der Eigentümerversammlungen vom
10. Juli 2002 und 02. März 2005 beanspruchen.
38
aa)
39
Nach § 16 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer den anderen gegenüber
verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der
Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen
Gebrauchs nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Dies bedeutet indes nicht
schon, dass der einzelne Wohnungseigentümer bereits mit der Entstehung der Lasten
und Kosten zu Zahlungen verpflichtet ist. Erforderlich ist vielmehr ein mehrheitlich
gefasster Beschluss der Eigentümerversammlung (§ 28 Abs. 5 WEG), der erst die
Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers zur Leistung begründet (BayObLG
– 34 Wx 27/07 vom 24. 05. 2007 bei juris). Ohne Beschluss besteht im Innenverhältnis
der Wohnungseigentümer keine Zahlungsverpflichtung (BGH NJW 1993, 593;
Weitnauer- Gottschalg WEG 9. Auflage 2005 § 16 Rdz 11).
40
Voraussetzung für die Forderungen der Wohnungseigentümer gegen einen Einzelnen
von ihnen aus der - aus einer Gesamtabrechnung und den Einzelabrechnungen
bestehenden (Staudinger-Bub 2005 § 28 WEG Rdz. Rdz 369) - Jahresabrechnung ist
also ein Eigentümerbeschluss über die Gesamt- und Einzelabrechnungen. Da die
Einzelabrechnungen aus der Gesamtabrechnung abzuleiten sind, können diese nicht
isoliert – also ohne gleichzeitige oder vorangegangene Genehmigung der
Gesamtabrechnung – genehmigt werden (BayObLG NJW-RR 1990, 1107 f.).
für das Verlangen einer Beschlussfassung auch über die Einzelabrechnungen (neben
dem über die Gesamtabrechnung) ist der, dass die Gesamtabrechnung und die
Einzelabrechnungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (BayObLG a.a.O.),
die Einzelabrechnungen aus der Gesamtabrechnung abgeleitet werden.
41
bb)
42
Dies vorausgeschickt sind im vorliegenden Fall Jahresabrechnungen nicht beschlossen
worden, weshalb hieraus abgeleitete Zahlungsansprüche nicht begründet worden sind.
43
(a)
einzelnen beschlossenen jeweils als "Nebenkostenabrechnung" bezeichneten
Wohngeldabrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2000 bis 2004 verleiht diesen nicht die
Qualität von Gesamtabrechnungen (auch nicht von unvollständigen). Die Beschlüsse zu
TOP 1 der Eigentümerversammlungen vom 10. Juli 2002 und 02. März 2005 beziehen
sich somit der Sache nach auf Einzelabrechnungen über Nebenkosten und nicht auf
eine Jahresabrechnung im Rechtssinne. Sie vermögen deshalb trotz unterbliebener
Anfechtung mit diesem Inhalt keine Bestandskraft zu erlangen (vgl. Senat, ZWE 2001,
114 f.) und können daher eine Zahlungsverpflichtung des Beteiligten aus
Jahresabrechnungen weder unmittelbar begründen, noch eine Voraussetzung für die
Zahlungspflicht schaffen.
44
(b)
45
Eine Zahlungsverpflichtung des Beteiligten zu 2 ist auch nicht originär aus wegen
unterbliebener Anfechtung bestandskräftig gewordenen Beschlüssen über die jeweilige
"Nebenkostenabrechnung" begründet worden.
46
Zwar hat das OLG Köln in seinem Beschluss – 16 Wx 156/03 - vom 19.09.2003 (NZM
2003, 806; vgl. auch Beschluss 16 Wx 192/05 - vom 26.10.2005 NZM 2006, 662) für
möglich gehalten, dass sich aus bestandskräftigen Beschlüssen selbständige
Anspruchsgrundlagen für Geldforderungen gegen einzelne Wohnungseigentümer
ergeben.
47
Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von diesen Beschlüssen ab und hält
deshalb eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG nicht für
geboten.
48
Denn - anders als in den vom OLG Köln zu entscheidenden Fällen, insbesondere im
Verfahren 16 Wx 156/03 vom 19.09.2003 betreffend Wohngeld – war hier eine
Jahresabrechnung weder vorgelegt noch zum Beschlussgegenstand gemacht worden
und sind Zahlungsansprüche demnach auch nicht im Rahmen der Beschlussfassung
über eine Jahresabrechnung festgestellt worden. Eine Beschlussfassung, die eine
Jahresabrechnung im Rechtssinne nicht zum Gegenstand hat (hier: über jeweils als
"Nebenkostenabrechnung" bezeichnete Einzelabrechnungen), kann aber allein aus
Gründen der Bestandskraft als Grundlage für einen Zahlungsanspruch nicht anerkannt
werden, weil ansonsten das nach § 28 Abs. 5 WEG vorgesehene Verfahren der
Beschlussfassung über die vorzulegende Jahresabrechnung unterlaufen würde.
49
Hiernach kann der Beteiligte zu 1 als Verwalter von dem Beteiligten zu 2 rückständiges
Wohngeld nicht verlangen.
50
b)
51
Die Sonderumlage von anteilig 727,80 Euro hat das Landgericht dem Beteiligten zu 1
dagegen rechtlich beanstandungsfrei zuerkannt. Diese beruht auf dem – mangels
Anfechtung bestandskräftigen Eigentümerbeschluss zu TOP 1 vom 10.07.2002.
52
Dass der Beteiligte zu 1 diese Forderung im eigenen Namen für die Gemeinschaft
geltend machen darf, hat die Kammer rechtlich einwandfrei ausgeführt (vgl. auch Senat
53
vom 09.01.2007 – I-3 Wx 139/06). Das Gesuch des Beschwerdeführers um
Ungültigerklärung der Beschlussfassung vom 06. Dezember 2006 hat das Amtsgericht
(91 a II 5/07 WEG Wuppertal) am 23. Mai 2007 zurückgewiesen. Darauf, ob der
Beschluss des Amtsgericht (91 a II 5/07 WEG Wuppertal) vom 23. Mai 2007 rechtskräftig
ist, kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der Ermächtigungsbeschluss bislang nicht
rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 und 2 WEG. Kostenerstattung aus
Billigkeitsgründen war im gesamten Verfahren nicht anzuordnen; die
Auslagenentscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich mit Blick auf die dargestellte
Rechtslage als ermessensfehlerhaft und waren deshalb zu ändern.
54