Urteil des OLG Düsseldorf vom 08.03.2006

OLG Düsseldorf: nebentätigkeit, wohnkosten, schichtdienst, zusammenleben, nebenbeschäftigung, unterhaltsrente, haushalt, nebenverdienst, ausbildung, einkünfte

Oberlandesgericht Düsseldorf, II-8 WF 3/06
Datum:
08.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
II-8 WF 3/06
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts
Oberhausen vom 13. Dezember 2005 abgeändert und den Beklagten
raten-freie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H.,
O., bewilligt, soweit sie sich gegen eine Abänderung des Urteils des
Amts-gerichts Oberhausen vom 17.12.2003 auf eine Herabsetzung der
monatli-chen Unterhaltsrente auf weniger als 291 € bzw. 249 €
verteidigen, sowie für den Widerklageantrag des Beklagten zu 2., soweit
dieser in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Oberhausen vom
17.12.2003 die Verurteilung des Klägers zur Zahlung einer monatlichen
Unterhaltsrente in Höhe von 291 € geltend macht.
Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Die
Gerichts-kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
I. Der 1960 geborene Kläger ist der seit 1999 von der Kindesmutter geschiedene Vater
der Beklagten, des am 5. November 1990 geborenen D. und des am 24. September
1992 geborenen J. B.
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Mit Urteil vom 17. Dezember 2003 (Aktenzeichen 40 F 12/03) wurde er vom Amtsgericht
Oberhausen zur Zahlung von Kindesunterhalt für den Beklagten zu 1) von zuletzt 304 €
und für den Beklagten zu 2) von zuletzt 249 € ( 2. Einkommensgruppe der Düsseldorfer
Tabelle Stand 1.7.2003) verurteilt. In dem angefochtenen Urteil war der Kläger aufgrund
seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Beklagten verpflichtet
worden, durch Aufnahme einer Nebentätigkeit neben seiner vollschichtigen
Erwerbspflicht einen Nebenverdienst in Höhe von 400 € zu erzielen. Der Kläger befand
sich seinerzeit nach der Insolvenz seines Arbeitgebers in einer Umschulung und bezog
Kurzarbeitergeld.
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Im Wege der Abänderung macht der Kläger nunmehr geltend, er habe nach vielfachen
vergeblichen Erwerbsbemühungen in Varel in Norddeutschland eine Stelle als
ungelernter Lagerarbeiter gefunden, für die er bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von
37,5 Stunden im Schichtdienst 1.800 € brutto verdiene. Dies erlaube ihm nicht die
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Zahlung der titulierten Unterhaltsbeträge. Eine Nebentätigkeit sei ihm nunmehr nicht
mehr zumutbar, da er auch an Wochenenden arbeiten müsse und physisch durch die
ausgeübte Tätigkeit ausgelastet sei. Er wohne zur Untermiete und zahle hierfür 180 €
monatlich, habe dafür jedoch eine Entfernung von 35 km einfache Strecke zu seinem
Arbeitsplatz zurückzulegen.
Die Beklagten begehren Klageabweisung sowie im Wege der Widerklage eine
Erhöhung auf jeweils 312 € monatlichen Kindesunterhalt ab Rechtshängigkeit. Sie
stützten dieses Begehren darauf, dass der Kläger seine Erwerbsobliegenheit nicht
erfülle. Zudem sei die vom Kläger angegebene Anschrift lediglich eine Meldeadresse,
tatsächlich lebe er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und trage keinerlei
Wohnkosten. Die Aufnahme einer Nebentätigkeit sei ihm durchaus zumutbar.
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Das Amtsgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch der Beklagten zurückgewiesen und
die Entscheidung darauf gestützt, dass der Kläger im Hinblick auf seine Tätigkeit im
Schichtdienst keine Nebentätigkeit aufzunehmen brauche. Eine Kürzung des
Selbstbehalts im Hinblick auf die geringen Wohnkosten käme nicht in Betracht, da es
dem Kläger frei stehe, wie er die ihm im Rahmen des Selbstbehalts verbleibenden
Beträge einsetze. Auch das von den Beklagten behauptete Zusammenleben mit seiner
Lebensgefährtin ändere hieran nichts, da die Lebensgefährtin den Beklagten nicht zum
Unterhalt verpflichtet sei und Leistungen, die sie ggf. für den gemeinsamen Haushalt
erbringe, nicht mit der Zweckrichtung erfolgten, die Unterhaltsansprüche der Kinder zu
sichern.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der diese wiederum geltend
machen, der Kläger könne sich nicht auf das von ihm tatsächlich erzielte Einkommen
berufen, sondern sei zur Aufnahme einer Nebentätigkeit verpflichtet. Hierzu sei er auch
in der Lage. In O. hätte der Kläger jederzeit als Trainer von Fußballamateurvereinen
einen Nebenverdienst in Höhe von 400 € erzielen können. Die Notwendigkeit nach
Norddeutschland zu ziehen, habe nicht bestanden. Der Selbstbehalt des Klägers sei im
Hinblick auf das Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin zu kürzen. Wegen des
Zusammenlebens fielen auch die vom Kläger behaupteten Fahrtkosten nicht an.
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II.
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Die Rechtsverteidigung der Beklagten gegen die beabsichtigte Abänderungsklage hat
im tenorierten Umfang Aussicht auf Erfolg. Der Kläger kann sein weitergehendes
Abänderungsbegehren nicht auf seine geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse stützen.
Er ist vielmehr nach wie vor zur Zahlung des nach der derzeit gültigen Düsseldorfer
Tabelle bei 291 € liegenden Regelbetrages für die nunmehr beide in die dritte
Alterststufe einzugruppierenden Beklagten leistungsfähig. Zwar ist dem Amtsgericht
darin beizupflichten, dass dem Kläger die Aufnahme der jetzt von ihm inne gehaltenen
Erwerbstätigkeit als ungelernter Lagerarbeiter zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe
von 1.800 € unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar ist. Dem Kläger ist jedoch trotz Tätigkeit
im Schichtdienst zumutbar, zur Sicherung zumindest des Regelbetrages nach der
Düsseldorfer Tabelle seine Einkünfte durch Aufnahme einer Nebentätigkeit
aufzubessern. Ob ein Unterhaltsschuldner, der im Rahmen seiner vollschichtigen und
seiner Ausbildung entsprechenden Tätigkeit erwerbstätig ist, zur Aufnahme einer
Nebentätigkeit verpflichtet ist, hängt davon ab, ob ihm dies im Einzelfall zumutbar ist und
ihn zeitlich und physisch nicht unverhältnismäßig belastet. Die Lebenssituation des
Klägers lässt durchaus die Aufnahme einer wenn auch nur geringfügigen
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Nebenbeschäftigung zu. So beträgt die reguläre Arbeitszeit des 1960 geborenen
Klägers lediglich 37,5 Stunden. Dass er in größerem Umfang zu Überstunden
herangezogen wird – die dann jedoch auch durch Freizeitstunden ausgeglichen würden
–, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch finden keine regelmäßigen Umgangskontakte
mit den Beklagten statt, die die Aufnahme einer Nebentätigkeit unzumutbar erscheinen
ließen. Dass unter diesen Voraussetzungen durch die Aufnahme einer auch nur
geringfügigen Nebenbeschäftigung seine physische Belastbarkeitsgrenze überschritten
würde, kann nicht festgestellt werden. Im Rahmen seiner gegenüber den minderjährigen
Kindern gesteigerten Unterhaltspflicht ist es dem Kläger vielmehr zuzumuten, die zur
Aufrechterhaltung seiner Leistungsfähigkeit erforderlichen 150 bis 200 € netto monatlich
durch die Aufnahme einer Nebentätigkeit zu erwirtschaften. Darüber hinaus ist zu
berücksichtigen, dass der Kläger nach dem für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
maßgeblichen Vorbringen der Beklagten in V. mit seiner neuen Partnerin zusammen
lebt, mit ihr einen gemeinsamen Haushalt führt und hierfür für ihn keine Wohnkosten
anfallen. Inwieweit beim Zusammenleben mit einer neuen Partnerin aufgrund der
erfahrungsgemäß bestehenden Ersparnisse gerade beim Unterhaltsanspruch
Minderjähriger eine Kürzung des Selbstbehalts in Betracht kommt, wird zwar
unterschiedlich bewertet. Der Senat hält jedoch vorliegend die Herabsetzung des
Selbstbehalts in Höhe von 890 € seit dem 1. Juli 2005 (vgl. unterhaltsrechtliche
Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Oldenburg Ziffer 21.2.1) um 150 €
für angemessen berücksichtigt, zumal die Leitlinien des Oberlandesgerichts Oldenburg
gemäß Ziffer 21.5 eine angemessene Absenkung der Selbstbehalte noch ausdrücklich
vorsehen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine über die Regelbeträge der Düsseldorfer
Tabelle hinausgehende Inanspruchnahme des Klägers ist dagegen nicht dargetan.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
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