Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.03.2010
OLG Düsseldorf (kläger, urkunde, treu und glauben, notar, darlehensvertrag, zwangsvollstreckung, beurkundung, haftung, rechtsgrund, höhe)
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-17 U 261/07
Datum:
26.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-17 U 261/07
Vorinstanz:
Landgericht Mönchengladbach, 3 O 133/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. 11. 2007 verkündete
Urteil der
3. Zivilkammer des LG Mönchengladbach abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge sowie des
Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesgerichtshof werden den Klägern
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Gründe:
1
I.
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Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung in ihr persönliches Vermögen
aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde.
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Zur Sicherung eines (weiteren) Darlehens über 120.000,00 DM, das die beklagte
Sparkasse den Klägern gewähren wollte, bestellte der Kläger zu 2) – im eigenen
Namen und als bevollmächtigter Vertreter seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1) – am 14.
03. 1994 eine Grundschuld über 100.000,00 DM an einem im Eigentum der Klä-ger
stehenden Grundstück. Dabei erklärte er für "die Eheleute Volker K." die persönliche
Haftung für die Zahlung dieses Betrages sowie die Zwangsvollstreckungsunterwerfung
in das gesamte Vermögen (Bl. 23, 24 GA).
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in das gesamte Vermögen (Bl. 23, 24 GA).
Am 16. 03. 1994 unterzeichneten die Parteien den Darlehensvertrag (Bl. 9 ff. GA), der
als Sicherheit die Grundschuld, aber weder die persönliche Haftungsübernahme noch
die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung vorsieht. Zugleich unterzeichneten die
Kläger eine Sicherungszweckerklärung, nach der die Grundschulden alle bestehenden
und künftigen Ansprüche der Beklagten sichern sollten.
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Die Beklagte betrieb in 1999 aus der Grundschuld und der Unterwerfungserklärung die
Zwangsversteigerung des Grundstücks. Sie kündigte das Darlehen mit Schreiben vom
11. 04. 2001. Die Kläger widerriefen den Darlehensvertrag aus 1994 sowie zwei weitere
Darlehensverträge aus 1987 "unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von
Haustürgeschäften" im Januar 2003 (Bl. 119 GA). Die Beklagte erhob daraufhin
Anspruch auf Erstattung der ausgezahlten Kreditbeträge nebst marktüblicher
Verzinsung (Bl. 120 GA). Im Mai 2006 betrieb sie die weitere Vollstreckung aus der im
Streit stehenden Urkunde.
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Die Kläger wollen die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren notariellen Urkunde
vom 14. 03. 1994 für unzulässig erklärt wissen. Sie haben behauptet, der Notar habe
dem Kläger zu 2) die Grundschuldbestellungsurkunde nicht vorgelesen oder erläutert; er
habe sich auf den Hinweis beschränkt :"Wenn Sie nicht bezahlen, ist das Haus weg"
sowie auf die Feststellung, dass er ein Formular der Beklagte verwende.
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Sie haben die Auffassung vertreten, die Einbeziehung der Klägerin zu 1) sei nicht
hinreichend bestimmt erklärt worden, und die Einrede der Verjährung erhoben.
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Sie haben beantragt,
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1. die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde UR-Nr. 0498/94 vom 14. 03.
1998 des Notars Günter K. für unzulässig zu erklären,
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2. die Beklagte zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde UR-Nr.
0498/94 vom 14. 03. 1998 des Notars Günter K. an die Kläger herauszugeben.
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Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
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Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
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Es hat ausgeführt, die persönliche Haftungsübernahme und die Unterwerfungserklärung
seien als nicht überraschende Klauseln zwar wirksam vereinbart, die Kläger hätten
diese Sicherheiten aber ohne Rechtsgrund hergegeben, weil sie nicht mit der Beklagten
vereinbart worden seien. Den Einwand aus § 821 BGB könnten die Kläger der
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Beklagten im Rahmen der Zwangsvollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO
entgegenhalten. Der Anspruch auf Herausgabe der Urkunde folge aus § 371 BGB
analog.
Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, die persönliche Haftung mit dem
gesamten Vermögen sowie die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung seien
banküblich, wenn – wie hier – Darlehensnehmer, Grundschuldbesteller und Haftender
identisch seien. Dies sei auch für die Kläger erkennbar gewesen, weil sie die per-
sönliche Haftung und Unterwerfung bereits bei der Grundschuldbestellung zur
Sicherheit des 1987 aufgenommenen Kredits vor dem Notar erklärt hätten.
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Sie beantragt,
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das am 27. 11. 2007 zugestellte Urteil des Landgerichts Mönchen-
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gladbach vom 20. 11. 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Sie benennen den Notar als Zeugen dafür, dass er den Kläger zu 2) nicht über die
Unterwerfungserklärung belehrt und diese auch nicht vorgelesen habe. Der persönlich
angehörte Kläger erklärt, er habe darauf vertraut, dass die von ihm vor dem Notar
unterzeichnete Urkunde die gleichen Sicherheiten nenne, wie im Darlehensvertrag
vereinbart. Eine Ausfertigung dieser Urkunde habe er ein paar Tage später per Post
erhalten, er habe sie ungelesen abgeheftet.
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Der Senat hat auf die Berufung das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage
abgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof das Urteil
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Oberlandesgericht zurückverwiesen.
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Der Senat hat über die Behauptung der Kläger, der Notar habe die
Grundschuldbestellungsurkunde bei der Beurkundung am 14. 03. 1994 nicht verlesen,
Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Günter K. und Anhörung des Klägers
persönlich. Auf die Sitzungsniederschrift vom 05. 03. 2010 wird verwiesen.
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II.
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Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
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Die Kläger haben keinen Anspruch, das vollstreckbare Schuldversprechen (§ 780 BGB)
zurückzufordern.
Unterwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung mit Rechtsgrund
erlangt, diese sind auch nicht mit einer dauernden Einrede behaftet.
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1)
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Das abstrakte Schuldversprechen (§ 780 BGB) in Verbindung mit der
Vollstreckungsunterwerfung sichert mit Rechtsgrund eine wirksame Verbindlichkeit aus
dem Kreditvertrag. Personalsicherheiten wie das hier abgegebene vollstreckbare
Schuldversprechen tragen ihren Rechtsgrund in sich selbst (BGH, Urteil vom 22. 07.
2008 - XI ZR 389/07, WM 2008, 1679-1682). Dies bedeutet, es besteht ein
Behaltensgrund, solange die gesicherte Darlehensverbindlichkeit besteht. Ein nicht im
Darlehensvertrag angegebenes vollstreckbares Schuldversprechen ist deshalb - wenn
es wie hier eine bestehende Verbindlichkeit sichert - nicht kondizierbar.
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Die Kläger dringen nicht mit ihrem Einwand durch, aufgrund ihres Widerrufs des
Darlehensvertrages im Januar 2003 fehle es an einer zu sichernden Forderung. Zum
einen fehlt jeglicher Vortrag dazu, dass ihr Antrag des Darlehensvertrages am
16.03.1994 in einer Haustürsituation erklärt worden sei. Zum anderen sichert die
Unterwerfungserklärung auch im Falle eines widerrufenen Darlehensantrags den
Anspruch des Kreditgebers auf Rückzahlung der ausgezahlten Valuta.
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2)
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Das landgerichtliche Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als
richtig dar.
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Der Urkunde mangelt es nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Die Formulierung,
"die Eheleute Volker K." übernähmen die Haftung, reicht aus, die Klägerin zu 1)
einzubeziehen. Denn der Kläger zu 2) ist ausweislich des Rubrums der Urkunde
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ausdrücklich aufgetreten als Bevollmächtigter seiner Ehefrau Elke geb. E. und unter
Verweis auf die Vollmachtsurkunde vom 06. 02. 1990 UR.Nr. 0160/1990. Aus der
Urkunde ist mithin unzweifelhaft zu entnehmen, dass die Klägerin zu 1) gemeint ist.
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Das in der notariellen Urkunde vom 14. 03 1994 enthaltene vollstreckbare
Schuldversprechen in Höhe des Grundschuldbetrages nebst Zinsen und Nebenkosten
verstößt auch nicht gegen § 9 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 und 2 BGB).
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Es ist banküblich, dass sich der mit dem persönlichen Kreditschuldner identische
Grundschuldbesteller bei Bankdarlehen regelmäßig formularmäßig der
Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwerfen muss. Nach
jahrzehntelanger ständiger Rechtsprechung aller damit befassten Senate des
Bundesgerichtshofs wird der Schuldner durch ein solches formularmäßiges
vollstreckbares Schuldversprechen nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen benachteiligt (BGHZ 99, 274, 283 ff.; 114, 9, 12 f.; BGH, Urteile vom 9.
Juli 1991 - XI ZR 72/90, WM 1991, 1452, 1454 f., vom 26. November 2002 - XI ZR 10/00,
WM 2003, 64, 65 f., vom 22. Oktober 2003 - IV ZR 398/02, WM 2003, 2372, 2374 und IV
ZR 33/03, WM 2003, 2376, 2378, vom 28. Oktober 2003 - XI ZR 263/02, WM 2003,
2410, 2411, vom 27. September 2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 505, vom 22.
November 2006 - XI ZR 226/04, WM 2006, 87, 88 und vom 22. Mai 2007 - XI ZR 338/05,
zitiert nach juris, Tz. 16).
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3)
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Die Grundbestellung mit der persönlichen Haftungs- und Unterwerfungserklärung ist
formwirksam erklärt worden.
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Die Kläger haben ihre Behauptung, der beurkundende Notar habe die
Grundbestellungsurkunde nicht vorgelesen, nicht zu beweisen vermocht. Der
beurkundende Notar, der Zeuge K., hat bekundet, er habe an die konkrete Beurkundung
keine Erinnerung mehr. Er sei in seiner langjährigen Amtszeit nie von dem Grundsatz
abgewichen, eine Urkunde, die der Vorlesung bedürfe, auch vorzulesen. Insbesondere
habe er durchweg auf die persönliche Haftung hingewiesen. Am 14. 03. 1994 habe für
Vorlesen der Urkunde und Belehrung des Klägers auch hinreichend Zeit zur Verfügung
gestanden, weil für die Beurkundung ausweislich seines Terminkalenders eine halbe
Stunde vorgesehen gewesen sei.
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Der Senat sieht den Beweis nicht dadurch erbracht, dass der Kläger bei seiner
persönlichen Anhörung angegeben hat, der Notar habe lediglich das Deckblatt der
Urkunde vorgelesen, die Urkunde weitergeblättert mit dem Bemerken, das sei das
Formblatt der Sparkasse, das zu dem Darlehensvertrag passe, und dann den letzten
Satz wiedergegeben. Der Zeuge K. hat dem widersprochen und bekundet, er habe
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den Darlehensvertrag nicht gekannt. Der Senat glaubt dem Zeugen, weil der
Darlehensvertrag erst zwei Tage später geschlossen wurde und im übrigen ein mit der
Beurkundung einer Grundschuld beauftragter Notar üblicher Weise nicht mit dem durch
die Grundschuld zu sichernden Geschäft befasst wird.
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Der Umstand, dass die dem Senat vorgelegte Originalurkunde aus Kopien zweier
Sparkassenformulare hergestellt worden ist, weckt bei dem Senat keine Zweifel an einer
ordnungsgemäßen Beurkundung. Der Kläger, mit dem die Erstellung der Urkunde
erörtert worden ist, hat dem Senat erklärt, er werfe dem Notar nicht vor, er habe die
Urkunde nachträglich verfälscht (insoweit nicht protokolliert). Zu einer Begutachtung der
Frage, ob eine einheitliche Urkunde vorlag, sieht sich der Senat deshalb nicht
veranlasst.
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4)
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Schließlich ist der titulierte Anspruch der Beklagten auch nicht verjährt, § 197 Abs. 1 Nr.
4 BGB.
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III.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.
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Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711.
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Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 51.300,00 EUR festgesetzt.
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Der Wert der Beschwer der Kläger übersteigt 20.000 EUR.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor.
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P. Dr. A.-S. Dr. D.
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