Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.10.2006
OLG Düsseldorf: fahrzeug, hausrat, familie, auto, verfügung, herausgabe, besitz, trennung, wagen, auflage
Oberlandesgericht Düsseldorf, II-2 UF 97/06
Datum:
23.10.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
II-2 UF 97/06
Tenor:
Die Berufung der Streithelferin der Beklagten gegen das Urteil des
Amtsgerichts Düsseldorf vom 08.03.2006 – Az. 250 F 390/05 UE – wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Streithelferin der Beklagten
zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000 € vorläufig
vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
I.
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Der Kläger und die Streithelferin der Beklagten sind seit Ende Dezember 2004 getrennt
lebende Ehepartner. Am 09.09.2002 kauften sie einen gebrauchten PKW Ford Mondeo,
welcher auf die Ehefrau – die Streitgenossin der Beklagten – zugelassen und versichert
wurde. Zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 14.500 € nahm der Kläger am
10.09.2002 ein Darlehen bei der F. Bank über einen Bruttokreditbetrag von 18.613,65 €
auf und zahlte hierauf bis einschließlich Januar 2005 die vereinbarten Raten in Höhe
von 258,53 € sowie im November 2002 eine Sonderzahlung in Höhe von 4.000 €.
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Am 04.03.2005 verkaufte die Ehefrau – Streitgenossin der Beklagten – das Fahrzeug
zum Preis von 5.200 € an die Beklagte.
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Der Kläger hat von der Beklagten die Herausgabe des Fahrzeugs begehrt und geltend
gemacht, seine Ehefrau hätte über das Fahrzeug nicht verfügen dürfen, da es sich um
einen Hausratsgegenstand gehandelt habe. Das Kraftfahrzeug sei von den Eheleuten
sowohl zu Zeiten des Zusammenlebens als auch nach der Trennung gemeinsam
genutzt worden.
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Die Beklagte sowie die Streitgenossin der Beklagten haben die Abweisung der Klage
beantragt und vorgetragen, bei dem PKW habe es sich nicht um einen
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beantragt und vorgetragen, bei dem PKW habe es sich nicht um einen
Hausratsgegenstand gehandelt. Das Fahrzeug habe im Alleineigentum der
Streitgenossin der Beklagten gestanden und sei angeschafft worden, weil sie dieses für
ihre Fahrten zum Arbeitsplatz nach Köln benötigt habe. Später habe sie dann mit einem
Kollegen eine Fahrgemeinschaft gebildet und sei meist nur noch jede zweite Woche mit
dem PKW zur Arbeit gefahren. Der Kläger habe den Wagen nur benutzt, um Getränke
zu kaufen, Altglas und Grünschnitt abzufahren, sowie für gelegentliche Fahrten zur
Tennishalle. Des weiteren sei das Fahrzeug für Urlaubsfahrten sowie für
Familienbesuche genutzt worden.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Herausgabe des Fahrzeugs
verurteilt und zur Begründung ausgeführt, bei dem Fahrzeug habe es sich um einen
Hausratsgegenstand gehandelt, mit der Folge, dass die Beklagte wegen §§ 1368, 1369
BGB nicht gutgläubig das Eigentum an dem Fahrzeug habe erwerben können. Denn
zum Hausrat gehörten nur jene Gegenstände nicht, die ausschließlich der Verfügung
nur eines Ehegatten dienten. Allein die Tatsache, dass das Auto vorwiegend von der
Ehefrau genutzt worden sei, mache es jedoch nicht zu ihrem persönlichen
Gebrauchsgegenstand, da es sich um das einzige Familienfahrzeug gehandelt habe
und auch dementsprechend genutzt worden sei.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Streithelferin mit ihrer Berufung, mit der sie in
Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Abweisung der Klage begehrt.
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Zu Unrecht, so meint sie, sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass das
streitbefangene Kfz zum Gegenstand des ehelichen Haushalts im Sinne des § 1369
Abs. 1 BGB gehört habe. Denn Voraussetzung hierfür sei, dass das Fahrzeug
überwiegend im gemeinsamen privaten Interesse der Familie und nicht hauptsächlich
zu beruflichen Zwecken eines Ehegatten genutzt werde. Daran fehle es im vorliegenden
Fall, da sie selbst das Fahrzeug überwiegend für berufsbedingte und persönliche
Zwecke genutzt habe, so für Fahrten von der Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz nach Köln
sowie zur Ermöglichung ihrer sportlichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten. Im Verhältnis
der Eheleute zueinander sei das Fahrzeug ihr zugeordnet gewesen, sie sei Inhaberin
des Kfz-Briefes und Versicherungsnehmerin gewesen, nach der Trennung der Eheleute
sei das Fahrzeug bei ihr verblieben. Der Kläger habe das Fahrzeug während des
Zusammenlebens der Eheleute nur selten genutzt, so um Altglas und Grünschnitt
wegzuschaffen sowie selten für Fahrten zur Tennishalle. Allein anlässlich eines
Krankenaufenthaltes ihrerseits im Januar 2005 habe sie dem Kläger das Fahrzeug
sowie den Zweitschlüssel übergeben, eine Verständigung dahingehend, dass das
Fahrzeug von beiden Eheleuten jeweils im wöchentlichen Wechsel genutzt werden
sollte, habe es zwischen den Eheleuten entgegen der Behauptung des Klägers nicht
gegeben.
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Aus der Tatsache, dass der Kläger die Darlehensraten für den PKW gezahlt habe,
ergebe sich nichts anderes, da die Zahlung von anstehenden Rechnungen von den
getrennten Konten der Eheleute allein danach erfolgt sei, welche Belastung von dem
jeweiligen Konto aufgrund der regelmäßig dort eingehenden Einnahmen verkraftet
werden konnte.
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Vielmehr sei es so, dass während der gesamten Ehe die Fahrzeuge ihr zugeordnet
gewesen seien, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Heirat im Jahre 1971 noch keine
Fahrerlaubnis gehabt habe und sie das erste Fahrzeug mit in die Ehe gebracht habe.
Letztlich könne die Frage, ob beide Eheleute Miteigentümer des Kfz seien, jedoch
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dahinstehen, da die Beklagte jedenfalls das KFZ im Hinblick darauf, dass sie im Besitz
des Kfz-Briefes gewesen sei, gutgläubig erworben habe.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die Eigentumsverhältnisse an dem Kfz
seien wegen des Verfügungsverbotes des § 1369 BGB unbeachtlich. Insbesondere
habe das Fahrzeug zum gemeinsamen Hausrat gehört, da es für familiäre Zwecke
genutzt und sogar noch während der Trennungszeit wöchentlich gewechselt worden
sei. Zutreffend sei zwar, dass der PKW auch wegen der notwendigen Fahrten der
Streithelferin zum Arbeitsplatz gekauft worden sei, ganz klar sei jedoch gewesen, dass
dieser Wagen ebenso wie der vorher im Besitz der Familie befindliche VW-Passat
weiter der familiären Nutzung habe dienen sollen, andernfalls man lediglich einen
Kleinwagen gekauft hätte.
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Unstreitig sei der Kaufvertrag jedoch von beiden Eheleuten gemeinsam abgeschlossen
worden. Auch sei es ständig, auch nach der Trennung, abwechselnd genutzt worden.
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Eine Herausgabe des Fahrzeuges an sich könne er beanspruchen, weil die
Streithelferin bei einer Zwangsvollstreckung die Entgegennahme des Fahrzeuges an
sich ablehnen und so die Zwangsvollstreckung verhindern könne. Überdies habe sie
durch ihre eigenmächtige Verfügung über das Fahrzeug den Besitz an diesem
aufgegeben.
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Er sei im Übrigen nach wie vor dringend auf die PKW-Nutzung angewiesen, da er über
kein anderes Fahrzeug verfüge.
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II.
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Die zulässige Berufung der Streitgenossin der Beklagten bleibt in der Sache ohne
Erfolg.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe des
streitbefangenen PKW gemäß § 1368 BGB, da es sich hierbei um einen
Haushaltsgegenstand im Sinne des § 1369 BGB i.V.m. § 8 HausratsVO gehandelt hat
und demzufolge die Übereignung dieses PKWs durch die Streitgenossin an die
Beklagte gemäß §§ 1369 Abs. 3 i.V.m. § 1368 BGB unwirksam war. Demzufolge kommt
es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Streithelferin der Beklagten
tatsächlich Alleineigentümerin des Fahrzeugs war, nicht an, und insbesondere kann die
Beklagte sich nicht mit Erfolg auf die Vorschriften über den Erwerb vom
Nichtberechtigten berufen, da es sich bei den Regelungen der §§ 1368, 1369 BGB um
Schutzvorschriften zu Gunsten der Ehegatten handelt und der Dritte gehalten ist, sich
bei Gegenständen des ehelichen Haushalts zu vergewissern, ob der Ehegatte zu
Verfügungen über diesen Gegenstand berechtigt ist (vgl. Palandt-Brudermüller, BGB,
65. Auflage, § 1368 BGB Rdnr. 1, 2).
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Aufgrund der besonderen Umstände des Falles und des unstreitigen Sachvortrages
beider Parteien geht der Senat davon aus, dass es sich bei dem PKW Ford Mondeo um
einen Hausratsgegenstand der Eheleute gehandelt hat, wobei die Frage, unter welchen
Umständen ein PKW als Hausratsgegenstand anzusehen ist, in der Rechtsprechung
noch nicht abschließend geklärt ist.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (FamRZ 1983, 794; 1991, 43, 49;
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1992, 538) ist ein PKW nur ausnahmsweise und unter besonderen Umständen dem
Hausrat zuzuordnen, nämlich dann, wenn er von den Ehegatten gemeinschaftlich zum
Zwecke der Haushalts- und privaten Lebensführung genutzt wird.
In der Instanzenrechtsprechung wird teilweise – insoweit weitergehend – ein PKW dann
als Hausrat angesehen, wenn er aufgrund gemeinsamer Zweckbestimmung der
Eheleute überwiegend für das familiäre und eheliche Zusammenleben genutzt werden
soll und im Wesentlichen nicht nur den persönlichen Zwecken eines Ehegatten dient
(OLG Hamm FamRZ 1983, 72; 1990, 57; OLG Hamburg FamRZ 1990, 1118; OLG
Zweibrücken FamRZ 1991, 848; 2005, 902; OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 1105; OLG
Nürnberg, FamRZ 2002, 322, 323;).
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Demgegenüber wird von einer im Vordringen befindlichen Auffassung darauf abgestellt,
ob es sich bei dem PKW um das einzige im Besitz der Familie befindliche Fahrzeug
gehandelt hat. Da in einem solchen Fall das Auto für sämtliche familiären Belange
genutzt wird, soll der Schwerpunkt der Nutzung im familiären Bereich jedenfalls dann
liegen, wenn das Fahrzeug "in großem Umfang" für familiäre Zwecke genutzt wurde
(OLG Karlsruhe, FamRZ 2001, 760; OLG Naumburg, FamRZ 2004, 889, 890; OLG
Koblenz FamRB 2006, 102 f.). Dies soll insbesondere auch dann gelten, wenn das
Fahrzeug von einem Ehepartner für die Fahrten zum Arbeitsplatz genutzt wird, da auch
solche Fahrten letztlich dem Unterhalt der Familie dienen und damit dem privaten
Bereich zuzuordnen sind (OLG Koblenz, FamRB 2006, 102 f. KG FamRZ 2003, 1927 m.
zust. Anm. Wever, FamRZ 2003, 1928; Brudermüller, FamRZ 2006, 1160).
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Dieser letztgenannten Auffassung schließt sich der Senat an. Denn bei der Frage, ob
ein PKW dem Hausrat zuzuordnen ist, kann es nicht darauf ankommen, ob ein Ehegatte
das Fahrzeug wegen beruflicher Fahrten zum Arbeitsplatz häufiger nutzt als der andere.
Entscheidend ist vielmehr, dass immer dann, wenn einer Familie nur ein Auto zur
Verfügung steht, dieses zwangsläufig für sämtliche Fahrten im familiären Bereich
genutzt wird, sei es für Einkaufs- oder Urlaubsfahrten, sei es für Besuchs- oder
Transportzwecke. Insbesondere werden auch die Fahrten zum Arbeitsplatz häufig nicht
wegen der Unzulänglichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel zwingend geboten sein,
sondern vielmehr auf einer Absprache der Eheleute beruhen, so dass letztlich auch
diese Fahrten dem privaten Bereich zuzuordnen sind, zumal hierbei erfahrungsgemäß
häufig auch noch private Belange erledigt werden.
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Bereits nach dem eigenen Vortrag der Streithelferin muss davon ausgegangen werden,
dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein solches
Familienfahrzeug handelte. Hierfür spricht bereits die Tatsache, dass es sich um das
einzige Fahrzeug der Familie handelte und demzufolge von beiden Eheleuten nach
Bedarf genutzt wurde. In diesem Zusammenhang hat die Streithelferin selbst
eingeräumt, dass das Fahrzeug nicht nur für gemeinsame Urlaubsfahrten sowie für die
Fahrten des täglichen Bedarfs von beiden Eheleuten genutzt wurde – so etwa, wenn der
Kläger Einkäufe tätigte, Altglas oder Grünschnitt wegbrachte oder den Wagen für seine
eigenen Freizeitaktivitäten brauchte. Soweit die Streithelferin sich darauf beruft, sie
habe das Fahrzeug überwiegend beruflich genutzt, ist eine entsprechende Nutzung
bereits ihrem eigenen Vorbringen nicht zu entnehmen, hat sie doch selbst mit Schriftsatz
vom 02.02.2006, Bl. 100 d. A. vorgetragen, dass eine Fahrgemeinschaft mit einem
Arbeitskollegen bestand, so dass das Auto auch während der Woche dann, wenn die
Streithelferin das Auto nicht nutzte, dem Kläger zur Verfügung stand. Bei dieser
Gestaltung steht außer Zweifel, dass von einer vorwiegend beruflichen Nutzung des
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Autos seitens der Ehefrau des Klägers keine Rede sein kann.
Handelte es sich mithin bei dem PKW um einen Hausratsgegenstand, konnte die
Beklagte den streitgegenständlichen PKW aufgrund der Vorschriften der §§ 1369 Abs. 3
i.V.m. 1368 BGB nicht gemäß § 932 BGB gutgläubig erwerben und das
Herausgabeverlangen des Klägers ist berechtigt.
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Soweit die Streithelferin der Beklagten nunmehr erstmalig nach Schluss der mündlichen
Verhandlung im Berufungsverfahren und mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
18.10.2006 geltend macht, der Hausrat sei bereits geteilt, kann dahinstehen, ob sich
dem Sachvortrag der Streithelferin der Beklagten eine solche Hausratsteilung noch vor
Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs an die Beklagte überhaupt entnehmen
lässt. Denn jedenfalls ist dieser Sachvortrag gemäß § 621 d Abs. 1 Satz 1 ZPO als
verspätet zurückzuweisen. Der vorliegende Sachverhalt betrifft Ansprüche aus dem
ehelichen Güterrecht im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO, welcher auch Ansprüche
nach § 1368 BGB erfasst (vgl. insoweit für Zöller-Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 621 Rdnr.
61), so dass Angriffs- und Verteidigungsmittel, die infolge grober Nachlässigkeit
verspätet vorgetragen werden, dann nicht mehr zuzulassen sind, wenn ihre Zulassung
die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde. Der nunmehrige Sachvortrag der
Streithelferin der Beklagten, der Hausrat sei schon geteilt gewesen, ist erstmalig erfolgt
und die Streithelferin der Beklagten hat keinerlei Gründe vorgetragen, warum dies über
zwei Instanzen hinweg bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen
wurde, so dass von grober Nachlässigkeit auf ihrer Seite auszugehen ist. Insbesondere
würde die Berücksichtigung dieses Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreits
verzögern, da dem Kläger zu diesem Vorbringen – sofern hierin der schlüssige Vortrag
einer Hausratsteilung zu sehen sein sollte - eine Gelegenheit zur Stellungnahme
eingeräumt werden müsste und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
geboten wäre.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Im Hinblick darauf, dass gemäß den vorstehenden Ausführungen die Frage, unter
welchen Voraussetzungen ein PKW dem Hausrat zuzuordnen ist, bislang nicht
abschließend geklärt ist mit der Folge, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat, und überdies abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte vorliegen,
war gemäß § 543 Abs. 1 und 2 ZPO die Revision zuzulassen.
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Streitwert des Berufungsverfahrens: 5.200 €
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