Urteil des OLG Düsseldorf vom 21.03.2006
OLG Düsseldorf: harmonisierungsamt für den binnenmarkt, zypern, beschreibende angabe, käse, geographische herkunftsangabe, verkehr, kollektivmarke, organisation, bestandteil, erlass
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 229/05
Datum:
21.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 229/05
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil der 2a Zivil-
kammer des Landgerichts Düsseldorf vom 07.11.2005 unter Zurück-
weisung des weitergehenden Rechtsmittels und Antrags auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung dahingehend abgeändert, dass sich das vom
Landgericht ausgesprochene Verbot auf die Benutzung wie aus den
Anlagen AS 12 und AG 2 ersichtlich beziehen soll.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen der Antragsgegnerin zur
Last.
I.
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Die Antragstellerin – eine halbstaatliche Organisation, der alle in Zypern tätigen
Molkereien angehören und deren Zweck "die Werbung, die Stärkung der
Wirtschaftskraft und eine bessere Organisation der Molkereiindustrie zum Wohle der
Milcherzeuger und der Milchkonsumenten sowie die Wahrnehmung der Interessen der
Molkereiindustrie Zypern" (§ 3 der Markensatzung der Antragstellerin, Anlage AS 7) ist –
geht aus der für sie mit Priorität vom 22.02.1999 für die Ware Käse eingetragenen
Gemeinschafts-Kollektivmarke Nr. 001082965 "HALLOUMI" vor. Nach § 7 der
Markensatzung der Antragstellerin dürfen die Organisation selbst und ihre Mitglieder die
Marke für eine Käsespezialität aus Zypern, die aus in Zypern erzeugter Milch gewonnen
und auf der Insel Zypern hergestellt wird und eine bestimmte Zusammensetzung hat,
benutzen.
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Die Antragsgegnerin vertreibt unter der Bezeichnung GAZi ein Sortiment von
mediterranen, überwiegend türkischen Molkereiprodukten. Sie bietet dabei auch, wie
aus der Farbabbildung Anlage AG 2 ersichtlich, unter Benutzung der Angabe
"HALLOUMI" einen "Käse für Pfanne und Grill" an. Die Antragstellerin sieht darin eine
Verletzung ihrer Kollektivmarke "HALLOUMI", die nach ihrer Auffassung eine mittelbare
geografische Herkunftsangabe nach Art. 64 Abs. 2 GMV zum Gegen-stand hat.
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Das Landgericht hat der Antragsgegnerin durch Beschlussverfügung vom 07.09.2005
untersagt,
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ohne Zustimmung der Antragstellerin im geschäftlichen Verkehr in der
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Europäischen Gemeinschaft Käse unter der Bezeichnung "HALLOUMI"
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder für Käse unter dieser
Bezeichnung zu werben, wenn der Käse nicht auf der Insel Zypern hergestellt
worden ist, nicht aus in Zypern erzeugter Milch gewonnen wurde oder in
seiner Zusammensetzung nicht den Vorgaben der Markensatzung der
Gemeinschafts-Kollektivmarke Nr. 001082965 "HALLOUMI" der
Antragstellerin entspricht.
In seinem die Beschlussverfügung bestätigenden Urteil hat das Landgericht ausgeführt,
dass die Antragsgegnerin "HALLOUMI" nicht als Bestandteil einer Zweiwortmarke,
sondern in Alleinstellung als selbständige Marke benutze. Die Antragstellerin habe
einen Unterlassungsanspruch aus Art. 9 Abs. 1 a) i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 GMV. Die
Antragsgegnerin könne sich nicht auf Art. 12b i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 2 GMV berufen,
da der unter der Bezeichnung HALLOUMI vertriebene Käse zumindest auch einen
Herkunftsbezug zu Zypern habe.
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Mit der Berufung erstrebt die Antragsgegnerin eine Abänderung des landgerichtlichen
Urteils und eine Aufhebung der Beschlussverfügung. Die Antragsgegnerin rügt, dass
das Landgericht "HALLOUMI" als separate Marke neben der Bezeichnung GAZi
angesehen hat und verweist insbesondere auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes "Juwel von Klingel" sowie die weiteren zur Prägetheorie
einschlägigen Entscheidungen und nimmt zuletzt auch auf die EuGH-Entscheidung
"THOMSON LIFE" Bezug.
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Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass in der zusammengesetzten Marke
"GAZi HALLOUMI" der Bestandteil GAZi dominierend sei, weil HALLOUMI nur ganz
geringe Kennzeichnungskraft habe und eine Käsesorte wie "Edamer" oder "Gouda"
bezeichne.
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Schließlich habe sich das Landgericht nicht mit der beschreibenden Verwendung von
HALLOUMI auseinandergesetzt.
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Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß
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das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 07.11.2005 abzuändern und unter
Aufhebung der Beschlussverfügung vom 07.09.2005 den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Benutzung
insbesondere wie aus den Anlagen AS 12 und AG 2 ersichtlich angegriffen
werde.
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In der Berufungserwiderung verweist die Antragstellerin darauf, dass die
Antragsgegnerin auf ihrer Website die Bezeichnung GAZi als Kennzeichen für den
Vertreiber eines Produktsortiments verwende und damit ihren Geschäftsbetrieb
bezeichne. In den beanstandeten Aufmachungen würden die Bezeichnungen GAZi und
HALLOUMI räumlich getrennt und graphisch verschieden verwendet und seien von
daher schon nicht als eine zusammengesetzte Marke aufzufassen. Auch werde auf den
Seitenlaschen der Produktverpackung HALLOUMI in Alleinstellung genutzt. Die von der
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Antragsgegnerin angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung seien schon deshalb
nicht einschlägig, weil es im vorliegenden Fall um keine zusammengesetzte Marke
gehe. Auch sei HALLOUMI keine Käsesorte, sondern eine Herkunftsangabe wie "Feta".
II.
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Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache ganz überwiegend keinen
Erfolg; das ausgesprochene Verbot war lediglich auf die konkrete Verletzungsform zu
beziehen, was jedoch – wie bei der Kostenentscheidung noch ausgeführt wird – nur ein
geringfügiges Unterliegen der Antragstellerin bedeutet.
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Die Antragstellerin kann der Antragsgegnerin gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1, Art. 64 Abs.
3, Art. 9 Abs. 1a GMV die Benutzung der Angabe "HALLOUMI" verbieten.
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Nach Art. 64 Abs. 2 Satz 1 GMV können Gemeinschaftskollektivmarken – als solche ist
die Wortmarke HALLOUMI beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt unter der Nr.
001082965 eingetragen – aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur
Bezeichnung der geografischen Herkunft der Ware oder der Dienstleistung dienen
können. Von einer derartigen schutzfähigen geographischen Herkunftsangabe ist im
vorliegenden Fall auszugehen. Da das Verletzungsgericht an die Eintragung der Marke
gebunden ist kann ihr entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht schlechthin die
Herkunftshinweisfunktion, die hier nur in Bezug auf die geographische (und nicht auf die
betriebliche) Herkunft in Betracht kommt, abgesprochen werden. Die für das deutsche
Markenrecht geltende Bindung (st. Rspr. BGH GRUR 2005, 414-417 – Russisches
Schaumgebäck, BGH GRUR 2005, 427, 428 – Lila-Schokolade) besteht auch in Bezug
auf Gemeinschaftsmarken, Art. 95 GMV. Der Verletzungsrichter hat davon auszugehen,
dass bei eingetragenen Marken ein Eintragungshindernis nicht besteht. Es ist ihm
folglich verwehrt, der Marke in der eingetragenen Form beispielsweise jegliche
Unterscheidungskraft abzusprechen (BGH a.a.O.).
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Wegen der Bindung an die Eintragung der Marke, aus der die Antragstellerin Rechte
herleitet, braucht auch die Frage, ob es sich um eine qualifizierte oder einfache
geographische Herkunftsangabe handelt – worüber die Parteien im übrigen nicht
streiten – nicht vertieft zu werden. Bei Annahme einer qualifizierten geographischen
Herkunftsangabe wäre das Verhältnis der entsprechenden europäischen Marke zu einer
möglichen, hier aber nicht erfolgten, Registrierung nach der VO (EWG) Nr. 2081/92 zu
erwägen.
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Bei der sodann zu prüfenden Verwechslungsgefahr hat das Landgericht zu Recht
Waren- und auch Zeichenidentität nach Art. 9 Abs. 1 lit. a) GMV bejaht; die Angaben
HALLOUMI stehen sich jeweils in Alleinstellung gegenüber. Entgegen der von der
Antragsgegnerin vertretenen Auffassung verwendet sie die Angabe nicht im Rahmen
einer zusammengesetzten Marke "GAZi HALLOUMI". Zusammengesetze Zeichen sind
alle Zeichen, die aus mehreren, dem Verkehr auch einzeln gegenübertretenen
Komponenten bestehen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG 3. Aufl., § 8 Rdnr. 51). Im
vorliegenden Fall treten dem Verkehr das Zeichen GAZi und die Angabe HALLOUMI
auf der Verpackung des von der Antragsgegnerin vertriebenen Grillkäses jedoch einzeln
und nicht als zusammengesetztes Zeichen gegenüber. Dies ergibt sich insbesondere
aus der farbigen Abbildung Anlage AG 2. Die Zeichen werden farblich unterschiedlich
dargestellt: GAZi ist in weiß auf rotem Untergrund geschrieben, wo hingegen
HALLOUMI in blauer Schrift auf dem beigen Verpackungsuntergrund erscheint. Es
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werden verschiedene Schrifttypen verwandt. GAZi ist in Großbuchstaben und
Druckschrift geschrieben, wo hingegen HALLOUMI nur am Anfang einen
Großbuchstaben hat und in Schreibschrift geschrieben wird. Die beiden Begriffe sind
untereinandergesetzt, ohne dass sie durch irgendwelche Zeichen, Einrahmungen oder
ähnliches verbunden wären, so dass aufgrund des Gesamteindruckes, mit dem die
Zeichen dem Verbraucher entgegentreten, anzunehmen ist, dass HALLOUMI
alleinstehend und nicht als Bestandteil eines zusammengesetzten Kennzeichens
aufgefasst wird.
Die von der Antragsgegnerin angeführte Rechtsprechung zur Verwechslungsgefahr bei
zusammengesetzten Zeichen ist deshalb nicht einschlägig, so dass darauf nicht
eingegangen zu werden braucht.
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Die Antragsgegnerin kann nicht für sich in Anspruch nehmen, die Angabe HALLOUMI
beschreibend für die Art des von ihr vertriebenen Käses zu verwenden, was ihr nach Art.
12 lit. b) i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 2 GMV nicht verboten werden könnte.
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Entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht kann nicht festgestellt
werden, dass der Verkehr in "HALLOUMI" eine Bezeichnung sieht, die das unter ihr
vertriebene Produkt seiner Art – als Käsesorte – nach und nicht hinsichtlich seiner
geographischen Herkunft – als aus Zypern stammend – kennzeichnet. Wie schon das
Landgericht zu Recht ausgeführt hat, weisen die von den Parteien vorgelegten
Unterlagen überwiegend auf den geographischen Bezug von Halloumi zum Land
Zypern hin. So findet sich auf jeder Seite der von der Handelsabteilung der
Zypriotischen Botschaft in Köln herausgegebenen Broschüre "Zyperns Nationalkäse
HALLOUMI" der Hinweis "HALLOUMI – Nur aus Zypern". Die Handelsabteilung der
Botschaft von Zypern in Berlin verweist in ihrer Internetseite auf HALLOUMI als Zyperns
Nationalkäse, der dort seit Jahrhunderten nach uralten Rezepten hergestellt wird. Im
Internet-Lebensmittellexikon von Wikipedia wird HALLOUMI als Spezialität Zyperns, wo
er seit über 2000 Jahren hergestellt werde, beschrieben.
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Schließlich bezeichnet die Antragsgegnerin selbst in ihrer auf der Abbildung Anlage AS
14 dargestellten Verpackung HALLOUMI als "Grillkäse aus Zypern" und stellt damit
ebenfalls den geographischen Herkunftsbezug her. Des weiteren wird in dem Werk
"Das große Buch vom Käse" (Anlage AG 11) HALLOUMI als ein Lakekäse auf Zypern
erwähnt.
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Soweit nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Quellen vereinzelt andere
Länder z.B. Rumänien oder Australien mit HALLOUMI in Verbindung gebracht werden,
ist jedenfalls hier im Eilverfahren nicht zu klären, worauf diese abweichenden
Informationen zur geographischen Herkunft von "HALLOUMI"-Käse beruhen. Jedenfalls
kann nicht angenommen werden, dass HALLOUMI wie "Edamer" und "Gouda" als
Beschreibung einer Käsesorte ohne Rücksicht auf eine bestimmte Herkunft verwendet
wird. Wie in der Entscheidung des US Department of Commerce Patent and Trademark
Office vom 12.08.1999 (Anlage AS 18) zu Recht ausgeführt wird, würde man im Falle
einer Gattungsbezeichnung eine Eintragung in Wörterbüchern erwarten. In deutschen
Wörterbüchern (z.B. Duden) finden sich die Bezeichnungen "Gouda" und "Edamer" und
auch "Camembert", nicht jedoch das Wort "Halloumi".
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Das Verbot ist entsprechend dem Hilfsantrag der Antragstellerin auf die konkrete
Verletzungsform zu beschränken gewesen, weil für das verallgemeinerte Begehren der
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Antragstellerin keine Wiederholungs- bzw. Begehungsgefahr besteht. Wenn die
Antragsgegnerin nur ein Recht für sich in Anspruch nimmt, HALLOUMI als
beschreibende Angabe für die Käsespezialität zu verwenden, ist immer auch nur mit
einer von der Herstellerbezeichnung "GAZi" isolierten Verwendung von HALLOUMI zu
rechnen. Mithin steht vorliegend eine andere Benutzung als die konkrete
Verletzungsform in Wirklichkeit hier gar nicht zur Debatte. Da die Antragsgegnerin
diesen Punkt jedoch in der Berufungsbegründung aufgegriffen und in den Streit
einbezogen hat, können andere zusammengesetzte Verwendungsformen der Marke
nicht als ohnehin fernliegend gänzlich außer Betracht bleiben, sondern ist aus
prinzipiellen Gründen das Verbot auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken
gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, da - wie oben ausgeführt – der
weitergefasste Antrag der Antragstellerin kaum praktische Bedeutung hatte und deshalb
nur unwesentlich über das hinausging, was der Antragstellerin zuerkannt worden ist.
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Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da das Urteil
kraft Gesetzes nicht revisibel ist, § 542 Abs. 2 ZPO.
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Streitwert: 200.000 € (entsprechend der von den Parteien nicht beanstandeten
Wertfestsetzung durch das Landgericht).
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B. Sch. F.
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