Urteil des OLG Düsseldorf vom 07.07.2004
OLG Düsseldorf: treu und glauben, firma, paket, grobe fahrlässigkeit, edi, beförderung, absender, mitverschulden, unterlassen, frachtführer
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 20/04
Datum:
07.07.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 20/04
Tenor:
hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die
mündliche Verhand-lung vom 16. Juni 2004 durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht M., den Richter am Oberlandesgericht H.
und die Richterin am Amtsgericht R.
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. November
2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts Düsseldorf (31 O 81/02) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
2
Im Ergebnis richtig und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht dahin
entscheiden, dass die Beklagte der Firma C. IT wegen des Warenverlusts aus dem
Transportauftrag vom 23. Februar 2001 gemäß § 425 HGB Schadensersatz schuldet,
ohne sich auf Haftungsbeschränkungen berufen zu können. Dieser
Schadensersatzanspruch ist im Wege der Abtretung auf die Klägerin übergegangen.
3
A.
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Die erstinstanzlich erhobenen und zweitinstanzlich wiederholten Einwände der
Beklagten gegen den erhobenen Klageanspruch greifen nicht durch.
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I.
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An der Aktivlegitimation der Klägerin besteht kein Zweifel. Die Beklagte räumt
zweitinstanzlich ein, dass die Klägerin Transportversicherer der Firma C. IT ist. In der
Überlassung der Schadensunterlagen (einschließlich der Abtretungserklärung der
Firma C. U.) liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine konkludent erklärte
Abtretung der Schadensersatzansprüche der Firma C. IT an die Klägerin.
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Diese Abtretung umfasst auch die Schadensersatzansprüche, die die Firma C. IT
aufgrund der Abtretungserklärung der Firma C. U. vom 22. März 2001 erworben hat, da
diese Abtretungserklärung den überlassenen Schadensunterlagen beigefügt war.
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Dass diese Abtretungserklärung der Firma C. U. sich auf ihre Absenderrechte aus dem
hier in Rede stehenden Transportauftrag bezieht, kann angesichts des eindeutigen
Wortlautes (Nennung der Trackingnummer und Benennung der verloren gegangenen
Ware) nicht zweifelhaft sein.
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Der Einwand, diese Abtretungen verstießen gegen das Rechtsberatungsgesetz,
verfängt nicht, weil die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt
hat, aus denen sich die Berechtigung dieses Einwandes ergeben könnte.
10
II.
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Nach ständigen Rechtsprechung des Senats zum sogenannten EDI-Verfahren der
Beklagten erbringt die Unterschrift des Fahrers unter die EDI-Versanddaten-Zu-
sammenfassung in Verbindung mit dem Absendemanifest Beweis für die Übergabe des
Paketes, falls die Beklagte nicht nach Eingang des Feeders im ersten Umschlagslager
umgehend reklamiert, eines der dort aufgeführten Pakete tatsächlich nicht erhalten zu
haben.
12
III.
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Dafür, dass in den beiden Paketen eine aus insgesamt aus 122 Softwareprogrammen
bestehende Warensendung enthalten war, streitet nach der neuen Rechtsprechung des
BGH der Beweis des ersten Anscheins.
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Zwar hat die Klägerin nur einen kombinierten Lieferschein/Rechnung vorzuweisen. Aus
dem Absendemanifest aus der EDV der Beklagten ergibt sich jedoch, dass zu der
Rechnung mit der Nummer 602141 zwei Pakete an die Firma C. IT auf den Weg
gebracht worden sind. Damit steht fest, dass die in der Rechnung genannte
Warensendung tatsächlich die Versandabteilung der Firma C. U. durchlaufen hat.
Dieses Dokument hat mithin mindestens den gleichen Beweiswert wie ein Lieferschein
über diese Warensendung.
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Es steht im vorliegenden Fall auch fest, dass das verloren gegangene Paket 100 dieser
Softwareprogramme enthalten hat. Denn die Klägerin hat zur Überzeugung des Senats
nachgewiesen, dass das angekommene Paket lediglich 22 Softwareprogramme
enthielt. Das belegen die interne Warenkontrolle der Firma C. IT (Bl. 10 GA), die ein
Mitarbeiter dieser Firma über den Inhalt des angekommenen Pakets gefertigt hat, das
Reklamationsschreiben der Firma C. IT (Bl. 11 GA), mit dem die Firma C. IT gegenüber
der Firma C. U. angezeigt hat, dass statt der bestellten 122 nur 22 Programme
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angekommen sind, sowie das Bestätigungsschreiben der Firma C. U. (Bl. 82 GA), aus
dem sich ergibt, dass das verloren gegangene Paket 100 Softwareprogramme enthalten
hatte.
Für den Wert der 100 Softwareprogramme erbringt die Handelsrechnung gemäß § 429
Satz 3 HGB einen Anscheinsbeweis. Substantiierte Einwände, die diesen
Anscheinsbeweis erschüttern könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
17
IV.
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Schließlich kann es der Firma C. U. auch nicht zum Mitverschulden gereichen, dass sie
das hier in Rede stehende Paket nicht als Wertpaket versandt hat.
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Aufgrund der Ziffer 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten ist zwar davon
auszugehen, dass die Firma C. U. wusste, dass nach der Betriebsorganisation der
Beklagten bei Wertpaketen eine erhöhte Beförderungssicherheit gewährleistet werden
soll, denn dort ist ausgeführt: "Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der
Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket".
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Es steht jedoch nicht fest, dass dem Paket der Firma C. U. mit dieser erhöhten
Sicherheit tatsächlich befördert worden wäre, wenn sie das Paket als Wertpaket
tatsächlich versandt hätte.
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Um ein Paket als Wertpaket zu versenden, ist es im sogenannten EDI-Verfahren zum
einen erforderlich, die Wertdeklaration bei der Eingabe der Paketdaten vorzunehmen.
Dies allein gewährleistet jedoch nicht, dass das Paket tatsächlich in diesem
Versandverfahren befördert wird. Denn wenn die Absenderin dieses wertdeklarierte
Paket zusammen mit den anderen Paketen in den Paketcontainer gibt, wird dieses
Paket weiterhin wie eine Standardsendung befördert.
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Wie und auf welche Weise die Beklagte sicherstellt, dass auch im EDI-Verfahren
Wertpakete mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert werden, hat die Beklagte
nicht dargetan.
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Die von ihr über die Beförderung von Wertpaketen vorgetragenen Kontrollen können
nämlich bei Kunden, die am EDI-Verfahren teilnehmen, nicht umgesetzt werden. So
kann zum Beispiel der Einsatzleiter den Abgleich zwischen den
Adressaufkleberinformationen und den Versanddokumenten nicht vornehmen, weil es
im EDI-Ver-fahren gar keine Versanddokumente mehr gibt. Folglich kann er auch nicht
den Empfang des Wertpaketes auf dem Absendebeleg vornehmen. Schließlich kann
der Einsatzleiter auch nicht die Plombennummer und die Containernummer auf dem
(nicht vorhandenen) Frachtbrief eintragen.
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Auf diesen Mangel im Sachvortrag hat der Senat die Beklagte bereits in früheren
Verfahren hingewiesen. Im Verhandlungstermin hat der Senat diesen Hinweis
wiederholt. Gleichwohl hat die Beklagte hierzu im Verhandlungstermin weder
ergänzenden Sachvortrag gehalten, noch hat sie eine Schriftsatzfrist zu diesem Hinweis
beantragt.
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Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 21. Juni 2004 gibt dem Senat
keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil auch der Inhalt
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dieses Schriftsatzes keine andere Sachentscheidung zu rechtfertigen vermag.
In diesem Schriftsatz führt die Beklagte lediglich aus, dass die EDI-Kunden dem Fahrer
wertdeklarierte Pakete gesondert übergeben müssen. Wann und wie sie die Firma C. U.
hierüber informiert hat, teilt die Beklagte jedoch auch in diesem nicht nachgelassenen
Schriftsatz nicht mit. Informationen darüber, wie die erhöhte Beförderungssicherheit bei
wertdeklarierten Pakete gewährleistet wird, für die es keinerlei Frachtpapiere gibt,
enthält dieser Schriftsatz ebenso wenig.
27
B.
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Die weiteren Einwände, die die Beklagte in rechtlicher Hinsicht gegen das
landgerichtliche Urteil erhebt, entsprechen ihrer Standardargumentation, weil sie sie
mittlerweile in fast allen Berufungsverfahren erhebt. Dass der Senat sich diesen
Rechtsauffassungen nicht anzuschließen vermag, ist der Beklagten inzwischen
hinlänglich bekannt.
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I.
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Die Auffassung der Beklagten, sie könne mit ihren Kunden für die Beförderung von
Standardpaketen vereinbaren, dass sie, die Beklagte, im Rahmen der Beförderung nur
die für Briefe üblichen Sorgfaltspflichten und Sicherheitsstandards einhalten müsse,
mag in der Sache zutreffen. Diese Rechtsausführungen liegen jedoch im vorliegenden
Fall neben der Sache; denn die Auffassung der Beklagten ist unrichtig, sie habe mit der
Firma C. U. eine dahingehende Absprache getroffen.
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Eine ausdrückliche Abrede mit diesem Inhalt behauptet die Beklagte nicht. Eine
dahingehende Abrede haben die Vertragsparteien auch nicht konkludent getroffen. Das
Argument, sie, die Beklagte, könne nur die Sorgfaltsmaßnahmen schulden, die sie zu
dem niedrigen Transportpreis und der von ihr auf dem Markt angebotenen
Massenbeförderung von Paketen auch realisieren könne, geht fehl. Mithin stimmt die
Ausgangsthese der rechtlichen Überlegungen der Beklagten nicht. Die
Sorgfaltspflichten und Sicherheitsstandards, die ein Frachtführer aufgrund des von ihm
abgeschlossenen Frachtvertrages schuldet, bestehen unabhängig von der Höhe der
vereinbarten Vergütung und der Menge an Gütern, die dieser Frachtführer täglich
umschlägt. Indem er ohne ausdrücklich abweichende Absprachen einen Frachtvertrag
abschließt, verpflichtet er sich daher zugleich, die für die Erfüllung seiner
Obhutspflichten vertraglich geschuldeten Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu zählen unter
anderem die von der Beklagten nicht eingerichteten Schnittstellenkontrollen während
des Warenumschlages.
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Ob die Auffassung der Beklagten zutrifft, wonach den Marktteilnehmern inzwischen
bekannt sei, dass sie, die Beklagte, diese geschuldeten Sicherheitsstandards nicht
einhalte und sie seien damit einverstanden, kann dahinstehen. Der Umstand, dass die
Marktteilnehmer die Beklagte bei eingetretenen Paketverlusten auf vollen
Schadensersatz in Anspruch nehmen, spricht eher gegen diese These.
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Rechtlich erheblich ist diese Frage indessen auf keinen Fall, weil die Beklagte die
Einhaltung der vertraglich geschuldeten Sicherheitsstandards auch dann schuldet,
wenn ihr Vertragspartner schon bei Abschluss des Frachtvertrages weiß oder wissen
muss, dass die Beklagte ihren Vertragspflichten nicht nachkommen wird. Die
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Auffassung der Beklagten, die vertraglich übernommenen Verpflichtungen nicht mehr
erfüllen zu müssen, sobald sich allgemein herumgesprochen hat, dass sie sich
beharrlich weigert, die erforderlichen Sicherheitsstandards einzuhalten, findet im Gesetz
keine Stütze.
Insoweit kann dieses Wissen der Kunden um die sicherheitstechnischen
Organisationsmängel bei der Beklagten allenfalls dazu führen, dass dem Kunden der
Vorwurf des mitwirkenden Verschuldens zu machen ist. Diesen Einwand kann die
Beklagte jedoch im vorliegenden Fall nicht erheben, weil sie nicht nachzuweisen
vermag, dass die Firma C. U. diese Kenntnis vor Erteilung des hier in Rede stehenden
Transportauftrages hatte. Ihre pauschale Behauptung, dieser Firma vor der
Auftragserteilung den tatsächlich ständig praktizierten niedrigen Sicherheitsstandard
vorgestellt zu haben, steht beweislos im Raum.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält Ziffer 2 ihrer Beförderungsbedingungen
weder eine Leistungsbeschreibung noch kann diese Bestimmung dahin ausgelegt
werden, dass der Absender sich damit einverstanden erklärt, dass die Pakete lediglich
mit dem Sicherheitsstandard von Briefen befördert werden. Dies hat der Senat bereits
wiederholt näher begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat
insoweit auf seine Ausführungen zum Beispiel im Senatsurteil vom 16. Juni 2004, I – 18
U 237/03.
36
II.
37
Unzutreffend ist auch der zweite rechtliche Einwand der Beklagten, wonach der
Absender nach ihren AGB verpflichtet sei, eine Wertdeklaration vorzunehmen, wenn der
Warenwert der Warensendung über 1.000,- DM liegt. Eine dahingehende Verpflichtung
ist in den AGB der Beklagten nämlich nicht normiert. Sie ergibt sich auch nicht aus dem
Sinnzusammenhang der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, weil Standardsendung,
Expresspaket und Wertpaket als drei Transportarten angeboten werden, die
nebeneinander stehen, so dass die AGB dem Versender gerade die Wahl lassen, ob er
Pakete mit einem Wert über 1.000,- DM als Standardsendung, Expresspaket oder als
Wertpaket versendet. Damit geht die Beklagte in ihren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen selbst davon aus, dass der Absender auch bei höherwertigen
Paketen nicht verpflichtet ist, den Warenwert zu deklarieren. Hieraus wiederum folgt,
dass er durch das Unterlassen einer Wertdeklaration bei der Beklagten auch keinen
Vertrauenstatbestand dahin gesetzt haben kann, das von ihm übergebene Paket
enthalte nur Waren im Wert von bis zu 1.000,- DM, wenn eine Wertdeklaration
unterbleibt.
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Die fehlende Wertdeklaration hat nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten lediglich zur Folge, dass ihre Haftung im Falle des Verlusts oder der
Beschädigung grundsätzlich auf 1.000,- DM beschränkt ist. Sofern sie den Verlust oder
die Beschädigung vorsätzlich oder leichtfertig herbeigeführt hat, sehen diese
Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch auch bei unterbliebener Wertdeklaration
eine volle Haftung der Beklagten vor.
39
III.
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Schließlich ist es auch unrichtig, dass die Klägerin (und damit auch der BGH sowie der
Senat mit seiner ständigen Rechtsprechung) von der Beklagten die Einhaltung der
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Standards für Wertpakete fordert, wenn der Absender lediglich die Standardversendung
gewählt hat. Die vorstehenden Ausführungen zeigen vielmehr, dass der Senat nur die
Einhaltung der für Standardsendungen von jedem Frachtführer zu fordernden
Sicherheitsstandards verlangt, die im Warentransportgeschäft allgemein üblich und
anerkannt sind und zu deren Einhaltung sich die Beklagte – wie dargelegt – auch bei
Abschluss eines Frachtvertrages über die Standardbeförderung vertraglich verpflichtet
hat. Von dieser Verpflichtung kann die Beklagte sich nur dann befreien, indem sie dies
mit ihrem Kunden ausdrücklich vereinbart.
IV.
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Schließlich verletzt die ständige Rechtsprechung des Senats die Beklagte auch nicht in
ihren Rechten aus Art. 12 GG. In die Freiheit der Beklagten, den Beruf des Frachtführers
auszuüben, wird nicht dadurch unzulässigerweise eingegriffen, dass sie für die von ihr
im Zuge dieser Berufsausübung begangenen schuldhaften Vertragsverletzungen
Schadensersatz leisten muss.
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Dem Senat liegt es auch fern, der Beklagten die Einhaltung der vertraglich geschuldeten
Schnittstellenkontrollen aufzuzwingen. Er zieht lediglich im jedem einzelnen Streitfall
die haftungsrechtlich im Gesetz vorgesehenen Konsequenzen aus dem
vertragswidrigen Unterlassen dieser Kontrollen.
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Hierdurch wird es der Beklagten auch nicht unmöglich gemacht, Pakete im
Massenverkehr zu Briefbedingungen zu befördern, weil es der Beklagten frei steht, sich
mit ihren Kunden dahin zu einigen, dass von ihr für die Paketbeförderung nur der für
Briefe typischen Sicherheitsstandard geschuldet wird. Wenn sie dies jedoch – wie in
den vorliegenden Fällen – nicht mit dem Kunden abgesprochen hat, muss sie sich
daran festhalten lassen, dass sie ihrem Kunden die Einhaltung der im Frachtverkehr
allgemein anerkannten und üblichen Sicherheitsstandards versprochen hat.
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V.
46
Ebenso wenig kommt ein Mitverschulden der Firma C. U. gemäß § 254 Abs. 2 BGB in
Betracht. Danach ist auch dann ein Mitverschulden des Geschädigten anzunehmen,
wenn er es unterlassen hat, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen
Schadens hinzuweisen, den dieser weder kannte noch kennen musste. Hier fehlt es
schon in allen Schadensfällen an dem Eintritt eines ungewöhnlich hohen Schadens.
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Ein ungewöhnlich hoher Schaden liegt dann vor, wenn er nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge vom Schädiger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht erwartet
werden musste. Die ungewöhnliche Höhe des Schadens kann deshalb nicht absolut
oder anhand einer bestimmten Wertrelation bestimmt werden, sondern ist entsprechend
dem Schutzzweck der in § 254 Abs. 2 BGB normierten Warnpflicht danach zu
bestimmen, worauf der Schädiger bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände
hätte hinweisen müssen. Er liegt also dann vor, wenn ein Schaden eintritt, mit dem ein
verständiger Teilnehmer des jeweiligen Geschäftskreises vernünftigerweise nicht zu
rechnen brauchte, wenn die Vermögenseinbuße also das in dem jeweiligen
Geschäftsverkehr zu erwartende Maß erheblich überschreitet.
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An diesen Maßstäben gemessen kann ein ungewöhnlich hoher Schaden nur bei einem
Wert oberhalb von 50.000,- US $ angenommen werden, da die Beklagte nach ihren
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Allgemeinen Geschäftsbedingungen Pakete mit einem Inhalt bis zu diesem Wert als
Standardpakete befördern will und deshalb auch bis zu diesem Wert mit einem
haftungsbegründenden Schadenseintritt rechnete. Nach ihren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen will sie nämlich auch für nicht wertdeklarierte Sendungen bis zu
dieser Höhe haften, sofern der Verlust durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
herbeigeführt worden ist. Deshalb entsprach es aus ihrer Sicht durchaus dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass ein Schaden bis zu dieser Höhe eintreten kann.
Demgegenüber kann die Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie vertraue bei
Standardsendungen darauf, dass das Paket lediglich Waren bis zu einem Wert von
1.000,- DM enthalte, weil nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versender
bei dieser Versandart erklärt, kein darüber hinausgehendes Interesse zu haben. Die
Beklagte hat ausweislich der vielen vor dem Senat geführten Rechtsstreite
gerichtsbekannt Kenntnis davon, dass sich in den von ihr beförderten Paketen Güter mit
einem höheren Wert befinden. Aus diesem Grund weiß sie, dass bei Verlust oder
Beschädigung ein über die von ihr gewollte Haftungshöchstgrenze hinausgehender
Schaden eintreten kann, für den sie nach den eigenen Geschäftsbedingungen bei
Vorsatz und grober Fahrlässigkeit auch unbeschränkt bis zur oben genannten
Obergrenze von 50.000,- $ haften will. Diesen Sachverhalt bestätigt die Beklagte im
Übrigen auch in ihrer Berufungsbegründung. Denn dort hat sie ausgeführt, ihre Kunden
hätten die Wahl zwischen den verschiedenen Versandarten, jedoch würde sich die
große Mehrzahl ihrer Kunden für die Standardsendung entscheiden, weil sie die
billigste Versandart sei. Hiermit gesteht die Beklagte zu, dass ihr bekannt ist, dass die
Mehrzahl ihrer Kunden Pakete mit Waren von mehr als 1.000,- DM versendet, aber
gleichwohl auf die Wertdeklaration verzichtet, sondern den Standardtarif wählt.
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Ist ihr dieser Sachverhalt aber bekannt, kann sie nach Treu und Glauben billigerweise
nicht geltend machen, sie vertraue darauf, dass Standardpakete nur Waren bis zu einem
Warenwert von 1.000,- DM enthielten und hierauf habe sie sich für ihre Kunden
erkennbar auch eingerichtet.
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C.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Ein
Anlass, zugunsten der Beklagten die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2
ZPO.
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Streitwert des Berufungsverfahrens
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und Beschwer der Beklagten: 8.691,96 €.
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M. H. R.
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