Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.03.2005
OLG Düsseldorf: stamm, stand der technik, erfindung, vollstreckung, baum, gestehungskosten, form, druckfehler, vollstreckbarkeit, anfang
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 84/03
10.03.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf
2. Zivilsenat
Urteil
I-2 U 84/03
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Juli 2003 verkündete Urteil
der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
2.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung jedes der Beklagten durch
Sicherheitsleistung von 48.000,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagten
ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Insgesamt braucht die Klägerin zur Abwendung der Vollstreckung und
brauchen die Beklagten zusammen zur Ermöglichung der Vollstreckung
keine höhere Sicherheit als 55.200,00 € zu leisten.
4.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.000.000 €.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem deutschen Patent 39 32 473
(Anlage K 2; im folgenden: Klagepatent), dessen Inhaber ihr Geschäftsführer ist. Dieser hat
der Klägerin auch etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen
Verletzung des Klagepatents abgetreten.
Das Klagepatent beruht auf einer am 28. September 1989 eingegangenen und am 11. April
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1991 offengelegten Anmeldung. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 2. April
1992.
Eine von dritter Seite gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage ist vom
Bundesgerichtshof mit Urteil vom 8. Januar 2002 (Anlage K 3) abgewiesen worden.
Die Ansprüche 1 und 2 (von 10) des Klagepatents lauten:
1.
Christbaumständer mit einem Fußteil, mit einem an dem Fußteil angeordneten
Aufnahmeteil für den Stamm des Christbaums mit mehreren um eine Symmetrieachse
angeordneten Halteelementen, die jeweils zwischen einer Lösestellung und einer
Haltestellung in einer Ebene schwenkbar sind, wobei sich die Ebenen annähernd in der
Symmetrieachse schneiden, und mit einer einzigen Spanneinrichtung, die über ein
Kraftübertragungselement an sämtlichen Halteelementen angreift und die Halteelemente
mit einer einstellbaren Haltekraft in die Haltestellung bewegt,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Kraftübertragungselement (48) ein auf Zug belastbares und flexibles
Verbindungsteil ist, welches sämtliche Halteelemente (14, 16, 18, 20) zunächst im
wesentlichen kraftfrei an den Stamm des Christbaums anlegt und sodann sämtliche
Halteelemente (14, 16, 18, 20) in einem Zuge und mit einer im wesentlichen gleichen
Haltekraft an den Stamm des Christbaums andrückt.
2.
Christbaumständer mit einem Fußteil, mit einem an dem Fußteil angeordneten
Aufnahmeteil für den Stamm des Christbaums mit mehreren um eine Symmetrieachse
angeordneten Halteelementen, die jeweils zwischen einer Lösestellung und einer
Haltestellung in einer Ebene schwenkbar sind, wobei sich die Ebenen annähernd in der
Symmetrieachse schneiden, und mit einer einzigen Spanneinrichtung, die über ein
Kraftübertragungselement an sämtlichen Halteelementen angreift und die Halteelemente
mit einer einstellbaren Haltekraft in die Haltestellung bewegt,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Kraftübertragungselement (48) durch mehrere über eine Druckmittelleitung
(104) miteinander verbundene Druckzylinder (98) gebildet ist, welches sämtliche
Halteelemente (14, 16, 18, 20) zunächst im wesentlichen kraftfrei an den Stamm des
Christbaums anlegt und sodann sämtliche Halteelemente (14, 16, 18, 20) in einem Zuge
und mit einer im wesentlichen gleichen Haltekraft an den Stamm des Christbaums
andrückt, und dass die Spanneinrichtung (46) eine Druckmittelpumpe ist.
Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 aus der Klagepatentschrift zeigt ein bevorzugtes
Ausführungsbeispiel der geschützten Erfindung:
Die unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2. stehende Beklagte zu 1. vertreibt in
Deutschland Christbaumständer. Einen solchen Christbaumständer hat die Klägerin als
Anlage K 4 vorgelegt; er hat das aus der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung (Anlage
K 5) ersichtliche Aussehen:
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Die Klägerin hat geltend gemacht:
Der angegriffene Christbaumständer mache von der Lehre des Anspruchs 1 des
Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, so dass die Beklagten das genannte Schutzrecht
verletzten.
Sie hat beantragt,
I.
die Beklagten zu verurteilen,
1.
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
Christbaumständer mit einem Fußteil, mit einem an dem Fußteil angeordneten
Aufnahmeteil für den Stamm des Christbaums mit mehreren um eine Symmetrieachse
angeordneten Halteelementen, die jeweils zwischen einer Lösestellung und einer
Haltestellung in einer Ebene schwenkbar sind, wobei sich die Ebenen annähernd in der
Symmetrieachse schneiden, und mit einer einzigen Spanneinrichtung, die über ein
Kraftübertragungselement an sämtlichen Halteelementen angreift und die Halteelemente
mit einer einstellbaren Haltekraft in die Haltestellung bewegt, dadurch gekennzeichnet,
dass das Kraftübertragungselement (48) ein auf Zug belastbares und flexibles
Verbindungsteil ist, welches sämtliche Halteelemente (14, 16, 18, 20) zunächst im
wesentlichen kraftfrei an den Stamm des Christbaums anlegt und sodann sämtliche
Halteelemente (14, 16, 18, 20) in einem Zuge und mit einer im wesentlichen gleichen
Haltekraft an den Stamm des Christbaumes andrückt,
herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken
zu besitzen;
2.
ihr – der Klägerin – darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie – die
Beklagten – die in Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 2. Mai 1992 begangen
hätten, und zwar unter Angabe
a)
der Herstellungsmengen und –zeiten und/oder der Menge der erhaltenen und
bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und
anderer Vorbesitzer,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und
Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und
Angebotspreisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
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d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
sowie
e)
der nach einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des
erzielten Gewinns, wobei den Beklagten hinsichtlich der Namen und Anschriften der nicht
gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt
eingeräumt werden möge;
II.
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr allen
Schaden zu ersetzen, der ihr und Herrn Klaus Kl durch die in Ziff.I. 1. bezeichneten, seit
dem 2. Mai 1992 begangenen Handlungen entstanden sei und künftig noch entstehen
werde.
Die Beklagten haben um Klageabweisung gebeten.
Sie haben eingewendet:
Die angegriffene Ausführungsform mache mit ihrer "4-Seil-Technik" keinen Gebrauch von
der Lehre des Klagepatents, nach welcher nur
ein
sein solle, welches die mehreren Halteelemente miteinander verbinde. Wegen der
Verwendung von vier Seilen, die jeweils nur auf ein einziges Halteelement wirkten,
könnten sich bei Christbäumen, deren Stamm nicht genau oder annähernd rund sei, nicht
zuerst alle Halteelemente im wesentlichen kraftfrei an den Stamm des Christbaumes
anlegen, bevor sie – und zwar mit im wesentlichen gleicher Haltekraft – an den Stamm
angedrückt würden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil vom 31. Juli 2003 wird Bezug
genommen.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge weiterverfolgt und
hilfsweise beantragt, den erstrebten Unterlassungsausspruch um die Worte zu ergänzen:
"... wobei das flexible Verbindungsteil aus vier Stahlseilstücken besteht, die durch
Bohrungen der Halteelemente geführt und gegen Federn spannbar sind."
Die Beklagten bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen, wobei sich die Klägerin
hilfsweise zusätzlich darauf beruft, der angegriffene Christbaumständer verwirkliche die
Lehre des Klagepatents zum Teil mit äquivalenten Mitteln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
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Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen,
weil die Beklagten mit dem Vertrieb der angegriffenen Christbaumständer das Klagepatent
nicht verletzen.
1.
Das Klagepatent betrifft einen Christbaumständer. Wie die Klagepatentschrift einleitend
ausführt, sind Christbaumständer bekannt, bei denen auf einer Platte oder einem Fußteil
eine senkrecht nach oben stehende Hülse vorgesehen ist, die zur Aufnahme des unteren
Endes des Christbaumstammes dient. In der Umfangswand der Hülse sind in
gleichmäßigen Abständen Klemmschrauben vorhanden, welche die Hülse durchsetzen
und zum Einklemmen und damit zum Festlegen des Christbaumstammes im Inneren der
Hülse dienen. Die Klagepatentschrift kritisiert an einem solchen Christbaumständer, bei
ihm könne über die zumeist nur mit Fingerkraft zu betätigenden Klemmschrauben eine nur
geringe Klemmwirkung auf den Stamm aufgebracht werden, so dass die Befestigung eines
Christbaumes mit diesen bekannten Christbaumständern nicht zufriedenstellend sei.
Weiterhin sei das exakt senkrechte Ausrichten des Christbaumstammes, was aus
ästhetischen Gründen wünschenswert sei, nur sehr schwer zu bewerkstelligen. Schließlich
bedürfe das Ausrichten und Klemmen der Hilfe einer zweiten Person, da es praktisch nicht
möglich sei, gleichzeitig den Baum zu halten und die Klemmschrauben anzuziehen.
Ein weiterer Christbaumständer gemäß dem DE-GM 72 04 742 (Anlage K 11), der aus
einer Schale mit vier Klemmbacken besteht, die durch ihnen jeweils einzeln zugeordnete
Stellvorrichtungen gegen die Stammoberfläche des Christbaumes gedrückt werden
können, stellt nach den Ausführungen der Klagepatentschrift lediglich eine etwas
verbesserte Form des zuerst genannten Ständers dar.
Die Klagepatentschrift nennt außerdem einen aus der DE-AS 23 52 892 (Anlage K 8)
bekannten Halteständer, insbesondere zum Aufstellen von Christbäumen, bei dem auf
einer Bodenplatte eine Aufnahmehülse senkrecht angeordnet ist. Im Inneren dieser
Aufnahmehülse ist eine zweite Hülse gleitbeweglich geführt und stützt sich mit ihrem
bodenseitigen Ende auf einer entsprechend dimensionierten Druckfeder ab. Diese innere
koaxial bewegliche Hülse dient zur Aufnahme des Stammes des Christbaumes. An der
äußeren Hülse sind in deren oberem Randbereich Bügel derart angeordnet, dass sie in
Richtung auf die Mittelachse der beiden Hülsen schwenkbeweglich sind. Das untere Ende
des Christbaumstammes wird in die innere koaxial gleitbeweglich geführte Hülse
eingeführt und dann zusammen mit der Hülse entgegen der Federkraft in der äußeren
Hülse nach unten geführt. Dadurch schwenken die an der äußeren Hülse vorgesehenen
Bügel nach innen, gelangen dort mit der Umfangsoberfläche des Baumstammes in Anlage
und zentrieren den Baum. Die Klagepatentschrift beanstandet an diesem Ständer, er
arbeite nur bei einem bestimmten Durchmesserbereich des Christbaumstammes
ordnungsgemäß, und dies auch nur, wenn der Querschnitt des Stammes allenfalls
unwesentlich von der Kreisform abweiche; anderenfalls sei bei diesem Ständer ein
einwandfreies senkrechtes Halten und Zentrieren des Stammes nicht möglich.
Anschließend erwähnt die Klagepatentschrift einen aus der DE-PS 25 47 184 (Anlage K 6)
bekannten Baumständer, bei dem der zu befestigende Baumstamm in einer mit Schlitzen
versehenen Hülse geführt ist, wobei ein keilförmiger Verdrängungskörper nach Art einer
Überwurfmutter auf den äußeren Umfang der Hülse aufgeschraubt wird und durch sein
keilförmiges Verdrängungsprofil radial angeordnete Pressbacken in Richtung auf den
Baumstamm drängt. Durch die sich radial nach innen bewegenden Pressbacken wird der
in der Hülse geführte Baumstamm schließlich eingeklemmt und lagefixiert. Auch dieser
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Ständer weist, so die Klagepatentschrift, den Nachteil auf, dass bei einer Abweichung des
Baumstammquerschnittes von der Kreisform eine ungleichmäßige Anlage der Pressbacken
und somit eine ungenügende Befestigung einerseits und eine nicht völlig senkrechte
Ausrichtung andererseits erfolge.
Vorrichtungen zur vertikalen Halterung stabförmiger Gegenstände, insbesondere
Baumstämme, wie sie aus der DE-OS 30 03 233 (Anlage K 9) oder der US-PS 22 60 932
(Anlage K 14) bekannt sind, bei denen die zu halternden Gegenstände mittels eines
Spanndrahtsystems ähnlich wie ein Schiffsmast verspannt werden – wobei bei dem
Ständer gemäß der genannten US-Patentschrift die (insgesamt vier) Seile jeweils
einzeln
gespannt werden müssen – bezeichnet die Klagepatentschrift nicht nur deshalb als
nachteilig, weil sich dort die Spanndrähte über einen nicht unerheblichen Teil der Länge
des Baumstammes erstreckten, sondern auch deshalb, weil sie ausgesprochen aufwändig
in ihrer Bauweise und darüber hinaus umständlich zu bedienen seien.
Die Klagepatentschrift weist des weiteren auf einen Christbaumhalter (DE-PS 20 42,
Anlage K 7) mit einem mit vertikal verlaufenden Durchbrüchen versehenen Zylinder hin, der
senkrecht auf ein Fußteil aufgesetzt ist. Die schlitzförmigen Ausnehmungen werden von
Bügeln durchsetzt, welche in horizontal verlaufenden Drehachsen derart geführt sind, dass
sie eine Schwenkbewegung ausführen können. Das obere Ende der Bügel ist scharfkantig
zugespitzt, während das untere Ende stumpf ist und in Ruhestellung der Bügel ins Innere
des Zylinders vorragt. Beim Einführen des Christbaumstammes in das Innere des Zylinders
gelangt im Zuge der nach unten gerichteten Einführbewegung das untere Ende des
Baumstammes in Anlage mit den nach innen vorragenden Enden der Bügel, so dass diese
um die horizontalen Achsen schwenken und die mit den scharfkantigen Haltespitzen
versehenen Enden der Bügel ins Innere des Zylinders eingedrückt werden, wo sie sich im
Holzmaterial des Baumstammes verkrallen und diesen halten sollen. Bei diesem Ständer
bezeichnet die Klagepatentschrift es als nachteilig, dass bereits im Zuge der
Einführbewegung die Haltekräfte aufzubringen seien, so dass bei einem fortlaufenden
Einführen des Baumstammes in die Halterung progressiv anwachsende Kräfte
überwunden werden müssten, welche schließlich so hoch würden, dass der Baumstamm
nicht weiter in die Halterung eingeführt werden könne, obwohl die Haltekanten oder -
klauen an den Bügeln noch nicht für eine ausreichend sichere seitliche Fixierung gesorgt
hätten.
Christbaumständer, wie sie aus der US-PS 33 01 512 (Anlage K 12) oder der US-PS
29 09 344 (Anlage K 13) bekannt sind, die schwenkbewegliche hakenförmige Krallen oder
Klemmelemente aufweisen, welche über ein pedalbetätigtes Umlenkgetriebe oder eine
Stellschraube bzw. –spindel gegen die Stammoberfläche gedrückt werden, kritisiert die
Klagepatentschrift deshalb, weil bei ihnen die Bewegungen der Klemmelemente
zwangsgekoppelt seien, so dass diese Elemente sich gleichförmig und nicht unabhängig
voneinander bewegten, was nicht nur zur Folge habe, dass der Baumstamm bereits im
Zuge des Aufbringens der Haltekraft vertikal ausgerichtet gehalten werden müsse, sondern
auch, dass bei ungleichmäßig konturierten Stämmen und schräg abgeschnittenen
Stammenden ein sicherer vertikaler Halt nicht gewährleistet sei. Diesen Nachteil weise
darüber hinaus nicht nur der aus der DE-OS 23 58 151 (Anlage K 10) bekannte Ständer
auf, dessen Klemmpratzen oder Halteklauen ebenfalls zwangsgekoppelt seien, sondern
auch der aus der US-PS 20 23 340 bekannte Christbaumständer, bei dem einzelne
Halteklauen unter Federkraft gegen die Stammoberfläche gedrückt würden.
Die Klagepatentschrift bezeichnet es dann als Aufgabe der Erfindung, einen
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Christbaumständer nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 bzw. 2 derart auszubilden, dass
sich mit ihm auch unregelmäßig konturierte Baumstämme sicher und zuverlässig mit
einstellbarer Kraft in vertikaler Lage fixieren und halten ließen.
Dem Klagepatent liegt damit das technische Problem zugrunde, einen Christbaumständer
nicht nur so auszugestalten, dass sich bei ihm ein Christbaum auf einfache Weise in exakt
ausgerichteter Stellung fixieren lässt, ohne dass es dazu der Mithilfe einer weiteren Person
bedürfte, wie es bei einem Teil der im Stand der Technik bekannten Ständer der Fall ist,
sondern vor allem, dass etwas derartiges auch bei "unregelmäßig konturierten"
Baumstämmen möglich ist, also bei solchen, deren Stamm einen Querschnitt aufweist,
welcher deutlich von der Kreisform abweicht und/oder an einzelnen Stellen seines
Umfangs Ausbeulungen ("Knubbel") oder dergleichen aufweist.
Dieses technische Problem soll gemäß Anspruch 1 des Klagepatents gelöst werden durch
einen
Christbaumständer, welcher aufweist:
1. ein Fußteil,
2. ein Aufnahmeteil für den Stamm des Christbaums,
2.1 das am Fußteil angeordnet ist,
3. mehrere Halteelemente,
3.1 die um eine Symmetrieachse angeordnet,
3.2. jeweils schwenkbar sind, und zwar
3.2.2 in einer Ebene,
3.2.1 wobei sich die Ebenen annähernd in der Symmetrieachse
schneiden,
4. mit einer einzigen Spanneinrichtung,
4.1 die an sämtlichen Halteelementen angreift, und zwar
4.1.1 über ein Kraftübertragungselement,
4.1.1.1 das ein auf Zug belastbares und flexibles Verbindungsteil
ist,
4.2 und die Halteelemente in die Haltestelle bewegt,
4.2.1 mit einer einstellbaren Haltekraft,
4.2.2 wobei es sämtliche Halteelemente zunächst im wesentlichen
kraftfrei an den Stamm des Christbaums anlegt,
4.2.3 und sodann diese an den Stamm des Christbaumes andrückt
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4.2.3.1 in einem Zug und
4.2.3.2 mit einer im wesentlichen gleichen Haltekraft.
Die Klagepatentschrift (Spalte 4, Zeilen 13 bis 45) hebt hervor, erfindungsgemäß lege das
Kraftübertragungselement (der in Spalte 4, Zeilen 13 ff. verwendete Plural "(das)
Kraftübertragungselement
e
einzelnen Halteelemente bewegbar seien, diese zunächst im wesentlichen kraftfrei und
unabhängig voneinander an den Stamm des Christbaumes an. Dasjenige Halteelement,
das sich als erstes an die Umfangsoberfläche des Baumstammes anlege, übe solange
keine Kraft auf den Baumstamm aus, bis sich die übrigen Halteelemente – entweder
gleichzeitig oder sukzessiv – ebenfalls an die Umfangsoberfläche des Baumes angelegt
hätten. Erst dann werde bei einer weiteren Betätigung der Spanneinrichtung die eigentliche
Haltekraft in den Stamm eingeleitet. Da das Kraftübertragungselement gleichzeitig und mit
im wesentlichen gleicher Krafteinwirkung an allen Halteelementen angreife, sei dafür
gesorgt, dass die vorgewählte Lage des Baumes im Zuge der Erhöhung der Haltekraft nicht
verändert werde, da sich die angreifenden Haltekräfte unabhängig von der Kontur des
Christbaumes zu jedem Zeitpunkt aufhöben.
Angesichts des Streites der Parteien bedürfen von den Merkmalen der obigen
Merkmalsgliederung diejenigen der Merkmalsgruppe 4 näherer Erörterung.
Dass der erfindungsgemäße Christbaumständer nur eine
einzige
Halteelementen angreifende) Spanneinrichtung (in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur
1 der Klagepatentschrift als Rastklinkenmechanismus – Bezugszahl 50 – ausgebildet)
aufweisen soll, wird in Merkmal 4 ausdrücklich gesagt. Nach dem Verständnis des vom
Klagepatent angesprochenen Durchschnittsfachmanns lehrt aber auch Merkmal 4.1.1 ein
einziges
Spanneinrichtung zu den Halteelementen überträgt. Dieses Kraftübertragungselement soll
gemäß Merkmal 4.1.1.1 ein "auf Zug belastbares und flexibles
Verbindungs
(beispielsweise ein Stahlseil wie bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1) sein; das
versteht der Durchschnittsfachmann dahin, das (einzige) Teil solle die (sämtlichen)
Halteelemente miteinander verbinden, denn nur dann treten in den Problemfällen, die das
Klagepatent lösen will, die in den Merkmalen 4.2.2, 4.2.3 und 4.2.3.2 genannten Wirkungen
ein.
Wenn bei einem – wie es die Klagepatentschrift ausdrückt – "unregelmäßig konturierten"
Baumstamm sich eines der Halteelemente bereits an diesen angelegt hat, während die
übrigen noch keinen Kontakt zum Baumstamm haben, soll das erstgenannte Element dort
nur (vgl. Merkmal 4.2.2) "im wesentlichen kraftfrei" anliegen, und die von der
Spanneinrichtung kommende Kraft soll im wesentlichen
nur
wirken, um diese weiter in Richtung auf den Stamm zu bewegen. Gelangt dabei von diesen
ein weiteres Element in einem Zeitpunkt zur Anlage an den Stamm, in dem die anderen
dessen Oberfläche noch nicht erreicht haben, so soll auch dieses dort "im wesentlichen
kraftfrei" anliegen, während die Kraft der Spanneinrichtung weiterhin auf die noch nicht
anliegenden Halteelemente wirken soll, bis auch das letzte Halteelement am Stamm
anliegt. Erst
danach
wesentlichen gleichen Haltekraft" (Merkmal 4.2.3.2), gleichzeitig an den Stamm des
Christbaumes angedrückt werden. Das dem Merkmal 4.2.2 entsprechende "im
wesentlichen kraftfreie" Anlegen
sämtlicher
soweit es um die Wirkung der von der
einen
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miteinander verbunden sind, nämlich durch das als
Verbindungs
Kraftübertragungselement, das in den genannten Fällen die von der gemeinsamen
Spanneinrichtung kommende Kraft an dem einen oder den ein-zelnen bereits am Stamm
anliegenden Halteelement(en) vorbei zu dem-(oder den-)jenigen Halteelement(en) leitet,
das (die) die Oberfläche des Stammes noch nicht erreicht hat (haben). Eine solche
Verbindung lässt sich nur durch ein
einziges
wirkendes Kraftübertragungselement erreichen und nicht durch mehrere solcher Elemente,
die die von der Spanneinrichtung kommende Kraft jeweils nur zu
einem
übertragen.
Dass nach der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents nur
ein
Kraftübertragungselement vorhanden sein soll, ergibt sich für den Durchschnittsfachmann
nicht zuletzt auch aus dem – nebengeordneten – Anspruch 2 des Klagepatents. Dieser
unterscheidet sich von Anspruch 1 lediglich dadurch, dass das "Kraftübertragungselement"
nicht als "auf Zug belastbares und flexibles Verbindungsteil" ausgestaltet ist, sondern als
eine Druckmittelleitung, die zu Druckzylindern führt, von denen jeder ein Halteelement
bewegt. Anspruch 2 besagt ausdrücklich, dass die – jeweils einzelnen Halteelementen
zugeordneten – Druckzylinder durch die Druckmittelleitung "miteinander verbunden" sein
sollen, was nur möglich ist, wenn es lediglich
eine
auf diese Weise die mehreren Druckzylinder (und damit auch die diesen zugeordneten
Halteelemente) miteinander verbunden sind, lässt sich das in Anspruch 2 ebenso wie in
Anspruch 1 gelehrte "im wesentlichen kraftfreie" Anlegen
sämtlicher
den Stamm des Christbaumes erreichen, welchem
dann erst
gleichen Haltekraft erfolgendes Andrücken der Halteelemente an den Stamm folgt.
In seiner soeben dargestellten Auslegung des Klagepatents sieht sich der Senat
schließlich auch durch das in dem gegen das Klagepatent anhängigen
Nichtigkeitsverfahren ergangene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 8. Januar 2002
bestätigt. Wie sich aus Seite 14 dieses Urteils ergibt, hat der Bundesgerichtshof den
wesentlichen Erfindungsgedanken des Klagepatents gerade darin gesehen, dass mehrere
nicht zwangsgekoppelte Halteelemente durch ein
einziges
Kraftübertragungselement betätigt werden.
2.
Von der oben erläuterten Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents macht der angegriffene
Christbaumständer keinen Gebrauch.
Er weist entgegen dem Merkmal 4.1.1 nicht
ein
deren vier, nämlich vier Stahlseile, die jeweils die Spanneinrichtung mit nur
einem
Halteelement verbinden.
Das Merkmal 4.1.1 des Anspruchs 1 des Klagepatents ist bei der angegriffenen
Ausführungsform auch nicht äquivalent verwirklicht.
Eine äquivalente Benutzung der Lehre eines Patents liegt dann vor, wenn der Fachmann
aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen des Patents
unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform
eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des
der patentgeschützten Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden
konnte. Dabei erfordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines
angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der
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Rechtssicherheit, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der
Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für
die Bestimmung des Schutzbereiches bildet, welche sich an den Patentansprüchen
auszurichten hat (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. etwa GRUR
2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil; GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; GRUR 2002,
519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 523, 524 – Custodiol I; GRUR 2002, 527, 529 –
Custodiol II).
Demnach ist es, um eine Benutzung der Lehre eines Patents unter dem Gesichtspunkt der
Äquivalenz bejahen zu können, nicht nur erforderlich, dass die vom Wortsinn des
Patentanspruchs abweichende Ausführungsform das der Erfindung zugrundeliegende
Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleich
wirkenden
Durchschnittsfachmann mit den Fachkenntnissen des Prioritätstages des Patents ohne
erfinderische Bemühungen in der Lage war, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend
aufzufinden, sondern darüber hinaus auch, dass die vom Fachmann dafür anzustellenden
Überlegungen derart am Sinngehalt der in den Patentansprüchen unter Schutz gestellten
technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführungsform
mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleich
wertige
Betracht zieht (vgl. BGH, a.a.O.).
Die vier bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen Kraftübertragungselemente
sind dem patentgemäß gelehrten
einen
gleichwirkend. Dazu wäre es nämlich erforderlich, dass bei ihnen jedenfalls im
wesentlichen die gleiche Wirkung wie bei dem patentgemäß (Merkmal 4.1.1) gelehrten
Mittel eintreten würde. Das ist aber nicht der Fall.
Zwar kann man in dem angegriffenen Christbaumständer einen (annähernd) runden Baum,
der an der Oberfläche des in den Ständer einzuführenden Teiles des Stammes auch keine
Ausbeulungen oder dergleichen aufweist, dann problemlos fixieren, und zwar in exakt
ausgerichteter Stellung, wenn man ihn möglichst genau zentriert auf den Haltedorn
aufsetzt, der sich unten in dem angegriffenen Ständer befindet. Anders ist das aber in den
(Problem-) Fällen, die das Klagepatent lösen will, nämlich bei "unregelmäßig konturierten"
Baumstämmen, insbesondere bei solchen, die, was erfahrungsgemäß nicht selten
vorkommt, dort, wo sie in den Ständer eingeführt werden, Ausbeulungen oder dergleichen
aufweisen. Legt sich bei dem angegriffenen Ständer eines der Halteelemente an einer
solchen Stelle zuerst an den Stamm an, so bewirkt die bei weiterer Betätigung der
Spanneinrichtung von dieser kommende Kraft, dass sich dieses Halteelement bereits in
einem Zeitpunkt (weiter) gegen den Stamm bewegt, also an diesen angedrückt wird, in
welchem noch nicht
alle
Spanneinrichtung kommende Kraft zunächst noch nicht voll über das zuerst anliegende
Halteelement in den Stamm eingeleitet, weil jedes der Seile bei der angegriffenen
Ausführungsform an seinem Ende eine Feder aufweist, die bei der weiteren Betätigung der
Spanneinrichtung zunächst zusammengedrückt wird. In den Stamm wird daher zuerst die
Kraft der Feder eingeleitet, und die (volle) Kraft der Spanneinrichtung drückt das
Halteelement erst dann an den Stamm an, wenn die Feder ganz zusammengedrückt ist.
Die Federn an den Enden der als Kraftübertragungselemente dienenden Seile bei der
angegriffenen Ausführungsform sind aber nicht nur ziemlich kurz (so dass sie schon sehr
bald nach dem ersten Anlegen des dazugehörigen Halteelements bei weiterer Betätigung
der Spanneinrichtung vollständig zusammengedrückt sind), sondern auch verhältnismäßig
hart, so dass bereits von Anfang an eine merkliche Andrückkraft auf den Stamm ausgeübt
wird, welche leicht dazu führen kann, dass sich der Stamm schräg stellt, was das
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Klagepatent gerade vermeiden will. Es kann im übrigen auch ohne weiteres geschehen,
dass die jeweilige Feder bei einem Halteelement oder bei einzelnen dieser Elemente
bereits vollständig zusammengedrückt ist, bevor alle anderen Halteelemente am Stamm
anliegen. Dann tritt die gerade beschriebene nachteilige Wirkung in noch stärkerem Maße
ein.
Schließlich kann dann, wenn sich mindestens ein Halteelement deutlich vor den anderen
an den Stamm anlegt – was, wie dargelegt, in der Praxis nicht ganz selten vorkommt -,
auch nicht die Rede davon sein, dass das spätere Andrücken der Halteelemente an den
Stamm des Christbaumes bei allen Halteelementen mit einer "im wesentlichen gleichen
Haltekraft" (vgl. Merkmal 4.2.3.2) geschieht. Denn während auf das zuerst angelegte
Halteelement schon die volle, von der Spann-einrichtung kommende Kraft wirkt, wirkt auf
die anderen zunächst nur die – zwar nicht unerhebliche, aber doch gegenüber der von der
Spanneinrichtung kommenden Kraft deutlich geringere – Kraft der Feder ein.
Abgesehen davon, dass, wie ausgeführt, die vier Seile der angegriffenen Ausführungsform
dem patentgemäß gelehrten
einen
kann der Durchschnittsfachmann eine Lösung wie bei dem Ständer der Beklagten auch
nicht aufgrund von Überlegungen auffinden, die sich am Sinngehalt der patentgemäßen
Lehre orientieren. Denn diese Lehre geht gerade dahin, die mehreren Halteelemente durch
ein
einziges
bewegen; von diesem Lösungsweg weicht die angegriffene Ausführungsform deutlich ab.
3.
Hat daher das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen, so war die Berufung mit der
Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die
gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind:
Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche
Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.