Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.07.2002

OLG Düsseldorf: treu und glauben, aufenthalt, datum, unterlassen, beschränkung, eigentumswohnung, einstimmigkeit, ermessen, mehrheit, miteigentümer

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 173/02
Datum:
15.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Ziviilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 173/02
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2 trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde sowie die der Beteiligten zu 1 in diesem Rechtszug
notwen-dig entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 3.000,- EUR.
I.
1
Die Beteiligte zu 1 ist Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage ... in Wuppertal. Die
Beteiligte zu 2 ist Mitglied der Gemeinschaft.
2
Sie hält in ihrer Wohnung seit längerer Zeit vier Hunde und vier Katzen. Nachdem sich
Miteigentümer über von den Tieren ausgehende Belästigungen und durch diese
verursachte Beschädigungen beschwert hatten, beschlossen die Wohnungseigentümer
am 20. Juni 2001 unter TOP 9:
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"Die Eigentümerversammlung fordert und beschließt, dass Frau J...
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binnen einer Frist von 6 Wochen, ab Datum dieser Eigentümerversammlung,
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die Haltung und den Aufenthalt von Katzen und Hunden in ihrer Wohnung
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beendet und künftig keinerlei Hunde oder Katzen mehr in ihrer Wohnung hält,
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aufnimmt oder betreut.
8
...
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Die Eigentümergemeinschaft beschließt und ermächtigt die
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Hausverwaltung H... GmbH mit anwaltlicher und
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gerichtlicher Hilfe in eigenem Namen die Ansprüche der
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Eigentümergemeinschaft gegen Frau J... geltend zu machen."
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Die Beteiligte zu 1 hat beantragt,
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der Beteiligten zu 2 aufzugeben, die Haltung und den Aufenthalt von
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Katzen und Hunden in ihrer Wohnung zu beenden und künftig nicht
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mehr Katzen oder Hunde in ihrer Wohnung zu halten, aufzunehmen
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oder zu betreuen.
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Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 23. Januar 2002 der Beteiligten
zu 2 aufgegeben, mit Wirkung zum 30. April 2002 die Haltung und den Aufenthalt von
Katzen und Hunden in ihrer Wohnung zu beenden und ihr untersagt, künftig Katzen oder
Hunde in ihrer Wohnung zu halten, diese aufzunehmen oder zu betreuen.
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Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beteiligte zu 2 sei
aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 20. Juni 2001 verpflichtet,
die derzeit gehaltenen Tiere abzuschaffen und die künftige Tierhaltung zu unterlassen.
Dieser Beschluss sei nicht wegen Überschreitung der Beschlusskompetenz nichtig,
sondern stelle eine mit Mehrheit zu beschließende Gebrauchsregelung (§ 15 Abs. 2
WEG) dar.
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Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde eingelegt und
beantragt, den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben.
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Das Landgericht hat nach abermaliger mündlicher Verhandlung am 03. Mai 2002 das
Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.
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Hiergegen wendet sich diese mit der sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligte
zu 1 entgegen tritt.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
24
II.
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Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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1.
27
Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher
Vorschriften (§ 27 FGG).
28
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Kammer
schließe sich den rechtlichen Überlegungen des Amtsgerichts an. Auch mit Blick auf die
neuere Rechtssprechung des Bundesgerichthofs (Beschluss vom 20.09.2000 - BGHZ
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145, 158 ff.) sei der fragliche Eigentümerbeschluss nicht wegen Überschreitung der
Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft nichtig. Der Beschluss
habe keine unübliche oder übermäßige Nutzungseinschränkung zum Inhalt und binde
neu eintretende Wohnungseigentümer über den konkreten Fall hinaus nicht.
Übergeordnete Gesichtspunkte, die zu einer Überprüfung der Beschlussfassung
zugunsten der Beteiligten zu 2 nötigten, seien nicht gegeben.
2.
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Diese Ausführungen des Landgerichts begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
31
a)
32
In den Angelegenheiten, welche die Regelung des Gebrauchs (§ 15 WEG) betreffen,
räumt das Gesetz den Wohnungseigentümern ausdrücklich die Möglichkeit einer
Mehrheitsentscheidung ein, sofern es um eine "ordnungsmäßige" Maßnahme geht. Die
Wohnungseigentümerversammlung ist also nicht von vornherein für eine
Beschlussfassung absolut unzuständig ((BGH NJW 2000, 3500 = NZM 2000, 1184 =
ZMR 2000, 771 ff, 774; Buck, WE 1998, 90 [92 f.]; Wenzel, ZWE 2000, 2 [4 ff.]). Sie darf
nur keine Beschlüsse fassen, die über die "Ordnungsmäßigkeit" des Gebrauchs
hinausgehen.
der Abgrenzung vielfach nicht leicht zu entscheiden ist, kann die
Beschlusszuständigkeit nicht davon abhängen, ob eine Maßnahme ordnungsmäßig ist.
Die "Ordnungsmäßigkeit" ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht
kompetenzbegründend, so dass für Gebrauchsregelungen an der bisherigen
Rechtsprechung festzuhalten ist, dass in diesen Angelegenheiten bestandskräftige
Mehrheitsbeschlüsse gültig sind, auch wenn der Regelungsgegenstand den Abschluss
einer Vereinbarung oder Einstimmigkeit erfordert hätte (vereinbarungsersetzende
Beschlüsse).
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b)
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Dies vorausgeschickt hat das Landgericht die auf den bestandskräftigen
Eigentümerbeschluss vom 20. Juni 2001 zu TOP 9 gestützte Entscheidung des
Amtsgerichts, der Beteiligten zu 2 aufzugeben, die Haltung und den Aufenthalt von
Katzen und Hunden in ihrer Wohnung zu beenden und künftig nicht mehr solche Tiere
in ihrer Wohnung zu halten, aufzunehmen oder zu betreuen, rechtsfehlerfrei bestätigt.
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Es handelt sich bei diesem Verbot nicht um eine Beschränkung des Sondereigentums
in Gestalt eines generellen Tierhaltungsverbots, sondern um eine auf Herstellung des
ordnungsgemäßen Gebrauchs
dieser Bewertung ändert sich nichts dadurch, dass die Gemeinschaft den
ordnungsmäßigen Gebrauch mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit von der Hunde-
und Katzenhaltung seitens der Beteiligten zu 2 ausgehenden Beeinträchtigungen für die
Gemeinschaft nur durch das Gebot, die Katzen- und Hundehaltung in der Wohnung zu
unterlassen, als gewährleistet ansah. Der Beschlussgegenstand war somit nach dem
Vorgesagten einer Regelung durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss zugänglich.
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c)
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Anhaltspunkte, die einer Durchsetzung des Hunde- und Katzenhaltungsverbots aus
dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen stehen könnten, (vgl.
hierzu BayObLG , Beschluss vom 25.10. 01 2 ZBR 81/01 = ZWE 2002, 175) sind weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 war hiernach zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 und 2 WEG. Es entspricht billigem
Ermessen, dass die Beteiligte zu 2 die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des
Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt. Die Beteiligte zu 2 hätte nach den
Ausführungen der Vorinstanzen ohne weiteres erkennen können, dass ihr Rechtsmittel
der sofortigen weiteren Beschwerde keinen Erfolg versprach.
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