Urteil des OLG Düsseldorf vom 01.10.2010

OLG Düsseldorf (strafkammer, strafe, stgb, freiheitsstrafe, sache, drogenabhängigkeit, suchterkrankung, einschränkung, hauptverhandlung, notwendigkeit)

Oberlandesgericht Düsseldorf, III-3 RVs 127/10
Datum:
01.10.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
III-3 RVs 127/10
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zu-
rückverwiesen.
G r ü n d e :
1
I.
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Das Amtsgericht Krefeld hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die wirksam auf
Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht
verworfen und mit den Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Krefeld vom 30.
Oktober 2007 (30 Js 21/07 StA Krefeld) und 9. Januar 2007 (20 Js 893/06 StA Krefeld)
eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten gebildet. Hiergegen richtet
sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten
Revision.
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II.
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1. Die Revision ist begründet. Das – allein den Rechtsfolgenausspruch betreffende –
Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht die
fehlende Therapiebereitschaft des Angeklagten als Strafschärfungsgrund
herangezogen.
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Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer zu Lasten des "seit dem 16.
Lebensjahr heroinabhängigen" Angeklagten berücksichtigt, dass dieser seine Sucht
bisher "lediglich" durch wiederholte Entgiftungsmaßnahmen bekämpft, eine stationäre
Drogentherapie aber "bisher noch nicht durchlaufen" habe; vielmehr habe er im Frühjahr
2006 eine Therapie in einer Einrichtung in L. "am selben Tage abgebrochen", eine
weitere im September 2008 im P. in M.-K. "nicht angetreten", sich nach einer weiteren
Entgiftungsmaßnahme "nicht um einen anderen stationären Therapieplatz gekümmert"
und "bis zur jetzigen Berufungshauptverhandlung keine Notwendigkeit einer solchen
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Maßnahme gesehen".
Dieser Hintergrund rechtfertigt es nicht, die Strafe – wie die Strafkammer
zusammenfassend ausführt – "spürbar ausfallen" zu lassen. Zwar mag im Einzelfall
negativ bewertet werden, dass der Angeklagte einen ihm angebotenen Therapieplatz
ablehnt. Die Weigerung, entwöhnungstherapeutische Hilfe anzunehmen, kann aber nur
dann straferhöhend berücksichtigt werden, wenn diese Haltung nicht gerade durch die
Suchterkrankung bedingt ist (OLG Köln NStZ 1982, 250; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn.
652). Die Drogenabhängigkeit als solche ist nämlich kein Strafzumessungsgrund (vgl.
Fischer, StGB, 57. Aufl., § 46 Rn. 42 m.w.N.). Dass aber die fehlende Bereitschaft zur
therapeutischen Aufarbeitung vorliegend auf einer durch die Heroinsucht bewirkten
Einschränkung der Willensfreiheit beruht, legt der in der Drogengeschichte des
Angeklagten erkennbare Zusammenhang zwischen Lösungsversuch und
darauffolgendem Scheitern nahe.
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2. Die Strafe ist daher unter Beachtung der Vorgaben des § 47 StGB neu zu bemessen.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Strafkammer in
dieser – an und für sich keine besonderen Schwierigkeiten aufweisenden - Sache
weitere Rechtsfehler unterlaufen sind.
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a) Zum einen hätte die Strafkammer keine nachträgliche Gesamtstrafenbildung
vornehmen dürfen. Das Landgericht Krefeld hatte nämlich in der
Berufungshauptverhandlung vom 13. August 2008 (20 Js 893/06 StA Krefeld) zutreffend
die fünfmonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 30.
Oktober 2007 (30 Js 21/07 StA Krefeld) einbezogen. Von dieser ersten Vorverurteilung
ging damit eine Zäsurwirkung aus, die der Gesamtstrafenbildung aus den Strafen der
zweiten Vorverurteilung und der Strafe, die im anhängigen Verfahren für eine zwischen
den beiden Vorverurteilungen begangene Tat (13. Februar 2008) ausgesprochen
wurde, zwingend entgegenstand (vgl. BGHSt 32, 190, 193).
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b) Zum anderen ist das Landgericht auch irrtümlich davon ausgegangen, dass im
Hinblick auf die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 5. September 2006
(19 Js 918/06 StA Krefeld) ein Härteausgleich vorzunehmen war. Da die im
vorliegenden Verfahren abzuurteilende Tat fast eineinhalb Jahre nach dieser
Entscheidung begangen wurde, lagen aber die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 S. 1
StGB ersichtlich nicht vor.
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