Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.12.2004

OLG Düsseldorf: grobe fahrlässigkeit, eidesstattliche erklärung, kurswert, unbeschränkte haftung, datum, mitverschulden, akte, aktivlegitimation, versendung, beförderung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 163/04
Datum:
08.12.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 163/04
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Mai 2004 verkündete
Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
teilweise ab-geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Beklagte
wird verurteilt, an die Klägerin 10.690,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.500,45 EUR seit dem
22.07.2000, aus 1.447,19 EUR seit dem 22.07.2000, aus 831,71 EUR
seit dem 22.07.2000, aus 377,35 EUR seit dem 26.07.2000, aus
2.038,65 EUR seit dem 26.07.2000, aus 1.922,55 EUR seit dem
26.07.2000, aus 611,45 EUR seit dem 17.08.2000, aus 680,58 EUR seit
dem 17.08.2000 und aus 280,11 EUR seit dem 21.12.2000 zu zah-len.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 40 % und die
Beklagte zu 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin, eine Transportversicherungsgesellschaft, macht als Rechtsnachfolgerin
der R. AG gegen die Beklagte aus abgetretenem und übergegangenem Recht der D. G.
AG, nunmehr D. Z. G. AG, M., Schadensersatzansprüche wegen des Verlustes von
Transportgut in 9 Fällen geltend.
2
Die D. G. AG und die Beklagte standen im Jahr 2000 in ständiger Geschäftsbeziehung.
Hierbei war die Beklagte bereit, entgegen ihren Beförderungsbedingungen von der D.
G. AG Sorten und Edelmetallmünzen zur Beförderung anzunehmen.
3
Die Beklagte legt hierzu eine von ihr und der D. G. unterzeichnete Vereinbarung mit
Datum vom 21.02.2000 vor, die unter anderem folgenden Inhalt hat (Bl. 113 d.A.):
4
"Abweichend vom Punkt 2 der U. Beförderungsbedingungen (derzeit aktueller
Stand 02/98) sind Sorten bis zu DM 10.000,00 Limit pro Sendung, Edelmetalle
sowie Reiseschecks nicht vom Transport ausgeschlossen. Der D. G. ist bekannt
und damit einverstanden, dass U. nicht durchgehend Ein- und Ausgangskontrollen
durchführt.
5
Detailregelung:
6
Den Transport von Valoren können wir im nationalen Express oder Express Saver-
Service mit nachfolgenden Begrenzungen anbieten (...)
7
Die Grundhaftung von U. beträgt in allen Fällen DM 500,00/Paket.
8
Die Verwendung von verlustvorbeugender Verpackung und möglichst neutraler
Markierung und Adressierung ist sicher zu stellen.
9
Im Falle von Valorentransporten ist die Abholung resp. Einlieferung einvernehmlich
zu vereinbaren. Der Service für entsprechende Versandstellen ist mit U. explizit
abzustimmen. (...)"
10
Die Klägerin macht aus abgetretenem und übergegangenem Recht folgende
Schadensersatzansprüche geltend:
11
1.
12
Am 25.01.2000 übergab die D. G. der Beklagten ein Paket, das von M. nach N. zur R./D.
transportiert werden sollte. Dieses enthielt nach der Behauptung der Klägerin Sorten in
Höhe von 3.000,00 US-$ zum Kurswert von DM 5.890,47. Die Sendung hat die
Empfängerin nicht erreicht. Die Beklagte hat auf die geltend gemachte
Schadensersatzforderung insgesamt DM 1.000,00 gezahlt, so dass die Klägerin weitere
DM 4.890,47 (entsprechend EUR 2.500,45) geltend macht.
13
2.
14
Am 07.01.2000 übergab die D. G. AG der Beklagten ein Paket, das von M. nach B. zur
R. B. befördert werden sollte. Dieses enthielt nach der Behauptung der Klägerin Sorten
in Höhe von 2.000,00 US-$ zum Kurswert von DM 3.830,45. Die Sendung hat die
Empfängerin nicht erreicht. Die Beklagte hat auf den Schadensfall DM 1.000,00
geleistet. Die Klägerin macht aufgrund des Paketverlusts weitere DM 2.830,45
(entsprechend EUR 1.447,19) geltend.
15
3.
16
Am 07.01.2000 übergab die D. G. AG der Beklagten eine Sendung, die von M. nach B.
L. zur V. B. L. befördert werden sollte. Diese enthielt nach der Behauptung der Klägerin
6 Goldmünzen zum Kurswert von DM 2.626,68. Diese Sendung ist im Gewahrsam der
Beklagten in Verlust geraten. Die Beklagte hat Schadensersatz in Höhe von DM
1.000,00 geleistet. Die Klägerin macht den Ersatz eines weiteren Schadens in Höhe von
DM 1.626,68 (entsprechend EUR 831,71) geltend.
17
4.
18
Am 01.03.2000 übergab die D. G. AG der Beklagten eine Sendung, die von M. nach
Lehrte zur V. L. eG befördert werden sollte. Diese enthielt nach der Behauptung der
Klägerin 1.000,00 US-$, 100.000,00 spanische Peseten und 65,00 schottische Pfund im
Kurswert von insgesamt DM 3.452,16. Diese Sendung hat die Empfängerin nicht
erreicht. Die Beklagte hat den Schaden in Höhe von DM 500,00 reguliert. Die Klägerin
macht weiteren Schadensersatz in Höhe von EUR 1.509,41 geltend.
19
5.
20
Am 20.01.2000 übergab die D. G. AG der Beklagten ein Paket, das von M. nach M. zur
R. M. eG befördert werden sollte. Dieses, das nach der Behauptung der Klägerin Sorten
in Höhe von 35.000,00 österreichischen Schilling im Kurswert von DM 4.987,25 enthielt,
hat die Empfängerin nicht erreicht. Die Beklagte hat aufgrund dieses Vorfalls
Schadensersatz in Höhe von DM 1.000,00 geleistet. Die Klägerin macht weiteren
Schadensersatz in Höhe von EUR 2.038,65 geltend.
21
6.
22
Am 10.01.2000 übergab die D. G. AG der Beklagten ein Paket, das diese von M. nach B.
zur V. B. eG befördern sollte. Dieses Paket, das die Empfängerin nicht erreicht hat,
enthielt nach der Behauptung der Klägerin Sorten in Höhe von 400.000,00 spanischen
Peseten im Kurswert von DM 4.760,18. Die Beklagte hat den Schaden in Höhe von DM
1.000,00 reguliert. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen
Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren EUR 1.922,55 geltend.
23
7.
24
Am 15.03.2000 übergab die D. G. AG der Beklagten zwecks Beförderung ein Paket, das
nach der Behauptung der Klägerin Sorten in Höhe von 1.800,00 US-$ und 100.000,00
portugiesische Escudos im Kurswert von DM 4.675,55 und eine Platinmünze im
Kurswert von DM 608,03 enthielt. Dieses Paket hat die Empfängerin, die V. W. eG in W.,
nicht erreicht. Die Beklagte hat aufgrund des Verlustes Schadensersatz in Höhe von DM
500,00 geleistet. Die Klägerin macht weiteren Schadensersatz in Höhe von weiteren
EUR 2.445,80 geltend.
25
8.
26
Am 10.03.2000 übergab die D. G. AG der Beklagten ein Paket, das von M. nach G., zur
S. K. G. eG befördert werden sollte. Die Klägerin behauptet, das Paket habe Sorten in
Höhe von 400.000,00 spanische Peseten und 4.000,00 dänische Kronen im Kurswert
von insgesamt DM 5.824,42 enthalten. Das Paket ist in Verlust geraten. Die Beklagte
hat aufgrund des Vorfalls Schadensersatz in Höhe von DM 500,00 geleistet. Die
Klägerin macht eine Schadensersatzforderung in Höhe von weiteren EUR 2.722,33
geltend.
27
9.
28
Am 27.04.2000 nahm die Beklagte von der D. G. AG ein Paket in Empfang, das von M.
nach B. zur V. B. eG befördert werden sollte. Das Paket enthielt nach der Behauptung
der Klägerin Sorten in Höhe von 1 Mio. italienische Lira, 50.000,00 spanische Peseten,
29
50.000,00 griechische Drachmen und 500,00 niederländische Gulden im Kurswert von
insgesamt DM 2.691,36. Die Sendung ist in Verlust geraten. Die Beklagte hat auf den
Schadensfall einen Betrag von DM 500,00 geleistet. Die Klägerin macht
Schadensersatz in Höhe von weiteren EUR 1.120,42 geltend.
Die Klägerin hat vorgetragen:
30
Aufgrund der von ihr an ihre Versicherungsnehmerin geleisteten Zahlungen und der von
dieser erfolgten Abtretungen an sie ergebe sich ihre Aktivlegitimation. Die Beklagte
habe für die durch die Paketverluste entstandenen Schäden in voller Höhe einzustehen.
Aus dem Umstand, dass die Beklagte nicht in der Lage sei, den Verbleib der
Sendungen aufzuklären, folge, dass die Beklagte mangelhaft organisiert sei. Aus
diesem Grund könne sie sich auf Haftungsbeschränkungen nicht berufen. Der ihr
insgesamt durch den Verlust der Pakete entstandene Schaden belaufe sich auf EUR
16.538,51.
31
Die Klägerin hat beantragt,
32
die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.538,51 EUR nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz aus 2.500,45 EUR seit dem 22.07.2000, aus 1.447,19 EUR seit dem
22.07.2000, aus 831,71 EUR seit dem 22.07.2000, aus 1.509,41 EUR seit dem
26.07.2000, aus 2.038,65 EUR seit dem 26.07.2000, aus 1.922,55 EUR seit dem
26.07.2000, aus 2.445,80 EUR seit dem 17.08.2000, aus 2.722,33 EUR seit dem
17.08.2000 und aus 1.120,42 EUR seit dem 21.12.2000 zu zahlen.
33
Die Beklagte hat beantragt,
34
die Klage abzuweisen.
35
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Sie hat vorgetragen:
Jedenfalls sei ein Anspruch der Klägerin allenfalls in Höhe des Haftungshöchstbetrags
entsprechend ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. der Vereinbarung vom
21.02.2000 gegeben. Ihre Betriebsorganisation sei ausreichend, so dass aus diesem
Grund die Klägerin von ihr keine unbeschränkte Haftung verlangen könne. Ein
Organisationsverschulden könne die Klägerin ihr nicht vorwerfen. Darüber hinaus habe
die Versenderin auf eine Kontrolle der Transportwege durch Ein- und
Ausgangskontrollen verzichtet. Schließlich müsse sich die Versenderin ein
haftungsausschließendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil sie trotz der in der
Vergangenheit aufgetretenen Verlustfälle mit ihr, der Beklagten, weiter versende und
von der Möglichkeit der Angabe einer Wertdeklaration mit der Folge einer
entsprechenden Beförderung keinen Gebrauch gemacht habe. Des weiteren hat die
Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
36
Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf hat der Klage nach
schriftlicher Vernehmung des Zeugen B. zum Inhalt der jeweiligen Sendungen mit Urteil
vom 27.05.2004 in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht
ausgeführt, die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich zumindest aufgrund einer
stillschweigenden Abtretung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche.
Diese bestünden auch in der genannten Höhe. Der Inhalt und Wert der in Verlust
geratenen Sendungen ergebe sich aus der Aussage des Zeugen B., der in glaubhafter
Weise die Abläufe beim Verpacken der Sorten beschrieben habe. Dies sei für eine
37
Feststellung des Paketinhalts und –wertes ausreichend. Da jedenfalls der Verlust der
einzelnen Pakete feststehe, gelte hinsichtlich der Frage des Inhalts die
Beweiserleichterung des § 287 ZPO. Demnach seien die Angaben des Zeugen
ausreichend. Die Beklagte hafte für den Verlust der Sendungen auch in voller Höhe. Sie
habe sich zum Schadenshergang nicht eingelassen, so dass sie ihrer
Darlegungsobliegenheit nicht nachgekommen sei, was eine Vermutung für das
Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens begründe. Auch ein den Anspruch
minderndes Mitverschulden der Versenderin aufgrund einer fehlenden Wertdeklaration
komme nicht in Betracht, da die Beklagte nicht dargetan habe, dass die Versenderin
davon Kenntnis gehabt habe, dass bei einer wertdeklarierten Sendung eine andere
Behandlung erfolge.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin
Klageabweisung begehrt.
38
Die Beklagte bestreitet nach wie vor die Aktivlegitimation der Klägerin sowie den Inhalt
und Wert der in Verlust geratenen Sendungen. Sie trägt vor, die schriftliche Aussage
des Zeugen B. sei nicht ausreichend, um den Beweis für den jeweiligen Inhalt der
Sendungen zu erbringen.
39
Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe ihre Haftung in zulässiger Weise durch die
Vereinbarung vom 21.02.2000, bei der es sich um eine Individualvereinbarung handele,
auf einen Betrag von DM 500,00 pro Paket beschränkt. Aufgrund dieser Vereinbarung,
durch die die Versenderin davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die Beklagte
keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchführe, sei sie auch von ihrer
Darlegungsobliegenheit befreit, da andere konkrete Umstände, die auf eine grobe
Fahrlässigkeit der Beklagten hindeuten, von der Klägerin nicht vorgetragen worden
seien. Im übrigen sei der Versenderin ein Mitverschulden anzulasten, da sie die
Sendungen nicht wertdeklariert habe.
40
Die Beklagte beantragt,
41
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 27.05.2004 (Az.:
31 O 208/02) die Klage abzuweisen.
42
Die Klägerin beantragt,
43
die Berufung zurückzuweisen.
44
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
45
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand
und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
46
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
47
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in Höhe eines Betrages von EUR 5.848,47
Erfolg.
48
Der von der Klägerin aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte geltend gemachte
49
Schadensersatzanspruch aus §§ 425, 435 HGB steht dieser lediglich in Höhe eines
Betrags von EUR 10.690,04 zu, da die Versenderin in den Fällen 4, 7, 8, 9 ein
anspruchsminderndes Mitverschulden am Verlust der Sendungen trifft.
1.
50
Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche aktivlegitimiert.
51
Die Klägerin hat durch die Vorlage des Versicherungsscheins der R. (Anlage K 6) sowie
durch Unterlagen über die Übernahme der R. durch sie - Klägerin - (Bl. 79 ff d.A.) belegt,
dass sie Transportversicherer der Versenderin ist. Konkrete Einwendungen hiergegen
hat die Beklagte nicht erhoben.
52
Des weiteren hat die Klägerin durch die Vorlage von Abtretungserklärungen (Anlagen K
6/1, 6/4, 6/5, 6/6, 6/7, 6/9) in den Fällen 1, 4, 5, 6, 7 und 9 nachgewiesen, dass die
Ansprüche von der Versenderin an sie abgetreten worden sind. Diese
Abtretungserklärungen sind auch hinreichend bestimmt, da sie das Datum der
Versendung, den Empfänger sowie die Art der versendeten Ware enthalten. Soweit als
Abtretungs-empfängerin die R. genannt ist, ist dies dadurch zu erklären, dass die
Übernahme der R. erst nach Genehmigung durch das Bundesaufsichtsamt für
Versicherungswesen wirksam wurde und dass diese Genehmigung erst am 03.08.2000
erteilt wurde (Bl. 79 d.A.). Eine Information der Versicherungsnehmer sollte aber erst
nach Wirksamwerden der Übernahme erfolgen (Bl. 86 d.A.). Soweit die Klägerin in den
übrigen Fällen keine Abtretungserklärungen zur Akte gereicht hat, ergibt sich ihre
Aktivlegitimation aufgrund einer stillschweigenden Abtretung durch die Versenderin, die
in der Überlassung der Schadensunterlagen zu sehen ist (vgl. BGH NJW 1997, 729).
53
Auch der Einwand der Beklagten, die Abtretungen verstießen mangels Regulierung der
Schadensfälle durch die Klägerin gegen Art. 1 § 5 RechtsBerG ist unerheblich. Insoweit
hat die Beklagte, die darlegungs- und beweisbelastet ist, bereits keine Umstände
vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass die Klägerin keine Leistungen
erbracht hat. Vielmehr hat die Klägerin Quittungen der Versenderin zur Akte gereicht,
aus denen sich ergibt, dass diese die Versicherungsleistungen erhalten hat. Konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass diese falsch sein könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
54
2.
55
Die Beklagte haftet gegenüber der D. G. AG wegen der unstreitigen Verluste der
Sendungen unbeschränkt aus §§ 425, 435 HGB.
56
Die der D. G. AG aus § 425 HGB zustehenden Schadensersatzansprüche sind nicht auf
den Höchstbetrag nach § 431 HGB bzw. nach den Beförderungsbedingungen der
Beklagten beschränkt, weil der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von §
435 HGB zur Last fällt.
57
Dies gilt sowohl für die Fälle 1, 2, 3, 5, 6, denen die Beförderungsbedingungen der
Beklagten, Stand 02/98, zu Grunde lagen als auch für die Frachtverträge in den Fällen
4, 7, 8, 9, die nach dem Abschluss der Vereinbarung vom 21.02.2000 abgeschlossen
worden sind.
58
a.
59
Hinsichtlich der Fälle 1, 2, 3, 5 und 6 ergibt sich der Vorwurf des qualifizierten
Verschuldens daraus, dass die Beklagte nicht an sämtlichen Umschlagstellen Ein- und
Ausgangskontrollen durchführt, was diese einräumt und was gerichtsbekannt ist. Dies
stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats ein
qualifiziertes Verschulden im Sinne von § 435 HGB dar mit der Folge des Wegfalls der
in §§ 407 ff HGB und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbegrenzungen.
60
Darauf, dass die Versenderin vor Abschluss der Vereinbarung vom 21.02.2000 auf die
Durchführung von Schnittstellenkontrollen verzichtet hätte, beruft sich die Beklagte nicht.
Hierfür gibt es auch, wie der Senat in zahlreichen Entscheidungen, die die Beklagte
betreffen, bereits ausgeführt hat, aus den Beförderungsbedingungen Stand 2/98 keine
Anhaltspunkte.
61
b.
62
Auch in den Fällen 4, 7, 8 und 9 ist der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden mit der
Folge einer unbeschränkten Haftung zur Last zu legen.
63
Die diese Transporte betreffenden Frachtverträge sind nach Abschluss der
Vereinbarung vom 21.02.2000 abgeschlossen worden.
64
(1)
65
Hierbei kann nicht zweifelhaft sein, dass die Vereinbarung tatsächlich am 21.02.2000
abgeschlossen worden ist. Soweit die Klägerin dies bestreitet bzw. sogar geltend macht,
die Beklagte habe erstinstanzlich nicht bestritten, dass die Vereinbarung erst am
30.06.2000 oder später abgeschlossen worden ist, ist dies unbeachtlich.
66
Die Beklagte hat zunächst einen nicht unterschriebenen Vertragstext vorgelegt, aus dem
sich in der Kopfzeile das Datum 30.06.2000 ergibt (Bl. 66 d.A.). Darauf hin hat die
Klägerin den Abschluss der Vereinbarung an sich bestritten und geltend gemacht, diese
müsse, wenn, dann erst nach dem 30.06.2000 abgeschlossen worden sein. Hierauf hat
die Beklagte eine Ablichtung der unterzeichneten Vereinbarung zur Akte gereicht, die in
der Kopfzeile das Datum 21.02.2000 trägt (Bl. 114 d.A.). Hierzu hat die Klägerin nichts
mehr vorgetragen, insbesondere hat sie keine konkreten Einwendungen gegen den
Abschluss dieser Vereinbarung erhoben.
67
Angesichts dieser Umstände kann nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte und die
Versenderin die Vereinbarung am 21.02.2000 abgeschlossen haben. Die Vereinbarung
datiert von diesem Tag. Dass sich auf der nicht unterzeichneten Vereinbarung ein
anderes Datum befindet, kann nachvollziehbar damit erklärt werden, dass die
Vereinbarung unter diesem Datum erneut ausgedruckt worden ist, was bei Eingabe
eines entsprechenden Befehls den Ausdruck unter dem aktuellen Datum zur Folge
haben kann. Demgegenüber ist aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten
nicht ersichtlich, dass sie das Vorbringen der Klägerin, die Vereinbarung sei später
zustande gekommen, nicht bestreiten wollte. Die Beklagte hat auf das Vorbringen der
Klägerin hin die auf den 21.02.2000 datierte und unterzeichnete Vereinbarung
vorgelegt. Zudem handelte es sich bei dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin
lediglich um die Äußerung einer Vermutung, und nicht um die Behauptung einer
konkreten Tatsache.
68
(2)
69
Die vorgenannte Vereinbarung beinhaltet aber keine Beschränkung der Haftung auf DM
500,00 pro Paket im Fall des Vorliegens eines qualifizierten Verschuldens.
70
Zwar ist in der Vereinbarung vom 21.02.2000 geregelt, dass die Grundhaftung von U. in
allen Fällen DM 500,00/Paket beträgt. Diese Vereinbarung kann aber – unabhängig von
der Frage, ob es sich um eine Individualvereinbarung oder um eine Allgemeine
Geschäftsbedingung der Beklagten handelt - nur dahingehend verstanden werden, dass
eine Haftungsbeschränkung auf den vorgenannten Betrag nur im Fall der einfachen
Fahrlässigkeit erfolgen soll. Die Vereinbarung stellt lediglich eine Ergänzung zu den
Beförderungsbedingungen der Beklagten dar, was sich daraus ergibt, dass diese nicht
abschließend ist und in ihrem ersten sowie in ihrem 7. Punkt auch auf die
Beförderungsbedingungen Bezug nimmt. Dies entspricht, was gerichtsbekannt ist, auch
der üblichen Vorgehensweise durch die Beklagte bei Großkunden. Ausweislich der
Beförderungsbedingungen soll aber eine Haftungsbeschränkung, ausweislich Ziff. 10
der Beförderungsbedingungen auf DM 1.000,00, lediglich im Fall der einfachen
Fahrlässigkeit erfolgen. Die Haftung für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz ist
demgegenüber in einem eigenen Absatz der Klausel Nr. 10 geregelt. Dafür, dass
bezüglich der Haftung in Höhe von DM 500,00 die gleiche Regelung gelten sollte
spricht, dass in der Vereinbarung nicht der generelle Begriff "Haftung", sondern der
Begriff "Grundhaftung" verwendet wird. Dies macht nur dann Sinn, wenn weitere
Haftungsregelungen zum Tragen kommen können. So ergibt sich aus Ziff. 10 Absatz 2
der Beförderungsbedingungen auch, dass die Haftungshöchstgrenze durch die
Deklaration des Werts angehoben werden kann. Dass diese Möglichkeit durch die
Vereinbarung ausgeschlossen werden sollte, ist nicht ersichtlich.
71
Von dieser Auslegung geht die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 08.04.2003 auch
selbst aus.
72
(3)
73
Der Beklagten ist ein qualifiziertes Verschulden zur Last zu legen. Auch wenn der
Versenderin anders als in den früheren Fällen der Umstand, dass keine durchgehenden
Schnittstellenkontrollen durchgeführt werden, aufgrund des Inhalts der Vereinbarung
vom 21.02.2000 bekannt war, liegt ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten vor, da
sie sich zum Schadenshergang nicht eingelassen hat. Dieser ist vielmehr völlig im
Dunkeln geblieben. Zudem legt der Umstand, dass Geld versandt wurde, bei dem ein
hoher Diebstahlsanreiz besteht, die Annahme eines Diebstahls nahe, zumal es auch
nach dem Vorbringen der Beklagten bereits zu Diebstählen bei der Beklagten
gekommen ist. Dies begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und
des Senats die Annahme des qualifizierten Verschuldens.
74
Zwar trägt der Anspruchsteller grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für ein
qualifiziertes Verschulden des Anspruchsgegners. Die ihm obliegende Darlegungslast
erfüllt er aber bereits dann, wenn sein Klagevortrag nach den Umständen des Falles ein
grob fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahe legt und allein der
Frachtführer zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens in
zumutbarer Weise beitragen kann. Gleiches gilt, wenn sich die Anhaltspunkte für das
Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. In diesem Fall darf sich der
75
Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken,
den Sachvortrag schlicht zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, das Informationsdefizit
des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf des Betriebs und zu
den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen. Kommt er dem nicht nach, kann
daraus je nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes
Verschulden gerechtfertigt sein (vgl. BGH NJW 2003, 3626, 3627; BGH TranspR 2004,
177 ff).
Gleiches gilt, wenn der Schadensfall mangels Angaben des Frachtführers gänzlich im
Dunkeln liegt. In diesem Fall ist der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden schon
aufgrund einer generalisierenden Betrachtungsweise geboten. Dies gilt hierbei nicht nur
hinsichtlich des Schlusses auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit,
sondern auch hinsichtlich des Schlusses auf das subjektive Erfordernis des
Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Denn in einem solchen
Fall ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig nicht nur von einer
Organisation des Betriebsablaufs auszugehen, die keinen hinreichenden Schutz der zu
befördernden Güter gegen ein Abhandenkommen gewährleistet und sich in krasser
Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinweg setzt, sondern auch
von einer sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängenden
Erkenntnis, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstehen (BGH, Urt. vom
23.10.2003, TranspR 2004, 177 ff).
76
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Beklagte ihrer Einlassungsobliegenheit
nicht nachgekommen. Ihr hätte es oblegen, im vorliegenden Verfahren zu den einzelnen
Schadensfällen vorzutragen. Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf
berufen, die Darlegungsobliegenheit entfalle aufgrund des Umstandes, dass der
Versenderin aufgrund der Vereinbarung vom 21.02.2000 bekannt gewesen sei, dass sie
"nicht durchgehend" Ein- und Ausgangskontrollen durchführt. Es ist bereits aus dieser
Formulierung ersichtlich, dass die Beklagte nicht gänzlich auf die Durchführung von
Schnittstellenkontrollen verzichten will. Zudem besteht die Möglichkeit, über andere
Umstände vorzutragen. Der Beklagten ist daher Vortrag zum Verlauf der einzelnen
Transporte möglich und zumutbar. Dieser beschränkt sich auch auf die bei den
einzelnen Transporten betroffenen HUB’s, so dass entgegen dem Vorbringen der
Beklagten nicht "generell und allgemein zu Hunderten von Aspekten der
Versandorganisation" vorgetragen werden muss.
77
3.
78
Der auf die Klägerin übergegangene Anspruch ist aber in den Fällen 4, 7, 8, 9 aufgrund
eines Mitverschuldens der Versenderin gemindert. In den übrigen Fällen kann der
Versenderin demgegenüber kein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden.
79
a.
80
Der Versenderin kann nicht deshalb ein Mitverschuldensvorwurf gemacht werden, weil
sie Geld und Münzen aus Edelmetall mit einem Frachtführer, der Sendungen im
Sammelladungsverkehr befördert, versandt hat.
81
Allein der Umstand, dass Gegenstand der Frachtverträge Geld und Münzen aus
Edelmetall waren, rechtfertigt nicht die Annahme eines Mitverschuldens. Es ist nicht
ersichtlich, dass der Versenderin, die in einer Vielzahl von Fällen relativ geringe
82
Geldbeträge an unterschiedliche Orte in ganz Deutschland versandt hat, eine zumutbare
sicherere Alternative zur Verfügung stand. Insbesondere hätte sich angesichts dieser
Umstände der Einsatz eines speziellen Geldtransportes nicht gelohnt. Es ist auch in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass Geld und andere Kostbarkeiten mit
der Post oder im Sammelladungsverkehr befördert werden können, ohne dass dies für
sich den Vorwurf des Mitverschuldens begründet. Vielmehr ist dem Versender erst dann
der Vorwurf des Mitverschuldens zu machen, wenn er bei einer derartigen Versendung
nicht alle erforderlichen und zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen trifft. So hat der
Bundesgerichtshof die Versendung eines Verrechnungsschecks über eine Summe von
306.250,00 DM mit einfacher Post als keinen Umstand gewertet, der den Vorwurf des
Mitverschuldens begründet, sofern der verwendete Briefumschlag neutral ist und nicht
erkennen lässt, dass sich ein Scheck in diesem befindet (vgl. BGH, Urteil vom
16.06.1998, Az.: XI ZR 254/97, zitiert nach juris, RdN 8, anders bei einem
Fensterumschlag OLG Frankfurt, WM 1999, 1318). Auch die Versendung von bis zu DM
250.000,00 in Banknoten als Postpaket hat der Bundesgerichtshof nicht grundsätzlich in
Frage gestellt, sondern lediglich unter dem Aspekt der unterlassenen Wertdeklaration
geprüft (BGH, Urteil vom 16.07.2002, Az.: X ZR 250/00, zitiert nach juris, RdN 41; vgl.
auch OLG Düsseldorf, TranspR 1991, 235, 241).
Dass die Versenderin im vorliegenden Fall ihr zumutbare Sicherheitsvorkehrungen
unterlassen hätte, ist nicht ersichtlich. Sie hat ausweislich der zur Akte gereichten
Versandunterlagen die Sendungen – wie dies die Vereinbarung vom 21.02.2000 vorsah
– als Expresssendungen versandt. Es ist auch weder ersichtlich noch von der Beklagten
vorgetragen, dass sie durch andere Umstände, wie z.B. eine auffällige Verpackung, den
Diebstahlsanreiz erhöht hat.
83
b.
84
Ein Mitverschulden der Versenderin ergibt sich auch nicht aus einer fehlenden
Wertdeklaration der Pakete.
85
Es ist, wie das Landgericht zutreffend ausführt, bereits aus dem Vorbringen der
Beklagten nicht ersichtlich, dass die Versenderin davon Kenntnis hatte, dass die
Wertdeklaration zu einer sorgfältigeren Behandlung der Pakete geführt hätte.
86
Dies ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus Ziff. 2 der
Beförderungsbedingungen. Vorliegend sind nach dem Vorbringen der Beklagten die
Beförderungsbedingungen Stand 02/98 einschlägig. Diese enthalten, wie der Senat
bereits vielfach ausgeführt hat, keinerlei Hinweis darauf, dass wertdeklarierte Pakete
anders behandelt werden als Expresspakete. Auch in der Vereinbarung vom 21.02.2000
wird nicht auf die Möglichkeit der Wertdeklaration hingewiesen, sondern die
Versendung der Sorten per Expresspaket oder Express-Saver Paket angeboten.
87
Im übrigen ist dies in den Fällen 2, 3, 4, 5, 6 und 9 ohnehin irrelevant, da der Wert dieser
Pakete weniger als EUR 2.500,00 bzw. DM 5.000,00 betrug. Erst ab diesem Betrag
kommen aber, wie die Beklagte selbst vorträgt, die von der Beklagten vorgetragenen
Sicherungsmaßnahmen bei Wertpaketen zum Tragen. Hierbei ist auf den in DM
aufgeführten Betrag abzustellen, da die Transporte im Jahr 2000, d.h. vor Einführung
des Euro, durchgeführt wurden, so dass es nur auf den Betrag in DM ankommen konnte.
Es ergibt sich daher auch im Fall 5 ein Paketwert, der die vorgetragene Wertgrenze
unterschreitet.
88
c.
89
Der Versenderin ist aber in den Fällen 4, 7, 8, 9 ein Mitverschuldensvorwurf zu machen,
da ihr in diesen Fällen bekannt war, dass sie ein offensichtlich ungeeignetes
Transportunternehmen mit dem Transport der Sorten und Münzen beauftragt.
90
In diesen Fällen hat die Versenderin in Kenntnis des Umstandes, dass die Beklagte
keine durchgehenden Ein- und Ausgangskontrollen durchführt, dieser Transportaufträge
für die Beförderung von Geld erteilt. Sie hat hierdurch den entstandenen Schaden in
erheblichem Maße mitverursacht.
91
(1)
92
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist auch derjenige für einen Schaden
mitverantwortlich, der gefährdete und schadensanfällige Rechtsgüter leichtfertig
erhöhten Risiken aussetzt und auf diese Weise überflüssige Gefahrenlagen schafft (vgl.
BGH, Urteil vom 16.07.2002, Az.: X ZR 250/00, zitiert nach juris, RdN 41; OLG Köln,
Urteil vom 03.07.1998, Az.: 19 U 284/97, zitiert nach juris, RdN 36). Um einen derartigen
Fall handelt es sich vorliegend. Die Klägerin hat Geld, d.h. ein Gut, das sehr stark
diebstahlsgefährdet ist, versandt, obwohl sie wusste, dass die Beklagte keine
durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchführt. Hierdurch hat sie die Sendungen
einer erhöhten Diebstahls- und Verlustgefahr ausgesetzt, da ohne die Durchführung von
Schnittstellenkontrollen das Gut anlässlich des Transports keine durchgehende
Kontrolle erfährt. Denn durch den Verzicht auf die Durchführung von
Schnittstellenkontrollen wird der Anreiz des Diebstahls erhöht, da sich der Täterkreis
nicht derart eingrenzen lässt wie bei einem Transport mit durchgehenden
Schnittstellenkontrollen. Zudem lässt sich der Verlauf der Sendung nicht lückenlos
nachvollziehen. Auch kann ein Verlust nicht umgehend festgestellt werden, sondern erst
geraume Zeit später.
93
(2)
94
Es kann auch nicht zweifelhaft sein, dass der Versenderin durch die Vereinbarung vom
21.02.2000 vermittelt wurde, dass die Transporte aufgrund des Fehlens durchgehender
Schnittstellenkontrollen nicht ausreichend sicher waren.
95
Der Versenderin als Bank musste sich aufgrund der in der Vereinbarung gewählten
Formulierung aufdrängen, dass die Beklagte hierdurch darauf hinweisen wollte, dass
sie keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen trifft. Der hier relevante Absatz
beginnt damit, dass die Beklagte sich dazu bereit erklärt, entgegen ihren
Beförderungsbedingungen Sorten bis zu DM 10.000,00, Edelmetalle sowie
Reiseschecks zu transportieren. Wenn hiernach aufgeführt ist, dass die Versenderin
damit einverstanden ist, dass die Beklagte keine durchgehenden Ein- und
Ausgangskontrollen durchführt, kann dies nur so verstanden werden, dass
Einschränkungen bei der Sicherheit des Transports bestehen. So kann der Begriff "Ein-
und Ausgangskontrollen" im Zusammenhang mit der Durchführung von den hier
streitgegenständlichen Transporten nur dahingehend verstanden werden, dass bei der
Einlieferung des Transportgutes sowie bei Umverladungen im Rahmen des
Sammeltransports keine durchgehenden Kontrollen erfolgen. Dies hätte der
Versenderin zumindest Veranlassung geben müssen, Nachfrage zu halten, welche
96
Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Dies umso mehr, da es sich bei der
Beklagten offensichtlich nicht um ein auf Werttransporte spezialisiertes Unternehmen
handelt, sondern um ein Unternehmen, das nach seinen Beförderungsbedingungen
üblicherweise kein Geld und Kostbarkeiten transportiert. Aus diesem Grund konnte die
Versenderin auch nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte bei der Durchführung der
von ihr in Auftrag gegebenen Transporte besondere Vorkehrungen, wie z.B. den
Transport in geschlossenen Transportcontainern, treffen würde. Dies war bei der Anzahl
der Pakete, die in alle Teile Deutschlands versandt werden sollten, ersichtlich nicht
durchführbar.
(3)
97
Die Beauftragung der Beklagten in Kenntnis des Umstands, dass nicht durchgängig
Schnittstellenkontrollen durchgeführt werde, war auch mitursächlich für die
eingetretenen Verluste. Soweit die Klägerin demgegenüber vorträgt, es hätten bei der
Beklagten weitere Organisationsmängel bestanden, von denen die Versenderin keine
Kenntnis gehabt habe, ist dies demgegenüber unerheblich.
98
Ein Mitverschulden des Versenders ist dann für die Schadensentstehung mitursächlich,
wenn die von diesem vernachlässigte Sorgfaltsanforderung darauf abzielt, einen
Schaden wie den eingetretenen zu vermeiden, d.h. es kommt darauf an, ob der
eingetretene Schaden vom Schutzzweck der vernachlässigten Sorgfaltsnorm erfasst
wird (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2001, Az.: I ZR 158/99, zitiert nach juris, RdN 67). Dies
ist vorliegend der Fall. Die Versenderin hat ein Transportunternehmen beauftragt, das
für sie erkennbar einen erheblichen Organisationsmangel aufwies. Aus diesem
Organisationsmangel folgt auch die Vermutung, dass die Ware in diesem besonders
gefährdeten Bereich verloren gegangen ist (BGH, Urt. vom 08.05.2003, Az: I ZR 234/02,
zitiert nach juris, RdN 17). Dieser Organisationsmangel steht auch in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit den von der Klägerin geltend gemachten weiteren
Organisationsmängeln. Werden durchgehende Schnittstellenkontrollen durchgeführt, ist
der Frachtführer in der Lage, den Verlustort näher einzugrenzen. Zudem wirkt sich die
bessere Möglichkeit der Eingrenzung des Verlustorts präventiv auf viele andere
denkbare Verlustursachen aus. So müssten die Mitarbeiter der Beklagten, ebenso wie
Fremdunternehmer, würden weitergehende Schnittstellenkontrollen durchgeführt
werden, eher damit rechnen, nach einem Diebstahl als Täter identifiziert zu werden.
Auch könnte ihnen eher ein anderes Fehlverhalten, wie z.B. eine Fehlverladung,
nachgewiesen werden. Die Durchführung von durchgehenden Schnittstellenkontrollen
würde daher auch in Ansehung der von der Klägerin vorgetragenen weiteren
Organisationsmängeln zu einer sorgfältigeren Behandlung der Pakete sowie zu einer
besseren Aufklärbarkeit des Verlusts führen.
99
(d)
100
Unter Abwägung aller Umstände hält der Senat ein Mitverschuldensanteil der
Versenderin von 75 % für angemessen.
101
Der Beklagten ist ein qualifiziertes Verschulden am Verlust der Pakete zur Last zu
legen. Hierbei hat die Versenderin aber der Beklagten besonders diebstahlsanfällige
Güter anvertraut, obwohl es sich ihr aufdrängen musste, dass beim Transport keine
ausreichenden Sicherheitskontrollen durchgeführt werden. Hierdurch hat sie in
erheblichem Maße zur Schadensentstehung beigetragen, so dass ihr ein hoher
102
Mitverschuldensanteil anzurechnen ist. Diesen bemisst der Senat mit 75 %.
d.
103
Bezüglich der übrigen Fälle, bei denen der Transportauftrag jeweils vor Abschluss der
Vereinbarung vom 21.02.2000 erteilt worden ist, kann der Versenderin demgegenüber
der Vorwurf eines Mitverschuldens wegen der Beauftragung eines ungeeigneten
Transportunternehmens nicht gemacht werden.
104
Insoweit trägt die Beklagte vor, der Versenderin seien mit Aufnahme der
Geschäftsbeziehung ihre Organisation erläutert und der Inhalt der
Beförderungsbedingungen sei besprochen worden. Inwieweit die Versenderin hierdurch
auf das Fehlen von Schnittstellenkontrollen hingewiesen worden ist, lässt sich dem
Vorbringen demgegenüber nicht entnehmen. Das diesbezügliche Vorbringen ist
vielmehr völlig unsubstantiiert. So legt die Beklagte insbesondere keine zwischen ihr
und der Versenderin vor dem 21.02.2000 abgeschlossene Vereinbarung vor. Auch die
Beförderungsbedingungen der Beklagten mit Stand vom 02/98 beinhalten keinen
Hinweis darauf, dass keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen erfolgen.
105
4.
106
Aufgrund des Verlusts der Pakete ist der Versenderin ein von der Beklagten noch zu
erstattender Schaden in Höhe von EUR 10.690,04 entstanden.
107
Die Beklagte hat die Übernahme der in Streit stehenden Pakete nicht bestritten, sondern
lediglich deren Inhalt.
108
Die Klägerin hat den Inhalt der Pakete mit Lieferrechnungen (Anlagen K 2/1, K 2/2, K
2/3, K 2/5, K 2/6) belegt und vorgetragen, die entsprechenden Lieferscheine seien nach
Ablauf einer Aufbewahrungsfrist von 3 Monaten vernichtet worden. Sie hat des weiteren
eine eidesstattliche Erklärung des Zeugen B. zur Akte gereicht (Anlage K 5), in der
dieser den Ablauf des Verpackens schildert. Der Zeuge B. hat zudem im
erstinstanzlichen Verfahren eine schriftliche Zeugenaussage zum Ablauf des
Verpackens gemacht (Bl. 110 d.A.). Dies hat das Landgericht als Beweis des
Paketinhalts ausreichen lassen. Die hiergegen vorgetragenen Einwendungen der
Beklagten sind unerheblich. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen stimmen mit
den geltend gemachten Schadensersatzforderungen überein. Auch zwischen den auf
den Rechnungen angegebenen Daten und den Tagen des Transports besteht eine
Übereinstimmung. Es ist ferner aus den vorgelegten Transportlisten nicht ersichtlich,
dass andere Pakete am selben Tag an die selben Empfänger versandt wurden, so dass
nicht angenommen werden kann, dass Pakete mit einem anderen Inhalt abhanden
gekommen sind. Der Zeuge B. hat hierzu auch erklärt, es seien die Pakete von 2
Personen kommissioniert bzw. danach kontrolliert und verpackt worden. Konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Versenderin zu Diebstählen oder sonstigen
Unregelmäßigkeiten gekommen ist, trägt die Beklagte nicht vor. Auch gegen die
eidesstattliche Erklärung des Zeugen B. vom 18.11.2002 hat die Beklagte keine
konkreten Einwendungen erhoben. Aus dieser ergibt sich aber auch, dass der Zeuge B.
die von ihm geschilderten Abläufe verantwortlich kontrolliert hat und keine
Unauffälligkeiten bemerkt hat.
109
Angesichts dieser Umstände besteht, wie das Landgericht zutreffend und für den Senat
110
bindend, § 529 Abs. 1 ZPO, ausführt, der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die
in den Rechnungen angegebenen Sorten und Edelmetallmünzen versandt worden sind.
Der Wert der Sorten und Edelmetallmünzen ergibt sich aus den vorgelegten
Rechnungen. Auch hiergegen hat die Beklagte keine konkreten Einwendungen
erhoben.
111
Es ergibt sich somit folgender Schadensbetrag:
112
Fälle 1, 2, 3, 5, 6: 8.740,55 EUR
113
Fälle 4, 7, 8, 9: 25 % von EUR 7.797,96 1.949,49 EUR
114
Gesamtbetrag: 10.690,04 EUR
115
5.
116
Die der Versenderin zustehenden Schadensersatzansprüche sind auch nicht verjährt, §
439 Abs. 1 Satz 2 HGB.
117
6.
118
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284, 288 BGB a.F.
119
7.
120
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 ZPO.
121
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
122
Eine Veranlassung, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.
123
Streitwert für die Berufungsinstanz: EUR 16.538,51
124
Beschwer der Klägerin: EUR 5.848,47
125
Beschwer der Beklagten: EUR 10.690,04
126