Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.04.2008
OLG Düsseldorf: fristlose kündigung, einzahlung, verwalter, feiertag, wochenende, deckung, finanzkontrolle, abschlag, mwst, eigentum
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 U 41/07
Datum:
11.04.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-16 U 41/07
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 37 O 111/03
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des
weitergehen-den Rechtsmittels - das am 8. März 2007 verkündete Urteil
des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.957,35 € nebst 5 % Zinsen
hie-raus vom 26. Juni 2001 bis zum 22. Juli 2002 sowie Zinsen in Höhe
von 5 Pro-zentpunkten über dem Basissatz seit dem 23.Juli 2002 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 12%
und die Beklagte zu 88 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen
der Kläger zu 6% und die Beklagte zu 94 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Urteils
jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die
vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der
Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.
Tatbestand:
1
Der Kläger war in der Zeit von November 1997 bis Ende Juni 2001 Pächter einer
Selbstbedienungstankstelle der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin in … . Nach
Beendigung des Pachtvertrages macht der Kläger einen Ausgleichsanspruch nach § 89
b HGB geltend.
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Wegen des weiteren Sachverhaltes, insbesondere des am 27./31. Oktober 1997
geschlossenen Tankstellen-Verwalter- und Pachtvertrag ( vgl. Anlage K 1 ) wird
zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Den gesamten Zahlungsverkehr aus der Geschäftsbeziehung wickelten die Parteien
über ein zu diesem Zweck errichtetes Sonderkonto des Klägers ab. Von diesem Konto
buchte die Beklagte per Lastschrift nicht nur die vom Kläger einzuzahlenden Einnahmen
aus dem Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen ( sog. Agenturgelder ) ab, sondern auch
weitere aus der Geschäftsbeziehung resultierende Verpflichtungen des Klägers wie die
Kassenmiete und die monatliche Pacht. Der Kläger zahlte auf das Konto nicht nur die
vereinnahmten Agenturgelder, sondern sämtliche in der Tankstelle eingenommenen
Barmittel ein.
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Über die Errichtung des Kontos und über die Berechtigung zum Bankeinzug schlossen
die Parteien die als Anlage C 11 ( Bl. 325 ff) zu den Akten gereichte Vereinbarung, auf
deren Inhalt verwiesen wird.
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Bis zum Februar des Jahres 2000 erfolgte der Einzug der sog. Agenturgelder mit einem
durchschnittlichen Zahlungsziel zwischen zwei und drei Tagen ( vgl. Schreiben K 43). In
der Folgezeit kam es zu Rücklastschriften, weil die Bareinzahlungen die von der
Beklagten vorgenommenen Abbuchungen nicht deckten und der Kläger nicht in
entsprechend hohem Umfang durch weitere Liquiditätszuschüsse für eine Deckung des
Kontos sorgte. Nach weiteren Rücklastschriften mahnte die Beklagte den Kläger mit
Schreiben vom 31.01.,8.02 und 15.5.2001, für eine ausreichende Deckung des
Sonderkontos Sorge zu tragen. Sie forderte den Kläger zur täglichen Einzahlung der
Agenturgelder in Höhe der an diesem Tag vorgenommenen Verkäufe auf.
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Mit Schreiben vom 15.05.2001 ( Bl. 217 GA) wies die Beklagte den Kläger zudem darauf
hin, dass er auch für die Deckung des Sonderkontos im Hinblick auf die im
Banklastverfahren eingezogene monatliche Pacht in Höhe von 5.720 DM zzgl MwSt
Sorge zu tragen habe, der für den Monat April 2001 veranlasste Bankeinzug nicht
eingelöst worden sei und deshalb am 21.05.2001 erneut eingezogen werde.
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Am 29.05.2001 führte die Beklagte beim Kläger eine Finanzkontrolle durch, die sich auf
den Zeitraum vom 22. bis zum 27.05. 2001 bezog. Dabei stellte sie fest, dass der Kläger
die Agenturgelder teilweise nicht täglich und nicht in Höhe der jeweiligen
Tageseinnahmen auf das Sonderkonto eingezahlt hatte. So hatte der Kläger weder am
23.05.2001 und am 24.05.2001 ( Feiertag ) Einzahlungen vorgenommen, noch am
26.05.2001 und 27.05.2001 ( Wochenende). Für den in Rede stehenden Zeitraum vom
22.05.2001 bis 27.05.2001 ermittelte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 12.726,37
DM, dem keine entsprechenden Einzahlungen gegenüberstanden. Hiervon entfielen
3.926,52 DM auf kreditierte Umsätze des Klägers mit " Kartenzahlern”. Hintergrund war,
dass die Beklagte die Verkaufserlöse für die an sog. Stationskreditkunden gelieferten
Treibstoffabgaben bereits mit Abgabe der Ware an die Kunden und nicht erst bei
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Eingang des Geldes beim Kläger – in der Regel nach einem Monat – abbuchte.
Mit Schreiben vom 7.06.2001 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis unter
Berufung auf das Ergebnis der Finanzkontrolle wegen eines schwerwiegenden
Verstoßes gegen die vertragliche Pflicht zur täglichen Einzahlung der Agenturgelder mit
Wirkung zum 20.06.2001 fristlos ( K 11 Bl. 54 GA). Der Kläger wiedersprach der
fristlosen Kündigung und übergab die Tankstelle am 25.06.2001.
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Handelsvertreterausgleich in Anspruch und ist der
Auffassung, die fristlose Kündigung sei unwirksam. Unter Einbeziehung der weiteren
zwei Werktage, des 28. und 29. Mai 2001 habe er schließlich unstreitig dem Konto im
gesamten Zeitraum vom 22. bis zum 29. Mai 2001 insgesamt 12.078,28 DM mehr
gutgebracht als den Soll-Einzahlungen aus Agentureinnahmen für diesen Zeitraum
entsprochen habe. Hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsanspruches hat er unter
Berufung auf die sog. MAFO – Studie vertreten, dass ein Stammkundenanteil von 58,4
% zu Grunde zu legen sei. Eine individuellere Schätzung sei ihm nicht möglich oder
jedenfalls nicht zumutbar. Die Auswertung der Kassenbelege über die Umsätze mit
Kartenkunden sei nicht möglich. Die Daten lägen ihm – unstreitig – nicht in elektronisch
gespeicherter Form vor. Die während der Vertragslaufzeit vorhandenen Kassen hätten
eine solche elektronische Erfassung – unstreitig - auch nicht ermöglicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf
das angegriffene Urteil verwiesen.
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Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 35.061,01 € nebst Zinsen stattgegeben.
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Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe dem Grunde nach ein
Ausgleichsanspruch zu. Dieser sei nicht ausgeschlossen, da die fristlose Kündigung
des Vertragsverhältnisses ungerechtfertigt gewesen sei. Der zur Rechtfertigung
herangezogene Kündigungsgrund eines schwerwiegenden Treuebruches wegen nicht
täglicher Einzahlung der von dem Kläger treuhänderisch zu verwahrender
Agentureinnahmen auf das Sonderkonto sei nicht gegeben, da bereits eine
dahingehende Verpflichtung des Klägers nicht bestanden habe. Hinsichtlich der
Beträge, die die Beklagte aus Umsätzen des Klägers mit Kartenkunden errechnet habe,
könne sie sich bereits deshalb nicht auf deren unterbliebene tägliche Einzahlung
stützen, da die entsprechende Klausel der Vertragsvereinbarung, die den Kläger nicht
nur zur Vorfinanzierung zwinge, sondern ihm auch noch das Forderungsausfallrisiko
aufbürde, unwirksam sei.
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Soweit er nach dem Vertrag die "sofortige" Einzahlung der tatsächlich eingenommenen
Agenturgelder schulde, bedeute "sofortig" nicht "täglich", sondern nur "unverzüglich",
d.h. eine Verpflichtung zur Einzahlung ohne schuldhaftes Zögern. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht aus der Konto-Vereinbarung der Parteien, die zwar eine tägliche
Einzahlung der Treib- und Schmierstofferlöse vorsehe, was aber nicht bedeute, dass die
tägliche Einzahlung die Einnahmen des gleichen Tages zum Gegenstand haben
müsse. Im Lichte der zwischen den Parteien getroffenen Vertragsvereinbarung habe der
Kläger die Regelung vielmehr dahingehend verstehen dürfen, dass er die Einzahlung
des Bargeldes so schnell wie möglich vorzunehmen habe, so dass es auch ausreichend
gewesen sei, dies nach einem Feiertag oder Wochenende zu tun, wie dies in dem von
der Beklagten beanstandeten Zeitraum drei Mal der Fall gewesen sei. Der Kläger sei
auch mit der Einzahlung nicht in Verzug geraten. Da die Beklagte es selber zu vertreten
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gehabt habe, dass alle die Station betreffenden Zahlungsvorgänge über das einzige
Konto abgewickelt worden und daher neben den Agentureinnahmen auch weitere
Zahlungen auf das Konto eingegangen seien, ließe sich ein die fristlose Kündigung
rechtfertigenden Verstoß gegen die treuhänderische Verpflichtungen im Umgang mit
den Bareinnahmen jedenfalls dann nicht begründen, wenn – wie unstreitig sei - der
Kläger im betroffenen Zeitraum insgesamt mehr auf das Konto eingezahlt habe oder
habe gutschreiben lassen, als er an Bareinnahmen habe einzahlen müssen.
Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs sei die letzte Jahresprovision des
Klägers zugrunde zu legen, die unstreitig 67.482,86 DM betragen habe. Die
Festprovision sei zu berücksichtigen, weil mangels gegenteiligen Vortrages davon
auszugehen sei, dass sie ihm als Entgelt für werbende Tätigkeit gezahlt worden sei.
Hiervon sei nur der Teil zu berücksichtigen, den der Kläger mit von ihm geworbenen
Stammkunden erhalten habe, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im
Sinne des § 89b I Nr. 1 HGB bestanden habe. Der Anteil der vom Kläger geworbenen
Stammkunden an dessen Gesamtumsatz sei unter Zugrundelegung des Ergebnisses
der sog. MaFo-Studie auf 58,40 % der Provision des letzten Vertragsjahres zu schätzen.
Umstände für eine individuellere Schätzung lägen nicht vor. Eine elektronische
Auswertung der Belege über die durch Kartenzahlung beglichenen Treibstoffverkäufe
käme nicht in Betracht, da eine elektronische Datenerfassung dem Kläger nicht zur
Verfügung stünde. Die vorhandenen Belege müssten hierzu zunächst aufwendig
nacherfasst werden, was dem Kläger im Hinblick auf den ohnehin zweifelhaften
Aussagewert nicht zumutbar sei. Ein Abschlag für übernommene Altkunden sei
ebensowenig zu machen wie ein solcher für vermittlungsfremde Tätigkeiten. Es sei
jedoch ein Abschlag von 10% für die sog. "Sogwirkung" der Marke vorzunehmen. Der
Abwanderungsverlust sei mit jährlich 20% des Ausgangsbetrages anzunehmen, so
dass ein Gesamtprovisionsverlust in vier Jahren von 200 % resultiere. Der sich
ergebende Ausgleichsbetrag sei letztlich unter Zugrundelegung der Hoffmannschen
Formel mit 5% abzuzinsen, so dass sich zuzüglich MwSt der ausgeurteilte Betrag
ergebe.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie ist nach wie vor der
Auffassung, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen sei. Sie habe bereits in
erster Instanz dargelegt, dass der Kläger vereinnahmte Agenturgelder in zu geringer
Höhe eingezahlt habe. Die Pflichtverletzung des Klägers beim Umgang mit tatsächlich
vereinnahmten – in ihrem Eigentum stehenden - Kundengeldern habe die fristlose
Kündigung gerechtfertigt. Sie habe ihre fristlose Kündigung nicht auf das Unterbleiben
einer täglichen Einzahlung der Beträge gestützt, die aus Umsätzen des Klägers mit
Kartenkunden gestammt hätten, sondern ausdrücklich hervorgehoben, dass auch ohne
Berücksichtigung dieser Beträge, vereinnahmte Beträge nicht auf das Sonderkonto
eingezahlt worden seien. Der Kläger sei zur täglichen Einzahlung verpflichtet gewesen,
eine Regelung, die keine unangemessene Benachteiligung des Pächters darstelle. Die
Beträge seien jedenfalls auch nicht ohne schuldhaftes Zögern eingezahlt worden. Denn
nach der Darlegung des Landgerichtes hätte der Kläger die vereinnahmten Gelder
jedenfalls an drei Tagen einzahlen können und müssen. Dies habe er aber selbst in den
Folgetagen nach der Finanzkontrolle nicht getan. Die dann eingezahlten Gelder seien
Zahlungen auf andere Verpflichtungen gewesen. Nachdem der Kläger die
vereinnahmten Erlöse für mehrere Tage nicht abgeführt habe, sei sie berechtigt
gewesen, fristlos zu kündigen, da ihr ein Festhalten am Vertrag nicht mehr hätte
zugemutet werden können. Auch sei keinesfalls unschädlich, dass die eingezahlten
Beträge von den Summen der einzuzahlenden Einnahmen abgewichen seien, nur weil
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letztlich am 29.05.2001 auf dem Konto ein höherer als der einzuzahlende Betrag zur
Verfügung gestanden habe. Denn auf das Konto seien schließlich auch die Pacht und
andere Verpflichtungen geleistet worden. Nicht sie habe zu vertreten, dass die gesamte
Geschäftsabwicklung unterschiedslos über das Sonderkonto abgewickelt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 08.03.2007 die Klage
abzuweisen.
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Der Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
21
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung im Einzelnen unter
Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
22
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger nach Erörterung erklärt,
sich 6% seiner Nettoprovision als Kosten für vermitttlungsfremde Tätigkeiten anrechnen
zu lassen.
23
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
und die von den Parteien zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.
24
Entscheidungsgründe:
25
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur geringen Erfolg.
26
I.
27
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines
Handelsvertreterausgleichs gem. § 89 b Abs.1 HBG in Höhe von 32.957,35 €.
28
1.
29
Die Beklagte schuldet dem Kläger nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen
Handelsvertreterausgleich, den der Kläger auch rechtszeitig geltend gemacht hat.
30
2.
31
Dieser Anspruch ist nicht gem.§ 89b Abs.3 Nr.2 HGB wegen fristloser Kündigung des
Vertragsverhältnisses ausgeschlossenen, weil ein die außerordentliche Kündigung
rechtfertigender Grund nicht gegeben war. Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung
auf die - anlässlich der Finanzkontrolle festgestellte - nicht tägliche Einzahlung der
Agenturgelder, d.h. der im Eigentum der Beklagten stehenden, vom Kläger
treuhänderisch zu verwahrenden Einnahmen aus Agenturgeschäften, gestützt hat, stellt
das monierte Verhalten des Klägers keine zur fristlosen Kündigung berechtigende
Verletzung vertraglicher Treuepflichten dar.
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Zwar ist unstreitig, dass der Kläger in einem von der Beklagten - willkürlich gewählten -
Zeitraum vom 22.05 (genauer 23.05) bis zum 27.05.2001 deutlich weniger auf das
Sonderkonto eingezahlt hat, als er in genau diesem Zeitraum an Agenturgeldern
eingenommen hat. Dies gilt auch dann, wenn man die Stationskartenumsätze außen vor
lässt, so dass letztlich dahinstehen kann, ob die Klausel im Vertrag, die den Kläger zur
Vorfinanzierung dieser Geschäfte verpflichtete wirksam ist, was jedoch aus den vom
Landgericht zutreffend ausgeführten Gründen nicht der Fall sein dürfte. Eine zur
außerordentlichen Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung ("wegen einer
Unregelmäßigkeit bei der Abführung von vereinnahmten Agenturgeldern") stellt dieses
Verhalten jedoch nur dann dar, wenn der Kläger vertraglich überhaupt zur täglichen
Einzahlung exakt der Beträge verpflichtet war, die er für die Beklagte an eben diesem
Tag als Agenturerlöse auch eingenommen hatte. Diese Verpflichtung lässt sich jedoch
weder den Vertragsvereinbarungen der Parteien entnehmen, noch entsprach sie der
einvernehmlichen Handhabung während der Vertragslaufzeit. Abschnitt V Nr. 3 des
Pachtvertrages sieht hinsichtlich der mit dem Empfang des Verwalters in das Eigentum
von … übergehenden Verkaufserlöse vor, dass diese gesondert zu verwahren und
"sofort" auf ein gesondertes Agenturbankkonto des Verwalters einzuzahlen seien. Dafür,
dass "sofort" – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - , nicht täglich, sondern
unverzüglich im Sinne des § 121 BGB bedeutet, spricht bereits Abschnitt V Nr. 4 des
Vertrages, der – unbeschadet der Verpflichtung aus Nr. 3 die Beklagte berechtigt, für
bereits vom Verwalter vereinnahmte aber noch nicht abgeführte Erlöse
Abschlagszahlungen zu fordern und diese täglich einzuziehen. Diese Regelung aber
macht nur Sinn, wenn der Verwalter eben nicht zur täglichen Abführung der erzielten
Erlöse verpflichtet ist. Erst am Ende des Monats soll dann eine Abrechnung erteilt und
ausgeglichen werden ( vgl. Nr. 4 letzter Satz).
33
Nichts anderes ergibt sich aus der Vereinbarung über die Errichtung eines
Sonderkontos ( K 44 ). Soweit in dieser dreiseitigen Vereinbarung mit der Bank geregelt
ist, dass der Verwalter "tägliche Einzahlungen der … Treib- und Schmierstofferlöse"
vornehmen werde, verpflichtet auch diese Regelung den Verwalter nicht zur
tagtäglichen Einzahlung in Höhe des an diesem Tag erzielten Erlöses. Zum einen ist
die auch gegenüber der Bank gewählte Formulierung "täglich" im Sinne von
"werktäglich" zu verstehen, da die Banken bekanntlich an Samstagen, Sonn- und
Feiertagen geschlossen haben und Bareinzahlungen nicht entgegennehmen. Zum
anderen ist diese "Klausel" aus der Sicht des Verwalters in Übereinstimmung mit der
pachtvertraglichen Regelung dahingehend zu verstehen, dass eine regelmäßige
möglichst zeitnahe Einzahlung zur Deckung der Ansprüche von … aus dem Verkauf der
… Produkte im Namen und für Rechnung der … gemeint ist.
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Zudem hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass während der gesamten
Vertragslaufzeit nicht der genaue Betrag der am Tag vereinnahmten Agenturgelder,
sondern gerundete Beträge aller eingenommenen Barbeträge des Tages bzw Vortages
– d.h. sowohl die treuhänderisch zu verwahrenden Einnahmen der Beklagten als auch
die Eigeneinnahmen - eingezahlt worden seien, was die Beklagte nie beanstandet habe
( solange nur insgesamt genug Geld auf dem Sonderkonto war ) und was auch in der
Branche so üblich sei.
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Besteht demnach keine vertragliche Verpflichtung des Klägers die Agentureinnahmen
des Tages an diesem Tag einzuzahlen, sondern erlaubt der Vertrag vielmehr –
insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit Feiertagen und Wochenenden - eine
nachträgliche Einzahlung von Agenturgeldern, stellen die damit verbundenen
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"Unregelmäßigkeiten" keinen schwerwiegenden Vertragsverstoß dar. Soweit die
Beklagte geltend macht, das Landgericht selber habe festgestellt, dass der Kläger
zumindest an drei Tagen die Agenturgelder hätte einzahlen können und müssen,
missversteht sie die Ausführungen des Landgerichtes, welches festgestellt hat, dass an
drei von vier Tagen, an denen der Kläger unstreitig nichts eingezahlt hat, entweder ein
Feiertag (24.05.2001) oder ein Wochenende ( 26. und 27.05.2001) war, so dass der
Kläger nach der zutreffend ausgelegten Regelung des Pachtvertrages an diesen Tagen
nicht zur Einzahlung verpflichtet war. Zu Unrecht rügt die Beklagte, dass der Kläger die
vereinnahmten Agenturgelder auch in den Folgetagen nicht eingezahlt habe. Denn
ausweislich der vom Kläger überreichten Kontoauszüge hat der Kläger nicht nur am
22.05.2001, d.h. unmittelbar vor dem von der Beklagten gewählten
Betrachtungszeitraum, sondern auch am 29.05.2001 Einzahlungen getätigt, die
jedenfalls die Soll-Beträge aus den Agenturgeschäften insgesamt überstiegen. Dem
kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, bei diesen Einzahlungen handele es
sich nicht um Agenturerlöse, diese Einzahlungen seien vielmehr auf andere
Verpflichtungen des Klägers, wie Pachtzahlungen etc. geleistet worden. Denn eine
solche Tilgungsbestimmung hat der Kläger nicht getroffen und ist auch der Höhe der
Beträge nicht zu entnehmen. Auf die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte
vertraglich berechtigt war, vom Sonderkonto auch die vom Kläger zu zahlende Pacht
abzubuchen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Haben die Parteien das Sonderkonto also wie vorliegend einvernehmlich in Form eines
Kontokorrentkontos geführt, auf das sowohl Agenturgelder der Beklagten als auch
Pachtzahlungen des Klägers flossen und bestand auch weder die vertragliche
Verpflichtung noch die übliche Handhabung darin, täglich exakt die Beträge
einzuzahlen, die nach ihrer Einnahme als Agenturgelder treuhänderisch für die Beklagte
verwahrt wurden, reicht allein die Darlegung, dass in einem eng abgegrenzten und
willkürlich gewählten Zeitraum von 6 Tagen - welcher zudem zwei Wochenendtage und
einen Feiertag mitumfassten - höhere Einnahmen als Einzahlungen erfolgt sind, nicht
aus, um hierauf eine fristlose Kündigung wegen zu vertretender Unregelmäßigkeiten bei
der Abführung von Agenturerlösen zu stützen. Da - wie dargelegt - davon auszugehen
ist, dass für eine unverzügliche Einzahlung im Sinne der Vertragsvereinbarungen auch
die Einzahlung nach einem Wochenende oder Feiertag ausreicht, kann man dem
Kläger höchstens hinsichtlich eines Tages, nämlich hinsichtlich des 23.05.2001
vorwerfen, keine Einzahlung getätigt zu haben. Vor dem Hintergrund der von den
Parteien bis dahin gehandhabten Einzahlungspraxis rechtfertigt dies jedoch nicht die
Annahme eines nicht hinnehmbaren Treuebruches.
37
II.
38
Der Berechnung des Ausgleichsanspruch ist nach § 89b HGB die letzte Jahresprovision
im Kraftstoff- und Schmierstoffgeschäft zugrunde zu legen und davon nur der Teil zu
berücksichtigen, den der Kläger als Tankstellenhalter für Umsätze mit von ihm
geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine
Geschäftsverbindung im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht (vgl. zuletzt
BGH, Urt. vom 12.09.2007, VIII ZR 194/06, juris Rz. 21)
.
39
1.
40
Jedenfalls im konkreten Fall ist dem Landgericht darin zu folgen, dass der auf
Stammkunden entfallende Umsatzanteil auf der Grundlage der Ergebnisse der sog.
41
MAfO- Studie nach § 287 Abs. 2 ZPO auf 58,40% der Provision des letzten
Vertragsjahres geschätzt werden kann. Wegen der für den Tankstellenpächter
schwierigen Ausgangssituation hat der Bundesgerichtshof eine Schätzung des
Stammkundenumsatzanteils einer Selbstbedienungs-Tankstelle bereits wiederholt für
zulässig erachtet (vgl. NJW-RR 2003, 1340, 1341 mwN). Zudem hat er die Schätzung
des Stammkundenumsatzanteils dadurch erleichtert, dass er hierfür auch die
Verwendung statistischen Materials gebilligt hat, wozu auch die Ergebnisse der MafO-
Studie gehören. Inwieweit für die Zukunft wegen der fortschreitenden elektronischen
Erfassung der Zahlungsvorgänge die Darlegung konkreter Anhaltspunkte für eine
fallbezogene Schätzung des Stammkundenanteils an der bestimmten Tankstelle zu
fordern ist, kann dahinstehen, da es vorliegend um die Beurteilung eines bereits im
Jahre 2001 abgeschlossenen Zeitraumes geht und eine elektronische Erfassung der
Daten vorliegend unstreitig nicht stattgefunden hat.
2.
42
Die Parteien haben keine Vereinbarung darüber getroffen, mit welchem Anteil der dem
Kläger gezahlten Provision "werbende" Tätigkeiten des Kläger einerseits und darüber
hinausgehende, nicht-werbende ("verwaltende") Tätigkeiten andererseits vergütet
werden. Entsprechend dem Vorbringen des Klägers im Senatstermin ist seine mit
Stammkunden erzielte Jahresprovision um 6 % für in ihr enthaltene
handelsvertreteruntypische Verwaltungskosten zu kürzen. Für einen höheren
Kürzungsbetrag hat die insoweit darlegungspflichtige Beklagte nichts dargetan. Die
Behauptung der Beklagten, es würden grundsätzlich 10% als Abzug zugrunde gelegt,
trifft in dieser Allgemeinheit jedenfalls nicht zu. In der von der Beklagten in Bezug
genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes ( WM 2003,499,503) ist lediglich
ausgeführt, mehr als die vom Pächter zugestandenen 10% seien mangels konkreterer
Darlegung der Gegenseite nicht in Abzug zu bringen.
43
3.
44
Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass unter Billigkeitsgesichtspunkten ein Abschlag
in Höhe von geschätzten 10% für die sogenannte "Sogwirkung der Marke"
vorzunehmen ist.
45
4.
46
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die von der Beklagten nicht angegriffene und auf
Erfahrungswerten basierende Annahme einer Abwanderungsquote von 20% bei einem
Prognosezeitraum von 4 Jahren, woraus sich ein Gesamtprovisionsverlust von 200 %
(80% +60% + 40% + 20%) ergibt.
47
5.
48
Die erforderliche Abzinsung nimmt auch der Senat in ständiger Rechtsprechung nach
der so genannten Hoffmann´schen Formel (BGH NJW 1991, 3274, 3275) vor. Danach
errechnet sich der Abzinsungsbetrag wie folgt:
49
Abzinsungsbetrag = 100 x Ausgleichsbetrag
50
100 + (Zinssatz x Abzinsungszeitraum)
51
Dabei ist von einem Abzinsungszeitraum von vier Jahren und einem Anlagezins von 5
% auszugehen.
52
Nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich für den dem Kläger zustehenden
Ausgleich folgende Berechnung:
53
Letzte Nettojahresprovision: 67.482,86 DM
54
– 6 % Verwaltungsanteil
55
= 63.433,89 DM davon 58,4 % Stammkundenprovisionsanteil
56
= 37.045,39 DM x 200 % Verlustprognose
57
= 74.090,78 DM
58
abzüglich 10% Abschlag Sogwirkung
59
= 66.681,70 DM abgezinst über 4 Jahre mit 5 % nach der Hoffmannschen Formel
60
= 55.568,08 DM
61
= 28.411,51 € zzgl. 16 % MwSt
62
=
32.957,35 €
63
Gründe für eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen sind nicht
dargetan und auch nicht ersichtlich.
64
II.
65
Der zuerkannte Zinsanspruch resultiert aus § 353 HGB in Höhe von 5% seit dem 26.
Juni 2001 und der darüberhinausgehende Zinsanspruch aus §§ 288, 286 BGB.
66
III.
67
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
68
IV.
69
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
70
V.
71
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.
72
R… S… Dr. S…
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